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5r.27I. 17. Jalrganj. Z. Ktllllgt htS ,FMllltS" KttliM WSllllltt. Z'M.g. 20Jatlt«00. Neue Anklagen gegen dieGroße". Als die Berliner Stadtverordneten-Bersammlung sich am letzten Donnerstag mit der durch den Straßenbahnbetrieb derGroßen" verursachten Verkehrsunsicherheit befaßte, verlas Stadtbaurat Krause bekanntlich ein Schreiben der Direktion, worin diese sich nicht allein glattweg von jeder Schuld freisprach, sondern auch die kühne Be- hauptung ausstellte, daß sie alles mögliche thue, um Unglücksfälle zu verhüten und sich schließlich über Stadtverwallung und Publikum mit dem billigen Witz lustig machte, daß der beste Schutz der S e l b st- schütz des Publikums sei. In dieser Angelegenheit kommt eine Zuschrift zur rechten Zeit. welche die der Sachlage nach kompetentesten Beurteiler, nämlich die organisierten Straßenbahner an uns richten. Das Schreiben lautet: Es ist erfreulich, daß endlich auch die Stadtverordneten- Versammlung sich mit erhöhter Aufmerksamkeit dem Unglücks- betrieb derGroßen Berliner" zuwendet. Bei den zahl- reichen Unglücksfällen besonders der letzten Zeit ist dies nicht nur im Interesse des Publikums sondern auch der Straßenbahn- f ü h r e r dringend notwendig. Ist man doch nur allzu leicht geneigt, die ganze Schuld auf das Conto der Angestellten zu setzen, während that- sächlich die Ursachen dieses Zustands ganz wo anders zu suchen sind. Es soll keineswegs von uns behauptet werden, daß die Führer der elek­trischen Wagen an allen Fällen unschuldig seien, wohl ist dies aber in mindestens 8590 Prozent der Fall. Der Hauptschuldige ist und bleibt die Betriebsleitung der Straßenbahn, mag sie dies noch so sehr bestreiten. Es sei hier daran erinnert, daß die Straßenbahner gelegentlich ihrer Lohnbewegung auch die Forderung aufstellten, die Betriebsleitung habe für schleunige Einführung s ch n eller und sicherer wirkender Bremsen zu sorgen. Heute, nach 6 Monaten ist diese Forderung noch immer nicht erfüllt worden, und es ist auch nichts davon zu merken, daß die Betriebsleitung in Zukunft Schritte nach dieser Richtung hin unternehmen wird. Der Oeffentlichkeit ist die ganze Gefährlichkeit des Betriebs der Großen Straßenbahn wohl noch lange nicht zur Genüge bekannt, da von Zusammenstößen, bei denen nicht die Gesundheit oder das Leben von Menschen in Gefahr gerät, kaum Aufhebens gemacht wird. So haben beispielsweise die Wagen von 11 Bahn- Höfen, die die Hälfte des Betriebs ausmachen, im Monat Oktober nicht weniger als 267 Zusammenstöße gehabt. Gut 75 Proz. davon hätten nach Ansicht der Führer aber vermieden werden können, wenn das Fahr Material in Ordnung gewesen wäre. Aber hier liegt eben der Hase im Pfeffer. Auf fast allen Bahnhöfen existiert eine Anzahl sogenannter Mordwagen", die ob ihres niit regelmäßiger Sicherheit versagenden Brems- und Steuermeibanismns von den Führern gefürchtet sind. Kein Führer fährt freiwillig einen solchen jedem Angestellten bekannten Wagen; gegen den Zwang von oben aber ist man ohnmächtig. Wer sich weigert, einen solchen a n g e b- lich reparierten Wagen zu nehmen, wird ohne Gnade sofort vom Dienst abgelöst und entlassen. Mit einer bestimmten Sicherheit können aber die Führer berechnen, daß ihnen mit solchen Wagen h'rotz aller Vorsicht ein Malheur passiert und wenn kein Menschenleben dabei zu Grunde geht, so ist dies als ein besonderer Glücksumst and zu betrachten. Ist dann ein Un- glück geschehen, dann stattet der Führer die Meldung ab und der Wagen geht in die Reparaturwerkstätte. Dort beschäftigt aber die Betriebsleitung statt tüchtiger und erfahrener Arbeiter ganz junge, kaum aus der Lehre entschlüpfte Schlosser, die den Defekt ober- flächlich untersuchen und nach ihrem Gutdünken ausbessern, wonach der Wagen wieder nach dem Bahnhof gebracht wird und der bekannte Kreislauf von neuem beginnt. Nicht genug an solcher, an sträflichen Leichtsinn grenzender Handlungsweise erhalten auch noch Werkmeister. Hofverwalter und Inspektoren jährlich Prämien, deren Höhe sich nach den Materialersparnissen richtet, die sie auf dem Bahnhofe oder in der Werkstätte gemacht haben. Dieses System ist in Anbetracht der Gefährlichkeit des elektrischen Straßenbahn- betriebs nicht genug zu verurteilen und trägt einen großen Teil der Schuld an den Zusammenstößen. Wiederholt ist es vorgekommen, daß wenn ein Führer einen nicht mehr funktionierenden Wagen auf den Bahnhof gefahren hatte, dieser selbe Wagen, ohne daß irgend etwas daran geändert worden wäre, von dem Hofverwalter einem andren Führer überwiesen wurde. Unter solchen Umständen braucht sich die Berliner Be- völkerung über die häufigen Unglücksfälle, bei denen sie Gesundheit und Leben riskiert, nicht zu wundern. Dazu kommt noch, daß oft ganz ungenügend aus- gebildete Führer einen Wagen anvertraut erhalten, und weil ihnen die Fahrsicherheit, Kaltblütigkeit und Ruhe mangelt, häufiger kollidieren, ohne daß man ihnen in Wirklichkeit eine Schuld beimessen könnte. Ebenso wenig Rücksicht wie auf die Sicherheit des Publikums nimmt aber die Betriebsleitung auf die Angestellte n. So ist die vor sechs Monaten infolge der Bewegung gewählte B e- schwerdekommission noch niemals zusammenberufcn worden. Den Dienst der Führer aber hat die Betriebsleitung nach und nach wieder verlängert und das Bezahlen der U e b e r st u n d e n wird schon auf den meisten Bahnhöfen vergessen. Von Lohn- zetteln ist noch immer keine Spur zu finden, und so ist es den Angestellten unmöglich, zu kontrollieren, ob sie die von ihnen geleistete Mehrarbeit auch bezahlt erhalten. Was die Betriebsangestellten zu ihrer und des Publikums Sicherheit vor allem verlangen, das ist eine behördliche Unter- suchung der Anklagen, die an dieser Stelle von neuem gegen die Große" erhoben werden müssen. Drei Viertel aller Unglücksfälle könnten vermieden werden, wenn vorab darüber gewacht würde, daß die Betriebsleitung nur völlig intaktes, von unabhängigen Sachverständigen geprüftes Wagenmaterial verwendete. So die Zuschrift, die wir hiermit den Behörden, welche die .Große" in letzter Zeit mit den bekannten Vergünstigungen bedachten, zur eingehenden Beachtung überweisen. Der Prozeß gegen die Harmlosen nahm gestern vor der dritten Strafkammer des Landgerichts I seinen Anfang. Der Vorsitzende, Laudgerichtsdirektor Oppermann, eröffnete die Sitzung um 10 Uhr. Die Aiiklagebehörde wird vom Ober- staatsanwalt Dr. I s e n b i e l vertreten, dem der Staatsanwalts- Assessor S ch w i ck r a t h zur Seite steht, der Angeklagte v. K r ö ch e r wird vom Rechtsanwalt Dr. S ch win d t, v. Kay ser von den Rechtsanwälten Justizrat Sello und Leonhard Friedmann. v. Schachtmeyer vom Rechtsanwalt Dr. Alfred Fuchs und Wolfs von den Rechtsanwälten W r o n k e r und Chodziesner verteidigt. Ein kranker Angeklagter. Sofort nach Eröffnung der Sitzung nimmt der Ver- teidiger von Kröchers das Wort zu einem Antrage. Er teilt dem Gerichtshöfe mit, daß er am Sonnabend eine» eingeschriebenen Brief von Herrn v. Kröcher ans Wien erhalten habe, worin dieser ihm anzeige, daß er genötigt sei, infolge eines Herzleidens von seiner bisher gehabten Absicht, persönlich zum Termine zu erscheinen, zurücktreten zu müssen. Der Verteidiger legt Atteste des Prof. Dr. Nothnagel und des Dr. med. Glase aiis Wien vor, wonach dem Herrn v. Kröcher bescheinigen wird, daß er infolge eines akute», durch Gelenkrheumatismus hervorgerufenen Herz- leidens außer stände sei, die Aufregungen der Verhandlung zu ertragen. Der Verteidiger beantragt deshalb. die ganze Verhandlung zu vertagen, da die Interessen des Angeklagteu v. Kröcher nicht in gehöriger Weise wahrgenommen werden' konnten, wenn gegen ihn später allein verhandelt iverden würde. Oberstaats- anwalt Dr. I s en b i el widerspricht diesem Antrage. Das angeb- liche Herzleiden des Her�i v. Kröcher könne schwerlich ein akutes sein, sondern so viel er wisse, sei es schon der Grund des Abgangs v. Kröchers vom Militär �gewesen. Er beantrage, der Gerichtshof möge beschließen, v. Kröcher zu verhafte», damit derselbe steckbrieflich verfolgt werden könne. Unter allen Umständen bitte er aber, gegen die' drei übrigen Angeklagten zu ver- handeln, damit die von so langer Hand vorbereitete Sache endlich zum Abschluß gelange. Der Verteidiger Wolffs, Rechtsanwalt Wronker, schließt sich dem Antrage auf Vertagung an, indem er aus- führt, daß das Verhältnis zwischen Wolff und v. Kröcher ein so enges gewesen sei und durch Tausende von Fragen geklärt werden müsse, daß eine Trennung nicht gut möglich sei und sich die Notwendigkeit einer Vertagung im Laufe der Verhandlung ohnehin herausstellen würde. Der Oberstaatsanivalt widerspricht auch diesem Antrage. Der Gerichtshof beschließt, gegen den Angeklagten v. Kröcher, der nicht als genügend entschuldigt anzusehen sei und von dem an- genommen werde, daß er sich böswillig der Verhandlung ent- ziehen wolle, den Haftbefehl zu bestimmen und gegen die übrigen drei Angeklagten, v. Kayser, v. Schachtmeyer und Wolff, in die Verhandlung einzutreten. Der Verteidiger v. Kröchers, Rechts- anivalt Dr. Schwindt, entfernt sich darauf aus dem Gerichtssaale. Kranke Zeuge». Beim Aufrufe der Zeugen stellt sich heraus. daß ver- schiedene fehlten, einige sind unauffindbar, andere entschuldigen sich mit Krankheit. An Stelle des Kriminelkonunissars v. M a n t e u f f e I, der in der früheren Verhandlung eine so ein- greifende Rolle spielte, ist diesmal der Kriminalkommissar v. Kracht geladen, da Herr v. Manteuffel durch Wahrnehmung verschiedener Termine in andren Städten am Erscheinen verhindert ist. Sämt- liche Zeugen werden bis Dieustagvormittag Uhr entlassen, da der heutige Tag durch die Veniehinnug der Angeklagten in Anspruch genommen wird. Die Personalien der beiden ersten Angeklagten sind bekannt. v. Kayser ivar Regierungsreferendär und Lieutenant der Reserve, v. Schachtnrehcr Kaufmann und Unteroffizier der Reserve. Das Hauptinteresse nimmt der dritte Angeklagte, der im Jahre 1817 geborene Kaufmann Hermann Wolff in Anspruch. Mit einemleider" räumt er die ihm vor- gehaltenen Vorstrafen ein. Es sind deren acht, zumeist wegen Diebstahls und Betrugs, darunter eine wegen schweren Dieb- stahls zu 3 Jahren Zuchthaus und eine andre wegen gewerbs- mäßigen Glücksspiels zu 1 Monaten Gefängnis und entsprechender Geldstrafe. Nach dem Anilagebeschlnß sollen die drei Angeklagten sich in den Jahren 1897 und 1898 des gewerbsmäßigen Glücksspiels schuldig gemacht haben. Sie bestreiten dies sämtlich.' Der Präsident beginnt mit der eingehenden Vernehmung des Angeschuldigte» v. Kayser. Derselbe giebt an, daß er der Sohn eines Obersten sei. Als ihm im Jahre 1894 eine Erbschaft zugefallen sei. habe er seinem Hange zum Spiel leichter nachgehen könne», als bisher, er habe sich aber stets in der b e st e n' G e s cl Is ch a ft bewegt, zu der ihm als Regierungsreferendär der Weg offen stand. Es sei damals zumeist Baccarat" gespielt worden, wobei der abendliche Umsatz bisweilen ein recht erheblicher gewesen sei. Die Spielergcscllschaft habe schon längere Zeit bestanden und im Jahre 1894 ihre Zusammenkünfte iu dem Hotel Bauer in der Schadowstraße abgehalten. Dann seien die Spielabende nach dem Victoria- Hotel, nach Cafe Keck in der Passage und dann nach andren Lokalen verlegt worden. Man habe stets Extrazimmer gehabt. Es sei vorgekommen, daß sich das Spiel bis zum folgenden Tage aus- gedehnt habe und hohe Summen unigesetzt wurden. Als das Victoria-Hotel den Besitzer wechselte, habe sich die Spielergescllschaft gespalten und der zahlungsfähigere Teil habe sich bald in diesem, bald in jenem Lokal getroffen.' Im Anfange 1893 habe diese Gesellschaft, zu der auch der Ängekl. v. Kayser gehörte, bei Hecht in der Jägerstraße ein ständigeres Lokal gefunden. Der Angeklagte v. Kayser erzählt, daß er von v. Kröcher zu Albrecht nach der Mohrenstraße geführt worden sei, wo ebenfalls eine Spieler- gcsellschaft, zumeist ans Offizieren bestehend, ihre Zusammenkünfte hielt. Zu damaliger Zeit sei ein Dr. Kornblum ein häufiger Gast bei Albrecht gewesen. Derselbe habe Allüren gehabt, die ihn bei manchen andren Spielern unliebsam machten, es seien noch andre Personen bei der Gesellschaft gewesen, welche nicht genügende Mittel besaßen. um so hoch pointieren zu können wie es geschah, und die deshalb ihren Verpflichtungen im Fall eines Verlusts nicht nachzukommen vermochten, andrerseits aber etwaigeGewinne rücksichtslos eintrieben. Um sich von diesen Elementen zu trennen, habe v. Kröcher den Vorschlag gemacht, in, Centraihotel einige Zimmer zu mieten und dort eine bessere Organisation einzuführen. Im Oktober 1898 sei die neue Gesellschaft gegründet worden, wobei auch er der Angeklagte v. Kayser mitgewirkt habe. Schon zur Zeit, als die Gesellschaft im Victoria-Hot'el zusammen­traf, habe sie die BezeichnungKlub der H a r m I o s e n" ge- führt. Die Vorbesprechung habe in der Villa des Grafen Königsmarck i» Groß-Lichterfelde stattgefunden. außer dem Grafen Königsmarck hätten die Herren v. Kröcher, Graf von und zu Egloffstein und der Angeklagte von Kayser an den Beratungen teilgenommen. Es sei dabei festgestellt worden, wer eine Einladung erhalten sollte. Wie der Angeklagte sich zu erinnern glaubt, waren 500 Einladungen in Aussicht' genommen, die in erster Linie an solche Offiziere gerichtet werden sollten, die als wohlhabend und als spiel- lustig bekannt waren. Die Verwaltung des Centralhotels habe mit der Gesellschaft nur einen Vertrag auf die Dauer von S Monaten abschließen wollen und dieGründer" der Gesellschaft seien darauf eingegangen. Die Konstituierung der Gesellschaft wurde durch ein glänzendes Mahl eingeweiht. Zur Bedienung der Mitglieder wurden zwei Kellner angenommen, die für den Abend je 20 M. erhalten sollten. Am 15. Oktober 1393 sei der Vertrag mit der Verwaltung des Central-Hotels zu stände gekommen. Der Mietspreis betrug monatlich 1000 M. Beim Eröffnungsdiner sei auch der Angeklagte Wolff zugegen gewesen, den er bei Albrecht kennen gelernt habe. Derselbe sei ein angenehmer Spieler gewesen. Der Angeklagte meint, damals über Wolffs Vergangenheit gehört zu haben, daß derselbe früher Referendar gewesen sei. Jeden- falls habe der Angeklagte Wolff sich stets so bewegt, als gehöre er den besten Kreisen an. Wolff sei stets den Mitgliedern gegenüber sehr gefällig gewesen, er, der Angeklagte, habe ihn auch wiederholt mit Darlehen in Anspruch genommen, die natürlich prompt zurück- erstattet worden seien. Nach Beendigung des Eröffnnngsdiners habe der Angeklagte Wolff sich erboten, zuerst die Bank zu legen, und großmütiger Weise hinzugefügt, daß er die Hälfte des Gewinns der Pinke opfern wolle. Die erste Bank von 500 Mk. habe Wolff verloren, dann einen gleichen Betrag nachgelegt und bei der zweiten gewonnen, so daß der Pinke gegen 250 M. zugeflossen seien. Die Einnahmen seien auf die Namen v. Kröchers, v. Kahsers und v. Schachtmeyers bei der Deutschen Bank hinterlegt tvorden. Besonders des Sonnabends sei der Ver- kehr sehr lebhaft gewesen, weil dann die Offiziere von Außerhalb nach Berlin kamen, um zu spielen. An diesen Abenden seien gegen 40 000 Mark umgesetzt worden. Die Grafen Königsmarck und v. Egloffstein seien bald wieder aus dem Klub ausgeschieden, tveil sie nicht im stände waren, die Spielverlnste zn tragen und ihren Verpflichtungen nachzukommen. So sei es dem Angeklagten v. Kayser wenigstens mitgeteilt worden. Schließlich seien v. Kayser und v. Kröcher die einzigen Direktoren gewesen, die dann den Au- geklagten v. Schachtmeyer als dritte» Direktor mit heranzogen. Der Angeklagte v. Kayser erzählt sodann, daß die Verwaltung des Centralhotels Bedenken gehabt habe, weiter in ihren Räumen spielen zu lassen und deshalb an das Direktorium das Ansinnen ge- stellt habe, den Vertrag zum 15. November aufzulösen. Es sei nun das Hotel Minerva in Aussicht genommen und mit dem Besitzer desselben ein Vertrag zum Abschluß gekommen. Es wurden drei Räume gemietet für den monatlichen Preis von 600 M. DasAuffliegen" des Klubs. Die Zusammenkünfte hätten nur bis zum 16. Dezember 1893 gedauert, dann sei der erste Artikel imBerl. Tageblatt" erschienen, in dessen Folge der Klub auseinanderging. Wie zur Sprache kam, wurde Wolff in demselben vielfach derOberförster" genannt. Die Papiere des KInbs hat, nachdem dieser aufgeflogen war, der Angeklagte v. Schachtmeyer an sich genommen und vernichtet. Nach dem Erscheinen des Zeitungsartikels ist v. Schachtmeher mit Herrn v. Kröcher in die Wohnung des Wolff gegangen und haben von ihm verlangt, daß er sich gegen die Borwürfe in der Redaktion reinigen sollte. Wolff hatte dies zugesagt, hat es aber nnterlassen, weil, wie er sagt, vor allen Dingen sich seiner Vergangenheit schämte und diese nicht aufgerührt zu sehen wünschte. Wolff hat die Herren auf den nächsten Tag wieder bestellt, sie haben ihn aber nicht mehr ge- troffen, da er schon ins Ausland gereist war. Herr v. Kayser giebt zu, auch außerhalb Berlins gelegentlich im Anschluß an Pferde- rennen gespielt zu haben. Als Gcsamteffekt seiner Spielsucht giebt Angeklagter v. Kayser die Sunime von 56 000 M. V e r I u st an. Auf eingehendes Befragen des Vorsitzenden giebt v. Kayser Auskunft über den Stand seines Ver- mögens in den einzelnen Stadien seiner Thätigkeit am Spieltische. Er ist inzwischen aus der Staatskarriere entlassen worden, hat sich seit Ablauf der ersten Verhandlung längere Zeit im Ans- lande aufgehalten und ist im Juni zurückgekehrt, um sich zur er- neuten Verhandlung zu stellen. Da diese doch noch längere Zeit ausstand, hat er sofort auf dem Rittergut Lichtenberg bei Berlin eine Stellung als juristischer Beirat angenommen. Er verweist auf Vorhalt darauf, daß seine Mutter, der er schon ein- mal gebeichtet hatte, ihm mit ihrem Vermögen beigesprnngen wäre, so weit sie es konnte und daß sie neuerdings 20 000 M. für ihn anstandslos bezahlt babe. Als die Sache zum Klappen kam, be- trugen seine Aktiva 3300 M.. seine Passiva 8850 M., ferner hatte er aus dem Spiel noch ausstehende Forderunge» in Höhe von 17000M., da- gegen hatte er selbst noch Spielschulden. Seine große Spiclleiden- sch'aft giebt der Angeklagte unbedingt zu, bestreitet aber, ein ganz besonders kaltblütiger Spieler gewesen zu sein. Auch die Be- hauptung der Anklage, daß er bei unbarem Spiel besondere Nach- ficht für' sich verlangte, selbst aber solche Nachsicht bei der Eintreibung von Spielschulden nicht übte, bestreitet der Angeklagte, doch hält ihm der Vorsitzende aus mehreren Briefen vor, daß er in einem Falle gegen einen Osfizier, der nach seiner Meinung ein sehr luxuriöses Leben führte, ihm aber die Spielschulden nicht bezahlte, sehr rigoros vor- gegangen sei und mit der Anzeige beim Regimentskommandeur gedroht habe. Eine ähnliche Strenge soll er in andren Fällen haben walten lassen, u. a. hat er gegen den Generalkonsul Moos Wechsel einklagen, und ihn schließlich zum Offenbarungseid vorladen lassen. Er behauptet, daß er dem Herrn Moos gegenüber absichtlich so rigoros vorgegangen sei, weil dieser selbst gegen einen seiner Freunde rücksichtstos aufgetreten sei. Die weiteren Auslastungen des An- geklagten beziehen sich auf seine Art zu spielen und zu regulieren und auf die Vorschüsse, die ihm Frau Voigt, zu der er damals zarte Beziehungen unterhielt, zu Spielzwecken gab. Diese vom Ange- klagten zurückgezahlten Vorschüsse betrugen 1897/93 im ganzen 14 600 M. Die Vernehmung wird Dienstag 91/2 Uhr fortgesetzt werden. Prozeß Sternberg. Bei Eröffnung der Sitzung durch den Landgerichtsdirektor Müller ist der Angekl. Luppa nicht anwesend. Da auch eine Entschuldigung nicht eingegangen ist, beschließt der Gerichtshof die Vorführung des Angeklagten und beauftragt gleichzeitig einen medizinischen Sachverständigen, festzustellen, ob Herr Luppa etwa durch plötzliche Krankheit verhindert ist. Der in die Wohnung des Angeklagten entsandte Bote teilt mit, daß Herr Luppa dort nicht an- wesend war, sondern nach Auskunft des Dienstpersonals mit seiner Ehefrau ausgegangen sei. Staatsanwalt Braut beantragt, einen Haftbefehl zu erlassen und die Verhandlung gegen Luppa von der übrigen Verhandlung zu trennen. Die Verteidigung macht geltend, daß bei' dem Angeklagten Luppa möglicherweise ein Irrtum vorliegen könne und daß eventuell auch ohne Anivesenheit des Herrn Luppa die Verhandlung fortgesetzt werden möge, um nicht die Verhandlung aufzuhalten. Der Staats- anwalt widerspricht diesem Vorschlage, da er die Anwesenheit des Angeklagten Luppa in dessen Strafsache bei jedem der zu ver- nehmenden Zeugen für notwendig erachtet. Der Gerichtshof be- schließt den Erlaß eines Haftbefehls gegen Luppa und behält sich die Beschlußfaffnng über die weitere Prozedur bis nach Ablauf einer halbstündigen Frist vor. Alsdann setzt der Vor- sitzende die Beratung bis Dienstag 12 Uhr aus. Der Gerichtshof ist der Meinung, daß er eine Trennung der Sache auf Grund des Z 230 der Strafprozeßordnung nicht aussprechen kann, da noch nicht feststeht, daß der Angeklagte absichtlich sich fern hält. Berliner Partei-Angelegenheiteu. Zweiter Wahlkreis. Die Parteigenossinnen und Genosse,» werden auf die heute abend 8 Uhr. Friedrichstr. 236(früher Martens) stattfindende Versammlung noch besonders aufinerlsain gemacht. Genosse G ö h r e, Pastor m D., spricht über C h r i st e n- tum und Socialdemokratie". Recht zahlreichen Besuch erwarten Die Vertrauenslente. Socialdemokratischer Wahlverein für de» dritte» Berliner ReichstagS -Wahlkreis. Den Genossen die Mitteilung, daß morgen amBußtag" ein Ausflug nach Adlcrshof stattfindet. Treff- punkt:Restaurant Schmauser". Abfahrt vom Görlitzer Bahnhof um 10,45 Uhr morgens. Um recht zahlreiche Beteiligung ersucht Der Vorstand.