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it. 299. n. mw 4. Keilllge des Jtatötts" KeMer pollislilstt. LttkevarisÄze NunvfÄZkru. Brentano, Lujo und KurzynSN, Ködert, Die heutige Grundlage der deutschen Wehrkraft sBrentano und Lötz, Münchener volkswirtschaftliche Studien, 35. Stückj. Stuttgart 1900. XXXVI und 132 Seiten 8°, I. ffl. Cotta Nachfolger. Zum politischen System der Agrarier gehört eS. den Gegen­satz von Stadt und Land zu betonen, alles Gute, Crhaltenswerte, der Förderung Würdige, den Staat Erhaltende, die Zukunft der Nation Garantierende, in Zufluchtsstätte von Ehre und Sittsam- keit. die Wurzeln unsrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Macht nach dem Lande zu verlegen und auf die Städte als die Heimstätten des Lasters und der Sittenlosigkeit, des Verbrechens, des militäruntauglichen,»serophulösen Gesindels" hinzuweisen. Dah das Land von den Agrariern al» die Zufluchtsstätte der Königs- treue, de« Patriotismus und der Gottesfurcht ebenso gerühmt wie die Städte als die Brutstätten des UnisturzeS und der Gottlofig- keit verdammt werden, gehört zum System. Ein sein Handwerk halbweg» verstehender Kreisblatt-Redacteur kann mit dieser An- Weisung zur vollsten Zufriedenheit deS Herrn Landrats und der Rittergutsbesitzer sein Blattchen zusammenkleistern. Was schert sich auch der KreiSblatt-Leser um Thatsochen, um Prüfung der ihm vorgesetzten politischen Nahrung; er glaubt all die agrarische und offiziöse Weisheit und bleibt deshalb die Stütze unsrer herrlichen Ordnung; für ihn giebt e» keine Statistik, keine Nachprüfung dessen, was Grotz- vater schon glaubte. Die agrarischen Theorien vom Lande, dem Reiche des Lichts und der Stadt, dem Herrschaftsgebiete de» Teufels stehen mit allen statistischen Feststellungen im Widerspruche. Licht und Schatten ist nicht so gleichmäßig auf der Welt verteilt. wie e» in den Organen de« Bunds der Landwirte dargestellt wird. Prüft man an der Hand der Statistik die Berhältnifle in Stadt und Land, so erfährt man, daß die Meineide aus dem Lande häufiger find al« in den Jndustriebezirken, daß auf dem Lande die RoheitS- verbrechen zu Haufe sind, daß die vielgerühmte Sittlichkeit auf dem Lande selbst nach dem sicherlich nicht voreingenommenen Urteil evangelischer Pastoren keinen Anlaß hat, über die Unsittlichkeit in den Städten zu empören. In emem Staatswesen wie Preußen-Deutschland . wo die Jnter- essen der regierenden Kreise aufs allerengste denen des Militarismus verknüpft find, mußte den Agrariern in der Zeit der machtvollsten Entwicklung deS Lands zum Industriestaat außerordentlich viel an dem Nachweis liegen, daß die militärische Stellung des Deutscheu Reichs aufs engste verknüpft istmit dem größtmöglichenSchutze der landwirtschaftlichen Interessen. Lange Zeit hat man gedankenlos den Satz nachgebetet, daß die Städte die Bevölkerung degenerieren, daß auf dem Lande aber die Volkskraft immer von neuem gestärtt werde, es giebt heute noch so manchen, der ernstlich glauben mag. daß die preußische Armee eigentlich nur aus den«pommerschen Grenadieren" bestehe. Wir wissen eben bedeutend mehr über die ungünstigen Lebens-, Woh- nungS-, ErnährungSverhälwisie der städtischen Bevölkerung al« der ländlichen; mit der Zeit freilich ift unS nun so manches bekannt geworden über die Ausbeutung, Unterernährung der Landarbeiter, über ihre beklagenswerten Wohnungsverhältnisse und die sonstigen sehr un- «rfteultchen Daseinsbedingungen. Sicherlich ist die Lust auf dem Lande aber nicht in den ländlichen Wohnungen besser al« die in den Straßen der Stadt, aber von Luft allein kann man nicht leben. Da« Märchen von den unerschöpflichen Rekrutierungsgebieten in den rein ländlichen Bezirken deS Reichs läßt sich zum tiefsten Schmerze der Agrarier nicht mehr aufrechterhalten, es ist ein Wer- dienst Hugo Brentanos dieses für und in gewissen Kreisen so wertvolle Argument in seiner Nichtigkeit nachgewiesen zu haben. Er hat auf Grund reichen Materials eine verneinende Antwort gegeben auf die Frage:Gefährdet die Entwicklung Deutsch - landS vom überwiegenden Agrarstaat zum überwiegenden Industrie- staat die Wehrfähigkeit deS Deutschen Reichs". Die Entscheidung über diese Frage ist für die Zurückweisung so mancher agrarischer Beweisführung wichtig, sie ist auch bedeutungsvoll für den Kampf gegen die fortwährenden Heeresvermehrungen vor allem im Hinblick auf die der unsrigen entgegengesetzten Entwicklung der Bevölkerung in Frankreich . Brentano hat bewiesen, daß die Gegenden mit überwiegend nicht agrarischer Bevölkerung die größere Rekrutenzahl liefern, daß die Meinungen RousseauS, Justus MöserS, auch noch Ernst Engels von der bedeutend höheren Bedeutung der Landwirtschast treibenden Bevölkerung für das HeereS- Ersatzgeschäft heute nicht mehr haltbar sind. Es steht auch lange nicht mehr fest, sondern eS ist da« Gegenteil derftüheren Behauptung nachweisbar, daß die Städte ohne Zuzug auS den ländlichen Bezirken zurückgehen würden. Dr. KuczynSki bat den die alte Theorie umwerfenden Nachweis erbracht, daß die Sterblichkeit der in Berlin Geborenen nicht größer ist als die der nach Berlin Zugewanderten, für München ist ein ständiges Sinken der Sterbeziffern(1870-75: 40,4 1891 ff.: 28,6) nach- gewiesen; für London und für die andren englischen Städte mit mehr al« 20 000 Einwohnern ist seit 1801 nachgewiesen, daß der natürliche Zuwachs größer ist, als der durch Zuwanderung, und wa» noch merkwürdiger ist, das Verhältnis der natürlichen Bevölke- rungSzunahme ist für London weit günstiger als für die andren Groß- städte, in Frankreich liefern die dichtest bevölkerten industriereichen Departements mit Einschluß von Paris nicht nur, wie selbstverständlich, absolut, sondern auch relativ weit mehr taugliche Rekruten, als die rein landwirtschaftlichen, am wenigsten dichtbevölkerten Departements. In Bayern wurden von je 1000 endgültig abgefertigten Rekruten 492 ausgehoben, einschließlich der Freiwilligen 508, auS der Landwirtschast 497, mit den Freiwilligen 503; aus der Industrie hingegen 520, mit den Freiwilligen sogar 535; auS dem Handel 433 beziehungsweise 462. Ein Untauglicher kam in der Industrie erst aus 14 endgültig Abgefertigte, in der Landwirtschaft schon auf 12. im Handel auf 11. Das Gesamt- ergebniS der Brentano-Kuczynskischen Untersuchungen ist, daß eine erheblich höhere Tauglichkeit der landwirtschaftlichen Bevölkerung nicht nachgewiesen werden konnte. Wer sich für diese Frage im allgemeinen oder speciell mit Rück- sich auf die in der nächsten Zeit hosientlich zu hellen Flammen auf- lodernden Kämpfe gegen das Agrariertum interessiert, wer die Ab- wehr der einen agrarischen Beweisführung kennen lernen will, dem sei die hier angezeigte Schrift bestens empfohlen. n. Ludwig Woltmann , Dr. med. et phil., Pilgerfahrt. Skizzen au« Palästina. Solingen 1900. Duick und Verlag der Ge- nossenfchaftS-Buchdruckerei. Preis 75 Pf. Die vorliegendePilgerfahrt" besteht auS den Reiseskizzen, die daS, was der Verfasser während einer dreimonatlichen Orientfahrt erlebt und gesehen hat, in anschaulicher Art angenehm lesbar wiederzugeben versuchen. Nach des Verfassers eignen Worten geht ihre Absicht aber darüber hinaus, dahin, die Person und die Ideen deS Nazareners uns menschlich und natürlich näher zu bringen und durch landschaftliche Schilderungen die reale Naturwahrheit der Schau- Plätze darzuthun, die der neutestamentarischen Erzählungen zu Gumde liegen. Wenn auch, ohne demVerfasser dadurch sonst nahe zu treten, billig bezweifelt werde» kann, daß ihm diese weitere und größere Arbeit in dem gegebenen Rahmen überhaupt gelinge» konnte, so soll doch anerkennend hervorgehoben werden, daß sich in dem schönen Büchlein neben den bloßen Reise-Schilherungen eine Menge von historischen, psycho- logischen und religiösen Bemerkungen finden, die es durchaus übe» die gewöhnliche Art der heutigen Reise-Litteratur emporheben. So dienen diese Skizzen denn auch nicht nur zur heiteren Unter- Haltung, sondern auch zur Belehrung und ernsteren Anregung, und sie eignen sich dadurch in besonderem Maße bei dem bevorstehenden Weihnachtsfeste als Geschenk für Jung und Alt, wenn neben Herz und Gemüt auch der Verstand sein Teil dargebracht erhalte» soll. M. Gr. Iwan K. Drenkoff, Dr. phil. , Die S t eu er v erh ä lt nisse Bulgariens. Jena, 1900. Verlag von Gustav Fischer. VIII. 146 S. Preis: 3 Mark. Die vorliegende Arbeit beabsichtigt, die Steuerverhältniste Buk« garienS in ihrer geschichtlichen Entwicklung und in ihrem gegen- wärtigen Zustande zu erörtern. Man sollte erwarten, daß diese Abficht von einem Bulgaren unter Benutzung deS amtlichen Original« Materials, wie Finanzgesetzgebung nebst ihrer Begründung, Protokolle der Volksvertretung, Budget zc., nicht allzu schwer und doch nützlich auS« zuführen sei. DaS Drenkoffsche Büchlein befriedigt indes sehr wenig. Entschuldigen mag, wenn daS hier überhaupt als Entschuldigung gelten dürfte, die mangelhafte logische Beherrschung der deutschen Sprache. Schließlich ist diese doch noch etwas mehr wie ein bloßes Aneinanderreihen von grammatisch und orthographisch richtigen Wörtern. So kommt es, daß man mitunter nicht weiß, ob gewisse Unrichtigkeiten vor allem theoretischer Natur der mangelhaften Beherrschung deS logischen Ausdrucks in deutscher Sprache oder der mangelhaften Beherrschung und Kenntnis der Sache selbst entspringen; besonders fällt dies in die Augen bei der Er« örteruug der indirekten Steuern, ihrer Bedeutung und Wichtigkeit für den bulgarischen Staatshaushalt und der principiellen Stellung deS Autors hierzu; auch in andren Fragen, z. B. der Aufgabe des Staats hinsichtlich des Selbsterwerbs als Unternehmer, der Verstaatlichung privatkapitalistischer Betriebe u. dergl. weiß man wiederholt nicht, woran man bei dem Autor ist. Was nun die bloßen Thatsachen selbst betrifft, die Drenkoff in immerhin sehr dankenswerter Art hier zusammengetragen hat, so geben sie das Bild eines Staates, der noch in den Anfängen einer ausgebildete» kapitalistischen Wirtschaftsordnung stehend, und unter den traurigsten politischen und socialen Verhältnissen unter der Ab« hängigkeit von der Türkei im besondren als Spielball größerer Gewalten leidend mit den Plumpesten Mitteln steucrfiskalischer Art eine Ausbeutung seiner Unterthanen ausübt, wie sie in ihrer Kraßheit wenig gleichwertige Beispiele hat. Trotz dieser krassesten Ausbeutung, deren Verhüllung dankenswerterweise von keiner Seite versucht wird, oder zum Teil gerade deswegen hat Bulgarien unter einer chronischen Finanznot zu leiden, unter dauernden Schwankungen und DeficitS des Staatshaushalt«. Hauptgrund: absolute VerständniSlosigkeit der Regierung für den causalen Zusammenhang zwischen der Finanz Wirtschaft und der Volks Wirtschaft in der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung der Dinge. Wer sich für die Einzelheiten interessiert, dem kann die Drenkoffsche Arbeit lediglich ihres Materials wegen immerhin empfohlen werden. hl. Gr. Eisenbahn- Unglücksfälle. Di«»Zeitung deS Verein« deutscher Eisenbahn- Verwaltungen" brachte in Nr. 90 eine Darstellung deS Hergang« bei dem furchtbaren Eisenbahnunglück am 8. November bei O f f e n b a ch. Sie ist von einem Oberbeamten der Direktion Frankfurt mit dienstlicher Ermächtigung verfaßt, trägt also amt- l i ch e n Charakter. Der Thatbestand wird darin erschöpfend geschildert und die wichtige Frage nach den Ursachen des Unfalls für die Zukunft wenig beruhigend dahin beantwortet: daß keinem der beteiligten Beamten ein Verschulden treffe, daß die bestehenden Einrichtungen ebenfalls «inwandsfrei seien und daher auch nicht die Verwaltung ver- antwortlich gemacht werden könne, daß vielmehr der Zusammenstoß lediglich durcheine Verkettung unglückltcher Um« stände' herbeigeführt sei. Diese Behauptungen bedeuten die denkbar ärgste Vergewaltigung der Thatsachen. Gerade wenn keinem Beamten eine Schuld bei- gemessen werden kann, wenn alle instruktionsmäßig ge- handelt haben, so trifft die Eisenbahnverwaltung die Schuld in ihrer ganzen Wucht. Ist eS denn das erste Mal. daß ein Führer wegen Nebel, Regen oder Schneegestöber die Signale nicht rechtzeitig erkennen konnte? Weiß man nicht, daß bei solchem Wetter die Führer aller Züge mit hohen Fahrgeschwindigkeiten lediglich auf.Gut Glück" draußen auf der Strecke fahren? Die gewaltige Entwicklung des Verkehrs in den letzten fünf Jahren hat die Ausnützung deS zur Verfügung stehenden Materials an Menschen wie an Dingen auf die Spitze getrieben. Die Leistnngs- fähigkeit hat die äußerste Grenze überslbritten. Gleisnetz, Bahnhöfe, Wagenpark. Maschinen. Personal, alles ist stets bis zum äußersten angestrengt, eine Kraftreserve für den letzten äußersten Fall giebt eS nicht, seit Jahren versagt zu Zeiten des Hochdruckverkehrs während der Reisezeit im Sonimer und im Winter, wenn die Schiffahrt ein- gestellt wird das Getriebe völlig. Die äußeren Zeichen sind die vielen Unfälle und der chronische Wagenmangel. Die Zugfolge wird immer dichter, die Fahrgeschwindigkeit steigert sich von einer Fahrplan- Periode zur andern; die Belastung der Züge stellt immer höhere Ansprüche, verursacht dem Stations« und Fahrpersonal immer schwerere Arbeit; dabei fehlt eS überall an dem notwendigsten Personal, daß da» vorhandene ausgenutzt werden muß bis zum Zusammenbrechen. Nicht genug damit. Die Verwaltung trifft noch schwerere Schuld! Jeder Eingeweihte weiß, daß daS jetzige Signalsystem dollständig ungenügend ist. Wohl sind Signale über Signale aus- gestellt und ungezählte Bände Vorschriften zu ihrer Bedienung er- lassen. Aber die Signale versagen deshalb, weil die Lokomotiv - führcr sie bei einer Fahrt von 70, 80. 35 Kilometer die Stunde schon bei normaler Witterung kaum sehen, noch weniger bei trübem oder Nebelwetter. Man denke: der Offenbacher D-Zug legte in der Minute 1420 Meter, in der Sekunde 23,6 Meter zurück. Die Eisenbahnvcrwaltnng hat selbst die mit verhälnismäßig ge» ringen Kosten verknüpfte allgenieine Anfstellung der Vor signale unterlassen. Der amtliche Berichterstatter sucht sich damit herauszu« reden,daß die Ausstellung derselben erst durch die Betriebsordnung der Haupteisenbahnen Deutschlands vom 1. Oktober 1898 und zwar nur für Einfahrtssignale der Bahnhöfe und Haltestellen vorgeschrieben ist und daß das Ncichs-Eijenbahnaint die Durchführung dieser Vor« schrift bis l. Dezember 1903 gefristet hat und daß nach preußischen Beslimniungen Vorsiqnele nur m Ausnahmefällen aufgestellt werden". Das ist eben das Unglück, daß alle Vorschriften mit Gen eh- tnigung des Bundesrats und unter Umgehung der wirk- lichen Eisenbahnpraktiker erlassen werden. Jeder Loko- motivführer-Lehrling der letzten Jahrgänge weiß, daß die allgemeine Aufftelluno von Vorsignalen dringendes Bedürfnis ist. In seiner letzten Versammlung hat der Verein Berliner Lokomotive führer erklärt:Das Offenbacher Unglück wurde verhütet, wenn Block.11" ein Vorsignal hatte." Trägt die Verwaltung immer noch keine Schuld? DaS Reichs- Eisenbahnamt hat für die nächste Zeit eine Konferenz zur Beratung dieser Frage einberufen. Das dringendste, was diese sofort zur Durchführung beschließen muß, ist: allgemeine Ausstellung von Vorsignalen auf allen Haupt- eisenbahnen. Doch dieses genügt nicht bei dem jetzigen Verkehr. Die Ver- waltung muß selbstthätige Blocksysteme einführen, wie daS System Hall auf amerikanischen Bahnen, das gegenwärtig auch auf französischen Bahnen probiert wird. Auf derChicago - and North-Western-Bahn" stehen 203 selbstthätige Blocksignale, das sind solche, bei denen der fahrende Zug selbst das Signal stellt, sich also selbst sichert, wodurch die verhängnisvollen Irrtümer der StationS- beamten verhindert werden Neben diesem System, das Zusammenstöße unmöglich macht, wäre die Einführung von Zugtelegraphen notlvendig, damit sich die Züge unter einander verständigen können. Kurz es giebt eine solche Menge bewährter Erfindungen, die die Betriebssicherheit schützen sie tverden aber ans falsch angebrachter Spar- s a m k e i t nicht eingeführt. Es bedarf noch ganiicht amerikanischer Erfindungen. Das Offenbacher Unglück war unmöglich, wenn die vom Bahnmeister Schütte in Halle erfundene Fangschlinge. ein an der Schiene angebrachter Ring, der bei Haltstellung des Signals sich in einen mit der Luftdruckbremse verbundenen Haken fängt und ehe er zerreißt, die Bremse in Wirksamkeit setzt und so den Zug sofort zum Stehen bringt, eingeführt wäre. Diese Fangschlinge yat im Bezirk Halle ihre Probe ausgezeichnet bestanden, die belgische Stontdbahn führt sie ein aber deutsche Eisenbahnen sind noch nicht über die Vorstudien hinausgekommen. DaS gräßliche Unglück bei Offenbach und noch viele andre würden nicht vorgekommen sein, denn wenn das Signal an der Blockstation 11 aufHalt" gestanden, dann würde, auch bei dickstem Nebel, der D-Zug 42 von der Fangschlinge vor dem Haltsignal gestellt worden sein und die Sirecke Blockstation Mühlhcim wäre so lange für den Personen- zug 238 gesperrt geblieben, bis der D-Zng in Sicherheit und der Wärter für die von der Maschine diese» ZugS zerrissene Fangschlinge eine andre aufgesteckt hatte. Es ist daher keine.Verkettung unglücklicher Umstände" Ursache de» Lffenbacher Unfalls, sondern einzig und allein die fiS- kalische Sparwut. Und noch ein«: Alle Signale nützen nichts, so lange daS Personal derart ausgenützt wird, baß ihm während des Dienstes auf der Lokomotive die Augen zu- fallen. Jeder, der die Eisenbahn benutzt, hat ein Jnter- esse, daß die Leute, denen er sein Leben anvertraut, nicht vor Ermattung zusammenbrechen. Einführung deS Achtflundeu- tags für alle Eisenbahner ist das erste Erfordernis für die Sicher- heil des reisenden Publikums. Wenn alle Reisenden wüßten, iv i e oft die pflichttreuen Eisenbahner den Tod von ihnen abwenden, während sie ahnungslos im Wagen sitzen und vielleicht noch erzürnt über den Ruck beim plötzlichen Halten dem Führer grollen. Und nickt selten opfern diese Menschen ihr eignes Leben, um andre zu retten. Todmüde steht der Führer auf seinem Posten, das Auge späht hinaus auf die eiserne Bahn die Gedanken schweifen nach Hause zur darbenden Familie nur einen Augenblick, versagen die Sinne und doch zu lange! Dort, daS rote Licht! ein verzweifelter Griff noch dem Regulator es war zu spät! Ein Krach! Von den Trümniern eingezwängt, wird der Unglückliche durch ansströmenden Dampf elend verbrüht oder verbrannt vom Feuer der Maschine. Doch es ist gelungen, wenigstens die Reisenden im Zuge vor dem Tode zu retten. Der Stoß ist durch schnelles Bremsen gemildert, der Führer aber bezahlt seine Pflichttreue mit dem Leben. Da« ist Eisenbahnerlo«! Sociales. Amtliche Streikstatistik. Im 8. Heft de» Jahrgang» 1900 der Vierteljahres-Hefte zur Statistik des Deutschen Reichs wird die Streikstatistik für das 2. Quartal 1900 mitgeteilt. Sie berichtet unter der Gruppe Regierungsbezirl Merseburg über 2 Streiks, deren An« gaben jetzt als unrichtig bezeichnet werden. Nach der amtlichen Statistik soll in einem ASphaltierungS- und Dachpappengeickäft in Halle a. S., das angeblich 80 Arbeiter be- schäftigt, ein Streik ausgebrochen f-in an dem als Höchstzahl der gleichzeitig Streikenden 60 Arbeiter beteiligt gewesen sein sollen und der mit teilweisem Erfolge Im 2. Quartal beendet worden sein soll. Das.Halleiche Volksblatt" Hatte diese Mitteilungen veröffentlicht. Die dortigen Dachdecker teilen dem Blatte nun mit, daß es in Halle gar keinen Meister gebe, der 80 Gehilfen beschäftige. Die Höchstzahl der Gehilfen sei 16. Ueberdies sei in Halle überhaupt nichtgestreiktworden. Zu dem ebenfalls in der amtlichen Statistik aufgeführten Streit in der Dachpappen-Fabrik in Ammendorf, der als mit vollem Er« folge beendet bezeichnet ivird, teilen die Dachdecker unsrem Halle - scheu Parteiblatle mit, daß auch das nicht richtig sei, denn die Streikenden hätten sich bei Wiederaufnahme der Arbeit zum AuS- trilte auS dem Verbände verpflichten müssen. Eine weitere Differenz zwischen den Angaben der amtlichen Statistik und den Angaben der Dachdecker ist möglicherweise auf eine irrige Auffassung der letzteren zurückzuführen. Die amtliche Statistik führt dreißig Streikende und zehn gezwungen Feiernde auf, die Dachdecker be- baupten, daß alle 30 Streikenden freiwillig gestreikt hätten. Da in dem Beirieb 40 Mann beschäftigt waren, lassen sich beide Angaben sehr wobl vereinigen. Hoffentlich nimmt das Statistische Amt Gelegenheit, die Sache zu untersuchen und sich darüber zu äußern. Landarbeiterlöhne in Schlesien . Die Zeiffchrift für Social« Wissenschaft macht einige Angaben über die Arbeit eines Dr. Fritz B r ö ß l i n g. veröffentlicht in den Mitteilungen der landwirtschaftlichen Institute der Universität Breslau, diedieLagederlandwirtschaftlichenAr- beiter in Schlesien am Ende des 19. Jahrhunderts fzum Gegenstände hat. Auf Grund einer Enquete, die 483 Güter niit 20 000 Arbeitern umfaßt, werden unter andcrm sorgfältige Angaben über die Löhne gemacht. Danach betrug die JahreSeinnahme«ine» st ä n d i g e n mänitlichen Davon kommen Tagelöhners auf Naturalien Mark Mark RegierungSbez. Breslau 519.51 113,74 . Liegnitz 522.83 98,19 Oppeln 481.24 88.42 Provinz-Durchschnitt 507,86~ 100/12" Für weibliche Arbeiter ist kein Jahreslohn berechnet. Tagegen wird ihr Tagelob» im Durchschnitt der Provinz auf«« Pf. beberechnet. Für das Gesinde werden folgende Angaben gemacht: Ein männlicker aufsichtsführender Dien st böte 244 M. bar und 392 Naturalien; ei» verheirateter Knecht 159 M. dar und 288 M. Naturalien; ei» unverheirateter Knecht 136 M. bar und 241 M. Naturalien; ein I n n g e 87 M. bar und 209 M. Naturalien; eine Magd 121 M. bar und 234 M. Naturalien. Für Ernte-Hilfsarbeiter iverden angegeben 53,71 M. für männ- liche und 33,68 M. für weibliche Personen per Monat. Diese Angaben stammen von den Gutsbesitzern selber, werden also gewiß nicht zu niedrig gemacht sein, und vor allem iverden auch die Materialien wohl nicht zu gering berechnet sei». Ueber ihre Qualität ist nichts gesagt. Ob die an, schlechtesten zahlenden Gutsbesitzer gerade Angabe» gemacht haben, ist auch»och sehr zweifelhaft. Danach wird wohl niemand mehr zu bestreiten wagen, daß die schlesischen Land- irbeiter geradezu elend bezahlt werden.