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Sr. 292. 17. Um*. 1. Ifillljje Prozeß Sternberg. 35. Verhandlungstag. Nach Eröffnung der Sitzung durch Landgerichts« Direktor Müller teilt Physilus Dr. Stürmer mit, daß er sich bei einer Obduktion eine Lymphgefäßentzündung am Finger zugezogen habe, die einige Schonung fordere. Dadurch wird die Disposition deS Borsitzenden wieder verschoben; es können heute die Gutachten der Sachverständigen noch nicht erstattet werden und Sonnabend muß eine Sitzung stattfinden. Tctektivdircktor Schulze wird über seine Thätigkeit vernommen: Er habe seine Dienste zu Recherchen angeboten und habe durch Justizrat Dr. Sello Aufträge nach dieser Richtung hin erhalten. Er habe die strenge Weisung erhalten, streng' reell vorzugehen und nur wahre Thatsachen zu ermitteln. Es handelte sich damals um die Fälle ErHardt, Fournayon, Woyda. Er habe von selbst den Gedanken gehabt, daß das Wichtigste die Ermittlung des Vorlebens der Mädchen und ihrer Familien sei und er habe deshalb Ermitte- lungen in den Schulen, bei den Lehrer», Rektoren usw. angestellt, wobei er und seine Angestellten Pieske, Jänicke und O b st thätig waren. Für die jetzige zweite Verhandlung der Sache habe er seine Aufträge vom Rechtsanwalt Dr, Werthauer erhalten. Er habe unter anderm schwere Arbeit damit gehabt, die ErHardt_ zu ermitteln und habe den taubstunimen Schneider Paß aufgesucht und vernommen. Die Berichte über seine Er- mittlungen habe er an den Justizrat Dr, Sello, den Rechtsanwalt Dr. Heinemann und an das Bureau Sternberg abgesandt. Ermittlungen nach Vorstrafen von Zeugen und auf dem Einwohner- Meldeamt habe er seines Wissens nicht angestellt. Er behauptet im Gegensatz zu dem vernommenen Obertelegraphen- Assistenten Schulz, daß ihm dieser gesagt habe, Stierstädter sei beim Militär wegen Gehorsamsverweigerung bestraft worden. Der Gerichtshof be- schließt, den Zeugen Schulz sofort herbeiholen zu lassen. Zeuge Detektiv- Direktor Schulze bestreitet, daßer in denBeckerschen Weinstuben in einem besonderen Zimmer Konferenzen mit seinen Detektivs ab­gehalten habe. Er habe in letzter Zeit mehnnals in den Beckerschen Weinstuben von Dr. W e r t h a u e r kleine Aufträge erhalten, da er im Bureau des Dr. W. immer zu lange warten mußte. Er giebt aus Befragen zu. daß in den ersten!>/, Wochen feine Agenten im Gerichtsgebäude sich aufhielten, um zu beobachten, ob Zeugen auf den Wandelgängen mit einander sprechen und becinflugt werden. Er selbst und' seine Leute hätte» »ieinand belastet. Vors.: Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben, solche Beobachtungen anzustellen und iiamenilich auch Herrn Stierftädter zn observiere»? Zeuge: ES war beobachtet worden, daß Herr Stierstädter in Gesellschaft der Frau Hausmann und des Fräulein Brauer im RestaurantServus" zusammen saßen. Davon bade ich wohl Mit- teilung gemacht und ich habe wohl vom Rechtsanwalt Dr. Werthaner den Auftrag erholten, nach dieser Richtung hm aufzupassen, Der Staatsanwalt bemerkt dazu: Es scheine ja allerdings die persönliche Auffassung des Rechtsanwalts Dr. Werthaner JlVi gehe aus einem von demselben unterschriebenen Schnftstülk hervor, welches seiner Zeit eingereicht worden und in welchem von der Thätigkeit von Polizeivigilanten die Rede sei. Rechtsanwalt Dr, Werthauer protestiert dagegen, daß der Staatsanwalt das, was in einem von ihm unterschriebenen Schrift- stück stehe, als seine persönliche Annahme bezeichne. Sämt- liche Schritte, die in dieser Strafsache unternommen tvordcn seien, seien in Konferenzen festgestellt worden und er sei doch nur der die Beschlüsse ausführende Teil gewesen. Vor- sitzender: Wir sitzen nun sieben Wochen hier, ich entsinne mich aber keiner einzigen Andeutung, daß Polizeivigilanten thätig gewesen seien. Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Ja wohl, seiner Zeit bestand die Annahme, daß Frau Hausmann Polizei- vigilantm sei. ebenso ein Droschkenkutscher, Rechtsanwalt Fuchs: Auch in der Verhandlung find wiederholt derartige Andeutunge» gemacht worden. Rechtsanwalt Dr. W e r t h a ü e r: Ich mutz nun aber ganz dringend um Schutz dagegen ersuchen, daß ich hier personlich mit den EingabenderVerteidigungidentifiziert werde. DicVer- teidignng mutz selbstverständlich die Gedanke» des Angeklagten wieder- geben, die Eingaben bedeuten die Schritte der gesamten Verteidigung, und wenn ich nach außen hin in die Erscheinung trete, so liegt' dies daran, daß ich der a u s f ü h r e n d e Teil der Konferenzbeschlüsse gewesen bin, Auf Beftagen bestreitet der Zeuge Schulze, daß er jemals Konferenzen mit seinen Agenten in einem reservierten Zimmer des Beckerschen Weinrestaurants gehabt, er habe auch nicht von Dr, Möhring Aufträge erhalten, auch nie mit Wolf oder Frau Stabs etwas zu thun gehabt. Staatsanwalt Braut: Ist es richtig, daß Sie den Herrn Stierstädter durch Ihre Agenten haben beob- achten lassen? Zeuge: Jawohl, aber wie lauge Zeit weiß ich nicht, ich müßte erst meine Akten einsehen. Präs.: Sic wußten doch, daß Sie heute vernommen wurden? Zeuge: Ja, ich bin aber so nervös, daß ich nicht vor Gericht erscheine» kann. Präs.: Sie sind ja doch hier. Auf Befragen erklärt der Zeuge, daß er vier Agenten beschäftige und daß der Agent Voigt den Auftrag erhalten habe. Stierstadtcr zu beobachten. Nach dem 12. November habe er noch mehrere Aufträge in der Sternbergschen Sache erhalten. Er habe sich vor nllensDingen»ach der Vergangenheit Stierstädters erkundigen müssen und erfahren daß er der Sohn eines achtbaren, ehrenwerten Mannes sei. Der Zeuge erklärt ferner, daß er sich den, Metteur derPost" genähert habe, iveil er den Verfasser des Artikels, in welchem er selbst aufs schärfste angegriffen worden war, ermitteln wollte. Staatsanwalt Braut: Und Sie haben dies in» Wege der Bestechung oersucht? Zeuge: Ich hielt mein Vorgehen nicht für strafbar. Staatsanwalt Braut: Strafbar ist es ja nicht, aber vom mo- ralischen Standpunkt aus können Sie dies Verfahren doch nicht billigen. Präsident: Wie hoch belaufen sich bis jetzt Ihre Einnahmen aus der Sternbergschen Sache? Zeuge: Aach meinen Büchern habe ich 12'200 M. erhalten. Es war zuerst vereinbart, daß ich 50, dann daß ich 100 M. täglich erhalten sollte. Nach einiger Zeit kamen Differenzen, ich hatte noch rückständige 500 M. zu bekommen, wollte schon klagen und meine Thätigkeit ein- stellen. Dann erhielt ich den Rest im Sternbergschen Bureau ausbezahlt. Präs.: Sind Ihnen denn sonst noch Versprechungen gemacht worden? Zeuge: Ja, ich sollte im Fall eines Erfolgs 50 000 M. erhalten. Präs.: Wer gab Ihnen dies Versprechen? Zeuge: I u st izrat Sello. P-r ä s.: Und wie war der Fall eines Erfolgs aufzufassen? Z e u g e: Falls ich genügendes Material beschaffe. Staatsamvalt Braut: Sagen Sie doch einfach, im Fall einer Freisprechung. Zeuge: Nein, das nicht, ich stehe auf dem Standpunkt, daß mir die 50 000 M. unter allen Umständen zukommen. Präs.: So hoch bewerten Sie Ihre Ermittelungen? Was haben Sie den» eigentlich ermittelt? Zeuge: Ich habe thatsächlich außerordentliches Material beschafft. Ich ermittelte beispielsweise aus dem Borleben der Frieda Woyda, daß sie schon in der Jugend Un- sittlichkeiten betrieben hatte. Präs.: Und das schlagen Sie hoch an? Meine» Sie denn, daß Justizrat Sello dies auch als den Erfolg betrachtete, an den er gedacht hatte? Z e u g e: Ja, das glaube ich. Präs.: Wissen Sie, daß Dr. Werthauer noch andren D e t e k t i v- B u r e a u s in der Sternbergschen Sache Aufträge ge- geben hat? Z e u g e: Ja, Weien hat einmal einen kleinen Auf- trag, ich glaube von 3000 M,. erhalten, während der Zeit als ich mich mit meinen Auftraggebern in Differenzen befand. st»Kmirls" Kriminalkommissar v. TreSckow:» Der Zeuge hat bekundet, daß er vom Rechtsanwalt Dr. Werthauer beauftragt worden sei, Polizeibeamte zu observieren, ob sie etwa Zeugen beeinflussen. Ich möchte Herrn Dr. Werthauer fragen, ob er unter diesen Polizeibeamten auch meine Person gemeint hat. Die Konsequenzen würde er zu ziehen haben. Rechtsanwalt Dr. Werthauer: Die Vermutung des Zeugen ist absulut aus- geschlossen. Zeuge Stier st ädter: Auch er frage, ob er darunter gemeint sei.' Rechtsanwalt Dr. W e r t h a u e r: Es ist ja bekannt, daß gegen den Zeugen ein gewisser Verdacht obwaltete, der nach einiger Zeit gefallen ist. S t i e r st ä d t e r: Ich denke doch, daß außer Polizeibeamten kein Mensch befugt ist, andre Personen zu observieren, s!) Die Vernehmung des Zeugen soll beendet werden und seine Vereidigung steht in Frage. Zeuge Schulze wird beauftragt, aus seinen Büchern die Namen der von ihm vorübergehend beschäftigten Personen festzustellen. Hierauf wird Frl. Pfeffer welche augenscheinlich krank ist. in den Saal genifen, um zunächst über den bei ihr beschlagnahmten Brief der Frau Miller ver- nommen zu werden. Auf dem abgerissenen Stück habe nicht ein Wort davon gestanden, daß der Brief die Unwahrheit enthielt. Sie habe noch mehrere Briefe von Frau Miller(Fischer) erhalten, in den- selben habe aber von Frieda Woyda nichts gestanden, außer in diesem beschlagnahmten Brief. Frau Miller wird mit der Zeugin konfrontiert und tritt ihrer Behauptung entgegen. Sie bleibt nachdrücklichst dabei, daß sie die Wahrheit gesagt habe und daß auf der abgerissenen Stelle gestanden habe: man solle den Brief der Verteidigung mitteilen und ihn dann zerreißen, denn der Inhalt sei unwahr. Die Zeugin Pfeffer bleibt dabei, auf dem ab- gerissenen Zettel habe nur gestanden:Wenn Sternberg meine Schwester und Herrn Schneider nicht in Ruhe lassen und die un- wahren Behauptungen nicht zurücknehmen sollte, so..." Es kommt hierüber zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen den beiden Zeuginnen. Clara Fischer unterstützt die Ans- sagen deS Fräulein Pfeffer, Frau Miller weist dieselben als unzutreffend mit großem Nachdruck zurück. Das Falsche gehe schon auS der Thatsache hervor, daß Frl. Pfeffer das Stück ab- gerissen habe. Wenn das darin gestanden hätte, was Frl. Pfeffer behauptet, so läge doch gar kein Grund vor, das Stück abzureißen. Frl. Pfeffer kann einen bestimmten Grund nicht angeben. Zeugin Clara Fischer: Frl. Pfeffer habe ihr auch erzählt, sie habe Dr. Werthauer von der Existenz dieses Briefs in Kenntnis ge- setzt. Dr. Werthauer habe ihr 1000 M. für die Herausgabe des Briefs bieten lassen. Dann habe man. ihr gesagt, sie solle nichts über dieses Angebot verlautbaren lassen. denn er würde vielleicht dann sein' Mandat verlieren. Dies hätten Herr Poppe und Frl. Suchard ihr gesagt, die behauptete», daß sie aus dem Werthauerschen Bureau kämen? Die Zeugin Pfeffer bestätigt dies. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Zeuginnen Miller, Pfeffer und Clara Fischer über die Briefaffaire werden von diesen sehr temperamentvoll unter einander auSgesochten, Die Zeugin Miller, welche ans Beschluß des Gerichts eine Schriftprobe machen muß, um festzustellen, ob der von ihr behauptete Satz auf dem abgerissenen Stück überhaupt gestanden haben könne, behauptet mit unveränderter Bestimmtheit, daß Frl. Pfeffer nicht die Wahrheit sage: sie habe den Brief lediglich zu dem Zweck ge- schrieben. Sterubcrg zu bewegen, ihr Geld z» senden. Es habe in dein Brief gestanden, daß der Inhalt nicht wahr sei. Frl. Pfeffer bestreitet dies entschieden und bleibt auf dringenden Vorhalt des Vorsitzenden dabei, daß sie bereit sei, ihre Behauptung zu be- schwören. An einer Stelle der Bekundung des Frl. Pfeffer greift Frl. Clara Fischer sehr erregt ein und' hält der Zeugin vor: sie habe ja auch ihr gesagt, daß sie den fehlenden Teil mit Absicht abgerissen habe. Frl. Pfeffer: Der Teil sei ohne Slbsicht abgerissen. Sie habe erst den ganzen Brief zerreißen wollen,' aber eine Ahnung habe ihr gesagt, sie sollte ihn doch lieber aufbewahren, denn bei all' den Schändlichkeiten, durch die man sie vernichten wollte, könnte er ihr vielleicht noch einmal als Waffe dienen. Man habe sie mit allen möglichen Machinationen verfolgt und nur der Ehrlichkeit und Beihilfe des Herrn Stierstädter habe sie es zu ver- danken, daß sie heute nicht auch da sitze, wo andre Leute sitzen. Vors.: Fräulein Pfeffer, Sie sind ja wohl schlecht behandelt worden. Sie sind sich aber doch bewußt, daß Sie hier einen Eid leisten sollen? Sie müssen sich frei machen von aller Erregung und von allen Gefühle» des Hasses und mm frage ich Sie: Wollen Sie das beschwöre», was Sie hier gesagt haben? Ist das alles ivahr? Zeugin: Ich habe nichts an meiner Aussage zu ändern. Vors.: Jeder, der den Brief liest, wird wohl zu der Ueberzeugung kommen müssen, daß die Anklagen darin nicht erhoben werden zum Zwecke der Erpressung. Gerade das Stoßweise der Be- kenutnisse spreche dagegen. Staatsanwalt Braut: In einem anonymen Briefe ist mir mitgeteilt, daß Sie eine unglaubliche Angst vor Sternberg haben. So weit ich und die preußische Staatsamvaltschaft in Berlin zn thun habe, kann ich Sie beruhige» und Sie auffordern, sich in allem vertrauensvoll an uns zu wenden. In der weiteren Aussage, die die Zeugin in großer Erregung und mit einer Schnelligkeit macht, die es»'rnmöglich erscheinen läßt, ihr auch nur annähernd zu folgen, beklagt sie sich darüber, daß der Angeklagte Stcrnberg in ihrer Wohnung gewesen sei und sie ernstlich bedroht Hube, er würde sie durch die Zeitungen schleifen zc. Vors.: Welche Folgen das haben kann, hat ja schon wieder Ihre Schwester Frl. Hildegard Pfeffer er- fahren müssen, welche leider aus ihrer Stellung entlassen worden ist, nur weil sie hier im Prozesse als Zeugin vernommen worden ist.(Murren im Publikum.) Zeugin P feffer: Als sie bei Dr. Werthauer erschien, habe sie ihm gesagt, sie wünsche nicht in die ganze Sache verwickelt zu werden, sie könne nichts über den Fall Woyda mitteilen und wisse nichts davon, man solle sie in Ruhe lassen. Sie habe dann all' die schamlosen Angriffe und Machinationen, die gegen sie unternommen würden, Wort für Wort mit- geteilt. Dr. Werthauer habe darauf gesagt, er wolle das ja gar nicht wissen, sie habe aber erwidert, er solle es wissen und es Herrn Sternberg vorhalten und ihm sagen, daß er sie in Frieden lassen solle, dann werde sie ihn auch in Frieden lassen. Dr. Werthauer habe sie darauf hingewiesen, daß Sternberg doch jetzt selbst sehr im Unglück sei, sie möge doch ihre gereizte Stimmung gegen ihn aufgeben, ob eS ihr nicht möglich fei. auf die andre Seite zu gehen, Sternberg würde ihr unendlich dankbar sein. Sie habe getagt, und wenn man ihr eine Million bieten würde, würde sie nur das sagen, was sie wirklich wisse. Einschüchterungen und Drohungen. AuS den weiteren Aussagen der Zeugin Pfeffer scheint sich folgendes zu ergeben: Es möge im September gewesen sein, als sie von der Frau Suchard aufgesucht und von ihr überredet worden sei, mit ihr ein Glas Bier zu trinken. Sie seien nach Habels Brauerei gegangen. Nach einiger Zeit habe sich der Direktor Poppe zu ihnen gesellt, der bald angefangen habe, von der Sternbergschen Angelegenheit zu sprechen. Er habe sie an diesem Tage bloß gebeten, doch fteundltch und friedlich zu sein. Am folgenden Tage habe sie Frau Suchard besucht, wo sie wieder mit Poppe zusammengetroffen sei. Er habe sie gebeten, ihm den Brief der Margarete Fischer zu überlassen und als sie sich geweigert habe, habe Poppe ihr 1000 Mark geboten. Auch dies habe sie abgelehnt. Nach einigen Tagen habe Frau Suchard ihr gesagt, sie möge sür die käufliche Ueberlassnng des Briefs doch 35000 M. fordern,' Als sie sich lviederum ablehnend verhalten habe, sei kurze Zeit darauf Herr Poppe wieder bei ihr , Ämadeid, Is.DkjmderlSVV. erschienen mit demselben Anliegen und habe gleich einen schriftlichen Kaufvertrag mitgebracht. Sie habe das aufs entschiedenste zurück- gewiesen und nun habe man von weiterem Bemühen, de» Brief zu erhalten. Abstand genommen. Es sei aber dann der Versuch gemacht worden, durch Drohungen mit Verhaftung u, dergl. auf sie einzuwirken und schließlich habe man sich aufs Bitten gelegt und auf diese Weise versucht, sie für Sternberg zu gewinnen. Sie sei dann krank geworden und habe vom Kraukenbett aus mit Bleistift einen Brief' an Dr. Werthauer geschrieben, worin sie ihm geschildert habe, wie sie von Poppe und andren Anhängern Stern- bergs drangsaliert werde. Sie bitte ihn, seinen Einfluß auf Stern- berg dahin geltend zu machen, daß man sie in Ruhe lasse. Sie habe keinen Haß gegen Sternbera, wolle aber endlich Frieden haben. Herr Poppe sei bald darauf mit einem Bouquet bei ihr erschienen, ein Vorkommnis, welches ebenso wie die gleiche Aufmerksamkeit. die ihr Herr Stierstädter erwiesen, zu ihrem Nachteile ausgelegt worden sei. Es wird dann wieder die Briefgeschichte erörtert, Die Zeugin bleibt mit aller Entschiedenheit dabei, daß der ab- gerissene Teil des Briefs nicht ein Wort von dem enthalten habe, wie von der Zeugin Margarete Miller behauptet wird. Wiederum kommt es über diesen Punkt zwischen den Zeugen Frl. Pfeffer, Frau Miller und Frl. Clara FisöT' zu lebhaften Auseinandersetzungen. Rechtsanwalt F u ch S I ßviragt die Zeugin Pfeffer, ob Dr. Werthauer auf sie eingewirkt habe, zu Gunsten Sternbergs etwas zu thun. Ferner: ob sie den Brief zn Dr. Werthauer mitgenommen habe, Die Zeugin ant- wartet: Sie habe den Brief das erste Mal nicht mitgenommen, aber doch augedeutet, daß sie einen solchen habe und daß etwas Belastendes in der Woyda-Sache darin stehe. Dr. Werthauer habe ihr, wie sie wiederhole, gesagt, sie solle doch ihre erregte Gesinnung gegen Sternberg aufgeben und sich doch einmal überlegen, ob es nicht möglich für sie sei, auf seine Seite überzugehen. Frau Suchard habe ihr im Vorzimmer vorgehalten, sie solle doch nicht so gehässig gegen Stcrnberg sein, der arme Kerl sitze ja schon im Un- glück. Sie' habe geantivortet, sie könne ihm nicht helfen. Herr» Dr. Werthauer habe sie gesagt, er solle nur Herrn Sternberg mit- teilen, was in dem Briefe stehe. Staatsanw. Braut: Hat denn Dr. Werthauer an Sternberg eine solche Mitteilung gelangen lassen? Recktsanw. Dr. W e r t h a u e r: Wenn ich darauf antworten soll, dann bitte ich, mich ganz formell als Zeugen zu vernehmen und mich im Zusanimenhange meine Bekundung abgeben zu lassen. Dies geschieht. Rechtsanwalt Dr. Werthauer äußert sich dahin: Er sei erst nach dem April mit dem Angeklagten Sternberg zwecks Ein- tritts in die Verteidigung in Verbindung getreten und sei über die ganze Sachlage von Sternberg persönlich informiert worden. Dieser sei in allen Stadien und bis heute sehr ernstlich bei der Ver- sicherung geblieben, daß er mit der Woyda nichts zu thun gehabt habe. Als er ihm dann sagte, er müffe irgendwie begrimden, warum das Kind eine falsche Beschuldigung aufstellte, sei man in vielstündigen ernsten Konferenzen dazu gekommen, daß Frl. Pfeffer vielleicht bei der Sache ihre Hand im Spiele haben könnte, ferner vielleicht Frl. Fischer und Herr Stierstädter. Gerade die Hartnäckig- keit, mit welcher der Angeklagte darauf verharrte, war ausschlag- gebend, anzunehmen, daß er in dem Woyda-Falle thatsächlich un- schuldig sei. Frl. Pfeffer sei dann in seine Sprechstunde gekommen, sie habe sich in sehr erregtem Zustande befunden, was im einzelnen gesprochen worden, wisse er nicht mehr. Es sei auch möglich, daß er sich populär ausgedrückt und gesagt habe: Können Sie nicht auf unsre Seite treten? Diese Unterredung war etwa am 8. Juni, der fragliche Brief sei vom 14. August, in der Zwischenzeit habe er iveder direkt oder indirekt von Frl. Pfeffer etwas erfahren oder i mit ihr gesprochen. Vors.: Haben Sie jemand zur Pfeffer ent- andt, um den Brief zn kaufen? Zeuge: Niemand auf der Welt! Zeugin Pfeffer erklärt, daß Poppe ihr geraten habe, wenn sie kein Vertraue» zu Herrn Werthauer habe, sich an Rechtsanwalt Modler zu wenden. Sie habe diesen Rat besolgt und demselben gesagt, daß sie wegen der Briefe, die etivas Belastendes gegen Sternberg enthielten', bedrängt werde. Rechtsanwalt Modler habe ihr gesagt, sie möge nach einigen Tagen wiederkommen und als sie, dann aus sein nochmaliges Befragen, ob sie die Briefe ver- kaufen wolle, versichert habe, daß ihr dies nie eingefallen sei und sie darin auch nicht andren Sinns»verde, habe Rechtsanwalt Modler ihr geraten, sie solle bei dieser Ansicht beharren und ruhig abreisen. Zeuge Stierstädter bestätigt»och auf Wunsch des Fräulein Pfeffer, daß Luppa , den er gelegentlich in der Elsasserstraße getroffen. ihn gefragt habe, ob Fräulein Pfeffer ihm nicht zur Ermittelung der Frieda Woyda behilflich gewesen sei. Der Zeuge habe dies aufS entschiedenste verneint. Fräulein Pfeffer erklärt noch, daß sie den Rechtsanwalt Modler von der Pflicht der Amtsverschwiegenheit ent« binde, sie wird vereidigt und darauf entlassen. Es tritt um 3�/s Uhr eine Mittagspause von 20 Minuten ein. Zeugin Collis wird noch einmal über das Verhalten deS inzwischen verhafteten Zeugen Wolff in der dem Kriminalgebäude gegenüberliegenden Konditorei vernommen. Die Zeugin wiederholt, daß Wolff mehrfach laut, so daß eS die übrigen Gäste hören mußten, zu ihr und der Teichert gesagt habe:Daß Ihr vor Gericht nur die Wahrheit sagt I' Leise habe er dann hinzugefügt: Ihr könnt ja doch sagen waS Ihr wollt!" Es wird sodann wieder der Detektivdirektor Schulze, der sich aus seinen Büchern unterrichtet hat, vernommen. Er bekundet, daß er insgesamt 12 Angestellte in der Sternbergschen Sache verwendet hat. von denen einSeil allerdings nur aushilfsweise beschäftigt war. Insgesamt habe er 12 2S0 M. ausbezahlt erhalten, davon vielleicht die Hälfte auf Antveifungen von Dr. Werthauer. Bon dieser Summe sei lviederum etwa die Hälfte nach Beginn der zweiten Verhandlung gezahlt worden. Dr. Werthauer stellt nach wie vor in Abrede, daß diese Zahlungen init seine,» Bureau irgend etivas zu thun hätten, sie seien sämtlich durch Luppa erfolgt und er habe nur bescheinigt, daß Schulze einen ihm gewordenen Auftrag erledigt habe, wenn dieser mit Luppa in Streit geraten sei. Es seien von ihm somit keine Antveifungen. ondern nur Anordnungen erteilt worden. Der Zeuge Schulze giebt zu. daß Wolff wiederholt im Wartezimmer des Dr. Werthauer ver­weilt habe. Der Vorsitzende verliest sodann die eidesstattliche Versicherung, welche Frau Miller am 24. Oktober in New Jork ausgestellt und mit einem Brief vom 5. November an Justizrat Dr. Sello gesandt at. Es heißt darin:Alle von meiner Seite gemachten Aussagen elastender Art sind univahr und nur gemacht, weil er eine von mir begehrte Geldsumme nicht gezahlt hat. Dagegen sind alle entlastenden Aussagen der Wahrheit entsprechend." Sie mache, heißt es weiter, diese Aussageii aus freiem Antriebe. um falschen Aussagen entgegen zu treten und um ihr Gewissen zu entlasten. Der Vorsitzende meint, daß eS doch charakteristisch sei, daß die Zeugin gleich zwei eidesstattliche Versicherungen in sich wider- sprechendem Sinne abgegeben habe. Zeugin Miller erklärt, daß ihr Eugen Friedmann den Text vorgeschrieben habe. Angeklagter Sternberg: Die dem Briese. beigelegten Zeilen an ihn lauteten etwa: Ich schicke Ihnen jetzt meine Aussage, ohne daß ich etivas dafür haben will. Ich knüpfe keine Bedingung daran, aber ich hoffe, daß Sie sich Ihres Versprechens erinnern, mir zu helfen. Nachdem noch der Portier des Hauses, in welchem Dr. Romen, wohnt, ganz belanglose Bekundungen über einen Herrn gemacht, der ihn aushorchen wollte, schließt der Vorsitzende um VV« Uhr die Die Fortsetzung der Verhandlung findet Sonnabend ausnahms- weise erst um lOVe Uhr statt.