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Nr. 4. AbenntMtnt«-Krdlngungtn: «bonnement» Preit pränumerando: vterteljährl. 3,30 MI,, monatl. 1,10 MI-, wöchentlich 28 Pkg. fiel Ins©aus. Qitueine Numw'r 6 Psg. Sonntags. Nummer mir MuNrierler Sonntags» Beilage.Tt« Neue Welt- 10 Pfg. Post. Abonnement: 3,30 Marl   pro Quartal. (Eingetragen tu der Post- Zeitungs» Preisliste für 18 01 unter 2r. 7671. Unter lkreuzdand für Deutschland   und Oesterreich-Ungarn  » Marl  , für da» übrige Ausland 3 Marl   pro Monat. «rfcheiul tngilch«uster Zvonlsg«. Vevlinev VolKsblstt. 18. Jahrg. Die Jnftrtlons-Ge?lly» beträgt für die sechsgcspallene Kolonel» »eile oder deren Raum SO Psg., für pollttsche und gewerkschaftliche Vereins» und Versammlungs- Anzeigen 20 Psg. ..Kleine Anzeigen" jedes Wort 5 Psg. (nur das erste Wort fett). Inserate für die nächst» Nummer müssen bis 1 Uhr nachmittags in derSxpedilion abgegeben werden. Die ErpcdUion ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr abends, an Tonn- und FesttaAenbtSSllhr vormittags geösfntt. Telegramm-Adresse: »«orinldemvstrai verlin» Centraiorgan der sociatdemokratischen Partei Deutschtands. Kedslikion: 19, Veulh-StraKv 2. Fernsprecher: Amt l, Nr. 1508. Sonnabend, den F. Januar 1901. Expedition: sw. 19, Veutlz-Strasze 3. Fernsprecher: Amt I. Nr. Sl21. Geschichtsfälscher und Scharsmacher. Als Wilhelm I.   nach der glorreichen dynastischen Revolution von 1S6S, die selbständige Staaten von der Landlarte strich und alte Fiirstenthrone zertrümmerte, zum erstenmal die LandcSliniversität deS eroberten Kurfürstentums Hessen   besuchte, begrüßten den frisch angestammten Landesherrn am Bahnhof weißgeNeidete Jungfrauen mit einem schwungvollen Hymnus. Vor einigen Jahren wurde nun festgestellt, daß ein mit satirischer Menschenverachtung begabter Professor und bedeutender Gelehrter sich mit den Weißgekleideten Wilhelms I.«inen grimmigen Scherz erlaubt hatte: er hatte ein älteres Empfangsgedicht, mit dem die Jungfrauen die Gattin des wälschen Königs Jerome einst feierten, einfach in der Weise um- gearbeitet, daß er statt de? Namens jener Königin Wilhelm I.   setzte und daS Weibliche ins Männliche transponierte. DaS war eine grausame, aber außerordentlich treffende Ver- höhnung des byzantinischen Monarchenkults, der jedes in Macht befindliche gekrönte Haupt und sein ganzes Geschlecht anbetet, um treulos sich irgend einem neuen Götzen zuzuwenden, wenn das Ge» schick den alten von der Höhe gestürzt hat. Unsre Monarchisten der Heuchelrasse wir wissen nicht, ob es welche giebt, die nicht zu dieser Rasse gehören verfolgen mit ihren eklen Schwärmereien für die lebenden Fürsten und ihre Ahnen keinen andern Zweck, als den Träger der höchsten Staatsgewalt für ihre niedrigsten und schmutzigsten Interessen zu gewinnen. Dieselben Leute, die heute daS Hohen- zollerntum bis zur vollendeten Tobsucht preisen, würden auch irgend eine andre Fürstenfamilie vergöttern, wenn sie bei uns zur Herrschaft gelangen würde: die Weifen oder die Romanows   oder auch die Obrenowitsche, denen Seine Exmajestät Milan entsprossen. Sie würden aber auch für die Republik   fanatisch eintreten. wenn sie bestände und mit weit geöffnetem Munde die dunklen Zeiten der früheren Monarchie schmähen. Kein Zweifel auch, daß gerade unsre deutsche Bourgeoisie im Grunde ihres Herzens einem republikanischen Staatswesen, das ihnennoch freiere Möglichkeiten der kapitalistischen   Carriere bieten würde, zuneigt, wie denn darüber bei einsichtigen Leuten keine Unklarheit besteht, daß der Feudaladel nur so lange einen Monarchen.über" sich duldet, als er unter die Junkerschaft sich beugt. Diese HerzenSstimmung wird ja nicht selten ausgesprochen, wenn«S gilt, durch rüde Drohungen und Einschüchterungen Klassenprivilegien zu erpreffen. Die»Köln  . Ztg." erklärte einst, daß das Bürgertum seine monarchische Gesinnung revidieren müsse, wenn die Steuer- dcklaration zur Durchführung gelangte. Und die agrarische »Deutsche Tageszeitung" drohte erst jüngst am 17. De- zember 1S00, triebe die Regierung leinen Brotwucher, so sei es mit dem deutschen Fürstentum vorbei:»Ohne den landwirtschaft liche» und kleinbürgerlichen Mittelstand find die Fürstenthrone nicht zu halten. Ihre Füße stehen nur in dem gewachsenen Boden dieses Mittelstands fest.... ES gärt ganz gewaltig unter den Bauern, die sonst still waren und still hielten. Werden sie nochmals in ihren berechtigten Hoffnungen getäuscht, dann befürchten wir daS Schlimmste. An die Stelle der jetzigen Bewegung, die trotz ihrer Entschiedenheit durchaus loyal, trotz ihres Freimuts königS  treu bis in die Knochen ist, wird eine andre treten, die ihre Führer zu grundsätzlicher Opposition treiben und zwingen wird." Indessen gerade weil der ganze Monarchismus nur eine äußer liche Sache der brutalen Spekulation ist, weil all das Psalmodieren und Weihräuchern eitel Heuchelei ist. darum wird die erlogene Ge- sinnung mit so widerlichem und läppischem Schwulst zur Schau ge- tragen, darum giebt man sich den Anschein einer feinnervigen Empfindlichkeit, die kein Wort der Kritik gegen die Monarchie und den Monarchismus dulden zu könne» vorgiebt. die in Krämpfe ver- fällt, wenn selbst ein vor Hunderten von Jahren verstorbenes Mit« glied des angestammten Fürstenhauses unter die Lupe der geschicht- lichen Wahrheit genommen wird. Denn nicht nur dem lebenden Fürsten gilt die spekulative Abgötterei, sondern die Jobber des Monarchismus huldigen, wenn eS gewünscht wird, einem monarchischen Ahnenkult, dessen in China   sich jeder Gebildete schämen würde. Weil die stets bereiten Revisoren der monarchischen Gesinnung daS Bekenntnis zum Kronenglauben lediglich unter die Gefühls- spcsen des geschäftlichen Profits buchen, und den Aufwand an solcher Gesinnung ganz nach der augenblicklichen Konjunktur bemessen, darum halten sie eS auch für ein erlaubtes Kampsmittel gegen gegnerische Parteien, die Vertreter einer ehrlich antimonarchischen Ueberzeugung der begreiflichen Empfindlichkeit maßgebender Personen zu denunzieren. Sollte sich tiicht ein kleines Geschäftchen machen lassen denken die Heuchler deS Monarchismus wenn man die politischen Ketzer zur Verbrennung empfiehlt? Sollte sich nicht die Arbeiterbewegung, die lästige, profitbeschränkcnde, knebeln lassen, indem man wieder einmal den Monarchen wider die Gegner der Monarchie scharf macht? Zwar find die Denun- zianten selbst höchst ungläubig, das hindert sie aber nicht, sondern drängt sie im Gegenteil, die offenen Bekenner deS Unglaubens, die sie n i ch t wegen ihrer republikanischer Anschauung hassen und fürchten, in gleißnerischer Empörung des Hochverrats zu beschuldigen und ihre gewaltsame Ausrottung zu heischen. In dieser Hinsicht bietet der Preßspektokel, der sich anläßlich der letzten Sitzung der Berliner   Stadtverordneten erhoben hat, ein halb komisches halb ekelerregendes Schauspiel. Die elenden jour- nalistischen Kreaturen des Unternehmertum«, die sich, wenn sie unter sich sind, an böslichen Monarchenwitzen vergnügen, denunzieren die Socialdemokratie in plumper Spekulation auf die psychologische Natur deS gegenwärtigen Kaiser», weil ihr« Vertreter es gewagt haben, gegen den gcschichtsfälschenden Byzantinismus aufzutreten. Sie glauben so der heißen Sehnsucht ihrer Soldgeber nach einem inneren Hunnentnm einige Hoffnung spenden zu können. l Die socialdemolratischen Mitglieder der Berliner   Stadtverord- neten- Versammlung haben es abgelehnt, zur Schulverteilung einer Festschrift Beihilfe zu leisten, die dem 200 Jahr- Gedenktag der Selbstkrönung Friedrich I. von Preußen gewidmet ist. Sie hätten sich einfach darauf berufen können, daß es ja bekanntlich der städtischen Körperschaft verboten sei, politische Angelegenheiten zu behandeln; wenn man für die Märzgefallenen keine Ehrung be- willigen dürfe, so sei es auch unzulässig, eine politische Demonstration für das Haus Hohcnzollern zu fördern. Jene Festschrift aber sei offenbar eine politische Kund gebung. die mit geschichtlicher Wissenschaft nichts zu thun habe, sie sei eine dynastische Agitationsbroschüre!; ein solches Werk aus städtischen Mitteln zu unterstützen, sei ein Verstoß nicht nur gegen die Pflicht, die Kinder zur Wahrhaftigkeit zu erziehen, sondern vor allem gegen die Anschauungen des Potsdamer Oberpräsidcnten, der derlei politisch gefärbte Kundgebungen wiederholt untersagt hat. Unsre Redner haben ein übriges gethan, sie haben das geschicht liche Gcwiffen und die gerade Vernunft gegen den Götzendienst der Byzantiner verteidigt. Es ist lindisch, die Geschichte für das Werk großer Männer zu halten. Wer aber gar die Geschichte zu der Schöpfung von Personen machen will, die der Zufall der Geburt auf einen Thron verschlage» hat, der ist kein Kind mehr sondern ein geriebener Schwindler. DaS ist eine so einfache Wahrheit, daß darüber lein Zweifel sein sollte. Trotzdem begannen die Freisinnigen deS Stadtparlamentö monarchistisch zu rasen ijMptre Redner den simplen Satz aussprachen, daß Deutschland   nicht durch die Hohen zollern»gemacht" sei. Unsre Freisinnigen aber behaupten, dieser Meinung zu sein. Nur wegen unsrer Friedrich I.  , Friedrich Wilhelm I  .. II.. III. und IV. haben wir es so herrlich weit gebracht. Und wenn die Republik der Vereinigten Staaten  , die durch kein angestammtes Fürstenhaus zu herrlicher Größe geführt worden ist, unsre Entwicklung an Glanz und Kraft und Schnelligkeit weit übertrifft, so ist das eben nur eins jener Rätselwunder, die unser schwacher Menschenverstand nicht zu begreifen vermag. Der gestrige Hohenzollemfanatismus unsrer Freisinnsmannen wird heute von den Scharfmachern mit plmnpem Uebereifer aufgenommen. DaS Organ der Herren Krupp  , Jencke und Bueck will die Ver- brcitung geschichtlicher Wahrheit durch ein-- Socialistengesetz unmöglich machen. »Daß derartigen Leuten", schreibt daS edle Blatt,»überhaupt «ine Wählbarkeit zu öffentlichen Vertretungen beiwohnt, ist sehr zu bedanern und unser Volk wird in Zukunft noch oft an die unheilvollen Folgen des Umstands zu denken haben, daß im Jahre 1878 das Popularitätsbedürsnis der liberalen Parteien die dauernde Geltung des Socialistengesetzcs verhindert hat. Seine Bewilligung auf Zeit, mit den immer wieder erneuerten verblendeten Debatten, hat der Socialdemokratie immer neuen Agitationsstoff, seine schließliche Aufhebung einen Machtzuwachs zugeführt, der mit der Erhaltung staatlicher Ordnung und des monarchischen Ansehens von Tag zu Tag unerträglicher wird." Und die»Post" traut nicht einmal der Entrüstung der Frei- sinnigen und meint, diese Braven würden bald doch wieder nach der Pfeife der Singer und Genossen tanzen. DaS riesige Aufgebot stürmischer Hohenzollern  -Begeisterung hat also den Freisinnigen nichts genützt. Mag Herr Bueck wieder einmal 12 000 M. spendieren dann findet sich vielleicht ein Minister, der eS auf sich nimmt, die dynastischen Interessen des Herrscherhauses, von denen Graf Bülow nichts wissen will, in der Weise zu schützen, daß es durch ein Ausnahmegesetz unmöglich gemacht wird, über Friedrich I.   anders zu urteilen, als daß man ihn den genialen Schöpfer der deutschen   Weltmacht nennt. Dann wird man in Friedrich Wilhelm   1., dem prügelfrohen Vater der langen Kerle, einen tiefen Philosophen, in Friedrich II.   statt deS Atheisten einen Heiligen sehen, Friedrich Wilhelm II.   wird nicht an der Wassersucht, sondern an der Arbeit fürs Volk sterben, Friedrich Wilhelm HI. wird aus dem geschichtlichen Hemmer der nationalen Boxererhebung zum großen Schutzherrn Schills wachsen und vom Bilde Friedrich Wilhelms IV., des gekrönten sxsut provocateur, wird der Wahnsinn bis zum letzten Rest getilgt werden. Dann hat der tolle JnquisitionSwahn der Scharfmacher endlich einmal gesiegt vor dem jähen Zusammenbruch seiner Schreckensherrschaft. Die Socialdemokratie hat die Pflicht, die der Volksschule An- vertrauten vor der geistigen Verderbnis einer dynastischen LegendemvirrniS zu bewahren, wenigstens sie nicht zu fördern. Sonst haben wir gar nichts dagegen, wenn die Herrschenden ihre Feste feiern, wie sie wollen, ihre Geschichte nach ihrem Geschmack Willkür« lich   verhunzen. Wir könnten sogar eine gewisse boshafte Genug- thuung dabei empfinden, daß diese Bourgeoisie gerade«ine Feier des Andenken? eines Friedrich l. für zeitgemäß hält, jenes Fürsten  , den einst jemand so charakterisierte:König Friedrich I.   von Preußen war ein Fürst von sehr beschränktem Verstände, dabei gut, aber schwach.... Er liebte Prunk und Pracht, und war freigebig, selbst bis zur V e r s ch w e n d u n g. Die Lobsprüche, die man Ludwig XIV.   reichlich erteilte, machten Eindruck auf ihn, und er glaubte, wenn er sich diesen König zuin Muster wählte, so würbe er auch seinerseits unfehlbar gepriesen werden. In kurzem wurde der Berlmer Hof der Affe der Bersailler; man ahmte alles nach, das Ceremoniell, die StaatLreden, die abgemessenen Schritte, die abgezählten Worte, die xrands inousquetaires.,, Derselbe Ge­währsmann schmäht das Andenken diese« Hohenzollern  , indem er selbst vor dem Tode nicht Halt macht, sondern geifert, er sei»in seiner falschen Größe beerdigt, die nach seinem Willen nur in eitelemPomp und der prunkvollen Schau st ellung leerer Ceremonten bestand". Mögen die Freisinnigen und Scharfmacher diese Schändung des Heiligsten nach Gebühr strafen. Leider ist der Frevler nicht mehr am Leben und auch kein Socialdemokrat. Jene Urteile über den Helden vom kommenden 13. Januar stammen von F r i e d r i ch II., den man nennt den Großen! VolUifche Mebevfichk. Berlin  , den 4. Januar. Die Wahlen in Oestreich. In keinem der westeuropäischen Staaten ringt die Social- demokratie unter unsäglicheren Schwierigkeiten als in Oestreich. In diesem Staate, der der nationalen Zerklüftung preis- gegeben ist, dessen Kapitalismus  ,gemildert durch die Schlamperei", die Massen in politischer Entnervung hält, dessen Bevölkerung in leichter Lebensart den ernsten Fragen der Politik teilnahmlos fernsteht, dessen Wahlrecht die Herrschaft der besitzenden Klassen verbürgt in diesem Oestreich türmen sich der Partei der freien, modernen politischen Entwicklung Hindernisse über Hindernisse. Wenn trotz alledem die östreichische Socialdemokratie mit Ehren aus der Wahlschlacht hervorgeht, so ist dies eine be- wunderungswürdige Leistung, für die die Arbeiterklasse aller Länder den östreichischen Genossen dankt, für die insbesondere die deutsche Socialdemokratie, die in allen Nöten und in allen Siegen brüderlich mit der nachbarlichen Arbeiter- bewegung fühlt und kämpft, die allergrößeste Hochachtung empfindet. Noch läßt sich das Wahlergebnis nicht völlig übersehen und ein Vergleich mit der 97er Wahl nicht ziehen. Diese 97er Wahl, die e r st e Wahlschlacht des östreichischen Prole- tariats, brachte unsrer Partei ungeahnt große Erfolge. Die jetzige Wahl brachte verlustvolle Rückschläge in denjenigen Gebieten des Lands, in welchen mittlerweile weiten Kreisen der Bevölkerung die Hoffnung in den Staat Oestreich verloren ge- gangen und der nationale Fanatismus emporgewuchert war. Wo Deutsche   und Czechen in nationaler Verbitterung und empörter Konkurrenz auf allen Lebensgcbieten einander tot- feindlich gegenüberstehen, da hat die Socialdemokratie, die für den friedlichen Ausgleich der Klassengegensätze, für das Recht beider anstatt der Herrschaft des einen streitet, vielen Ohren vergeblich gepredigt. Haß und Unvernunft obsiegten über die Idee der Gerechtigkeit, die doch schließlich allein das nationale Chaos Oestreichs zu beruhigen vermag. Wir verloren in Böhmen   6 und in Mähren   1 Mandat. Diese schmerzlichen Verluste werden jedoch aufgewogen' durch die großen Erfolge in Niederöstreich und insbesondere in der Hauptstadt Wien  . In Wiener- Neustadt   wurde Genosse Perner st orfer gewählt, der schon früher, als er noch Demokrat war, tapfer im Reichsrat gestritten hatte, aber bei der vorigen Wahl als Socialdemokrat unterlag; sein jetziger Sieg ist um so erfreulicher als sein Gegner, das Landesausschußmitglied Steiner, eine der Haupt» stützen des klerikalen Antisemitismus war. In Wien   selbst eroberten wir von 5 Wahlbezirken 2 und in einem dritten steht Genosse Adler in Stichwahl. Ge- wählt sind Dr. Ellenbogen und Schuh meier, die manchem reichsdeutschen Genossen von unsren Parteitagen als Gäste bekannt sind. Fast bedeutsamer als der doppelte Mandatsgeivinn er- scheint die Entwicklung der S t i m m e n z a h l e n selbst. Trotz der Zunahme der Wählerzahl seit 1897 um fast M 090 für ganz Wien   erzielten die Christlich-Socialen gegen 14000 Stimmen weniger als bei der vorigen Wahl; ihre Stimmenzahl sank von 117000 auf 103000. Die Zahl der socialdemo- kratischen Stimmen dagegen ist von 88000 auf ge­stiegen. Wir haben nicht nur in zwei Wahlkreisen gesiegt. sondern in allen Kreisen sind wir den Gegnern dicht an die Fersen gerückt. Selbst Herr L u e g e r. der vergötterte Führer der Christlich-Socialen. der Oberbürgermeister von Wien  . hat nur noch mit geringer Mehrheit von eineinhalb Tausend Stimmen sein Mandat zu bewahren Vermocht. Der Wiener   Sieg hat eine Bedeutimg weit hinaus über die gewonnenen Mandate. Er bedeutet den Anfang vom Ende der für unüberwindlich gegoltenen Herrschaft der demagogischten aller Parteien, der Luegerei. welche die Politik zur Hätz herabgewürdigt und die Herrschaft des volkSver- dummenden Klerikalismus aufgerichtet hatte. Wien  , die zweite Hauptstadt deutschen Lebens, das durch Luegers Herrschaft zum Gespött aller gebildeten Menschen geworden war, hat seine Ehrenrettung erfahren durch den glänzenden Vor- marsch der klassenbewußten Vorkämpfer für Fortschritt und Freiheit. Wenn also die Socialdemokratie aus diesem unendlich schwierigen Wahlkampf ehrenreich und zu neuen Hoffnungen gestärkt hervorging, so kann dieses Ergebnis ebenso wenig wie überhaupt der Ausgang der Wahlen an der allgemeinen VerkommniS der östreichischen Verhältnisse irgend etwas ändern. Da die Krankheit des Parlaments aus seinem Wahl- recht entsteht, das die Zersetzung, zu der in der nationalen Verschiedenheit die traurigen Bedingungen gegeben sind, inimer mehr verstärkt und aus dem Parlament einander fremden Parteien Sine bloße Wiederholung der Parlaments nichts ändern. Wenn man es zehnmal wählen ließe: es wäre immer dasselbe, nur freilich immer entkräfteter. Denn in den Curien und Privilegien sind die Quellen der Zersetzung deS Parlaments und des