1\l 270. 17. Zahrgailg. 2. JeilU des„Mmillls" KtlllM WlksdlM s.m,.g..8 so». Prozeß Sternberg . Nach Eröffnung der Sitzung durch Landgerichtsdirektor Müller teilt derselbe mit, daß der Gerichtshof den Antrag des Angeklagten Sternberg , den Chcfredacteur Kronsbein darüber zu ver- nehmen, von wem die Artikel in der„Post" herrühren, abgelehnt habe, da das Beweisthema au dieser Strafsacke in keiner Beziehung stehe. Bei dieser Gelegenheit kommt der Vorsitzende auf eine gestern vom Angeklagten Sternberg zu dieser Sache gemachte Bemerkung zurück. Diese Bemerkung erhebe eine unerhörte Verdächtigung gegen die hier auf dem Podium sitzenden Beamten, denn er habe gesagt, daß vielleicht amtlich mit dieser Sache befaßte Per- sonen diesen Artikeln nicht fernstehen könnten.(Der Angeklagte schüttelt mit dem Kopf,) Sollte der Angeklagte noch einmal eine solche dreiste Anschuldigung erheben, so würde ihn der Gerichtshof sofort in die höchst zulässige Ordnungsstrafe nehmen. Der Angeklagte will etwas erwidern, der Vorsitzende erklärt aber, keine weitere Bemerkung entgegenzunehmen. Im Anschluß hieran stellt der Vorsitzende die schön von der ininisteriellen„Berl. Korr," hervorgehobene Zchatsache fest, daß der Direktor des Detekliv-Jnstituts.Jus" keine Belobigung vom Justizminister erhalten habe, vielmehr nur dem im Wieder- aufnahme-Verfahren freigesprochenen Steuererheber Drinkman» auf Anweisung des Justizministers die 750 M. wieder erstattet wurden, die er dem Detektiv-Jnstitut„Jus" zu bezahlen hatte. Die Ver- teidigung verzichtet nunmehr auf den Antrag, den Justizminister darüber als Zeugen zu laden. Es werden hierauf einige von der Verteidigung geladene Zeugen vernommen. WaS ein Detcktiv-Direktor ermittelt. Frau G o e r z bekundet einen Vorfall, bei welchem die Frieda Woyda vor sieben Jahren eine unzüchtige Handlung mit einer kleinen vierjährigen Gespielin vorgenommen haben soll. Die Frieda habe damals sofort von ihrer Mutter Schläge be- kommen. Die Thatsache ist, wie durch Befragen der Zeugin festgestellt wird, durch den Detektiv- Direktor Schulze ermittelt worden. Ueber die Möglichkeit des behaupteten Vorgangs erheben sich längere Erörterungen, an denen sich Staatsanwalt Braut, die gerichtlichen Sachverständigen Dr. S t ö r m e r und Dr. Puppe, die Beisitzer und die Verteidiger beteiligen. Auch Frau Elise Z i ck e r t bekundet eine unzüchtige Handlung, die vor Jahren die Frieda Woyda mit dem kleinen Sohn der Zeugin begangen haben soll. Die damalige Nachbarin der Zeugin, Frau Bornemann, hatte ihr von dem Vorgang erzählt. Auf die Fragen des Staatsanwalts giebt die Zeugin zu, daß sie von zwei Männern über den Leumund der Woyda befragt worden sei, ohne daß irgend eine Art der Beeinflussung sich geltend ge- macht habe. Eine Frau Müller ist nach ihrer Bekundung zweimal Augen- zeugin einer recht unzüchtige» Handlung gewesen, die Frieda Woyda vor etwa 7 Jahren an dem kleinen Neffen der Zeugin vorgenommen. Die Zeugin ist darüber so empört gewesen, daß sie das Mädchen auf den Mund geschlagen und sich bei der Mutter der Frieda beschwert hat, welche die Frieda sehr gezüchtigt hat. Auch ein drittes Mal hat sich Frieda gegen den Knaben unzüchtig vergangen.— Frieda Woyda erklärt, sich auf alle diese Dinge nicht besinnen zu können.— Justiz- rat Dr. S e l l o betont, daß sie in der ersten Verhandlung in einem Fall zugegeben, daß sie Dummheiten mit dem kleinen Jungen vor- igenommen habe. Frieda Woyda behauptet, daß sie das nur gesagt habe, weil Frau Müller ihr so etwas zugeflüstert habe. Frau Müller destreitet dies entschieden. Sie behauptet auch, daß sie die Frieda nur als verlogen kennen gelernt habe. Auch die von dieser Zeugin bekundeten Thatsachen sind von dem Direktor Schulze und einem andern Herrn, der nach dcni Leumund der kleinen Woyda forschte, ermittelt worden. Die Briefe der Pfeffer. Nach einer kiirzen Pause wird Kriminalkommissar v. TreSckow befragt, welches Ergebnis seine Recherchen»ach den Briefen der Pfeffer auf dem Boden des Hauses Wilhelmstr. 47 gehabt haben. v. Tresckow erklärt, daß das Nachsuchen bisher keinen Erfolg gehabt babe. Der Vorsitzende bittet, die Nachforschungen am Dienstag bis Mittag fortzusetzen. Au jenem Tage habe die Kammer einige not- wendige Hastsachen zu erledigen, um aber nicht einen ganzen Tag zu verlieren, soll der Prozeß Sternberg erst um 12 Uhr mittags wieder aufgenommen werden. Der Angekl. Sternberg hofft, mit Hilfe eines Vertrauensmanns die Papiere herauszufinden. Auf Anregung der Verteidiger Justizrat Dr. S e l l o und Fuchs l wird die Zeugin Frau Blllmke nochmals darüber befragt, ob sie denn jetzt während des Prozesses mit ihrer Schwester Frieda über den Prozeß und ihre Aussage gesprochen hat. Frau Blümke bejaht dies. Sie habe die Frieda oft genug gefragt, ob sie denn jetzt die Wahrheit sage, das Mädchen bleibe dabei, daß sie jetzt die reine Wahrheit sage und die früheren Unwahrheiten nur auf den Einflüsterungen des Zeugen Stierstädter beruhen. Nochmals Sttcrstädter. Darauf wird Frieda Woyda nochmals vorgerufen und sehr eindringlich und eingehend vom Vorsitzenden befragt, wie sie denn zu gewissen Einzelheiten gekommen sei, die sie vor dem Untersuchungsrichter Hömel als angeblich geschehen bekundet hat. Frieda bleibt immer wieder dabei, daß Herr Stierstädter ihr alles das vorerzählt und immer wieder vorgehalten habe. Sie wisse ganz gut, daß sie das erste Mal unrecht gethan habe, sie habe aber jetzt ganz gewiß die Wahrheit gesagt.— Zeuge Stier st ädter bestreitet die Behauptungen des Mädchens. Das sei alle« nicht wahr.— Frieda: Es ist doch wahrl— Zeuge Stier st ädter: Es ist nicht wahr!— Frieda: Es ist doch wahr! Ich sage jetzt die Wahrheit. — Zeuge Stier st ädter: Ich hätte ja 24 Stunden Zeit haben müssen, um dem Mädchen alle diese Einzelheiten mitzuteilen; während der kurzen Droschkenfahrt»ach der Polizei war dies ganz unmöglich.— Frieda: Es ist doch wahr l Herr Stierstädter hat mir alles vorerzählt. Er ist ja oft genug in unsrer Wohnung geivesen und hat davon gesprochen.— Der Borsitzende macht das Mädchen darauf aufmerksam, daß in ihrer Aussage vor dem Unter- suchungsrichter doch auch Einzelheiten enthalten seien, die sie un- möglich von Herrn Stierstädter haben könne, da sie diesem überhaupt nicht bekannt sein konnten. Ei» neuer Appell an Frieda Woyda. Der Vorsitzende giebt sich unendliche Mühe, viele Minuten hindurch durch die minutiösesten Fragen von der Zeugin herauszu- bekommen, wie sie denn nun zu diesen Einzelheiten gekommen sei.— Präs.: Frieda geh' doch in Dich und sage die Wahrheit!— Frieda: Ick sage jetzt die Wahrheit. — Präs.: Wir wollen in aller Ruhe noch einmal alle Punkte erörtern. Du mußt mir eine Erklärung dafür geben, wie Du zu den Einzelheiten gekommen bist, die Du doch nicht alle von Herrn Stierstädter erhalten haben kannst. Kind, sage doch die Wahrheit!— F r i e d a: Ich sage ja die Wahrheit. Ich weiß ja, daß ich Unrecht gethan habe, aber ich sage jetzt die Wahrheit. — Präs.: Aber. Kind, Du mußt mir doch irgend eine Erklärung abgeben können, wie Du zu jener Aussage gekommen bist.— Frieda: Herr Stierstädtcr hat mir alles vorerzählt, ich habe auch noch manches zugesagt.— Präs.: Sollen wir denn wirklich glauben, daß Du in der Zeit, wo Du vom Untersuchungs- richter vernommen wurdest. Dir in aller Eile zu dem, was Dir an- geblich Herr Stierstädter vorerzählt haben soll, noch selbst etwas zugelogen hast? Das ist doch kaum glaublich.— Frieda: Ich habe meistens alles von Herrn Stierstädtcr.— Etwas Weiteres ist von dem Mädchen nicht herauszubekommen. Sie bleibt dabei, daß sie jetzt die Wahrheit gesagt habe und nichts weiter sagen könne. Auf weiteres Befragen des Recbtsanwalts Dr. Werthauer meint das Mädchen, daß- es bei der Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter nicht in so langen, zusammenhängenden Sätzen, wie sie das Protokoll enthalte, gesprochen, sondern auf Fragen geantwortet habe.— Präs.: Der Untersuchungsrichter kann unmöglich Dich über Dinge befragt haben, von denen er selbst nichts wußte.— Rechtsanwalt Heinemann; Herr Stierstädter, wenn Sie nun das alles hier hören, was sagen Sie dazu?— Zeuge Stier st ädter: Wenn ich das alles höre, kann ich nur sagen: Entweder hat die Frieda früher scbrccklich gelogen oder sie' lügt jetzt! Das muß wohl der ganzen Welt klar sein.' Wenn ich dem Mädchen nach angeblichen Notizen alle diese Sachen einreden sollte, muß ich doch ein ganzes Buch voll Notizen gehabt haben. Eine kleine Mitschülerin der Woyda bekundet einige unanständige Ausdrücke, die sie von derselben gehört haben will. Dies sei vor etwa zwei Jahren geschehen. Auch einen andren Vorfall bekundet sie, der darauf hindeuten solle, daß das Mädchen zu Unanständigkeiten hinneige. Frieda Woyda bestreitet, die unanständigen Worte gebraucht zu haben und will sich auf den andern Vorgang nicht mehr besinnen. Auf verschiedene Vorhaltungen der Verteidigung erklärt das Mädchen:„Ich will mich ja auch gar nicht loben!" Zeugin Frau Marie L a d e m a n n hat vor 6 bis 7 Jahren von einem kleinen Mädchen gehört, daß Frieda Woyda mit ihr unzüchtige Handlui gen vorgenommen habe. Der Vorsitzende will im Anschluß hieran an einzelne der ehe- maligen Hausgenossen der Familie Woyda einige Fragen der Sachverständigen gerichtet wissen, die sich auf die Eltern der Frieda Woyda, deren Gesundheitszustand ic. beziehen. Zwei der Zeuginnen können in dieser Beziehung nur aussagen, daß sie den Vater manchmal be- trunken gesehen haben, sonst aber nichts wissen. Physikus Dr. Stürmer hält es für durchaus notwendig, daß die Sachverständigen noch Näheres über das Vorleben der Eltern erfahren und über das Geistes- und Triebleben des Mädchens durch besondere Ex« ploration mehr als bisher unterrichtet werden. Die zahl- reichen Fragen in dieser Beziehung könne er im Augenblick nicht an die Zeugin stellen, er halte es zur Vorbereitung seines Gutachtens für nötig, daß er durch längere Unterhaltungen mit der Frieda Woyda in die Lage komme, die ihm wichtig erscheinenden Momente festznstcllen.— Die Eheleute Blümke erklären sich damit einverstanden, daß die Sachverständigen sie zum Zweck der Ex- ploration der Frieda besuchen.— Sachverständiger Dr. Moll hält weitere Fragen auch für wünschenswert, die Sachverständigen Geh. Rat Professor Dr. Eulenburg und Dr. Puppe halten es für ausreichend, wenn Frau Huth, als die Schwester der Frau Woyda, über das Leben der Woydaschen Eheleute befragt werde.— Der Gerichtshof hält die von dem Sachverständigen Dr. S t ö r m e r gewünschten Vorbesuche nach§ 80 Str.- P.- O. für unzulässig, zumal es sich hier nicht um die Exploration eines Ange- klagten, sondern eines Zeugen handle.— Rechtsanw. Dr. Werth au'er behält sich einen bestimmten Antrag über diese Frage vor. Der Zimmermann Görtz kann Wesentliches nicht aussagen. Frau Kahlert hat etwa 6 Jahre mit der Familie Woyda in einem Hause zusammen gewohnt. Sie hat Nachteiliges über Frieda selbst nicht bemerkt, sondern nur von der Mutter gehört, daß sie das Mädchen häufiger auf einer Lüge ertappe und es ihr gleich am Gesicht ansehe, wenn sie gelogen habe. Die Mutter habe aber nicht gesagt, daß das Kind mehr wie andre Kinder lüge. Die Zeugin selbst hat das Kind nicht lügenhaft befunden, sie weiß auch nichts von einer etwaigen Krankheit der Eltern. Auck Frau A l b r e ch t kennt die Frieda nicht als besonders lügenhaft. Zeugin A l b r e ch t hat im September einmal zu der Frieda gesagt:„Du siehst ja jetzt immer so fein aus?" Darauf hat das Mädchen geantwortet,„sie habe mit ihrer Schwester geerbt und sie komme nun in eine höhere Schule". Eine andre Frau sei dabei gewesen.— Frieda giebt zu, eine Erbschaft nicht gemacht zu haben, erklärt aber auch, nicht zu wissen, daß sie so etwas gesagt habe.— Präs.: Wie kommst Du nun zu solcher Erzählung? Du mußtest doch das wieder erlogen haben?— Frieda: Ich weiß ja gar nicht, daß ich so etwas gesagt habe. Nachdem noch die Tochter der Zeugin Albrecht vernommen worden, die nichts zur Sache sagen kann, vertagt der Vorsitzende die weitere Verhandlung auf Montag 0�/s Uhr. Der Harmlosen-Prozeß in zweiter Auflage. Noch ist der Prozeß Sternberg in vollem Gange und schon rüstet man sich im Kriininalgerichtsgebäude in Moabit aufs neue zu einer „großen Aktion", die das allgemeine Jntereffe schon einmal in her- vorragendem Maße in Anspruch genommen hat. Vor der dritten Strafkammer deS Landgerichts I soll am Montag der vielerörterte „Harmlosen-Pro'zeß" in zweiter, zwar nicht verbesserter, aber vermehrter Auflage seinen Anfang nehmen. Als die Geheim- nisse des„Klubs der Harmlosen" im Oktober v. IS. vor derselben Strafkammer enthüllt wurden, da strömten tagtäglich zahlreiche Neu- gierige aus allen Gesellschaftsklassen in den Schwurgerichtssaal, in welchem 's o viele uniformierte und nicht uniformierte Vertreter der jeuuossv doree darüber vernommen wurden, wie es bei den Vergnügungen der eleganten Lcbewelt zugeht, wenn sie, die Nacht zum Tage machend, bei perlendem Sekt der Väter Gelder im tollen Glücksspiel leichtsinnig vergeudet. Diesmal wird sich das sonderbare forensische Schauspiel in etwas engeren Grenzen halten, denn der große Schwur- gcrichtssaal ist anderweitig besetzt und für die Verhandlungen steht nur der kleine Schwurg'erichtssaal zur Verfügung, welcher nur eine geringere Zahl von Zuhörern aufzunehmen vermag. Dies- mal. sind es vier Personen, gegen welche sich die auf g e w e r b s�- mäßiges Glücksspiel läutende Anklage richtet: 1. Der frühere Regierungs-Neferendar und ehemalige Lieutenant der Reserve im II.' Garde-Ulanen- Regiment Bruno von Kayser, der jetzt 31 Jahre alt ist und seiner Zeit in dieser Strafsache über 8 Monate in Untersuchungshaft zugebracht hat; 2. der jetzt 24 Jahre alte Lieutenant der' Reserve im II. Garde-Feldartillerie-Regiment Hans Bernhard v. K r ö ch e r. Sohn des Generalmajors und Brigade- kommandeurs v. K r ö ch e r. Auch er hat seiner Zeit über acht Monate in Untersuchungshaft gesessen; 3. der Kaufmann Alexander Paul von Schachtmeyer, jetzt 28 Jahre alt, Unteroffizier d. Res. im Feldartillerie Regt. Nr. 3. Diesen drei An- geklagten, die seiner Zeit die erste gerichtliche„Harmlosen"-Campagne gemeinsam durchgemacht haben, gesellt sich diesmal 4. der in Spieler- kreisen sehr bekannte und wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels vor- bestrafte Rentier Hermann Wolff hinzu, zu dessen„RuhmeSthaten" ein in den achtziger Jahren von ihm und dem Spieler Reuter ausgeführter Eoup gehört, bei welchem dem Fabrik- besitzer Arthur Prins-Reichenheim in einer Nacht die Kleinigkeit von 100 000 M. im Spiel abgenommen worden ist. Er war/ als der Harmloscn-Prozeß am 2. Oktober v. I. seinen Ansang nahm, so vorsichtig gewesen, nicht auffindbar zu sein und hat sich der Staatsanwaltschaft erst zur Verfügung gestellt, nachdem am 21, Oktober v. I. der Gerichtshof unter Vorsitz des Landgerichts- Direktors D e n s o die Angeklagten freigesprochen hatte, well er die ThatbestandSmerkmale des„gewerbsmäßigen" Glücksspiels' nicht für erfüllt ansah. Das Reichsgencht hat die rechtlichen Gesichts-■ punkte, aus welchen die Strafkammer zu seiner Entscheidung ge- kommen ist, infolge der von der Staatsanwaltschaft eingelegten Revision nachzuprüfen gehabt und ist zur Aufhebung des ersten Urteils gekommen. Daraus ergie'bt sich die Notwendigkeit, den gesamten Riesenprozeß noch einmal zu verhandeln. Unter den Angeklagten wird die Figur des Wolff die interessanteste sein. Er ist s. Z. durch v. K r ö ch e r in die vornehmen Spielerkreise eingeführt worden, wurde als„sehr anständiger und reicher Rentier" ausgegeben und hat sich unter den jungen adligen Offizieren und sonstigen Spielern wie ein vollkommener„Gentleman" bewegt— wenigstens wurde ihm in der vorigen Verhandlung dieses Zeugnis von den verschiedensten Seiten ausgestellt. Welche Rolle er an Jeu-Abenden gespielt hat, wird die Verhandlung zu ergebe» haben, die Rolle der drei übrigen Angeklagten ist schon während der vorigen Verhandlung in ausgiebigstem Matze illustriert worden. Es wird noch erinnerlich sein,' daß der ganze Prozeß seinen Ausgangspunkt von einigen Artikeln des„Berl. Tagebl." nahm, welche das Leben und Treiben im Klub der Harmlosen schilderten und von einem Herrn Dr. Ko rn b lu m. der mitten in der Spielergesellschaft ge- standen hatte, inspiriert waren. Die polizeilichen Recherchen haben dann ergebe», daß seit einer Reihe von Jahren hier in Berlin sich eine Gesellschaft von Ossizieren, jungen Beamten und Lebemännern aller Art, die bei Pferderennen sich zusammenfand, zu einer Spielet« gesellschaft geformt hatte, die in verschiedenen Weinrestaurants oder in besonders gemieteten Hotelräumen das Glück beim Baccarnt versuchte. So manche verheißungsvolle Karriere, so manches blühende Menschenleben soll im Laufe der Jahre durch die Launen des Spiel- teufels vernichtet worden sein. Infolge von Zwistigkeiten kam es schließlich zu einer Secession und auf Betreiben v. Kröchers, des Grafen Königsmarck, des bekannten Frhrn. von und zu Egloffstein und andre wurde der später unter diesem Namen bekannt gewordene „ K l ujb der Harmlosen" begründet, für den im Centralhotel ein Saal und zwei Zimmer zur Verfügung standen, bis er später in das Minerva-Hotel übersiedelte. Er ivurde am 15. Oktober 1898 durch ein glänzendes Diner eröffnet, nachdem mehrere hundert Einladungen an die Offiziere aller wohlhabenden Regimenter ergongen waren. Bald nach dem Eröffnungsdiner schieden Graf Königsmarck und Freiherr von EgloMein ans dem Vorstand aus und der Angeklagte v. Schachtmeyer wurde in denselben ge- wählt. Es wird noch frisch in Erinnerung sein, wie es an Spiel- abenden, namentlich an den„großen" Abenden des Sonnabends in diesem Klub hergegangen ist und wie insbesondere der Angeklagte v. Kayser durch die Kaltblütigkeit seines Pointierens und durch die Spielbeteiligung mit großen Summen, der Angeklagte v. K r ö ch e r aber durch seinen verblüffenden Wagemut und sein unheimliches Glück aus dem großen Kreise der übrigen Spieler hervorragten. Aus dem ganzen Auftreten und der Lebenshaltung der Angeklagten, insbesondere der Angeklagten v. Kayser und v. Kröcher folgert die Anklage- beh'örde, daß sie nicht nur aus besonderem Hang der Göttin Fortuna nachjagten, nicht nur. wie so viele andre sich durch das Setzen großer Summen auf eine Karte einen besonderen Nervenreiz sich verschafften, sondern aus dem Glücksspiel geradezu ein G e w e r b e machten. Die Anklage behauptet, daß Herr v. Kayser mit den ordentlichen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, nicht im stände gewesen wäre, so zu leben, wie er es gethan. und daß die ganze Lebenshaltung des Herrn v. Kröcher, der sich eine luxuriöse Wohnung, Pferd und Wagen und einen Kammerdiener hielt, kostspielige Reisen nach Ostende , Monte Carlo , Wiesbaden , Paris zc. machte und einer Sängerin seine Huldigungen darbrachte, ganz und gar auf den Spiel er w erb zugeschnitten war. Ursprünglich neigte die Anklagebehörde sogar der Ansicht zu, daß in Gemeinschaft mit Herrn Wolff falsch gespielt ivorden sei, und es wird noch erinnerlich sein, daß, obgleich dieser Gesichtspunkt gänzlich fallen gelassen worden war, die gutachtlichen Darlegungen des Sach- verständigen Prestidigitateurs Hermann und des Kriminal- kommissars v. Manteuffel über die Tricks der Falschspieler einen ziemlich breiten Raum in der Verhandlung einnahmen.— Aus drr Zahl dr geladenen Zeugen ist zu schließen, daß die neue Verhandlung der ersten an Umfang kaum nachstehen wird. Den Vorsitz wird diesmal Landgerichtsdirektor Oppermann führen, die Anklage wieder durch den Oberstaatsanwalt Dr. I s e n b i e l und den Staatsanwaltschaftsrat Keller vertreten sein, den Angeklagten werden wiederum Justizrat Dr. S e l l o und Rechtsanwalt Dr. Schachtel, sowie die Rechtsanwälte Dr. Schwindt, Pincus I und Wronker(letzterer für Wolff) zur Seite stehen. Dem Vernehmen nach wird der im Auslande weilende Angeklagte v. Kröcher nicht an Gerichtsstelle erscheinen, so daß gegen ihn nicht wird verhandelt werden können. i Freie Volksbühne Heute, nachmittags 27, ühr: II. Abteilung. Carl Weias-Xheater: Ueber nnsre Kraft.(II. Teil.) Die Mitglieder werden gebeten, pünktlich zu erscheinen. Totensonntag, 25. A'ovember, keine Vorstellnng. Die Mitglieder werden daraul' aufmerksam gemacht, dass sie nur die Voratellnng ihrer Abteilnng besnehen dürfen. Xachziigler haben kein Anrecht auf einen Platz im Theater. 234/15 Der Vorstand. I. A.: G. Winkler. Schweizer Garten. Am Königsthor. Am Friedrichshain . Im neuen groben Saale: .Jeden Dal] Sonntags JJull bei verstärktem Orchester.— Ans. 4 Uhr Clyslum Landsberger Allee 40- 41. Jeden Sonntag und Mittwoch: Horüäeutsetie Säuger. Grosses Konzert. Um S Uhr:»Al l Antang 5 Uhr Entree 30 Pf. Urania Wrangelstrasse 10/11, Jeden Sonntag: Grosser Ball. Ans. 4 Uhr. Siehe Anschlagsäulen. I Empfehle mein Lokal zu Fest- 1 lichkeiten und Versammlungen. 5K23L») C. F. Walter. Gesellschaftshaus Swinemunderftr. 4L. Tägl. Theater«. Specialitäten- Borftellung. Jeden Sonntag: Ball. Säle für Gesellschaften, Bereine, koulant zu vergeben.(56242* H. Kriegers Festsäle, Wasserthorstr. 68. ♦ ffimpf. meinen Saal Vereinen und Gewerkschaften zu Versammlungen u. Festlichkeiten.— Jeden Sonntag, Dienstag u. Sonnabend öffentl. Tanz. Einige Sonnabende noch zu vergeben. Heinricli Heines sämtliche Werke, 43/2 IL Bände in 4 Bänden gebunden, für 6 Mark. Alle andren Klassiker billigst, auch auf Teilzahlungen. Prospekte gratis. Karl Herrmann Otto u. Co.. Berlin- Schöneberg , Gehlerstrahe 19. Alhamlwa Wallnertheatcr-Strasse 15 Jeden Sonntag und Dienstag: Gr. Extra-Ball bei doppelt besetztem grossen Orchester Anfang 5 Uhr. 136* A. Zaiueitat. Allen Parteigenossen, Freunden und Bekannten bringe mein in der LützowstraHe 51, Fcke Dörnbergstrasse, nett eröffnetes Schaiik-liOkal in empfehlende Erinnerung. Umi Hohmutb, (früh. Charlottonburg, Pestalozzistr.84).
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