Von«velcher Seite man daher auch das Vorgehen des Ministers des Innern betrachte, bleibt es ein verdammens- werthes. Die Boulangisten selber haben allerdings kein stecht, es zu verurtheilen; denn während des Boulanger- Stummels, als sie sich schon nahe der Macht wähnten, haben sie überall, wo sie die Mehrheit bildeten, sich gleich Ban- d'ten benommen, die Jeden, der ihnen in den Weg kam, jaiiim erlich verhauten. Dies entschuldigt aber keineswegs das höchst brutale Vorgehen des Ministers. Und schließlich sind Ohrseigen keine Antwort; noch weniger aber eine Rein- waschung von Anschuldigungen des„Jntransigeant", auf den za die Ohrfeigen eigentlich genitlnzt waren.— Was wir über die„anarchistische" Bomben- Verschwörung von W a l s a l l in der vorgestrigen Nummer schrieben, findet in dem_ gegenwärtig zur Verhandlung stehenden Prozeß gegen die sechs wegen gesetzwidrigen Bc- sttzes von Sprengstoffen Angeklagten seine Bestätignng. In der gestrigen Verhandlung wurde das Geständniß eines der „Anarchisten" verlesen, in welchem die fünf anderen An- geklagten des anarchistischen Treibens beschuldigt werden und behauptet wird, die von ihnen verfertigten Bomben seien für das Ausland bestimmt gewesen. Hier, wie in so vielen ähnlichen Fällen, stellt es sich heraus, daß es sich um eine Lockspitzel-Anzettelung handelt, der eine Anzahl leicht- gläubiger und verworrener Köpfe zum Opfer fallen.— Die nichtswürdigen und alberne» Lüge», die in der ausländischen namentlich französischen Presse verbreitet werden, und gegen die sich ein, vom Leipziger „Wähler" theilweise veröffentlichter Brief Liebknechts an einen fran- Zösischen Freund richtet, finden sich gesammelt in dem vor- nehmsten Pariser Skandalblatt, dem„Figaro", dem zynischsten Vertreter des Kapitalismus . Und da man die Korrespon- denten des Blattes kennt, so ist man auch in der Lage, ihre Spuren zu verfolgen. Diese führen denn auch, mit der Deutlichkeit von Thierfährten in frisch gefallenem Schnee, zu den sauberen Gewährsleuten der sauberen Herren. Und da treffen wir denn lauter alte Bekannte: den He rrn Öberwinder vom Stöcker'schen„Volk", einige andere Adjutanten des Herrn Stöcker, und die ' Biedermänner, welche das hiesige Klatschblatt der„Un- abhängigen", die Londoner „Autonomie", das Amsterdamer „Recht für Alle" und andere Organe des Antisemitismus und Mundradikalismus mit geistiger Speise versorgen. Es ist dies ebenso charakteristisch und ehrenvoll für die sauberen „Figaro"-Herren wi«< für die gleich sauberen Gewährsleute. Wir machten schon vor dem Erfurter Kongreß auf das Treiben und die Verbindungen des undefinirbaren „W y z e w a" von,„Figaro" aufmerksam— seit dem Kongreß ist er rückhaltloser„Oppositions"-Liebhaber, jedoch ein etwas indiskreter, insofern er das zarte Verhältniß aller Welt auf die Nase hängt. In der letzten Nummer des„Socialiste " sind die„Wyzewa" und Konsorten gebührend an den Pranger gestellt. Und wenn wir der Sache erwähnten, so geschieht es nicht, um die Lieseranten der französischen Skandal- Bourgeoisie zu kennzeichnen— das wäre ein überflüssiges Beginnen— sondern um unseren französischen Freunden zu zeigen, ans welchen Quellen die Verleumder der deutschen Sozial- demokratie ihre Information schöpfen, und welcher Hand- langer und Bundesgenossen sich die Bourgeoisie in ihrem Verzweiflungskampf gegen das siegreich vordringende Prole- tariat bedient.*)— Ztavlnmettksbevidtke. Deutscher Reichstag . 134. Sitzung vom 22. Januar, 1 Uhr. Arn Tische des Bundesraths von Marschall , von Rottend nrg., Auf der Tagesordnung steht die erste und eventuell zweite Berathung des Handelsvertrages mit der Schweiz . Staatssekretär v. Marschall : Der vorliegende Vertrag schließt sich eng an dieHandelsverträge, welche vorWeihnachten vom Reichstage angenommen sind. In der Polemik über den Werth der Handels- Verträge überhaupt ist seitens der Gegner immer nur von den Vortheilen gesprochen worden, welche wir möglicher Weise von den Verträgen haben könnten, nicht aber von den drohenden Nachtheilen, welche dadurch abgewendet werden. Letzteres ist aber die Hauptsache. Mit unserer Schutzzollpolitik haben wir den einheimischen Markt ge- sichert; es handelt sich aber auch darum, unsere Exportinteresfen zu wahren, und zwar besser als durch die Meistbegünstigung. Bestehen nirgends Tarifverträge oder treten die bestehenden außer Kraft, so hat die Meistbegünstigung ja gar keinen J»halt. Die Schweiz hat seit ISöl eine ganze Reihe von Tarifverträgen ab- geschlossen, und alle die Vortheile daraus sind uns wie eine reife Frucht in den Schooß gefallen; wir dagegen haben in derselben Zeit unsere Zollnovellen erlassen, welche sich ganz wesentlich auch gegen die Schweiz gerichtet haben. Der Konventionaltarif der Schweiz hört aber am 1. Februar auf und damit auch unsere Vortheile aus der bisherigen Meistbegünstigung. Ter neue schweizerische Gencraltarif von 1891 würde unsere Aus- fuhr außerordentlich hart treffen, und wir würden daraus der Schweiz keinen' Vorwurf machen können. Hier liegt also ein Verhältniß vor, das uns nicht veranlassen konnte, die Hände in den Schooß zu legen. Laffen wir übrigens den alten Vertrag fortdauern, so wurden manche Gegner des neuen Vertrages erst recht unzufrieden sein. Das Deutsche Reich ist aber nicht nur politisch, sondern auch wirthschastlicl, stark, und keineswegs hat um jeden Preis ein Zollkrieg mit der Schweiz vermieden werden sollen. Aber warum leichten Herzens mit einem Lande, mit dem wir seit Jahrzehnten in guten Be- Ziehungen gestanden habe», und das für 200 Millionen Mark deutscher Erzeugnisse jährlich ausnimmt. Streit vom Zaun brechen und einen Zollkrieg beginnen? Ein gerechter Anlaß dazu würde nur vorliegen, wenn die Schweiz unsere Anträge und Anregung ohne Grund zurückwiese. Das ist aber nicht der Fall gewesen. In der Presse ist vorzüglich darauf hingewiesen worden, daß die schweizerischen Zollsätze nach dem Vertrage vielfach höher sind als die deutschen . Es liegt das an dem Umstände, daß die Schweiz in dem Handelsvertrage mit Frank- reich 1882 gegen französische Konzessionen erhebliche Gegen- konzessionen gemacht hat, auf die wir doch unmöglich Anspruch Machen können, da wir jene Konzessionen in dem Um- fange, wie Frankreich 1862 es that. nicht gemacht haben. Es»st widersinnig, wenn von unseren Schutzzöllnern der Vor- Wurf erhoben wird, daß wir nicht genug Konzessionen von der Ech,veiz erlangt habe». Die Streitigkeiten über alten und neuen Kurs sind muhig; die verbündeten Regierungen werden den- *) Die Lügen der Wyzewa und Konsorten'brauchen wir unseren Lesern nicht vorzuführen, da diese, wenn es sie interesstrt, die tzMlze Litanei in den obengenannten Blättern vorfinden. lenigen Kurs innehalten, der aus dem Gebiet der Wirthschafts- Politik dem nationalen Interesse entspricht. Abg. Graf Kanitz(dk.): Die Ausführungen des Staats- sekretärs über den schweizerischen Generaltarif kann ich nicht ganz unterschreiben. Wenn auch die Handelsverträge nicht zum Frei- Handel führe», so ist es doch ein bedeutender Umschwung, den sie bewirken, denn sie beschränken unsere Aktionsfreiheit ganz erheblich. Prinzipielle Bedenken gegen diesen Umschwung habe ich nicht, aber die Art der Durchführung ist das Bedenkliche. Ein anderer wichtiger Umstand ist die Frage der Differentialzölle. Die Kon- Zessionen, welche wir Oesterreich und Italien gemacht haben, fallen Dänemark , Norwegen , Schweden und Amerika ohne jede Gegenleistung in den Schooß. Das verschlechtert unsere Situation gerade Rußland und Rumänien gegenüber. Ferner sind die in den Verträgen vereinbarten Zollsätze für Deutschland nicht be- sonders günstige. Das gilt ganz hervorragend von dem schweizerischen Handelsvertrage. Der schweizerische Zollsatz für Gold- und Silberwaaren betrug bisher SV M.; der neue Generaltarif hat 300 M. angesetzt, welche uns großmüthig auf 200 M. ermäßigt worden sind. So treibt die Schweiz Zollpolitik. Es ist wohl selten vorgekommen, daß ein wirlhschaftlich weit stärkerer Staat in einem Vertrage so sehr den Kürzeren gezogen hat. Fast alle Industriellen verurtheilen einmüthig diesen Vertrag, so vor allein die Baumvoll-Jndustriellen.(Redner führt dies im einzelnen aus.) In dem Vertrage liegt eine tiefgehende Schädigung unserer Industrie, gerade so wie die anderen Verträge unsere Landwirlschast geschädigt haben. Ich kann auch diesem Vertrage nicht zustimmen.(Beifall rechts.) Abg. Bamberger (dfr.): Die Betrachtungen des Grafen Kanitz sind dieselben gewesen, wie er sie schon vor den Ferien zum Besten gegeben hat. Die einzige neue Behauptung, daß die deutsche Industrie den Vertrag einmüthig verurtheile, ist zwar neu, aber nicht richtig. Von der Textil-, der Eisen-, der chemi - schen Industrie ist diese Klage nicht erhoben worden. Auch ist es ein Unding, unsere so kräftig entwickelte, durch Fleiß und Gewissenhaftigkeit, Thatkraft und Tüchtigkeit so ausgezeichnete Industrie, als ob sie des Schutzes bedürftig, so schwach und hin- fällig zu schildern, daß sie durch diesen Tarifvertrag dem Ruin entgegengebracht werde. Graf Kanitz steht auf dem Standpunkte des gänzlich autonomen Tarifs, der nach meiner Meinung nicht zum Heil des Reiches gelangen kann. auch zu Zeiten der Bis- marck'schen Handelspolitik nie getheilt wurde, ivenigstens nicht in der Theorie. Deshalb haben wir in jener Aera Handels- vertrüge abgeschlossen, die allerdings immer inhaltsloser und zuletzt bloße Meistbegünstigungsverträge wurden. Die gegen den schweizerischen Vertrag erhobenen Bedenken gehen nach beiden Seiten, einmal sollen zu viel Konzessionen gemacht, anderseits zu wenig Konzessionen erreicht worden sein. Ich kann mich aus beiden Rücksichten nichtenlschließen, dem Vertrag feindselig entgegenzutreten. Natürlich ist es und tritt überall hervor, daß jeder Interessent sich zu Gunsten des anderen übervortheilt glaubt. Zu bedauern sind also vor allem die Unterhändler aus beiden Seiten, sie konnten es nicht Allen recht machen und wurden, was sie auch thaten, von Allen angegriffen. Die Darlegungen der Baum- Wollspinner kennen wir auch schon aus dem Jahre 1879, wo Herr v. Varnbüler der Hauptwortsührer war. Trotz aller da- maligen Voraussagungen hat sich die Feinspinnerei nicht ent- wickeln, jedenfalls nicht sich voin Auslande unabhängig machen können. So wenig wie seit 1379, so wenig wird die Fein- fpinnerci dies in den nächsten 10 oder 12 Jahren leisten, es ist das eben undurchführbar. Ueberdies tritt die Ausfuhr au Ge- spinsten ganz ungemein hinter derjenigen von Erzeugnissen der Textilindustrie zurück. Gewisse schutzzöllnerische Hantelskammern greifen allerdings sogar die Erleichterungen des Veredlungs- Verfahrens heftig an; in einer solchen Eingabe wird sogar von dem„vielbeklagten" Veredlungsverfahren gesprochen! Der Vor- schlag eines Zollkrieges ist wirklich nicht»echt begreiflich einem Staate gegenüber, mit dem wir seit 1813 in Frieden leben; ein solches Versahren Deutschlands gerade der Schweiz gegenüber trüge etwas besonders Gehässiges in sich. Die Zollkriege haben zu keiner Zeit Segen gebracht; auch hier plocruntur Achivi. Das soll man nicht zu Gunsten einiger Baumwollenkönige heraufbeschwören. Man braucht ja blos auf das Ergebniß des Zollkrieges zwischen Italien und Frankreich zu blicken. Ich hoffe, daß, wie in etwa 10 Jahren die fr-üher sreihändlerischen Konservativen sich zu Schutzzöllnern verwandelten, in den nächsten 10 Jahren eine Wandlung in der anderen Richtung eintreten wird.(Heiterkeit und Beifall.) Abg. v. Stumm(Rp.): Wenn wir der Schweiz etwas'ver- danken in dem Vertrage, dann ist das nicht dem Freihandel, sondern dem Schutzzoll zu verdanken.(Widerspruch links.) Wenn die ganze Industrie zum Freihandel übergeht, können wir aller- dings die Sache auch mitmachen, für die Eisenindustrie unter- schreibe ich das ohne weiteres; aber für Deutschland , im Herzen Europas , von Schuhzollstaaten eingeschlossen und nur nach Norden gegen England offen, ist dieses System unmöglich. Die Eisen- industrie hat sich gegen den Vertrag nicht vernehmen lassen, weil sie von demselben kaum berührt wird, dasselbe gilt von den beiden anderen Industrien, die Herr Bamberger angeführt hat; man kann also dem Grafen Kanitz nicht Unrecht geben. Die Baumwollspinner müssen über die Herabsetzung des Zollsatzes für feine eindrähtige Garne über Nr. 00 euglisch von 30 und 31 auf 24 M. beunruhigt sein. Der Hauptsturm richtet sich gegen den Umstand, daß 11 ermäßigten Positionen im schweizerischen Tarif über 100 Zvllerhvhunge» gegen den jetzigen Zustand gegen» überstehe». Die Erregung darüber kann doch Niemand wundern. Trotz dieser Anstände verwerfe ich den Vertrag nicht. Die Aktion der Regierung der Schweiz gegenüber würde dann so geschwächt sein, daß auf ein Resultat überhaupt nicht mehr zu rechnen wäre. Anderseits behalten wir ja die Aussicht, daß durch die Verhand- lungen der Schweiz mit Frankreich uns noch weitere Vortheile durch die Meistbegünstigung erwachsen. Auch stimme ich für den Vertrag, um endlich Ruhe für die Industrie zu schaffen, um den Beunruhigungsbazillus, vor allem auch in der Presse, meinerseits mit vernichten zu helfen. Abgeordneter von Bennigsen(nationalliberal): Ich hatte zuerst geglaubt, daß eine kommissarische Berathung der Vorlage allen Belheiligten nur förderlich sein könnte; jetzt aber, so kurz vor dem I.Februar, ist das nicht mehr thunlich. Einzelne Bedenken sind allerdings hervorgetreten, die sich nicht recht im Plenum ausklären lassen, und für die sich eine freie Kommission vielleicht zusammenfinden möchte; dabei ist aber vorausgesetzt, daß die Regierung zu dieser Gruppe Vertreter sendet. Ich bin von meiner Fraktion ausgefordert, diesen Gedanken anznregen. Ueber Auslegung und Anwendung der Bestimmungen hinsichtlich des Veredelungsverkehrs und der Verzollung nach dem Brutto- gewicht bestehen derartige Zweifel. Was sonst den Vertrag an- langt, so kann von der Schweiz doch wirklich nicht verlangt werde», daß sie von allen Seiten von fchutzzöllnerischen Staaten eingeschlossen, immer den Freihandel aufrecht erhält. Den Verkehr mit der Schweiz zu pflegen und zu erleichtern, muß Deutschland sich schon in Anbetracht der Höhe des Exports an- gelegen sein lassen. Wir haben nach der Schweiz Erzeugnisse im Werths von 180, die Schweiz nach Deutschland Erzeugnisse im Werths von 177 Millionen Mark eingeführt. Aber der Export der Schweiz nach Deutschland beträgt fast Vi des ganzen schweizerischen Exports, ihr Interesse an der Pflege der Vekehrsbeziehungen ist daher viel größer als das unfrige. Das Recht, ihre autonomen Tarije zu erhöhen, kann aber der Schweiz nicht abgesprochen werden; mit Drohungen und Pressionsmitteln dagegen vorzugehe», halte ich nicht für angebracht. Wir haben speziell nichts zu thun, was die Schweiz wirthschaftlich oder politisch in die Arme Frankreichs treiben würde. Am Schlüsse seiner Rede spricht Redner seine besondere Freude über den Abschluß dieses Systems von Handelsverträgen aus, welches ein Hauptverdienst der deutschen Politik der jüngsten Zeit sei. Daß Deutschland 1879 die Schutzzoll-Aera eingeleitet habe, sei nichts als eine historische Legende, denn lange vor 1379 hätten Rußland , Italisch Oesterreich Schutzzölle eingeführt; nur ick Frankreich fei erst 1831 der schutzzöllnerische Tarif zu Stande ge- kommen. Aber allerdings hat Deutschland durch seine Entscheidung in diesem Sinne der ganzen Beivegung einen gewissen Stempel auf- gedrückt. Das Aufhören des wirthschaftlichen Kampfes würde vielleicht auch für die Weiterentwickelung der liberalen Parteien von großem Vortheil sein. Es könnten doch Zeiten kommen, wo sich jetzt bekämpfende Parteien wieder gemeinsam zusammengehen können, ja müssen, auf einem Gebiet, das nicht nothwendig auf materiellem Gebiet zu liegen braucht. Solche Annäherungen würden auch eine Gesundung unsererer Parteiverhältniffe über- Haupt nach sich ziehen. Was die Getreidezölle anbetrifft, so habe ich, der ich nur für die Hälfte des, ursprünglichen Satzes von 1379 gestimmt habe, den Wunsch auszusprechen, daß auch in dieser Beziehung die Parteien in ihren Bestrebungen auf weitere Herabminderung sich eine gewisse Resignation auferlegten. Schutz- zölle auf Getreide sind heute anders zu beurtheilen als früher, wo die Landwirthschaft unter ganz anderen Verhältnissen lebte. Durch die totale Veränderung aller Verkehrs- und Produktions- Verhältnisse ist die Landwirthschaft in eine schwere Krisis ge- rathen, die die ganze Aufmerksamkeit des Staates herausforderte und mit den Schutzzöllen bekämpft worden ist.(Beifall links.) Um BVa Uhr wird die weitere Berathung auf Sonn« abend 1 Uhr vertagt. Vnrkeinaikirirkzkett. Zur Warnung. Der in der deutschen sozialdemokratischen Presse und speziell' auch im„Vorwärts" schon wiederholt als Schwindler und Kassenmarder gebrandmarkte Zigarrensortirer Emil K r a m p k a scheint den deutschen Boden nach und nach zu heiß gesunden zu haben, denn er sucht nun seine Beutelschneidereien in> Auslande fortzusetzen. So wird uns aus Rotterdam in olland berichtet, daß sich dort Krampka bei den Genossen um nterstützung bewarb, indem er erzählte, er sei in Deutschland wegen Majestätsbeleidigung steckbrieflich verfolgt und es stände ihm bei der Rückkehr eine schwere Gefängnißstrafe in Aussicht. An diesen Angaben ist kein wahres Wort; wir können unsere im Ausland lebenden Genossen nur auf das Dringendste vor jenem Erzschwindler warnen. Ein Kreistag der Sozialdemokratie der Mansfelder Bezirke findet am 14. Februar in E i s l e b e n statt. Die gewaltthätigen Bemühungen der„Ordnungs"-Parteien, die ge- segneten Gefilde ihres Machtbereichs vor dem Ansturm der „sozialdemokratischen Horden" zu schützen, haben gerade das Gegeutheil des Erhofften zur Folge gehabt. Die Zahl unserer Anhänger ist so gewachsen, daß die Schaffung einer geregelten Organisation der Mansfelder Sozialdemokratie nothwendig wurde. Der Kreistag ist zu diesem Zwecke einberufen. In Lahr errang die Sozialdemokratie bei den Stadt« verordneten-Wahlen zum ersten Mal einen Sieg. Es wurden zwei unserer Kandidaten gewählt. Im Tonneberger Gemeinderath beantragte der sozial- demokratische Stadlverordnete Wehder die Aufhebung des Schulgeldes. Der Gemeinderath debattirte den Antrag sehr eingehend, und da das Budget seiner Meinung nach die völlige Aushebung des Schulgeldes noch nicht zuläßt, so dehnte er die Befreiung vom Schulgeld wenigstens auf drei weitere Steuer- stufen und zwar bis zu 990 M. Einkommen aus. ** In Gera hat der nationalliberale Stadtrath Schneider. der bei der letzten Gemeinderathswahl sich zu Ungunsten des freisinnigen Redakteurs und Landtags-Abgeordneten I. Fi sa hn um 90 Stimmen verzählte, sein Amt„aus Gesundheits- rücksichten" niedergelegt. � Anschluß der Buchdrucker an die Sozialdemokratie ist weiter zu berichten aus Magdeburg . � Der sozialdemokratische Berein des dritten Hamburger Wahlkreises erzielte im Jahre 1391 eine Einnahme von 22 910,80 M., der eine Ausgabe von 19 333,49 M. gegenüber- steht. Es verbleibt somit ein Kassenbestand von 3372,31 M. » Aus Friedberg in Hessen wird mitgetheilt, daß die Anti- semiten Alles mögliche versuchen, um unseren Parteigenoffen Fritz Schmidt geschäftlich zu ruiniren. Sie haben ihm durch Verbreitung allerhand Klatsches denn auch schon Schaden genug ziigefügt, da er seine Kundschaft vorwiegend unter Bauern und Beamten, also unter Bevölkerungsklassen hat, die in jenem Distrikt den antisemitischen Demagogen noch Glauben schenken. In erster Linie ist es der„Reichsherold", das Blatt Böckels, welches diesem skandalösen Treiben obliegt. Trotzdem Böckel Reichstags-Abgeord- neter ist und schon aus Rücksicht auf die Würde seines Mandats dafür sorgen müßte, daß sein Blatt leidlich wahr schreibt, bringt daffelbe unberechtigte Angriffe der niedrigsten Art gegen Schmidt und unsere Partei. Natürlich spielt unter denselben der alte Schwindel, unsere Partei sei verjudet, auch seine Rolle. Es läßt sich danach ermessen, was für ein Zeitalter der Schande über Deutschland herausziehen müßte, wenn die Antisemiten Dumnu: genug fänden, die ihnen zur Herrschaft verhelfen würden. Nicht das Auge im Kopfe würde diese Verleumderbande dem politischen Gegner gönnen. Polizeiliches, Gerichtliches ee. — Zn Chemnitz waren mehrere Parteigenossen, welche gelegentlich der Maifeier an„unerlaubten" Geldsammlungen b«- lheiligt gewesen sein sollten, von, Polizei-Amt zu je 30 M. Geld- strafe verurtheilt worden. Schöffen- und Landgericht ermäßigten die Strafe, das Ober- Landesgericht erkannte zedoch auf völlige Freisprechung. Die Kosten des Jnstanzemveges bleiben außer Ansatz. — Vertrauensmann Ernst Hosang in Dessau hat 30 M. Strafe zu bezahlen, weil er einige Beamte durch folgende Aeußerung beleidigt haben soll:„Mein Schwager wurde vom Salzbergwerk Leopoldshall zuerst wegen zu hohen Alters(er ist über 40 Jahre alt) zurückgewiesen, dann aber, als er auf den Rath einiger Beamten sein Alter niedriger angab, als Bergmann angenommen." — Redakteur Feldmann vom„Proletarier" tritt am 22. Januar seine Strafhaft an. Am 29. Januar hat er sich noch in Reichenbach wegen einer geringfügige» Uebertretung des Preßgesetzes zu verantworten. Ferner hat der Redakteur G r o t h von der Bielefelder „Volksmacht" am 19. Januar im GefängnißQuartier bezogen, um eine einmonatige Gesängniß- strafe zu verbüßen. — Walther May, der Redakteur des Chemnitzer „Beobachters", erklärt in einer Briefkasten-Notiz, daß die Nach- richt von seiner Verhaftung wegen des Weihnachts-Artikels un- wahr und in unserer Mittheilung über diese Angelegenheit nur das richtig sei, daß nach dem Manuskript jenes Artikels gehaus- sucht wurde. Die Nachricht war von einem uns wohlbekannten Chemnitzer Parteigenossen eingesandt worden, der allerdings der Redaktion des„Beobachters" nicht angehört, von dem aber vorausgesetzt werden durste, daß er genau unterrichtet war. — Das Kreisgericht Davos (Graubünden ) hat einen deutschen Schneider wegen seines„sozialistischen Sünden- reaisters" ausgewiesen. Nach der Züricher„Arbeiterstimme" bestand das Vergehen des Mannes darin, daß er Leiter der Schneider-Gewerkschaft war. Demnach läge wieder«in Fall ge« wöhnlicher Klassenjustiz vor.
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