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Daß das Hauptloch in den Finanzen durch die taumelnde Marinebegeisterung der Reichstagsmehrheit gerissen worden ist, verschwieg der Redner sorglich. Um so länger verweilte er bei den Mindereinnahmen der Post, die mit den Eni- schädigungen für die Privatposten zusammen 80 Millionen be- tragen. Noch aus der Zeit des Flottengesetzes her stammen zwei Vorschläge der Finanzpolitiker des Centrums, der Champagnerzoll und die Saccharinsteuer, die bisher noch nicht verwirklicht worden sind. Dem Schaumwein soll es unmittel- bar nach Weihnachten an den Kragen gehen, wie aber das Saccharin gefaßt werden soll, ist noch nicht klar, die steuer- technischen Vorbereitungen sind da noch im Gange. Aufrichtig betrübt war hierüber der Etatsredner des Centrums, Herr Mülle r- Fulda, dessen gekränkten Verdiensten seine Partei eine Genugthuung schuldig war. Herr Müller, dessen lange Gestalt bequem zwischen zwei Vertikallinien eines Riesen- kassabuchs geschoben werden könnte, ohne daß auch nur ein Teilchen hinüberragte, ist ein noch undeutlicherer Redner als Freiherr v. Thielmann. Zum Glück versagte er sich so gut wie jeden Ausflug ins Allgemeine und blieb ganz auf dem Gebiete trockener Dahlen  . Er hofft, daß sich die Reichsfinanzen durchwursteln können, und denkt, wenn es doch nicht geht, an eine Erhöhung der Matrikularbeiträge der Einzelstaaten. Sehr grotesk nahm sich in seinem Munde die Aufforderung zu strenger Sparsamkeit aus. die er an alle Instanzen richtete. Schade nur, daß er nicht schon beim Flottengesetz auf diesen Gedanken gekommen ist. Herr Müller erkundigte sich höflichst beim Reichs- kanzler, ob er nicht zufällig in der Lage sei, die Quadratur des Cirkels zu lösen. Er will nämlich stärkeren Schutz der Landwirtschaft d. h. aus dem Agrarischen ins Deutsche   übertragen: unverschämte Erhöhungen der Getreidezölle und gleichzeitig Wahrung der Exportinteressen der Industrie. Den Arbeitern soll die Erhöhung der Lebens- mittel-Zölle dadurch schmackhafter gemacht werden, daß die Mehreinnahmen aus den Reichszöllen zur Durchführung der Witwen- und Waisenversorgung benutzt werden. Das ist ein Preis, der viel zu hoch ist. Von den Nationalliberalen sprach Dr. Sattler. Auch er gefiel sich in einer sehr verspäteten Sparsamkeitspredigt. Dabei hat seine Partei den tiefen Flottengriff doch mit der- selben Begeisterung wie das Centrum gcthan. Immerhin führte dieser Redner die Diskussion auf ein allgemeines Gebiet. Er fragte den Reichskanzler, wie er zu den Fragen der inneren Politikstände, imbesonderenzurFortführung derSocialpolittk, die er nach Posadowskys Muster weiter geführt haben will. Dann verlangte er die alsbaldige Veröffentlichung des Zoll- tarifs, dessen Vorlegung der Schatzsekretär recht sybillinisch für den Frühling oder für den Herbst versprochen hatte. Auch die Polenfrage berührte der Redner mit einigen hakatistischen Redensarten. Die Hauptsache aber schien ihm doch die Erledigung eines Auftrags zu sein: er brachte den Nicht- empfang Krügers in Berlin   zur Sprache. Graf Limburg- Stirum  , der Redner der Konservatien, wiederholte diese Frage und annoncierte dabei nochmals, daß die Agrarier kein allzu großes Gefallen an der Weltpolitik hätten. Für die innere Politik ist das Programm der Kon- scrvativen das alte geblieben: Kanalgegnerschaft, hohe Getreidezölle und energische Bekämpfung des Umsturzes. In sehr später Stunde nahm Graf Bülow das Wort, um sich über die deutsche Politik in der Trans- vaalfrage zu äußern. Man schien auf seine Rede für heme nicht mehr gerechnet zu haben, denn die Hofloge, in der der Hausminister Graf v. Wedel- Piesdorf und Fürst Radziwil gesessen, war schon lange leer. Der alte Hausminister war bei der Rede des Schatzsekretärs in ein gesundes Schläfchen gesunken, aus dem ihn erst die laute Stimme des national- liberalen Redners geschreckt hatte; dann aber hatte er auch sogleich die Flucht ergriffen. Graf Bülows Rede fand Beifall bis weit in die liberale Linke hinein. Sie betonte für die deutsche Politik den Grundsatz der Nichteinmischung trotz aller Sympathie für die Boeren. Bemerkenswert war die Mitteilung, daß Deutsch- land alles gethan hat, um den Ausbruch des Kriegs mit seinem ungeheuren und entsetzlichen Blutvergießen, wie der Reichskanzler sich ausdrückte, zu verhüten. Der Reichskanzler suchte den Eindruck zu erwecken, als habe Präsident Krüger den richtigen Zeitpunkt verpaßt, wo eine Vermittelung Aussicht auf Erfolg hatte. Im August 1899 verlangte er die Vermittelung, aber da war es nach Bülows Erklärung zu spät;wir konnten nicht mehr den Finger zwischen Thür und Angel legen, um das Zuschlagen der Thür zu verhindern". Nun ist die Thür zugeschlagen und die Sache der Boeren ist aussichtslos. Höchst   sonderbar ist nur, warum Graf Bülow erst so verspätet von dem Anerbieten der deutschen   Vermittelung Mitteilung macht! Den Richtempfang Krügers verteidigte Graf Bülow mit der Frage, was denn dem Präsidenten nun der Empfang in Paris  genützt habe? Mehr als die unverbindlichen und höflichen Redens- arten Delcasses hätte man ihm auch in Berlin   nicht sagen können. Sein Empfang aber hätte unsre internationalen Beziehungen verschoben und dem Deutschen Reiche   die dauemde Gegner- schaft Englands zugezogen. Die Grundsätze, die der Reichskanzler heute für die äußere Politik aufgestellt hat. bedeuten eine scharfe Kritik jenes impulsiven 1896er Telegramms nach dem Iamesonschen Einfall und gleichzeitig stehen sie im thatsächlichen Wider- fpruch zu den thatsächlich vorhandenen abenteuerlichen Tendenzen unsrer Weltpolitik, die uns außerordentlich leicht Konflikte auf den Hals ziehen können. Dienstag wird die Debatte fortgesetzt. Als erster Redner wird voraussichtlich Bebel sprechen. Amerikanisch  - deutscher Konflikt in China  . Wir hatten kürzlich bereits auf den Widerspruch in der Haltung unsrer Chinaleitung hingewiesen, die in demselben Augenblick, wo sie den Soldaten das Plündern verbot, sich nach den überein- stimmenden Nachrichten des Auslands anschickte, selbst ch i n e s i s ck e s Eigentum als Siegestrophäen nach der Heimat zu schicken. Gegen dies Beutemachen hat nun Amerika   energischen Protest erhoben. Eine Pekinger   Drahtung derMorning Post' besagt, General C h a f f e e beschwerte sich schriftlich beim Grafen Waldersee über die Beseitigung der Instrumente von der Sternwarte seitens der Deutschen   und Franzosen  . Der Brief wurde wegen seines schroffen Tons zurückgesandt. Ein andres Telegramm aus Peking   lautet: In dem hiesigen Observatorium waren deutsche   und stanzöstsche Offiziere bekanntlich damit beschäftigt, zehn vorzügliche alte astronomische Instrumente von ihrem Platze zu nehmen, wovon fünf nach Berlin   und fünf nach Paris   als hoch- interessante Beutestücke gesandt werden sollten. Jetzt hörten die Franzosen plötzlich mit dieser schwierigen Arbeit auf, vermutlich auf direkte Anweisung aus Paris  . Die DeutschensetzendieHerabnahmederJnstrumente unter Leitung des Pionier-OberlieutenantS Gündell ohne Unterbrechung fort. Zweifellos hat Amerika   ein Recht, dagegen zu protestieren, daß sich in einem Augenblick, wo die Friedensverhandlungen mit China  bereits in vollem Gange sind, eine Macht an dem chinesischen Eigen- tum vergreift. Wenn Graf Waldersee   seinen zweiten Triumphzug durch Mitführung von Beutestücken nach römischem Muster einen dekorativen Charakter verleihen zu müssen glaubt, so mag er er- beutete Kanonen oder Boxerlanzen dazu benutzen, nicht aber astronomische Instrumente, die nicht im Gefecht erbeutet wurden, auf die Deutschland   also selbst nach Kriegsrecht nicht den mindesten Anspruch erheben kann. Frankreich   scheint denn auch infolge der amerikanischen   Vor- Haltungen sein Unrecht eingesehen zu haben, während Deutschland  sich offenbar nichts dreinreden lassen will. Wir hoffen indes, daß man von Berlin   aus dem Grafen Waldersee die strikte Anweisung giebt, allcS zu unterlassen, was den übrigen Mächten Gnmd zu be­rechtigten Interventionen geben könnte. Deutsches Meich. Bald so- bald so. Wenn unser Graf Bülow, der bewährteste Heiterkeitserreger des Reichstags seit Alexander MeyerS Ausscheiden, vor einem Jahrfünft Kanzler gewesen wäre, so würden wir keine Rede gegen die Donquixoterie der Interventionen gehört haben, sondern er würde mit edler Begeisterung solche Eiiigrifse gepriesen haben. Denn da- mals war die Blütezeit der gegen England gerichteten Jnter- ventionen, von denen man so wenig einen Weltkrieg befürchtete, daß man sie im Gegenteil für eine Garantie deS Weltfriedens erklärte. Wir begreifen es schon, daß die deutsche Regierung sich scheut, dem alten Krüger ins Auge zu sehen, dem sie damals werlthätige Hilfe zusicherte, als sich die Boeren allein helfen konnten. Die Transvaal  -Jnterpellation war zu jener Zeit nicht die einzige. Deutschland   hatte sich auch in den chinesisch-japanischen Krieg in höchst thörichter Weise eingemischt. Am 2. Januar 18% brachte dieNorddeutsche Allgemeine Zeitung" einen hochoffiziösen Artikel über das deutsche Programm der auswärtigen Politik. Das war ein großer Hymnus auf die Weisheit der Jntcrventionspolitik gegenüber England. Ein britisch-japanischer Zweibund sei in Sicht gewesen. Durch eine solche Eventualität sei in erster Linie Ruß- lands legitime Machtentfaltung bedroht. In der Erkenntnis dieser Gefahr habe Deutschland   mit Rußland   und Frankreich   gemeinsam Einspruch erhoben. Durch solche Intervention so führte der Artikel auS, und würde damals auch Graf Bülow aus tiefster Ueber- zeugung ausgeflihrt haben habe die Spannung der europäischen  Lage bedeutend nachgelassen. Dieser neue Bund sei eine Ver- einigung gegenseitiger Unterstützung, wo russische oder französische  Interessen auf dem Spiel ständen. Der Artikel schließt: Da diese Interessen aber fast ganz außerhalb Europas  liegen und überall nur auf englischen Gegensatz stoßen, so können wir nach menschlicher Berechnung einer längeren Zeit «»gestörten Friedens entgegensehen". Nur" englischer Gegensatz diesesnur" wirkt heute mit prächtiger Satire, wo die Rücksicht auf England nicht einmal den Empfang einer mit England verfeindeten Persönlichkeit gestattet. Damals aber war der englische   Gegensatz so gering zu achten, daß dessen Verschärsting geradezu den Weltfrieden sicherte. Nichtsdesto- weniger werden die Beteuerungen der Diplomatie, diese wichtig- thuerischen Narrcnspossen von den bürgerlichen Parteien ernst genommen. Wie heute alles den Grafen Bülow preist, weil er dem Präsidenten Krüger nicht einmal die Thüre öffnet, so entzückte man sich Anfang 18% über eine Intervention, die doch nichts war als eine gänzlich unnötige Provokation. Am 7. Februar wurde der Freiherr v. Marschall  , der damalige Staatssekretär des Auswärtigen, über die Transvaalfrage inter  - pelliert. Herr v. Marschall   erklärte ganz wie jetzt im entgegen- gesetzten Fall, die volle Verantwortlichkeit für das Telegramm des Kaisers an den Präsidenten Krüger zu übernehmen, obwohl dieses Telegramm ja eine gegen England gerichtete Intervention in der schroffsten Form darstellte. Am 13. Februar erörterte das Plenum des Reichstags die An- gelegenheit. Vielleicht liest man bei den gegenwärtigen Etats- beratungen von den Ministem und bürgerlichen Abgeordneten vor, wie sie vor fünf Jahren eine durchaus zweckwidrige unnötige Inter­pellation verherrlichten. Der nationalliberale Abgeordnete Hammacher war entzückt, daß das Auswärtige Aint nntEntschlossenheit und Energie"die Rechte Deutschlands   in der gefährdeten südafrikanischen Republik zu wahren verstanden hat." Ausgang und Endpunkt der deutschen   Politik in Südafrika   sei der Schutz der deutschen   Interessen und im Zusammenhang damit die Aufrechterhal- tung der Selbständigkeit der südafrikanischen Republik.Alle Deutschen   waren stolz darauf", rief Herr Hammacher aus,in dieser Enunciation Seiner Majestät des deutschen Kaisers einen Akt echt deutschen Selbst- bewußts eins neben dem Ausdruck der lebhaften Gefühle des deutschen   Volks zu erkennen." Frhr. v. Marschall   erklärte darauf, daß jede Veränderung der staatsrechtlichen Stellung Transvaals die deutschen   Rechte schwer beeinträchtige.Diese legitimen Interessen zu schützen... dieser Pflicht kann und wird das Deutsche Reich   sich nicht entziehen." Der Vorgänger des Grafen Bülow war also in dessen Sinn ein Don Quixote; denn er tratin einen ganz scharfen Gegensatz"zu jenen Bestrebungen, welche in Südafrika   ganze Arbeit machen ivollen, welche aufräumen wollen mit den selbständigen Staatengebilden und dem Besitzstand andrer europäischen   Mächte, welche ganz Südafrika   ver- einigen wollen zu einem einheitlichen Wirtschasts- und Staatengebiet... In dem Sieg dieser Beziehungen würden wir allerdings eine schwere Schädigung«nsrer Jntereffc» erblicken." Heute steht dieser Sieg und diese schwere Schädigung unmittelbar bevor doch Graf Bülow sieht darin keine Gefahr, sondern nur in dem Versuch. dagegen anzukämpfen. Deutschland   suche, so schloß der Herr v. Marschall  , keine Händel   aber: Die Freiheit beanspruchen wir auch für uns, daß wir offen­kundiges Unrecht, welches unser Interesse bedroht, als solches bezeichnen, und daß wir unsrer Genugthuung darüber, daß das Unrecht unterlegen und Recht doch Recht geblieben ist, in der Form Ausdruck geben, wie es dem Empfinden der ganzen Nation entspricht." Inzwischen hat daS Unrecht gesiegt, aber der Nachfolger des Freiherrn   v. Marschall   beweist, daß wir nicht einmal die Freiheit für uns beanspruchen dürfen, gegen dieses Unrecht ein Wort des Be- dauern? zu äutzem. Nach dem Frhrn. v. Marschall   kam Herr Lieber; er sprach wie jetzt bei genau entgegengesetzter Sachlage dem Leiter der auswärtigen Politik seinvolles und unbedingtes Vertrauen" aus und bramarbasierte: Auch wir wünschen die Erhaltung... guter Beziehungen zu England, aber niemals auf Kosten desRechts und der Großmacht st ellung des Deutschen Reichs  ". Auch Herr Lieber war damals ein Don Quixote. Weiter war der konservative Frhr. v. Mantenffel stolz darauf, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Aintsin keinem Punkt die. Ehre Deutschlands  auch nur um eines Haars Breite preisgegeben hat, und daß er das Recht nach keiner Richtung hat beugen lassen". Und Herr von Kardorff pries diefeste und energische Führung" der aus- wärtigen Politik. Als Genosse Bebel damals zwar die Stellungnahme Deutsch- lands gegenüber dem Einfall Jamesons billigte, aber das gegen England gerichtete Kaisertelegramm mißbilligte, da äußerte das hohe HauS lebhaften Widerspruch und verfiel in große Unruhe. Denn das hohe Haus war eben von einem wahren Intervention»- Rausch befallen, in dem Herr Liebermann v. Sonnenberg poetisch lallte: Nun ist die Kette wieder voll Weh dem, der daran rühren sollt Mit Gott   und unsrem Kaiser Ein Volk, ein HauS, ein Heer! In den fünf Jahren ist die auswärtige Politik von dem einen Extrem in das andre getaumelt, aber die bürgerlichen Parteien huldigen wieder mit vollstem Vertrauen der Weisheit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, je nach Wunsch und Kommando. Wie man in China   Krieg führt. Ueber die berühmte Expedition nach Paotingfu, die von zwei starken Kolonnen ausgeführt wurde, läßt sich die Franks. Ztg." von ihrem Specialkorrespondent ans Tschifu   von, 31. Okt. berichten: Daß zwei Armeen, die weit von einander entfernt sind, einem Ziel zustreben, das kannte die Kriegsgeschichte bereits vor Moltke. Allerdings wird nur eine besonders wichtige Ver- anlassnng zu einer derartigen gemeinsamen Operation führen, wenn es sich nämlich darum' handelt, einen wirklich großen Wider- stand zu brechen. Lag eine solche Veranlassung vor? Meiner Ansicht nach nicht. Allerdings waren v e r st r e u t e B o x e r h a u f e n in der Nähe von Paotingfu gemeldet, aber zu ihrer Bekämpfung hätte vielleicht ein Bataillon reichlich genügt.Wen wollen Sie denn schlagen?" fragte ich den Herrn, der mir vorz,Vereintschlagen" sprach.Nun, die Boxers."Glauben Sie, daß diese Leute,' die nicht einmal die Gesandtschaften zu nehmen vermochten. Ihren Armeen Widerstand leisten werden?" Darauf erhielt ich keine Antwort, aber die Antwort war die kämpf- und bedingungslose Uebergabe Paotingfus. Heute behaupte» viele Offiziere, daß die ganze Unternehmung nur deshalb stattgefunden habe, weil manden Leuten zu Hause zu liebe" etwas habe unternehmen müssen. Diese Nachricht bestätigt glänzend unsre Auffassung von Walder- seeS großartigen strategischen Leistungen. Man mutzd enLeutcn zu Hause zu liebe" doch ein wenig Krieg spielen. Der neue Gouverneur von Deutschostafrika  . Nach einer offiziösen Meldung derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung" ist an Stelle des Generalmajors v. L i e b e r t, der wegen seiner bevor- stehenden Ernennung zum Divisions-Kominandcur um Enthebung von seinem Posten nachgesucht hat, Graf Götzen für denselben in Aussicht genommen. Graf' Götzen, der erst 8S Jahr zählt, hat von 1831/1887 in Paris  , Berlin   und Kiel Staatswisienschafte» studiert, war 1890/91 in Rom   als Botschafts-Attachö und unternahm während dieser Zeit seine erste Reise nach dem Kilimandscharo  . Während er 1892 als Offizier zur Kriegsakademie kommandiert war, unternahm er eine Reise nach Kleinasicn mit Major von Diest   zu topographischen Aufnahmen. 1893 machte er seine große Reise durch Afrika  , die er 1893 in seinem Werk beschrieb. In den Jahren 1896/98 in Washington   als Militär- und Marine- Attachs. lvar ihm Gelegenheit' gegeben, neben seiner militärischen Funktion auch über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Vereinigten Staaten   zu unterrichten. Während des spanisch-amerikanischen Kriegs war er dem amerikanischen   Oberbefehlshaber als deutscher Militär-Attnchö beigegeben. Seit vielen Jahren ist Graf Götzen Mitglied des Aus- schusses der deutschen   Kolonialgcsellschaft und des kolonialwirtschaft- lichen Komitees: er hat sich als solches auch an einer Reihe von wirtschaftliche» Fragen beteiligt. Ob Graf Götzen, der danach mehr Diplomat und WirtschaftS- Politiker ist, seine Aufgabe von einem wesentlich andren Gesichtspunkt aus auffassen wird, als der nichtS-als-soldatische Herr von Liebert, mutz abgewartet werden. Die einseitige militärische Art der Verwaltung unsrer afrikanischen Kolonien. die ihre Erfolge lediglich nach der Zahl schneidig ausgeführter Straf- expeditionen bcmaß, hat ja selbst in unsrer nationallibcralen Presse eine große Erbitterung hervorgerufen und die laute Forderung er- tönen lassen, au die Stelle des nach Auszeichnung und kriegerischen Bravourthaten lüsternen militärischen Elements Beamte aus den Kreisen der Handelsinteressenten treten zu lassen. Genügt die Aufklärung? DieHamb. Nachr." sind aufs äußerste entrüstet über die offiziöse Darstellung, daß Deutschland   mit Rücksicht auf England und den lieben Frieden dem alten Ohm Krüger gegenüber selbst von einem Akte der Höflichkeit habe Abstand nehmen müssen. Das heißt aber doch mit andren Worten: Deutsch- land ist nicht einmal mehr soweit Herr im eignen Hause, daß es frei darüber bestimmen kann, wen es bei sich empfangen will und wen nicht, darüber hat England.�u entscheide»! Wir müssen offen gestchen, daß diese Sachlage für unser deutsches Natioiialgefühl nicht sehr erhebend, politisch genommen aber ganz unbegreiflich ist, vorausgesetzt, daß nicht Dinge vorliegen. die wir nicht kennen und die geheim gehalten werden. Wenn wir nicht wagen dürfen. Krüger auch nur in unpolitischer Audienz zu empfangen, um England nicht zu verletzen, so hat daS deutsche   Volk jedenfalls ein Recht darauf, zu erfahren, woran es liegt, daß wir uns England gegenüber in einer derart unfreien und demütigenden Lage befinden. Haben tvir uns in China   derart verfahren, daß wir ganz tzla marvi von Eng- land gestellt sind und daß es nur von dieser Macht abhängt, unsrer dortigen Position und Expedition ein Ende mit Schrecken zu bereiten oder uns zum Bruch mit Rußland   zu treiben? DieHamb. Nachr." werden nun zu erklären haben, ob ihnen BülowsAufklärung" genügt. Halle a. S.» 10. Dezember.  (Eig.©er.) Die Beschwerde über die Verhaftung Swientys wurde auch vom Ober- landeSgericht abschläglich beschieden. In dem Beschluß heißt es: Weder die vom Beschwerdeführer glaubhaft geltend ge- machten häuslichen Umstände, noch die Thatsache. daß er anläßlich der früher gegen ihn anhängig gemachten Untersuchungen in Straf- fachen von geringerer Erheblichkeit nicht versucht haben mag. sich der Verfolgung durch die Flucht zu entziehen, noch das Anerbieten einer Sicherheitsleistung erscheinen geeignet, den durch die Höhe der Strafe begründeten Fluchtverdacht zu beseitigen, welche der Beschwerdeführer in der zur Zeit gegen ihn anhängigen Straffache wegen Majestätsbeleidigung in mehreren Fällen zu erwarten hat. Socialdemokratische Redacteure, denen sehr hohe Gefängnis- strafen drohten, haben sich nicht durch Flucht dem Gericht entzogen. Sie nahmen die Strafe auf sich als Verlvundete im Klassenkampf. Wir erinnern nur an den Fall unsreS Genossen Reichstags-Abgeordneten Schmidt, der in der Voraussicht langjähriger Gefängnisstrafe tapfer ausharrte und wirklich mit drei Jahren Gefänguis bestrast wurde, die er jetzt gerade im Gefängnis zu Halle verbüßt. Wir