mehr. Daher ist es gekommen, daß wir die Amerika-Anleihe schonvor Schluß des Rechnungsjahrs aufnehmen mußten. um nurdie Löcher z u z u st o p f e n. Ich kann die Erklärung abgeben,daß ohue eine dauernde Verstärkung der Reichshauptkassenicht mehr auszukomlncn sein wird, denn die Ausgaben steigengewaltig, während die Einnahmen sich eher ungünstiger entwickeln.Nachdem noch ein andrer Vertreter des Reichsamts gegen dieRichterschcn Vorschläge gesprochen hat. wird diese Debatte abgebrochen.Der Antrag Müller sFulda) betr. die Indemnität isiehe oben) wirdParteien außer der Socialdemokratie an-von allengenommen.Die Beratung wird Montag fortgesetzt.Die Kommisston will beim Präsidenten anregen,sttzung ani Montag ausfallen zu lassen, um den ganzenihre Arbeiten frei zu haben.Nolikische VebevNchk.Berlin, den 7. Dezember.Der Reichstaghat heute die Besprechung über die Kohlennot glücklich zuEnde geführt. Bei der ganzen Interpellation ist nichts heraus-gekommen, als die Zusage der Regierung, eine eingehendeStati stik über die Bewegungen des Kohlenmarkts im In- undAusland monatlich zu veröffentlichen. Bescheidene Gemüter, wieder freisinnige Abgeordnete Lenzmann, waren von diesem Er-gebnis sehr entzückt. Zu den sehr Bescheidenen zählt auch derCentrums-Abgeordnete Dr. Stephan, der Generaldirektor desriesigen Grubenbesitzes der schlesischen Grafen Henckelvon Donnersmarck. Er suchte nachzuweisen, daß wederder Großhandel noch die Gruben an der Kohlennotschuld feien, nur der Zwischenhandel habe etwas übertriebenePreise gefordert. Bei dieser Sachlage sollte man von alleneinschneidenden gesetzgeberischen Maßnahmen absehen. DieKohlenpreise würden schon von selbst zurückgehen. Das also; war des Pudels Kern. Dann entsteht nur die Frage, weshalb das Centrum, zu dessen einflußreichsten MitgliedernHerr Dr. Stephan gehört, die Interpellation überhaupt eingebracht hat.Aus der langen Debatte, die durch eine kleinbürgerlichsocialistelnde Rede des Antisemiten Dr. Böckel eröffnet wurde,sind nur einige Einzelheiten erwähnenswert. Dazu gehört zunächst das Auftreten des Herrn v. Hehl. Es war bekanntlichdavon die Rede, daß er aus Aerger überZurücksetzunaus der nationalliberalen Fraktion ausgeschieden sei. Die Thatsache st i m m t auch. Er istaber nur vierundzwanzig Stunden lang in der Wüste geblieben. Dann ist er wieder zurückgekehrt, bezaubertvon der Liebenswürdigkeit, mit der ein Teil der Fraktionseinen Antrag auf staatliche Kontrolle über die monopolistischen'Syndikate unterzeichnet hat, und heute hat er als n a t i o n a lliberaler Redner gesprochen.Er suchte seinen Ruhm bekanntlich darin, nicht nur einstrammer Schutzzöllner und Agrarier, sondern auch einenergischer Socialpolttiker zu sein. Heute trat er für den' achtstündigen Normalarbeitstag für die Bergarbeiter einWarum soll ihm seine Fraktion das nicht erlauben? Ist doch! sogar Herr Franken, ein direkter Vertreter der Interessen derGrubenbesitzer, bereit, den Achtstundentag für die Bergarbeiter'zu bewilligen. Die Kohlen- Großindustrie muß diese Be' schränkung also wohl ertragen können.Der zweite Zwischenfall, der Erwähnung verdient, wurdedurch den konservativen Agrarier Nösicke, Kaiserslautern,herbeigeführt. Er bekam nämlich das Kunststück fertig. OhmÄ rüg er mit der Kohlennot in Verbindung zu bringenDer Uebergang von dem Thema der Kohlennot zudem doch recht entfernt liegenden Thema der hohenPolitik war geradezu elegant. Herr Rösicke schalt auf dieHandelsverträge, die ein Kohlen- Ausfuhrverbot unmöglichmachten, und beklagte, daß in wirtschaftlichen Dingen bei unszu viel Rücksicht auf das Ausland genommen würde. Leidergeschehe das auch in politischen Dingen. So hätte man ingefälliger Rücksicht auf England den Präsidenten Krüger vorder deutschen Thür umkehren lassen. Graf von Bülowsollte doch um Himmels willen den Kaiser orientieren,wie wenig eine solche Maßnahme von der allgemeinen BolkSstimmung verstanden würde. Graf Bülowwar natürlich nicht zur Stelle. Dafür trat Gra'Posadowsky auf, um einen Ausflug ins Höhere zu unternehmen. Er sprach in edlen Gesten von den„glühend heißenFragen der äußeren Politik", von der Verantwortlichkeit desReichskanzlers für den Frieden der ganzen Welt, und vonder Notwendigkeit, auf populäre Stimmungen nicht fentsimentale Rücksichten zu nehmen. Es war sehr schön, und dasCentrum klatschte lebhast Beifall. Besser hätte es Bülowselber nicht machen können.Die dritte erwähnenswerte Thatsache aus den VerHandlungen ist die bündige Erklärung des HandelsministersBrefeld, daß er unter allen Umständen einen Streik alshöhere Gewalt betrachte und daß nicht nur die Zechen, sondernolle Fabrikanten das Recht hätten, ihren Kontrakt nicht zu halten,wenn es zu einem Streik in ik>rem Betriebe käme. HerrBrefeld stellte sich also als unbedingter Anhänger der Streikklausel vor. Er sollte zum Ehrenmitglied des Bundes deutscherBaugewerks-Jnnungen ernannt werden.Nachdem ein Schlußantrag der Diskussion über dieKohlenteuerung ein Ende gemacht hatte, kam es zu einemkleinen Streit zwischen dem Präsidenten und der Budgetkommission über die Frage, ob die nächste Sitzung am Momtag, wie der Präsident wollte, oder am Dienstag, wie dieüberlastete Budgetkommission wünscht, stattfinden solle. DieMehrheit entschied sich schließlich für den Präsidenten in derHoffnung, dann in der nächsten Woche einen Tag früher indie Weihnachtsferien zu gelangen. Am Montag wird also dieerste Lesung des Etats beginnen.Englische Scharfmacherek.Die englische Presse macht die krampfhaftesten Anstrengungen,um Deutschland, dessen Hurrapolitik in China, von den lebhaftenGefechtsübungen abgesehen, in letzter Zeit sehr kleinlaut gewordenist, wieder zu Unbesonnenheiten zu verleiten. Sie �bezeichnet dieWieder ein neneS Jnfanteriegrwehr.Man schreibt unS:Einem Norweger ist«S gelungen, ein neues Gewehr zu erfinden,da» sowohl hinsichtlich seiner genialen Konstruktion, als auch derDurchschlagskraft seiner Geschosse alle anderen Systemeübertrumpft. Mit dem neuen Mordinstrument wurden imDeutschen Lehrinfanteriebataillon eingehende Versuche angestellt, dieein dermaßen„glänzendes Resultat' ergaben, daß— wie demSchreiber diese? von durchaus vertrauenswürdiger Seite versichertwird— der Kaiser befohlen habe, eine derDivisionen des hannoverschen(X.) Armeecorpsprobeweise damit auszurüsten.Die Erfindung ging vor kurzem in den Besitz eines Konsortiumsinternationaler Kapitalisten über, unter denen sich u. a. auch dieRothschilds befinden. Einer der Hauptteilnehmer ist ferner derGeheimrat Ehrhardt in Düsseldorf, in dessen Fabriken die Waffenhergestellt werden sollen.jetzige Situation in China als einen völligen Mißerfolgund behauptet, daß Deutschlands jetzt bekundete Geneigtheit, seineanfänglichen hochfliegenden Rache- und Zerschmetteruugspläne zuGunsten eines baldigen Friedensschlusses aufzugeben, in China denEindruck der Schwache, ja einer förmlichen Niederlage hervor-rufen müsse. So schreibt z. B. der„Spectator":„Als erstes ist die Einigkeit d e S W e st e n«, do» Kon-die Plenar- zert, in die Brüche gegangen... Das bedeutet natür-Tag für lich, daß China das Sprel gewinnt. Nicht baS Geringsteist geschehen, was die Chinesen davon überzeugen könnte, daß ihremächtige Herrscherin geschlagen ist, oder daß die Mächte im ständesind, ein zukünftiges Massakre zu verhindern. ES ist den Chinesenvollständig gleichgültig, daß die Alliierten Peking eine Zeü besetztgehalten haben, sofern sie eS nur erst wieder geräumt haben.Den Verlust einiger Tausend ihrer Landsleute fühlen sie ebensowenig, wie ein Schwärm Heringe einen Netzzug spürt. WaS sieallein glauben werden, ist, daß die Fremden zum Schlußdoch die Unmöglichkeit einsahen, den HilfsquellenChinas gegenüber a nd au e rn d S tan d zu haltenund im Lande zu verbleiben.... Wir möchten glauben,daß Europa schließlich müde wird, große Ausgaben zu'machen,ohne ein R e s u l t a t zu sehen, verwirrt über den passiven Wider-stand und im Herzen beschämt über Schlächtereien, so daß esschließlich den ststus quo ante ohne Murren annimmt. Nur einsläßt uns Zweifel: Wird Wilhelm II. ein solches Scheiternseiner Hoffnungen rnhig ertragen? DieserMonarch hat seit Jahrendie Absicht gehabt, in China sich ein Indien zu erwerben, er sagte, daßer den Chinesen ein Attila sein wolle.... Keine Großmachtwird ihn mit Krieg überziehen, wenn er eine chinesischeProvinz nimmt, so lange niemand unmittelbar bedroht wird;die chinesischen Armeen können ihn, so wie sie jetzt sind, nicht ver-treiben, die Einkünfte Schantnngs, das voll Mineralien steckt,würden alle seine Unkosten decken. Sein eignes Volk wird glauben,daß er ihm einen immens großen Markt eröffnet hat, und er selbstwird stolz sein, den Grund st ein zu dem Kolonialreich(Colonial Empire) gelegt zu haben, ohne das europäischeGleichgewicht erschüttert zu haben. Das erscheint unsals das mögliche Resultat des mißlungenen Versuchs, die Kaiserin-Witwe zu zwingen...Um seine Scharfmachereien wirksamer zu machen, hält sich dasBlatt zum Teil an die Thatsachen. Gegenüber der anfangs proklamierten Chinapolitik Deutschlands bedeutet thatsächlich dessen jetzigeHaltung eine auffallende Resignation, eine politische Niederlage. Freilich wäre es eine ungleich größere, eine geradezu un-verzeihliche Tborheit der deutscheu Politik, wenn sie trotzder inzwischen empfangenen Lehren noch mit dem Kopf durch dieWand rennen wollte, zu keinem andern Zweck, als um England alsPuffer gegen Rußland zu dienen.Deutschland hat um so weniger Ursache, England den begehrte»Beschützerdienst zu erweisen, als die englische Presse diese Scharsmachcrabsicht nachgerade gar zu täppisch verrät. Wie genug mußman von der deutschen Diplomatie denken, daß man ihr einenKöder vorwerfen zu dürfen glaubt, aus dem der Widerhaken sooffensichtlich hervorragt IDeutschland solle die Provinz Schantung annektieren. denn«Sbrauche nicht zu befürchten, deshalb in einen Krieg mit einer Großmacht verwickelt zu werden. England zumal werde seinen Segen zudieser Snnektion gebe». Und Schanwng sei eine so schöne Provinz.eine so reiche Provinz, die voller Mineralien stecke. Hatdas ländergierige England jemals einen sonst gehatztenRivalen eine so wertvolle Kolonie derartig aufzudrängenversuckit? Aber England wäre augenblicklich DeutschlandsAnnektionspolitik in Oftasien äußerst' willkommen, deshalbläßt es alle Scharfmacherkünste spielen, deshalb niacht es derdeutschen Regierimg in demselben Augenblick die zweifelhaftestenKoinpliinentc. in dem es über das klägliche Scheitern der Volldampf-Politik höhnt.Schon seit Geraumem haben wir systematisch auf Englandsdreiste Scharsmachereicn hingewiesen, das jetzt mit den gelvaatestenMitteln des Lockspitzeltmns arbeitet.Die Chinawirren sind augenblicklich an dem kritischen WendePunkt angelangt; da gilt es die Augen offen zu halten.—Deutsches Weich.Die gekränkte Leberwurst.Einen heiteren Zwischenfall brachte die heutige Budgetkommisstonneben ihren politisch bedeutsamen Vorkonimnissen.In einer GeschästsordnungSdebatte überraschte Herr Müller-Fulda, einer der hervorragendsten Geschäftsleute des CentriimS, dieKommiffiou mit der Erklärung, daß er das i» früherer Sitzungübernommene Referat an das Plenum jetzt ablehne. Zur Be>gründnng seiner Ablehnung erzählte Herr Müller in komiicher Erregung folgende Schanennär: Als das Zustandekommen de« letzten;roßen FlöttengesetzeS im letzten Frühjahre durch ein Gartenfest beimReichskanzler gefeiert wurde, habe einer seiner Parteifreunde unfreiwillig eimge Aeußemngen eines hohen Beamten deS Reichs-Marine-AmtS über ihn— Müller-Fulda— angehört; derBeamte habe gesagt:„Ich bin froh, daß die Reichstags-Wirtschaft endlich mal ein Ende nimmt� Ich habe alleArbeit gehabt, daS Referat des Herrn Müller habeichmachen müffcn, bis auf zwei Zeile», die Müller grchricben hat und die dann auf Antrag des AbgeordnetenRichter wieder gestrichen worden find.' Meine Herren— so fuhrAbgeordneter Müller in kreischender Entrüstung fort— daStnd Verdächtiglingen, die ich mir nicht gefallen lassen kann, ich habeden Bericht verfaßt und nur die rechnerischen Anlagen kamen vomMarine-Amt. Der betreffende Beamte aber ist hier anwesend alsVertreter der Regierung; so lange er hier ist, übernehme"ch kein Referat wieder.Vergeblich erklärte der Staatssekretär des ReichS-Marine-Amt».wenn ein Beamter seines ResiortS ungünstiges über den Abg. Müllerbehauptet habe, so bedauere er das aufrichtig; vergeben« versuchteder Vorfitzende und andre Mitglieder der Kommission dem in seinenbedeutendsten Verdiensten um die Marine gekränkten Herrn MüllerZuzureden. Herr Müller verschmähte die Centrumsgewohnbeit deSImfalls und blieb heldenhaft fest in der Ablehnung des Referats.ist zu erwarten, daß der Beamte, der eS wagte, HerrnMüller also schwer zu verletzen, zu feierlicher Abbitte genötigt werde.Soviel Lohne« sollte da« heiße Bemühe» deS CentrumS umMilitär-, Marine- und Chinavorlagen sicher fein.—Ueber die Wahlen in Württemberg liegen noch keine«nd-ültigen Abstimmungszahlen vor. doch ist soviel schon gewiß, daßich die socialdemokrattschen Stimmen ungefähr verdoppelt haben.Während ISSS nur rund 82 000 focialdemokratische Stimmen ab-gegeben wurden, werden die 60000 kaum reichen. Dagegen hat dieVolkspartei 20 000 Stinimen verloren; fie erhielt nur noch etwa7l 000 Stimmen. Das ist ein sichere« Kennzeichen dafür, daß diesesVolkSurteil nicht nur der inneren Politik Württembergs, sonderndaß es vielleicht in noch höherem Grade der allgemeinen Reichs-Politik gilt.An diesem Stimmenverhältnis läßt sich aber auch ermeflen, wieungerecht daS gegenwärtige Wahlsystem Württemberg« mit seinerKreiseinteilung ist und ivie notwendig die Einführung des Pro-portional-Wahlsystem» ist. Während nämlich die Voltspartei beiihren 71 000 Stimmen nur wenige von ihre» bisherigen 31 Mandatenverlieren wird, wird es die socialdemokrattsche Partei mit ihren60000 Stimmen auf vielleicht 6 Mandate bringen. Mit der Ver-affungSrevision sollte wenigsten» für die Abgeordneten, die anStelle' der auszumerzenden Privilegierten gewählt werden sollten,eine proportionelle Vertretung eingeführt werden. Da da« Centrumdas eine verhindert hat, hat es auch da» andre verhindert.—Potemkinsche Dörfer und die Villenkolonien, die nach Be-hanptung des Herrn Hilbck— am Montag im Reichstag— inRheinland-Westfalen zu finden sein sollen. Wenn Herr Hilbck gesagthätte, Ausländer-Niederlassungen, dann hätte er in Bezug auf dieZechenkolonien recht. Von den einheimischen Bergleuten wird mansehr wenige als Mieter in den Kolonienwohnungen finden. Einzelneder Kolonien sind fast ausschließlich von Polen bewohnt, in andrendominieren Oestreicher. Für die ineisten Ausländer muß man not-gedrungen Koloniewohnungen errichten, weil dieselben ordentliche Woh-nungen nicht bezahlen können. Zur Zeit kommen hier im Industriegebietnoch Oestreicher an, die, trotzdem man ihnen 7—8 M. Lohn ver-sprachen hat. mit 2,80—3,00 M. abgespeist werden. Von einemBeamten einer Zeche bei Dortmund wurde kürzlich auch offen aus-gesprochen, daß man, wenn Arbeiterentlassungen vorgenommeniverden müßten, dann nicht die Ausländer, sondern die heimischenArbeiter„fliegen' müßten. Ein Polizeibeamter, der Gefangene nachDortmund abgeliefert hatte, bemerkte im Gespräch, die Ausländerin den Kolonien sbei Lütgendortmund) haben meist alle etwasauf dem Kerbholz, wir haben viel Last damit, auch die Kommunenwerden sehr belastet.— Das sind die Bergnrbeiter-Villen-Kolonisten.—Aber in Essen, da soll's herrlich sein! Eine.Villen-Kolonie' giebt'shier allerdings. Dieselbe liegt eine Stunde von Essen entfernt, un-mittelbar an die Besitzung des Herrn Krupp anstoßend. Die Anlagedieser Kolonie, die aus ca. 50 ein Stockwerk hohen Häuschen be-steht, die je von zwei Familien bewohnt werden, dürste mehr ausbesonderer Liebhaberei, als aus sonstigen Motiven entsprungen sein.Diese Kolonie wird auch nicht von aktiven Arbeitern, sondern von In«validen bewohnt. Die Hanptkolonie der Firma Knipp ist der sog.„Cronenberg' und besteht aus ca. 120 Mietskasernen. � In jedeinHauS wohnen bis zu 12 Familien. Auf den, sogen.„Schedohof",Nordhoff und Westend- Kolonie findet man zum großen Teil Holz-barocken, die aus sanitätspolizeilichen Rücksichten eigentlich geschlossenwerden müßten. In den neueren Kolonien sind die Wohnungen soteuer, daß Arbeiter mit gewöhnlichem DurchschnittSverdieust die-selben überhaupt nicht mieten können. Wie es trotz der Villen-Kolonien übrigens in Esten aussieht, kann schon daraus ermessenwerden, daß der Oberbürgenneister der Stadt bereits die Errichtungeiner Bau bank sowie' eine bedeutende Unterstütz u nstder Baugesellschaften in Aussicht gestellt hat— zur Abhilfeder Wohnungsnot.—Eine Hunnenkarte. Die„Rhein. Wests. Arbeiter-Zeitung' ver-öffentlicht die folgende ihr zugestellte Feldpostkarte:Tientsin. 17. 10. 1900.LieberBruderundSch wägerinlWir werden wohl diesen Winter in Tientsin liegen bleibendenn wir haben uns die eingeschosseuen und niedergebranntenHäuser wieder aufgebaut und uns häuslich darin niedergelassen.Eine schöne Gegend' ist hier nicht. Die Chinesen sind gerade wiedie Sklaven! Wenn man etwas zu machen hat, nimmt manden ersten beste», der muß es dann für eine» arbeiten.Traurig aber wahr.lGrüßeUnterschrift).Unsre Scharfmacher müsten vor Neid vergehen, daß sie sich nichtauch bei uns auf diese billige Weise Arbeiter verschaffe.» können,wie diese christlichen Sklaventreiber in China.—Rückkehr von Ostasten-Mannschasten. Mit dem Lloyd-dampfer„Köln' werden am Sonntag oder Montag 887 Mann au«Ostasten znrückkebren. Die Heimkehrenden haben im Juni, Juli undAugust in den Zusammenstößen mit den Boxern mitgekämpft. DieHeimkehrenden gehörten den Besatzungen 18 verschiedener KrieaS»schiffe und Torpedoboote, den Seebataillonen und dem ostastatischenExpedüionScorpS an. Von der Besatzung deS»JltiS' treffen45 Mann ein.Von den ausgesendeten 25 Truppentransportdampfern ist eins,der Lloyddampfer H. H. Meyer bereits wieder in seinem Heimat-Hafen eingelaufen, zwölf andre Dampfer befinden sich auf der Heim-reise,»atürliib ohne militärislbe Rückfracht. Ueber die Verwendungder Dampfer für die Militärtransporte schreibt unser BremerhavenerBruderorgan:Das Herausnehmen der vielen großen Dampfer au« denSchiffahrtslinien des Norddeutschen Lloyd hat sehr deprimierend aufden Schiffsverkehr in Bremerhaven gewirkt und dem ganzen Erwerbsleben der Unterweser-Orte einen schweren Rückschlag gegeben. Denganzen Sommer und Herbst herrschte in den Unteriveser-Orten eineGeschäftsflaue, wie sie seit langem nicht vorgekommen. Die Folge davonist teils schon jetzt bemerkbar und wird noch mehr in de» nächste» Wochendurch Konkurse von größeren und für sicher fundiert gehaltenenGeschäften zum Ausdruck kommen. Die Chinabegeisterung deS Bürgertums rächt sich so an ihm selber. Auch die Arbeiter und, wie dasgestern von uns veröffentlichte Eingesandt beweist, vor allem dieHafenarbeiter, sind von dem mangelnden Schiffsverkehr in denhiesigen Häfen stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Hoffentlichwird das jetzt nach der Rückkehr der untenvegS befindlichen Hunnen-schiffe besser werden.Die Herren Grotz-Reeder haben freilich ein glänzendes Geschäftmit dem Truppentransport gemacht.—Was militärische Erlaffe nützen. Die deutsche Khakipreffethut sich besonder« viel darauf zu gut, daß endlich, nach Bekannt-werden der Hunnenbriefe, von den deutschen Truppenführern in Ost-asten Befehle gegen das Plündern und die Brutallsierung friedlicherChinesen erlasten worden sind. Die russische Presse teilt nunmehrmit. daß der russische Kriegsminister bereits am 23. Juni an denKommandanten der mandschurischen Truppen folgendes Telegrammsandte:„Gezwungen, unsre Truppen in die Mandschurei einrücken zu lasten,werden wir unzweifelhaft nach einer Reihe von Siegen den be-wafineten Widerstand der rebellischen Truppen und Bevölkerungvollständig brechen. Gewiß ist es auch, daß es unter demSchutze unsrer siegreichen Truppe» möglich fein wird, die Arbeitenvon staatlicher Wichtigkeit hinsichtlich der Durchlegung der Eisen-bah» durch die Mandschurei zu erneuern. Doch genügt diese«nicht. Es ist dringend notwendig, Maßnahmen zu ergreife», damitdie bisher friedliche Bevölkerung der Mandschureivon den Rebellen nicht fortgerissen wird und unSnicht in die schwere Zwangslage versetzt, einen Volkskriegführen zu müsten. Zu diesem Zwecke geruhte Seine Majestätder Kaiser zu befehlen. Sie und den Admiral Slexejew mitder Ergreifung energischer Matznahmen zu beauftragen, damitdie Feindseligkeiten in der ihnen eignen Unerbittlichkeitnur die chinesischen Truppen und die bewaffnete Bevölkerung treffen.Die Truppen und die bewaffnete Bevölkerung müsten vvllig ge-schlagen, die Befestigungen vernichtet, die Waffen abgenommeuiverden, aber die friedlichen Einwohner, ihreBe»hausungen und ihr Eigentum dürfen keines-fall« Objekte der feindseligen Handlungenunsrer heldenmütigen Truppen oder der Kosaken»Grenzbevölkerung sein. Keine überflüssigenGrausamkeiten und Zerstörungen dürfen zuge»lassen werden, Zerstörung von Städten und Dörfern.Brände, die die Bevölkerung am meisten gegen unsaufbringen, können nur als ausnahmsweise Vergeltung fürs ch Iv e r e und blutige Verbrechen gegen un« gestartetwerden. Plünderungen und Raub in jeglicherGestalt seitens der Militärchargen und derKosakenbevölkerung müssen mit strengen Maß-regeln, das Standrecht nicht ausgeschlossen, ge-ahndet werden. Für alle von der Bevölkerung g e-lieferten Produkte sind Barzahlungen zul e i st e n...'Wie trotzdem die russischen Soldaten durch Morden, Sengenund Plündern gehaust haben, ist bekannt. Wie würde dierussische Soldateska erst gehaust haben, ivenn man ihr die Losunggegeben hätte, daß Pardon nicht gegeben werde.—