nie aufhören, aber man muß sich doch bemühen, entsprechend den Lehren der christlichen Religion, in dem Fremdnn den christlichen Bruder zu sehen. Aber davon ist wenig zu merken. Mau hat ganz und gar vergesse;-, oaß sich in den europäischen Hauptstädten die Sinesisch«: Gesandtschaften befinden, die zusammengesetzt sind aus Personen, die es au Bildung, Wissen und Können mit jedem Staats- mann aufnehmen können, auch mit dem Herrn Staatssekretär des Auswärtige» Amts.(Große Heiterkeit.) Alle diese Dinge, die ich erwähnt habe, haben in hohem Grade dazu beigetragen, Aufregung in die Massen zu trage». Jnfolge dieser Aufregung sind in China Volksaufläufe entstanden. Die Folge war, daß Frankreich und England Schutztruppen nach China schickten. Wenn nun in einem fremden Lande, mit dem man durch Verträge inr Freundschaftsverhältnisse steht, plötzlich die fremde Macht, weil sie glaubt, daß ihre Gesandtschaft bedroht ist und die Regierung des fremden Lands nicht in der Lage ist, die nötige Sicherheit zu gewähren, eine derartige Schutz- t r u p p e s ch i ck t, so ist das eine schwere Provokation des be- treffenden Volks.(Sehr wahrl links.) Wenn die Sendung solcher Schutztruppen erfolgt, ohne daß man die Genehmigung der fremden Regierung eingeholt hat, so ist das ein Bruch dos Völkerrechts. Die verbündeten Regierungen mußten in kategorischer Weise an die chinesische Regierung herangehen und er- klären: Wenn wir die Sicherheit für unsre Gesandten nicht bekommen, dann ziehen wir dieGesandten zurück underklären damit den Krieg. Das war die einzige richtige Maß- r c g e l.(Sehr richtig! links.) Am 27. Januar bereits haben die Gesandtschaften der chinesischen Regierung Vorstellungen gemacht und verlangt, daß die geheimen Gesellschaften aufgehoben würden. Man fragte aber nicht danach, wie die chinesische Regierung das machen sollte. Wir haben hier in Deutschland Strafgesetze über Strafgesetze, Beamtenverfolgungen usiv. und wir haben es nicht verhindern können, daß Hunderte und aber Hunderte von geheimen Verbindungen bestanden. Ebensowenig konnte die chinesische Regierung die große Verbindung unterdrücken, weil sie eben nicht die Macht dazu hatte.(Lachen rechts. Sehr richtig I bei den Socialdemokraten.) Ja, die Herren lachen, ich be- ziehe mich auch hier wieder nicht auf mein eigenes Urteil, sondern auf einen Artikel, den Sir Robert Hart , der Verwalter der chinesischen Zölle seit 39 Jahren, in der„Daily Chronicle" veröffentlicht hat, ein langer, gemessener, ruhiger Artikel. Es wird darin als eine ganz verkehrte Anschauung bezeichnet, wenn man die Boxer hier in Europa einfach noch als Verbrecher, als Räuber darstellt, als Auswurf der Menschheit. Das sei nicht der Fall, sondern es sei das eine revolutionäre Bewegung in China , der auch Repräsentanten der Re- gierung beigetreten seien, die den Zweck verfolgt haben, die Organe des fremden Eroberers aus dem Lande zu treiben. Dann kam die Kollektivnote vom 21. März mit ihren Forderungen: Boxer- Hinrichtungen. Hinrichtnng aller Personen, die sich des Mords oder Brands schuldig machen, Hinrichtung derjenigen, welche die Boxcrbewegung begünstigen. Darauf wieder eine Verstärkung der Schutztruppen im April bis Juni laut Denkschrift. Man hat da nicht nach Ihrer Genehmigung gefragt, eine Verletzung der ein- fachsten völkerrechtlichen Bestimmungen. Es sollten dann bekannter- maßen noch mehr Truppen geschickt werden. Der deutsche Gesandte v. Kettler erklärte aber, er habe das nicht nötig; was er jetzt besitze, das geniige ihm für seine Sicherheit. Also die Verstärkung wurde abgelehnt. Am 12. Juli meldete der deutsche Gesandte, daß die Sendungen nach Peking aufgehalten werden tollten; das wurde abgelehnt: es war offenbar, daß eine Truppenabteilung nach Peking marschierte, die bekanntlich nicht nach Peking kam. Für die jetzt folgenden Ereignisse in Peking ist es nun von Wichtigkeit, uns zu vergegenwärtigen,' was die deutschen Truppen gegen die revolutionäre Bewegung in Peking gethan haben. Sie sollten die Gesandtschaften gegen revolutionäre Ueberfälle schützen, statt dessen— teilt der ehemalige Gesandte in China Herr v. Hansen in der„Nation" mit— sind schön vom 14. bis 17. Juni, also als irgendwelche revolutionäre Ausschreitungen gegen Gesandtschaften oder Fremde noch nicht vorgekommen waren, zahlreiche Chinesen, angeblich Boxer, von den Schuhtruppen auf den Straften und Tempeln niedergemacht.(Hört I hört!) Das ist das schwerste völkerrechtliche Verbrechen, daS man nch überhaupt denken kann. Ich erinnere an die Erzählung des Herrn v. Bismarck , die dieser veröffentlicht hat, wonach ein Boxer von der Wache aus von einem Deutschen erschossen worden ist, ohne daß das geringste in China geschehen war. Ich berufe mich auf das Zeugnis des Dolmetschers Cordes und einen Bericht der„Köln . Ztg.", also gewiß unparteiische Zeugen. Danach haben deutsche Posten e i n e M e n g e Chinesen, die vor den Wällen versammelt waren, und einen in der Mitte stehenden heftig gestikulierenden Mann be- obachtet, offenbar einen Sektierer, der zu einer Volksversammlung redete; sie haben auf die Menge angelegt, den Mann ,n derMitte und außerdem 6—8 andre erschossen. Das war wieder ein schweres völkerrechtliches Verbrechen, begangen, ehe irgend etwas gegen die Gesandtschaften geschehen war. Man denke sich, daß ein ähnlicher Fall in Berlin passierte, daß von der chinesischen Gesandtschaft in Berlin in eine Volksversammlung hinein geschos seju w ä r e I Nicht eine Viertel st unde und die Revolte wäre ausgebrochen, die Gesandtschaft erstürmt und alles was darin lebend� sich vorgefunden hätte, niedergemacht. So etwas ist überhaupt noch nicht dagewesen, während man Gesandte schon früher ennordet hat. Die Sol- baten hätten nicht geschossen, wenn es ihnen nicht befohlen worden wäre, und ihr Offizier hätte es ihnen nicht befohlen, wenn er an dem Gesandten nicht einen Rückhalt gehabt hätte. Herr von Ketteier trägt also die moralische Verant- w ortnng für alle diese S ch a n d t h a t e n.(Pfui! und Widerspruch rechts, Sehr richtig! links), dann kam die Erstürmung der Takuforts. Das war doch eine Kriegserklärung in oxtinu forma. Und trotz dieser Geschehnisse geht Herr Ketteler, obwohl er nachdrücklich gewarnt, nach dem Tsung-li-Damen. Er wird ermordet. Das war ein Verbrechen genau so wie die andern. Ich mache keinen Unterschied. Aber es war die Folge der Erbitterung durch alle die von mir erwähnten Geschehnisse. Es liegen sozusagen mildernde Umstände für dieses Verbrechen vor. In Deutschland hat man von offizieller Stelle aus die Sache freilich von Anfang an eiwas anders dargestellt. Es wurde von furchtbarer Rache gesprochen. Der Kaiser sprach von der Brandfackel des Kriegs. Heute will man von einem Kriege nichts w i s s e n. Der Kaiser kündigte feierlich einen Rachefeldzug an und sagte, er wolle nicht eher ruhen, als bis die deutsche Fahne auf Pekings Mauern weht. Ich kann nun begreifen, daß solche Pläne gehegt werden, schlver begreifen kann ich es aber, daß so etivas öffentlich ausgesprochen wird. Die Reden sind natürlich das Signal gewesen für a l l e S o l d a t e n, s o zu Hansen, w i'e sie g e h a u st haben. Das Wort von dem Rachekrieg ist sehr u n- ch r i st l i ch. Ein guter Christ, der man doch sein. will. sollte es nicht aussprechen. Die Rache ist mein, sagt Hder Herr. Man komnit uns ja immer mit Bibelsprüchen, warum sollen wir nicht auch einmal welche anführen.(Große Heiter- keit.) Das neue Testament, daß ich für ein hochsittliches Buch halte, verwirft die Rache, und wer sich zum neuen Testament bekennt, sollte auch danach handeln. Ein Krcuzzug sei es, ein heiliger Krieg, sagte ein protestantischer Geistlicher. Nein, es ist kein Kreuz- u g, kein heiligerKrieg, ein ganz gewöhnlicher Eroberungs- zug ist es, ein gemeiner Rachekrieg. Ter Name Krieg ist für die Barbarei, die jetzt in China getrieben wird, viel z u a» st ä n d i g. Schlimmer ist noch nie, selbst bei Hnniien und Vandalen nicht, gehaust worden. Selbst Tilli, als er Rkagdcbnrg eroberte, ist nicht so vorgegangen wie die Deutschen und andren Staaten in China . Ein heiliger Krieg, ein Kreuzzug ist es schon deshalb nicht, weil die Japaner, die keine Christen sind, eine» ganz erheblichen Anteil an diesem Krieg haben. Wir niüssen uns nun endlich einmal energisch dagegen verwahren, daß die Religion überhaupt mit der Politik verquickt wird. Der deutsche Staat ist ein paritätischer Staat; das Christentum ist nicht seine Grundlage und wenn Sie wirklich meinen, daß Sie christlich regieren, so müßten Sie allesamt zur Hölle fahren(große Heiterkeit), so verletzen Sie tagtäglich die christlichen Gebote. In der Rcichsverfassung steht kein Wort davon, daß es die Aufgabe des deutschen Reichs sei, das Christentum in fremden Ländern zu verbreiten. Das widerspricht auch dem Wesen des modernen Staats und deshalb protestieren wir dagegen. Rußland ist ein orthodoxes Land. Aber kein russischer Missionar ist in ganz China vorhanden. Daß der russische Kaiser in den eroberten Landen Missionare nickt duldet, ist ein vorzügliches Mittel, fremde Völker sich zu assimilieren. Dasselbe müßte Deutsch - land thnn, besonders in China . Die Moralanschaunngen der Chinesen stehen den unser» in keiner Weise nach, und wenn man sagt, sie werden ja doch nicht berücksichtigt, nun so ist das genau wie bei uns.(Heiterkeit und Rufe: Sehr' gut!) Ich stehe sonst mit Rußland sehr schlecht, wie Sie wissen(große Heiterkeit), aber diesen Teil der russischen Politik kann ich nur für Deutschland empfehlen. Am 27. Juni hielt der Kaiser die bekannte Rede. Im„Reichs- Anzeiger" hat die Stelle von den Hunnen nicht gestanden, aber so etwas saugen sich die Bericht- erstatter nicht aus den Fingern. Jedenfalls hat der Kaiser nach dem„Reichs-Anzeiger" gesagt:„Gebt keinen Pardon, Gefangene dürfen nicht gemacht werden. Sorgt dafür, daß das Christentum in China seinen Ein- gang findet." Wir wollen, also nach China hin, um es zu chri st ionisieren. Wenn Sie das wollen, dann können Sie sicher sein, es wird so lange Krieg mit China sein, als das deutsche und das chinesische Reich bestehen. Sie können ein Reich von 400 Millionen nicht christianisieren. Seit ZOV Jahren mühen sich die Jesuiten , die doch sicher geschickte Operateure sind(Heiterkeit) damit ab. Was aber auch erreicht sein mag, es wird ausgelöscht durch die Kriegführung(Sehr richtig!> und durch all die schönen Reden. Das prägt sich in die Herzen der chinesischen Massen und ein Haß gegen die Chri st en wird entfesselt, ivie nie zuvor. Das sind die Früchte Ihrer Politik, die Früchte solcher Reden und der Thaten, die sie ausführen. Die Hinschlachtung von 6000 Sachsen ist Karl dem Großen von der Geschichte als größtes Verbrechen an- gerechnet worden. Heute sind mehr als 60 000 Chinesen, Männer und Frauen, getötet worden. Ein wahres Treib- jagen wird entfesselt. Wie Hasen und wilde Tiere werden die Chinesen gejagt Wenn man diese Dinge liest, dann erstarrt einem ja das Herz im Leibe. Wo bleiben da die Lehren des Christentums? Viele Hunderttausende professionsni ätzige Lehrer des Christentums sind im Lande und wo bleibt ihr Protest?(Bewegung und sehr wahr! bei den Socialdemokraten.) Sind dem Christcngott noch nicht genug Opfer gefallen, sollen noch mehr geschlachtet Iverden? Hunderttanscnde sind aus ihren Hütten vertrieben. Sie haben kein Heim. Der Winter kommt, sie irren hungernd uniher und werden verhungern. Und das alles als Folge einer Art Rachezug, aus- geübt im Namen des Christentums.(Bravo I bei den Socialdemokraten.) Hier mutz ich einen kleinen Abstecher machen und mich mit der Rede beschäftigen, die der Kaiser in Bremerhafen gehalten'hat. In dieser Rede hat er die dekorierten Arbeiter gelobt, daß sie nicht dem schlechten Beispiele der durch vaterlandslose Gesellen ver- führten Arbeiter Hamburgs gefolgt seien. Er hat geschlossen: E h r- los ist der, der das Vaterland im Moment der Gefahr im Stich läßt. Daß wir Socialdemokraten fortgesetzt als vaterlandslose Gesellen bezeichnet werden, daran sind wir ge- wöhnt; das läßt uns ungeheuer kalt.(Bravo ! bei den Socialdemokraten). Möge das und vieles andre noch nihig ins Land gehen, uns t h u t' d a s nichts.(Sehr richtig! bei den Social- demokraten.) Hier aber handelt es sich um Behauptungen, die der deutsche Kaiser nie ausgesprochen hätte, wenn er von seinen Rat- gebern wahrheitsgemäß über die Vorgänge unterrichtet worden wäre. Es sind da Leute, die den Kaiser bei jeder Gelegenheit gegen die Socialdemokratie und gegen die Arbeiter einzunehmen suchen; erbärmliche Menschen! Redner giebt eine eingehende Dar- stellung der Vorgänge, die zur Aussperrung von 6000 Ham- burger Werftarbeitern durch die Werftbesitzer geführt haben, und beweist, daß die Arbeiter durchaus nicht im geringsten an der nicht rechtzeitigen Herstellung der Cbinadanipfer Schuld gehabt hätten. Es wird gesagt, die Wcrftbesitzcr hätten absichtlich so gehandelt, weil sie die Dampfer nicht rechtzeitig fertigstellen konnten, um die Konventionalstrafe zu sparen. Ob das wahr ist, weiß man allerdings nicht. Jedenfalls haben die Vertrauensmänner des Kaisers, die verpflichtet find, ihm die Wahrheit zu sagen, ihm die U n w a h r b e i t gesagt, lind wenn der Kaiser im Zorn von vaterlandslosen Gesellen gesprochen hat, so sind nach diesem Sachverhältnis nicht die Arbeiter, sondern die Arbeitgeber die vaterlandslosen Gesellen. (Lebhafter Beifall links.) Der Herr Reichskanzler hat auf die Bedeutung des deutschen Handels i n China hingewiesen und daraus deduziert, daß wir große Aufwendungen zu machen hätten, weil Deutschland in zweiter Linie am chinesischen Handel beteiligt sei. In erster Linie steht England. Sein Handel mit China unifaßt 67 Proz. des Gesanithandels. während der deutsch « Handel in China nur 6,2 Proz. beträgt; das ist ein winziger Bruchteil. Die Vereinigten Staaten werden uns im Handel mit China weit überholen, namentlich jetzt, wo sie bei den chinesischen Wirren so klug aufgetreten sind.(Sehr richtig! links.) Deutsche Firmen sind in China mir 12,3 Proz. vorhanden. In dieser Hinsicht sind wir sogar seit sechs Jahren zurückgegangen. Unter den 17 000 Fremden in China befinden sich nur 1134 Deutsche , das sind 6,6 Proz., während im Jahre 1891 der deutsche Prozentsatz nocht 7,3 Proz. betrug. Im grellsten Mißverhältnis zu unsren wirtschaftlichen Interessen haben wir uns zur ersten Rolle ge- drängt; die hätten wir ruhig den Herren Engländern überlassen können, und durch die Uebernahme des WeltniarschallamtS liegt auf uns die ganze Verantivortung für alle Vorgänge. Merkwürdigerweise ist behauptet worden, der russische Kaiser hätte die Uebernahme der Stellung durch Waldersee gewünscht. Ich habe hier das Delcassösche Gelbbuch und die A e u ß e r u n g des russischen Regierungsboten. Danach hat man in Petersburg angefragt, ob man gegen die Ernennung Waldersees zum Weltmarschall etwas hätte, und Rußland hat höflich erklärt, es hätte nichts dagegen. So sind wir zu dieser Rolle gekommen. Der erste deutsche Offizier wird hingeschickt. Aber sind denn wirklich Lorbeer n zu holen? Handelt es sich denn um große kriegerische Operationen in China ? Nach meinem geringen Verständnis— ich sage immer, darin hat der Herr Kriegsminister das Prä— meine ich, kein General, kein Oberst, der erste deutsche Feldwebel hätte genügt für diese Art Krieg.(Stürmische Heiterkeit.) Wir werden ja schon aufgefordert, Geld zu Orden zu bewilligen. Wenn die Wirren beendet sind, wird ein großer Einzug der siegreichen Truppen durch das Brandenburger Thor veranstaltet werden, mit dem lorbeerum kränzten Weltmarschall an der Spitze; Reden werden gehalten und große Begeisterung wird an den Tag gelegt werden. Ja, schämen wir uns penn gar nicht vor dem Ausland?! Das ganze Ausland hat ja gelacht schon über den Auszug WalderseeS, über die Reden, über die Thätigkeit des Phot'ographen und des Kinematographen, über die Aufnahme welthistorischer Momente, wie die Gattin des Grafen in den Wagen steigt, und Waldersee steht daneben, den Marschallstab in der Hand, über den Empfang in München , wo drei Prinzen auf dem Bahnhof standen.(Heiterkeit bei den Social- denio traten.) Dann die ganze Kriegsführung! Es ist wirklich das Allerernstete. was jemals vorgekommen ist. aber beseelt von dem Geiste der Hunnenpolitik(wie ich eS nenne), einer Hunnenpolitik, wie sie Graf Bülow schon in seiner an die Mächte gerichteten Note ausspricht. Man braucht ja nur die zahlreichen Beispiele aus den Briefen, die da aus China kommen, zu lesen, die nicht bloß in den socialdemokratischen Zeitungen. sondern in allen andern Blättern mit Ausnahme der„Kreuz- Zeitung " natürlich, zur Veröffentlichung gelangt sind. So wird denn mitgeteilt, wie man 76 Chinesen zu Gefangenen gemacht und 68 von ihnen erschossen habe, indem man sie mit den Zöpfen zu- sammenband und vor einen Graben stellte, so daß sie gleich hinein- fallen konnten. Nur acht blieben also am Leben. Jenen Herren. die solche und noch gräßlichere Greuelthaten heraufbeschworen haben, wahrlich ihnen sollte die Schamröte ins Gesicht st e i g e n.(Lebhafter Beifall bei den Socialdemokraten.) Der Schreiber dieses Briefs sagt zum Schluß: Man ver- gißt schließlich, daß man einmal Mensch gewesen \ st. Kann es schlimmere Anklagen geben? Ein andrer Briefschreiber nennt das Gemetzel„einfach Mord". In vielen liberalen und � konservativen Blättern finden sich solche Briefe. Ein großes Maß von Verrohung wird durch diesen Krieg in die Jugend getragen. Das ist die schlimmste Folge dieser Hunnenthaten. Und wenn Sie wieder einmal mit der Prügelpädagogik kommen, werden wir Ihnen diese Ursachen vor Augen führen.(Sehr gut! links.) Redner giebt weitere Stilblüten aus den Briefen von Chinakriegern. Man hat jetzt in England Angst vor den verrohten Transvaalkriegern, die jetzt in die Heimat zurückkehren. Müssen wir nicht die gleiche Be- fürchtung hegen? Ueberall bei uns war man über die barbarische englische Kriegführung entrüstet. Dieselben Leute, die den Splitter im Auge des Gegners sehen, sie sehen den Balken im eignen Auge nicht.(Heiterkeit!) In China geht man Iv ahrhaft hunnisch vor und nicht Feldmarschall ist Graf von Waldersee , sondern einfach E x e k u t i o n s m a r s ch a l I.(Sehr gut! links. Unruhe rechts.) Ich mutz nun auf die Bedingungen zurückkommen, die man den Chinesen gestellt hat. Herr Graf Bülow, wenn Sie aufrichtig gegen sich selbst sind, können Sie von Ihren Forderungen doch nicht den Frieden erwarten. Denken Sie doch an die Thaten von Schill und des General Jork. Nichts andres als diese Patrioten gethan. haben jetzt auch die Chinesen gethan. Also ver-! nünftigere Forderungen, ich ivill gar nicht sagen: menschlichere. DaS deutsch -englische Abkommen ist daS Ver- nünftigste, was in den letzten sechs Monaten geschehen ist. Ich wünschte nur, daß es vier Jahre früher erfolgt Iväre. Dann hätten ivir Kiautschou nicht, auch nicht Wai-hei« wai und alle d i e andren Räubereien nicht. Herr Lieber warnte hier so sehr vor der Wcltpolitik. Aber daS erste Mal fiel das Wort, als der Reichstag sein 2öjähriges Jubiläum feierte, und als dann die Marinevorlage kam, da fiel Herr Lieber um und das Centrum mit ihm. Auch hier waren Sie(nach dem Centnim) wieder die blamierten Europäer. (Große Heiter« keit.) Nur der Reichstag kann der Weltpolitik Einhalt thun. Der Reichskanzler kann es nicht, er ist zwar Reichskanzler, aber— ii a, ich will weiter nichts sagen.(Große Heiterkeit.) Noch eins will ich bemerken. Wenn Sie eine Aufrechterhaltung des Verbots der Waffeneinfuhr wollen, so setzen Sie hinzu ein Verbot der Anlegung von Waffen« und Militärstationen seitens der fremden Mächte. Das Verbot der Waffeneinfuhr wird übrigens den Chinesen nicht viel schaden. Erinnern Sie sich des Worts: Wenn wir die Waffen der Europäer nicht kaufe» können, so kaufen wir uns ihre Ingenieure. Sie sehen, die Chinesen werden schlau. Wir ver- langen vor allein einen Friedensschluß unter Bedingungen, die dem chinesischen Reich seine Existenz als Nation weiterhin möglich machen. Jede Nation hat ein Recht auf Leben. Man muß den Chinesen Bedingungen machen, daß sie leben können, sonst hören die Kriege nicht' auf. Wir wollen überhaupt eine Politik, wie sie vernünftigen Menschen gebührt. Wir halten eine Politik, wie sie jetzt getrieben wird, für verhängnisvoll und bekämpfen sie deshalb. Wir können es nicht mit unsrem Gewissen vereinbaren, für eine solche Politik auch nur einen Pfennig zu bewilligen, daS erklären wir im Namen der Fraktion, im Namen des Rechts, im Name» der Menschlichkeit.(Lebhaftes Bravo l bei den Socialdemokraten.) Kriegsminister v. Goftler: DaS Pathos des Herrn Vorredners kann nicht darüber hinweg« täuschen, daß sich seine Rede mehr durch Länge als durch Tiefe auszeichnet.(Große Unruhe bei den Socialdemokraten. Sehr richtig! rechts.) Es war eine Reihe von Citaten und Dokumenten, die man im Augenblick nicht kontrollieren kann. Das wird dann aneinander- gereiht und so entwickelt sich das Bild einer mehrstündigen Rede. Es jst sehr schwer, aus dieser Menge das herauszusuchen. was eigentlich den Faden seiner Rede bildet. Er ist natür- lich zunächst davon ausgegangen, daß die verbündeten Regierungen einen Verfassungsbruch begangen haben. Das ist ja die bequemste Grundlage einer längeren Rede. Es haben ganz ähnliche Verhält» nisse bereits zweimal' vorgelegen. Damals ist vom Reichstag an-i erkannt worden, daß richtig verfahren worden sei und nachträgliche Genehmigung in dem einen Fall, Indemnität im andren Fall erteilt worden. Herr Lieber wie Herr Bebel fragten, wie� die ostasiatischcn Kontingente verfassnngsrechtlich zu beurteilen seien. Wenn die Formationen in irgend einer Form fortbestehen sollten, so bedarf es selbstverständlich der gesetzlichen Regelung. Die Fahnen � mußten den Kontingenten neu verliehen werden, es ginge gar nicht anders. Herr Bebel mißt den Europäern an den Wirren in China die Schuld bei. Es handelt sich aber um die Brechung von Ver- trägen, die doch von beiden Teilen gehalten werden müssen und von den Europäern respektiert worden sind. Die chinesischen Häfen waren nicht in so schöner Verfassnng, wie Abg. Bebel sie geschildert hat. Er hat nicht gesagt, was die Missionen Gutes geleistet, was sie für Schulen gegründet haben. Die Folte- rungen unsrer Missionare konnten wir nicht ruhig mit ansehen, das wäre unsrer unwürdig gewesen. Die Chinesen haben die Verträge nicht gekündigt, auch keinen Krieg erklärt, sondern damit angefangen, unsre Landslente zu schlachten. Ich komme zu ganz andren Schlüssen über die chinesischen Wirren wie Herr Bebel. Ich meine die Regierung von China ist deshalb in so mißlicher Lage, weil sie den revolutionären Elementen nicht Einhalt gethan hat. (Rufe links: Aha l) Eine Regierung muß sich auf die gemäßigten Elemente stützen.(Sehr richtig!) Herr Bebel sprach von einer Revolte, wenn in Berlin eine fremde Gesandtschast sich Ueber- griffe erlauben sollte. Er scheint zu glauben, daß eS in Berlin keine Regierung giebt. Die Mordthat in Peking konnte von uns nicht ungesühnt bleiben. Wir wären sonst nicht Deutsche , sondern Philister. (Sehr gut! rechts.) Herr Bebel schwärmt für das Volks- beer. In China scheint man sich das Bebelsche Volksheer zum Muster genommen zu haben.(Rufe links: Au. an!) In ganz kurzer Zeit haben die europäischen Heere ihre Ueberlegenheit erwiesen. DaS Kriegsrecht ist ganz genau geregelt, es ist gesetzlich festgelegt. Aehn- liche' Bestimnumgen, wie die kriegsrechtlichen sind ja auch im In- lande maßgebend bei der Verhängung des Belagerungszustands. Herr Bebel hat neue Briefe vorgelesen. Ich möchte ihn bitte», mir die Originale zugänglich zu machen. Jst das wahr. waS dort berichtet wird, so müssen die Verüber solcher Greuel« thaten bestraft iverden, auf Schändung von Frauenzimmern steht die Todesstrafe.(Hört I hört I links.) Dann hat Herr Bebel wieder den Kaiser in die Debatte gezogen. Ich bedaure es jedesmal, wenn hier im Reichstag Bruchstücke aus Reden des Kaisers verlesen werden. Die Nation kennt ihren Kaiser gut genug, sie weiß, daß er für sein Volk lebt und Tag und Nacht für dasselbe sorgt. Ich kenne keinen Herrscher, dem Grausamkeit so fern liegt, wie unsrcm Kaiser. Wenn er von seinen Truppen Abschied nimmt und sie vor allen Gefahren warnt, die ihnen dort begegnen können, so muß ich sagen: wenn er in einem solchen Augenblick in eine gewisse Erregung kommt, so ist das menschlich schön. Die Truppen, die nach China gehen, sind eingehend instruiert worden, und wenn wirklich eine Rede unsres Kaisers einer miß- verständlichen Auffassung unterlegen hat, so können diese Folge» gar
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