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1. Beilage zum Vorwärts" Berliner Volksblatt.

Nr. 26.

Parlamentsberichte.

Deutscher Reichstag .

55. Sigung vom 30. Januar. 1 Uhr. Am Tische des Bundesrathes: von Dehlschläger, bon Stephan. Die zweite Berathung des Etats wird fortgesetzt und zwar mit dem Etat des Reichsjustiza mts. Abg. Frhr. v. Buol( 3tr.) fragt an, welche gesetzgeberische Maßregeln auf dem Gebiete der Reichsjuftiz- Verwaltung bevor­ständen. Namentlich bei der Strafgesetzgebung seien Mängel her­vorgetreten, welche beseitigt werden müßten. Dahin rechnet er die kurzfristigen Freiheitsstrafen und die Trennung der Strafjustiz vom Strafvollzuge. Ein Drittel aller Verurtheilungen bleibt unter einer Woche Gefängniß, und diese sind es, welche mehr schaden als nüßen, da sie alles andere nur nicht abschreckend wirken. Ein Mittel zur Abhilfe wäre z. B. die umfaffendere Einführung der Zwangsarbeit, welche[ in anderen Ländern gute Erfolge erzielt habe.

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Sonnabend, den 31. Jannar 1891.

8. Jahrg.

Strafen eintreten soll, welche von der Geldbuße in Gefängniß- Schaden erleiden, daß die Wahrheit enthüllt wird, daß dargelegt resp. Haftstrafe umgewandelt werden können. Ein Junge, der ein wird, daß ein Beamter belogen ist oder nicht? Ich habe den natürliches Bedürfniß bei der Kirche gehabt hat, hat dafür 20 Eindruck gehabt, daß in den meisten Fällen die vorgesetzte Be­bis 30 m. Geldstrafe resp. eine Woche Gefängniß bekommen und hörde die Genehmigung zur Zeugenaussage eines Beamten nur natürlich die lettere angetreten, weil er die Geldstrafe nicht be- verweigert hat, weil sie fürchtete, durch die Enthüllung der Wahr­zahlen fonnte. Denten Sie sich nun einen solchen Jungen mit heit fönne es scheinen, als ob der preußische Staat oder die anderen Verbrechern zusammengesperrt. Und immer bleibt auf deutschen Behörden mit Elementen in Verbindung stehen, mit ihm das Odium sizen, schon gesessen zu haben. Die Geldstrafe denen in Verbindung zu treten anständige Menschen sich sonst ist nur eine Strafe für die Armen. Was fragt der Wohlhabende scheuen. Der§ 53 müßte dahin geändert werden, daß kein danach, wenn er 30 M. zahlen muß; die Armen müssen aber ins Bürger im Deutschen Reich fortwährend Gefahr läuft, irgend Gefängniß, weil sie die Geldstrafe nicht bezahlen können. Die einer lügenhaften Kreatur zum Opfer zu fallen, deren Namen Leute auf dem Lande haben noch aus der Zeit vor Beseitigung dagegen von den Beamten nicht genannt werden darf, weil die der Leibeigenschaft veraltete Begriffe. Holt sich ein Mann etwas vorgesetzte Behörde ohne Angabe von Gründen sich auf den§ 53 Holz aus dem Walde, was er als sein Recht beansprucht, so wird stützt. So wurde hier in Berlin einer jener beliebten Spitzel er bestraft und muß ins Gefängniß, weil er die Geldbuße nicht unter seinem Gide befragt, ob er mit dem betreffenden Polizei­bezahlen kann. Im Interesse meiner Wähler des ländlichen Ar- kommissar in Verbindung gestanden hätte. Er verneinte dies. beiterstandes wünschte ich statt deffen die Einführung der Zwangs- Ich bin nach dem Ergebniß des Verhörs überzeugt, daß er einen arbeit beim Wegebau oder dergl. Wenn Herr Böckel glaubt, die Meineid geleistet hat. Nun wurde der Kommissarius befragt: Expropriation des Bauernstandes aufhalten zu können, so irrt er. Der Ist dieser Derjenige gewesen, der Ihnen die Nachricht gebracht Großkapitalismus wird den kleinen Bauernstand ebenso auffressen, hat?" Er antwortete: Ja, das zu sagen, hat mir meine vor­Abg. Dr. Böckel( Antisemit) hofft, daß das bürgerliche wie er das kleine Handwerk aufgefressen hat. Gegen diese natürliche gesetzte Behörde verboten." Wenn das so weiter geht, dann Gesetzbuch noch recht lange nicht fertig werden möge. Aus Entwickelung hilft kein Antisemitismus. Dringend nothwendig ist untergraben Sie allerdings das Ansehen der Behörde. Man den weitesten Kreisen der Juristen und des Publikums die Abschaffung der solidarischen Verpflichtung der Verurtheilten wird es ihm Volke nicht verstehen, wie die Regierung mit einem feien die abfälligsten Urtheile darüber bekannt geworden, für die Gerichtskosten und Zeugengebühren. Der Gesetzgeber, der Menschen, der vor Gericht und außerhalb desselben lügt und dies namentlich von Leuten, die im praktischen Leben stehen, diese Bestimmungen traf, konnte sich nicht denken, daß solche Riesen- Geschäft als Gewerbe betreibt, in Verbindung steht, und daß die Handhabe geboten wird, und deren Urtheil am meisten gehört werden müsse. Der Ent- prozesse geführt werden könnten, wie jezt die Sozialisten- und nicht um folche Leute entlarven. Ein zweiter wurf des neuen Gesetzbuchs sei nur im Interesse der Kapitalisten, Geheimbundprozesse. Der Elberfelder Prozeß foftet 12 000 m. zu Punkt betrifft die Ver­Sie wissen, nicht des Bauernstandes verfaßt, und der Rheinische Bauern- Jeder, wenn er auch nur zur geringsten Strafe verurtheilt ist, anwortlichkeit der Staatsanwälte und Richter. verein habe dies wohl erkannt und Protest erhoben. Auch die haftet dafür. Eine solche Person wird also neben der Strafe daß der leiseste Zweifel an der Gewissenhaftigkeit eines Gebührenordnung für Rechtsanwälte bedürfe einer Revision, wie außerdem noch bürgerlich ruinirt. Einen sehr nachtheiligen Ein- Richters oder Staatsanwalts sofort zur Anklage der Zweifelnden überhaupt die Anwaltsordnung sehr verbesserungsbedürftig sei. fluß hat das Monopol der Staatsanwalte, Anklagen zu erheben, führt. Ich meine, die moralische Verantwortlichkeit genügt nicht, Ebenso sei der§ 87 der Zivilprozeß- Ordnung, wonach der ver- besonders bei Beleidigungen im öffentlichen Interesse. Das ge- es gehört weiter dazu, daß ein etwaiger Verstoß gegen das Straf lierende Theil den Rechtsanwalt des Gegners bezahlen muß, schieht immer bei Beleidigungen durch die sozialdemokratische gesetzbuch mit aller Strenge des Gesetzes auch gegen Richter und befferungsbedürftig. Redner wendet sich gegen eine Verurthei- Presse. Als Beleidigung gilt es schon, wenn ein Blatt schreibt, Staatsanwälte in Anwendung gebracht werden muß. Wer kann lung, welche erfolgt sei, weil eine Zeitung das Wort anständig" daß ein Arbeitgeber einen Arbeiter wahrscheinlich deshalb nun den Staatsanwalt anklagen, wenn er dieses oder jenes Ver durch Gänsefüßchen" bezeichnet habe. Zwischen den Urtheilen entlassen habe, weil dieser einem sozialdemokratischen Verein brechen oder Vergehen im Sinne des Strafgesetzbuches begangen der Richter und dem Volksbewußtsein bestehe eine tiefe Kluft. angehöre. Herr Böckel sprach von der Ausbeutung hat? Wenn der erste Staatsanwalt Jemand zu Unrecht anklagt Freilich den Wuch erern gegenüber fielen die Urtheile immer milder des fleinen Bauern durch das Judenthum. Der schlimmste oder eine Anklage unterläßt, zu der er verpflichtet war, so find aus, gegen diefelben helfen überhaupt keine Paragraphen, da Wucher ist aber der, der von den städtischen Behörden beides schwere Verbrechen, die das Gesetz mit Zuchthausstrafe diese ihnen stets Hinterthüren offen ließen.( Redner führt einige durch die Leihhäuser mit den Aermsten der Armen ge- bedroht. Nun wird aber doch der erste Staatsanwalt nie hierfür sprechende Beispiele an.) In einem Falle habe das trieben wird.( Gelächter.) Eine arme Wittwe, die das Letzte, und nimmer sich selbst anklagen, dazu gehört ein so makel­Gericht einem Gauner und Börsenschwindler mildernde Um- den Unterrock ihres Kindes, versetzt, um für sich und ihr Kind loser reiner Charakter, wie er eben in den Reihen Der­stände sugebilligt, weil er von Jugend auf an betrügerische Brot zu kaufen, bekommt eine Mark geliehen und muß dafür jenigen, die solche Verbrechen begehen, nicht gefunden wird. Handlungsweise gewöhnt sei.( Heiterfeit.) Durch solche Urtheile monatlich 5 Pfennig, d. h. jährlich 60 pet. Zinsen bezahlen. Nun kann sich allerdings der Verletzte beim Ober- Staatsanwalt verleite man die Leute, Sozialdemokraten zu werden! Und da Und wenn die Auktion des Gegenstandes nicht den geliehenen beschweren. Da sagt aber der Ober- Staatsanwalt: ich kann tomme nun der Herr Staatsanwalt Schlippe in Darmstadt und Betrag deckt, werden noch Auktionsbeiträge erhoben. Die Anti- nicht einschreiten, denn der subjektive Thatbestand des Verbrechens verfüge, daß jede Beleidigung eines Juden als im öffentlichen semiten sollten doch da für Abhülfe wirken. Der Staatssekretär liegt nicht vor. Weil der Ankläger aber behauptet hat, daß der Interesse liegend vom Staatsanwalte verfolgt werden sollte. So hat die Kategorieen genannt, welche in die Kommission für das erste Staatsanwalt dieses Bewußtsein gehabt hat, so flage ich solle man nur fortfahren, dann werde das Ende nicht mehr lange bürgerliche Gesetzbuch hineingekommen sind. Ich habe nicht ge- Dich wegen Beleidigung an. Was sind das für Zustände! Ich hört, daß dabei der wichtige Arbeiterstand berücksichtigt ist und möchte also die Regierung fragen, ob sie Remudur nach der Staatssekretär v. Dehlschläger kann dem Vorredner auf die möchte bitten, auch einen oder mehrere sozialdemokratische Juristen Richtung schaffen will, daß sie eine Anklagebehörde auch gegen angeführten Einzelheiten nicht antworten, da dieselben nicht ge- in die Kommission zu berufen. Der Abg. Boeckel hat Straf- Staatsanwälte schafft. Der Abg. Hartmann sagte neulich, daß nügend substantiirt seien. Das bürgerliche Gesetzbuch könne er milderungen erzählt. Gegen Arbeiter wird die Zugehörigkeit zur gegen derartige Bergehungen ja das Ober- Landesgericht, das nicht vertheidigen, da der Entwurf noch nicht feststehe. Jeden- sozialdemokratischen Partei als Strafverschärfungsgrund geltend Kammergericht u. s. w. Abhilfe schaffen. Das ist ganz schön, falls habe man zur Berathung deffelben Vertreter aller Berufs- gemacht. Wir verlangen auf dem Gebiet des Zivilrechts absolute aber in Preußen z. B. sind die höchsten Stellen mit Richtern freise zugezogen. Dem ersten Redner erwidert der Staats- Aufhebung der Gerichtskosten und auf dem Gebiete der Straf - besetzt, die eine fürzere oder längere Zeit früher Staatsanwalt sekretär, daß die Regierung einer Revision des Straf- Gesetz- rechtspflege Mitwirkung des Volts, aber nicht in der Weise wie gewesen sind. Hier in Berlin ist mindestens ein Viertel sämmt­buches u. s. w. nicht abgeneigt sei, obwohl die Schwierigkeiten jegt, wo die betreffenden Geschworenen und Schöffen von den licher höheren Stellen mit früheren Staatsanwälten besetzt, und nicht verkannt werden dürften, welche dieselbe mit sich bringen Richtern ausgesucht werden. Zur Zeit ist das Recht nicht Aus- da weiß man schon, was dabei herauskommt. In Bezug auf den fluß des Volksbewußtseins, sondern dasjenige, was den herrschenden Strafvollzug wird eine ganze Anzahl von Versehen begangen, Abg. Klemm- Sachsen( dk.): Die Anführungen des Herrn Klassen von Nußen ist. ohne daß die betreffenden Beamten zur Verantwortung gezogen Böckel fann ich nicht beurtheilen, weil er nicht das ganze Abg. Stadthagen ( Soz.): Eine Reform der Anwalts- werden oder werden können. Besonders schlimm steht es mit der Material beigebracht hat. Ueber das neue bürgerliche Gesetzbuch, gebühren- Ordnung wünsche ich mit dem Abgeordneten Boeckel. Untersuchungshaft. Die Untersuchungsgefangenen sollen gesetzlich welches eine ganze Literatur gezeitigt hat, will ich mich jetzt nicht In Bezug auf den Wucher scheint er mir nur eins zu vergessen: nur solche Beschränkungen erleiden, welche zur Sicherung des einlaffen. Ueber die Einzelheiten fönnen wir nicht sprechen; ich Die Auswucherung der Arbeitskraft, und ich bin neugierig, ob er 3wecks der Haft oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den habe auch einzelne Wünsche, aber ich will sie hier nicht vorbringen, bei dem Arbeiterschutz- Gesetz gegen diese Art des Wuchers Front Gefängnissen nothwendig sind. Nun ist es aber in Preußen eine da ja in der Kommission große Kapazitäten sitzen. Möge die machen wird. Ich habe mich aber nur zum Wort gemeldet, um eigenthümliche Einrichtung, daß über die Untersuchungsgefangenen Kommission zum Segen arbeiten. einige Fragen an den Herrn Staatssekretär zu richten. Nach§ 53 lediglich die Gefängnißinspektion zu bestimmen hat. Werden die Abg. Heine( Soz.): Der Abg. von Buol verlangt eine der Strafprozeß- Ordnung dürfen öffentliche Beamte über Üm- Gefangenen allerlei Beschränkungen unterworfen, und wendet Befugniß für die Gefängnißbehörden, die Gefängnißstrafen zu stände, welche sich auf ihre Amtspflichten beziehen, als Zeugen man sich dann beschwerdeführend an den Richter, so heißt es: türzen und andererseits zu verlängern, wenn bei den Gefangenen nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Behörde vernommen Ja, ich kann darin nichts weiter thun, daran ist die Aufsichts­die nöthige Befferung noch nicht eingetreten ist. Glaubt der werden. Diese Genehmigung, heißt es weiter, darf nur versagt behörde schuld, ich kann mich darein nicht mischen. Die Unter­Herr, daß z. B. die Herren Bischöfe, die im Gefängniß saßen, werden, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohle des fuchungsgefangenen sind dem Schutze des Richters unterstellt, durch die Kerkerstrafen gebessert sind? Wie lange müßten diefe Reiches oder eines Bundesstaates Nachtheile bereitet. Ich habe und derselbe Richter kann diese ungesetzlichen Maßregeln nicht Herren ſizen, um im Sinne des Gesetzes gebeffert zu werden, in vielen Fällen gefunden, daß dieser Paragraph die Handhabe verhindern. Ich habe einmal einem Untersuchungs- Gefangenen und wenn die Sozialdemokraten sizzen sollen, bis sie sich gebessert bietet, um die Wahrheit zu verhüllen. Dies gilt besonders von den Heine zugeschickt. Das wurde als eine unzweck haben, dann werden sie schwarz!( Heiterfrit.) Dagegen meine einer Reihe von Sozialistenprozessen. Ich habe mich wiederholt mäßige Lektüre zurückgewiesen. Eine Beschwerde einzureichen ich mit dem Abg. v. Buol, daß eine Aenderung bezüglich der gefragt: Wie kann der preußische Staat oder das Reich dadurch ist in den meisten Fällen gar nicht möglich. In drei Fällen in

ausbleiben.

würde.

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Theater.

Deutsches Theater. Donnerstag, den 29. Januar. Zum ersten Male: Ehrbare Mädchen( Le vergini). Schauspiel in vier Aufzügen von Marco Praga . Deutsch von Otto Sommerstorff . Wie können die Töchter einer deklassirten Familie unter die Haube gebracht und versorgt werden?

Füßen zu stehen.

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über­in

Auch in der Charakterisirung der Hauptpersonen fehlen die feineren, tieferen Züge. Der melancholische Liebhaber zeigt kein individuelles Gepräge und selbst bei Paolina wird die besondere Entwickelung, die sie im Gegensatz zu ihren Schwestern ge­nommen, als Thatsache hingestellt, aber nicht analysirt. Am besten ist dem Dichter die Schilderung der Mutter und der kleinen, lebenslustigen Nini gelungen: die jüngste Schwefter tritt ganz zurück.

in das Wesen ihrer Familie und verabscheut es. Sie lebt ganz Der Sprache, welche die einzelnen Menschen im Stück reden, zurückgezogen. Da begegnet ihr ein junger Mann, der ihr anders fehlt die frische Natürlichkeit. Die Sätze sind zu sorgfältig ge= erscheint, wie die anderen, die im Hause verkehren. Seine schwer rundet und abgewogen. Zwar ist, soweit ich mich erinnere, der Monolog vermieden, müthige Scheu ist weit entfernt von der Frivolität seiner Kameraden. Die zarte Achtung, mit der er sie behandelt, entzückt dafür wird aber fleißig bei Seite" gesprochen, damit im lieben ihr Herz. Aber soll sie nicht seine Werbung zurückweisen? Muß Publikum selbst deu Schwachen im Geiste Sinn und Absicht flar werde. er nicht ihre Familie verachten und sie mit, die sie zudem...? Auch der aus der französischen Komödie Aber er beschwört sie, sein Weib zu werden; sie wollen nommene, geistreich frivole Raisonneur fehlt nicht Der Vater, ein Beamter oder Arzt, ist gestorben. Er hat Mailand verlassen und irgendwo in der Verborgenheit leben. dem Stüde . Es ist so angenehm und bequem, eine Person zu tein Vermögen hinterlassen, oder ein so geringes, daß es in Was hinter ihr liegt, wird vergessen sein. Und sie glaubt an befizen, die stets zur Stelle ist, wenn eine Aufklärung und Er­den Jahren, wo die Mädchen heranwuchsen, verzehrt worden diese Möglichkeit, glaubt daran in dem Glück ihrer ersten Liebe klärung erforderlich wird. Freilich, künstlerisch ist es nicht. Leben die Familie wurzelt ganz in ven Anschauungen und und giebt ihm ihr Jawort. Lebensgewohnheiten mittleren Bürgerthums. Die Töchter find Die Hochzeit ist festgesetzt. Die Mutter ist im siebenten noch ein Schablone erzogen worden; sie haben alles und Simmel, und die Schweſtern nur ein wenig verwundert, daß noch einiges gelernt, aber nichts, was sie befähigte, auf eignen die zurückhaltende Paolina die Erste von ihnen sein soll, die einen Sie sind an bescheidenes Wohlleben, an Mann kriegt. Aber die Arme kann nicht zum Glücke kommen. Toiletten gewöhnt. Sie haben Hände, die viel zu weiß und zart Zwischen ihr und dem Geliebten steht ein drohendes Hinderniß find, um harte Arbeit zu verrichten. Sie bedürfen des Ernährers. aufgethürmt, dessen dunkle Schatten sich nicht verscheuchen lassen Leben und das Leben der Mutter. Wie bekomme ich am schnellsten Wer aber soll sie heirathen? Um diese Frage dreht sich ihr und sie martern, martern Paolina ist die Einzige unter den Schwestern, die nicht wohlhabende Männer für meine Töchter? Jungfrau ist. Nicht durch ihre Schuld ist sie gefallen: als sieben­Und nun beginnt eine tragische Männerjagd, tragisch, weil zehnjähriges Mädchen hat sie der älteste Hausfreund der Familie Mutter und Töchter dabei innerlich verlumpen müssen, tragisch, verführt. Als nun die Mutter in ihrer Unwissenheit gerade ihn, weil sich im besten Falle doch nur Trottel fangen lassen. den Verführer, zum Trauzeugen bestimmt, gesteht sie ihrem Ver­Marco Praga ist, wenn ein Urtheil nach diesem einen, zuerst Alles wird auf den Schein eingerichtet. Das Haus steht lobten die Wahrheit. in Deutschland bekannt werdenden Drama gestattet ist, zwar kein offen wie ein Heirathskomtoir. Die jungen Männer gehen Er bricht unter diesem Schlage zusammen. Er hat nicht die Dichter ersten Ranges, wohl aber ein Mann, der genug Begabung ein und aus. Sie amüsiren sich mit den jungen Mädchen aber Kraft, dem Urtheil der Welt zu troßen und verläßt sie. besitzt, um sich aus dem Bann der Konvention zu befreien. Wer es fie lachen, soweit sie Verstand besitzen, über den Gedanken, sie zu Noch einmal treibt ihn seine Leidenschaft zu ihr zurück. Kann versteht, einen so bedeutsamen Stoff, wie es die Ghrbaren heirathen. Was würde man" dazu sagen? sie nicht sein Weib werden, sie soll ihm doch als Geliebte folgen. Mädchen" immerhin sind, zu sehen und resolut zu ergreifen, Nicht, daß die jungen Damen Stoff zu übler Nachrede gäben. Was sie vorher vielleicht gethan hätte, nun weist sie es ſtolz kann auch die Kraft erreichen, ihn dichteriſch ganz zu durch­Bewahre: fie wissen genau, wie weil sie zu gehen haben. Sie zurück. Jetzt, wo sie ihm die Wahrheit bekannt hat, fühlt sie sich bringen und ihm die Fülle warmen Lebens zu geben. Hoffent lich ist für Praga dieses Drama nur eine Stufe. un- ihm gleich, und sie empfindet seinen Wunsch als Beleidigung. zu zu lustig, Verehrern. Man darf Die Familie packt die Koffer, denn in Mailand ist nichts Teresina Geßner gab die Paolina. Die Leistung der Künsterin,

genirt

wenig

find luftig, vielleicht ein im Berlehr mit ihren nicht wagen,

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In seinem Aufbau ist das Drama etwas zu breit gerathen. Im zweiten und und dritten Akte erlahmte das Interesse der Zuschauer sichtlich. Doch wurde der Dichter nach jedem Akte mehrmals gerufen.

ihnen Geschenke Zu machen; höchstens mehr zu holen; die zweitälteste Tochter, die muntere Nini, will an welche man die höchsten Anforderungen zu stellen gewohnt ist, darf man ihnen Bonbons mitbringen. Und will man ihnen sich der Operette zuwenden, und die Jüngste, Selene, stellt sich befriedigte mich nicht ganz. Sie nahm die Rolle von vornherein Seide zu einer Robe schenken, so nehmen sie sie nur, wenn sie unter den Schutz des Marquis Boppi, eines lächerlichen Greises, zu Tarmoyant. Das schmerzdurchwühlte Gesicht, die Stimme, die erfahren, daß der Geber sie durch einen ganz besonderen Zufall der sie am Ende heirathen wird. Während die Familie sich also nach verhaltenen Thränen flingt, waren schon im ersten Aki bei direkt aus Japan oder China erhalten hat. aufmacht, um ein neues Feld für die Männerjagd aufzusuchen, ihr vorhanden und begleiteten sie bis zum Schlusse. find nicht unerfahrene Dinger, die den Werth dieser anatomischen Und die Hauptsache ist: die Mädchen sind Jungfrauen. Es scheidet Paolina von ihrem Geliebten. dieser dunkle Grundton ihrer Darstellung verwischte die Die Vorzüge des Stücktes liegen nicht in seiner Technik. feineren Linien in der Wiedergabe seelischer Bewegungen. Freilich Thatsache unterschätzen. Sie wissen genau: wollen sie geheirathet sein, Sie ist alt und schablonenhaft. Marco Praga gilt als einer war der Abstand zwischen ihr und ihrem Partner, Herrn Barthel, muß diese einzige Mitgift dem Bersorger ungeschmälert erhalten der Grſten unter den italieniſchen Veriften. Er ist Naturalist auch so noch recht bedeutend, der über hohle Deklamation nicht in der scharfen Zeichnung des Milieu, aus dem seine Personen hinaustam. Herr Nissen gab den Raisonneur gewandt und wir­So schildert Praga die Familie Tosst, und es ist eine hervorwachsen, der Umgebung, durch die ihre Handlungen ver- kungsvoll, Frau Carlsen war eine ausgezeichnete Mutter, Herr typische Schilderung, die er bietet. Die dramatische Bewegung ständlich werden. Er steckt aber in der Führung des Dialoges, Kühle bestand siegreich die große Gefahr, den Marquis Zoppi zu des Stoffs erhält er durch folgende Entwicklung. in dem Aufbau der Szenen, in den Hilfsmitteln, die er benutzt, einer Karrikatur werden zu lassen, und Fräulein Elsa Lehmanu Paolina Tossi, die älteste der drei Schwestern, sieht am Tiefsten noch ganz in der alten Schule. war die munterste, natürlichste Nini.

bleiben. Das ist ihr Haffinement.

Curt Baate.