fie damals nicht bestritten wurde und daß sie infolgedessen in dembekannten eher konservativ als unparteiisch oder gar radikal ge-haltene»„Deutschen Geschichtskalender" von Wippermann wieder-gegeben worden ist. Dort kann die verleumderische„DeutscheTageszeitung" die„plumpe Erfindung der socialdemokratischenPresse" nachlesen, wenn ihr daran liegen sollte, sich um dieHebung des Gedächtnisses ihres Führers Frege einiges Verdienst zuerwerben.Die goldene Hand. Rechtsanwalt Jansen in Berlin teilt mit,daß er namens des Herrn Dr. Liman wegen der Artikel der„Kölnischen Zeitung" in Nr. 383„Eine Boerenkugel" und des offenenBriefs in Nr. 1818 Privatklage erhoben habe. Diese Artikel bildetendie Antwort auf die von Dr. Liman unter der Spitzmarke„Diegoldene Hand" verfaßten und in Nr. 346 und 351 der„LeipzigerNeuesten Nachrichten" erschienenen Artikel, in denen mitgeteilt ist,daß nach einem Geheimbericht der de Beers- Compagnie eine er-hcbliche Summe in Köln und Berlin als Agitationsunkosten ge-zahlt sei.—Der Renommier-Arbeiter des Centrums.AnS Esse n wird uns geschrieben: Der Reichstags-Abgeordneiefür den Wahlkreis Essen ist nebenbei Redacteur eines in seinemWahlkreise täglich erscheinenden Centrnmsblatts, in dem frömmelndmuckerischen Tendenzen gehuldigt wird. Und dies Blatt bemogeltseine Leser auf eine ganz sonderbare Weise. Es hält sich den„Gcneral-Anzeiger" für Hamburg-Altona, entnimmt diesem alleinteressanten Lokalnotizen, ändert die Straßennamen und bringt sieals Essener V o r k o in m n i s s e! Nun ist bei dieser Ge-schichte am interessantesten, daß ein andres Centrumsblatt,das sich durch ein skrupelloses, demagogisches, jesuitischesGeschäftsgedahren zu einem großkapitalistischen Unternehmenaufgeschwungen hat, die Schwindelei der frommen Schwester an dieOeffentlichkeit brachte. Bei dem Vorgehen ist aber nicht, wie manwohl annehmen könnte, die Devise:„Für Wahrheit und Recht"maßgebend gewesen, sondern die christliche Absicht, den AbgeordnetenStötzel zu stürzen. Die Leute, die hinter dem kapitalistischenCentrumsorgan stecken, arbeiten nämlich schon seit Jahren daran,Stötzel beiseite zu drängen und einen Centrums a r i st o k r a t e nan dessen Stelle zu bringen. Die Fraktion der„Volkspartei" kannnicht einen einzigen Arbeiter in ihrer Mitte vertragen.—Der Hosenbandorden ist von Eduard VII. dem deutschenKronprinzen verliehen worden. Bei der eigenhändigen Ueber-reichung desselben hielt Eduard VII. eine Anspräche, in' der er dieHoffnung ausdrückte, daß die beiden befreundeten Nationen„fort-fahret« würden in ihrer gemeinschaftlichen Arbeitin der Sache des Friedens und der Civilisationder Welt."„Fortfahren" ist nicht übel, bildete doch die ganzeRegierungszeit Victorias nur eine ununterbrochene Kettevon Kriegenl—Zum Nörgler bildet sich mehr und mehr die„Nheinisch-West-fälische Zeitung" aus. Die Ernennung Wilhelm 1. zum britischenFeldmarschall hehagt ihr wieder einmal nicht. Das Blatt schreibt:„Das deutsche Volk mag die Tote ehren. Liebe zu ihrkann es nicht hegen, denn unter ihrer Regienmg und auf ihreforinale Unterschrift hin hat England in brutalster Weise einen unsnächstverwandten Stamm mir Krieg überzogen, um ihn auszurauben.Augenscheinlich beabsichtigt Eduard VII. König von Großbritanien� und Irland dem deutschen Kaiser damit eine Ehre zu er-weisen. Der Umstand, daß die englische Armee sich nicht einmalfähig zeigt, ein kleines Volk von 20 008 Streitern zu besiegen.sich heute in einem Zustand der völligen Zerrüttung befindet soivieeinen Mangel an sittlichen und soldatischen Ehrbegriffen gezeigthat, läßt diese Ehre als eine minder hohe er-scheinen."Die„Rhein. Wests. Ztg." mißt einem belanglosen höfischen Aktz» viel Bedeutung bei. Ob Wilhelm II. seine neue Titular-Feld-marschallschaft als Ehre empfindet oder nicht, ist seine privateAngelegenheit; das deutsche Volk zerbricht sich über so schwierigeProbleme des höfischen Ccrenroniells überhaupt nicht den Kopf.Das Blatt erinnert übrigens an die wahrscheinlich nichtallzndekannte Thatsache, daß Wilhelm II. auch bereits britischerAdmiral ist. Eduard VII. soll, wie bereits ein Blatt wissenwill, zum Admiral h la Luits der deutschen Marine ernanntwerden.—Gegen daS englische Hnnncntnm erhebt in,„Neuen WienerJournal" Bertha von Suttner Protest. Sie teilt gleichzeitignut, daß das Komitee der Internationalen Unionin Paris, deren intellektueller Urheber Herbert Spencersei, an a l l e M ä ch t e der Haager Friedenskonvention einenAppell gerichtet habe, um die Vernichtung respektiveAnnektierung der südafrikanischen Republiken zu verhindern.Die Haager Konvention soll die neue Klausel acceptieren,daß jeder Nation, welche schiedsgerichtliwe Entscheidungangerufen habe, so lange ihre Selbständigkeit gesichert bleibe, bisdas Schiedsgericht selbst diese anerkannt habe.' Der Appell sei vondeil namhafteste» Vertretern der internationalen Friedensbeweguiigunterzeichnet. Bertha v. Suttner wird die bittere Erfahrung machenmüssen, daß trotz all' der schönen Reden und persönlichen Sympathie-erklärungen der Mitglieder des Haager Friedenskongresses, dessenBedeutung fie so überschwänglich gefeiert hat, der Appell des Jnter-nationalen Friedenskomitees sang- und klanglos in den Papierkorbwandern lvird.Von dem Befehl Kitcheners, keinen Pardon mehr zugeben, nehmen endlich auch die„Berliner Neuesten Nachrichten"Notiz, ohne indes ein Wort der Kritik an die Sache selbst zu ver-schwenden. Das Blatt hat Ivenigstens den Mut der Konsequenz.—Etwas schwerfällig im Begreifen ist zuweilen die„Post".Auch heute müssen wir ihr die Arbeit des Denkens aus Gutmütigkeitetwas erleichtern. Das Stumm-Blatt will nämlich die Unaufrichtig-keit des socialdemokratischen Programmsatzes, daß Religion alsPrivatsache anzusehen sei, mit dem Fall S t e g m ü l l e r beweisen:„In irgend einem deutsche» Bundesstaate hatte ein Abgeord-nctcr Ramens Stegmüllcr für kirchliche Zwecke Geldbewilligt: er wurde dafür sofort von seiner eignen Presseals Kirchenrat verhöhnt und flog mit Glanz aus derPartei hinaus. Der Mann war der irrtümlichenMeinung gewesen, Religion sei Privatsache."Umgekehrt wird ein Schub daraus, liebe„Post". Gerade weilder brave Stegmüller„im Widerspruch" zu unsrem Pro-a r a m m p u n k t aus öffentlichen skommunalen) Mitteln Gelderfür k i r ch l i ch e Z w e ck e. die aus den privaten Aufwendungender Interessenten hätten bestritten werden müssen, bewilligt hätte,wurde er aus der Partei ausgeschlossen.—Ausland.Taö Gesetz Milleraud vor dem höchsten Gerichtshof. DasGesetz Millerand vom 30. März sll Stunden) verbietet auch dasRelaisshstem in gemischten Betrieben. Durch dieses Arbeitsshstemkonnten die Unternehmer jede Kontrolle über die Beschäftigungsdauerder Arbeiter unmöglich machen. Sollten die Frauen und Kindergeschützt werden, so mußte für alle im Betriebe beschäftigten Arbeiterdie Stunde dcS Arbeitsschlusses die gleiche sein. Tie Spitzen-sabrikantcn in Calais waren, wie wir bereits kurz mit-geteilt, von dem Fabrikinspektorat angeklagt, Verstöße gegen dasGesetz Millerand begangen zu haben. Das Gericht von B o u l o g n esprach aber die Fabrikanten frei. Erwachsene Arbeiter könntenim Relais, d. h. in Wechselschichten beschäftigt werden, die jugend-lichen Arbeiter und Frauen würden ja doch in andren Räumenbeschäftigt. Diese Auslegung öffnete der Umgehung des Gesetzes,das für alle Arbeiter in gemischten Betrieben die 11 stündigeArbeitszeit festlegt, Thür und Thor. Der Minister selbstappellierte denn an den KassationShof. Dieser hat nun ein Urteilgefällt, daS ganz den Absichten und dem klaren Sinn des Gesetzesentspricht. DaS Gesetz verlange, so heißt eS in dem Urteil, daß inden gemischten Betrieben der Beginn und daS Ende der Arbeits-zeit, sowie die Arbeitspausen für das gesamte Personal auf diegleichen Stunden fallen müffcn.Der Ausgang des Prozesses ist für die Arbeiter von höchsterBedeutung: der Versuch des Unternehmertums, das Gesetz Millerandunwirksam zu machen, ist abgeschlagen.Dänemark.Bei den dänischen RcichStagSwahlc» wird die geheimeStimmabgabe eingeführt. Das Landsthing nahm am Freitagden Gesetzentwurf betreffs geheimer Abstimmung mit 42 gegen2 Stimmen an, nachdem das Folkething ihn bereits am 15. Novembervorigen Jahres mit 85 gegen 2 Stimmen acceptiert hatte. DerMinister des Innern, Brämsen, hat erklärt, daß das Gesetz vomKönig sofort sanktioniert werden wird und schon bei den bevor-stehenden Folkethingswahlcn zur Anwendung gelangen soll.Die Wahlhandlung geht so vor sich, daß jedem Wähler im Wahl-lokal ein Stimmzettel, auf dem die Namen aller Kandidaten seinesKreises gedruckt sind, und ein Couvert eingehändigt werden. Er hatsich hiermit in den hierfür hergerichteten. abgeschlossenen Raum zubegeben, wo er bei dem Namen dessen, für den er stimmt, ein Kreuzanbringt und den Zettel couvertiert, um ihn dann zur Wahlurne zubringen. Die Wahlmännerwahlen zum Landsthing werden in Zukunftin derselben Weise vorgenommen.Die Aussichten der Socialdemokratiebei den bevor-stehenden Wahlen' werden durch die Einführung der geheime Ab-stimmung bedeutend verbessert. Nicht nur in Kopenhagen und inmehreren kleineren Städten hofft man weitere bedeutende Erfolge zuerzielen, sondern ganz besonders auch in ländlichen Wahlkreisen, indenen bisher eine unerhörte Beeinflussung durch die Gutsbesitzerstattgefunden hat.—',Asien.AuS China liegen folgende Meldungen vor: Hsutschenhi, derSohn des bekannten' Fremdengegners Hsutung, und Tschihsiu, Mit-glied des Tsung-li-Damens, welche beide bei den jüngsten Unruheneine verantwortliche Führerrolle gespielt haben, sind am 27. Januarim japanischen Viertel in Peking verhaftet worden und werden biszu ihrer Bestrafung gefangen gehalten.Einem Telegramm der„North China Daily NewS" aus Pekingzufolge leidet Li-Hung-Tschang an hochgradigem Fieber. An seinemWiederaufkommen werde gezweifelt.Afrika.Vom Kriegsschauplatz. Nach einer Kapstädter Meldung sinddie Boeren im Distrikt von O u d t s ch o o m eingefallen.Damit hätten die Boeren einen weiteren Vorstoß nach Süden unter-nommen.Wie da? Heroldbnreau mitteilt, erklärte ein Londoner Militär-kritiker in einem Sportklub. Lord Kitchencr müffe vierzehn Tagenach Zerstörung der Natal-Eisenbahn, welche die letzte Verbindungs-linie zur Zufuhr von Lebensmitteln und Munition ist, den Rückzugmit dem Gros seines Heeres antreten.Nach unbestätigten Londoner Meldungen betraute die KöniginVictoria kurz vor ihrem Tode den deutschen Kaiser mitder Intervention zwischen England und denBoeren, damit dem Transvaalkriege ein schnelles Ende gemachtwerde. Es wird sich wohl nur um die Ausstreuung eines Witzboldshandeln.—Die Budgetkommissionbehandelte am Dienstag sehr ausführlich die schon in der vorigenSitzung besprochene Forderung von 4 800 000 M. zum Ankaufvon Grund und Boden für Verlegung des Metzer Bahnhofs.Zwei Minister, der Kriegsminister v. Goßler und der preußischeEisenbahnminister v. Thielen, traten wiederholt lebhaft für dieForderung ein. deren Ablehnung in der vorigen Sitzimgbeantragt worden war, weil die Kosten des Gesamtprojckts zu hochseien. Der KriegSminister wies besonders ans die Vorteile hin, diedie Verlegung des Bahnhofs für die Stadt selbst bringe. Er schildertedie hygienisch höchst bedenklichen Zustände in dieser Stadt, in derder Typhus beständig austrete und in der die Sterblichkeit fastdoppelt so groß als in den andren Städten Elsatz-Lothringcnswäre. Schließlich wurde eine Subkommission zur noch-maligen Prüfung der Forderung eingesetzt, die aus den Abgg.Müller-Sagan(freis. Vp.s, v. Bollmar(Soc.), Riff-Straßburg streif.Vg.). Möller(natl.), Müller-Fulda(C.) und einem Konservativen be-steht.Der Reichseisenbahn-Etat wurde im übrigen erledigt.Mittwoch beginnt die Beratung der Chinavorlage. mit der die„Reliktenvorlage" für die Chinatruppen verbunden ist.Uns Vrv FvKnenbemegttng.„Die freie Liebe und die Frauen", ein Vortrag vonElisabeth Mießner, ist jetzt im Verlage von Hermann Walther hierim Druck erschienen. Die Verfasserin bemerkt in der Einleitung, siehabe dieses Thema behandelt, um einen größeren Kreis zur Durch-leuchtung des Dunkels und der Verworrenheit anzuregen, in welchensich die betreffende Frage— und zwar gegenwärtig recht gcräusch-voll— dahinwindet. Gewiß ein äußerst verdienstliches Streben:nur will uns leider scheinen, daß auch die Broschüre der verehrtenDame sich in äußerster Verworrenheit in Bezug auf alle diehistorischen, socialen und psychologischen Grundbegriffe„dahin-windet", deren Kenntnis für die Rettung der menschlichenGesellschaft aus Irrtum und Dunkel doch zuweilen un-erläßlich ist. Allerdings entwirft E. Mießner zuvörderst inkühnen Zügen ihren Lesern ein Bild des Liebeslebens in den llr-zuständen der Menschheit wie unter den sogenannten Wilden.„In den zuerst sich bildenden, lockeren Gruppen der Menschengiebt es keine feststehende Ordnung. Unstät und unsicher, wie dieBeziehungen der Menschen zu einander, sind auch die Beziehnngeuzwischen Mann und Weib. Es giebt keine» andren Führer für ihrVerhalten,— als— die Leide nschafte» des Augen«b l i ck s. Bei den niedrigsten Wilden finden wir die Be-ziehunge» der Geschlechter zu einander im wesentlichenähnlich denen der niederen Geschöpfe." Dieser Urzustand,in dem„ein Weib viele Männer und jeder dieser Männerviele Weiber hat" und in dem je nach der Gesamtzahl dervorhandenen Männer und Frauen Polyandrie oder Polygamieherrschen soll, wird nun in Bezug auf seine socialen Folgen, ebensowie das sich hieraus entwickelnde Mutterrecht, in äußerst schwarzenFarben geschildert: besonders erwiesen sich solche Zustände als einschwerer Nachteil für die Frauen.In dieser Art geht es eine Weile fort. In unsäglich kritik-loser Weise würfelt die Verfasserin ein paar heraus-gerissene Stellen aus einzelnen wissenschaftlich- ethnologischenWerken wüst durcheinander, indem sie auch das wichtigsteeinfach beiseite schiebt, wenn es ihr gerade nicht in ihreArgumentation hineinpaßt. Von einigermaßen gebildeten Lesernwird sie schwerlich selbst verlangen, in einer derartigen Darstcllinigangeblich historischer Thatsachen auch nur die leiseste Spur eines Beweises für ihre Anschauungen zu sehen.Indessen, die Vertreter der freien Liebe gründen ihre Forde-rnngen ja auch weder auf das Verhalten der„iiiedercn" Geschöpfe,noch sogar aus die Urgeschichte und das Mutterrecht: jedenfallskann, wie E. Mießner selbst betont, der Naturzustand der Menschheitfür uns nicht mehr maßgebend sein; die Frage läßt sich also sehrviel besser ans weniger schwankendem Grunde ausfechten.„Da daS erotische Liebesleben die Erhaltung der menschlichenGesellschaft zur Folge hat, mag eS nun im einzelnen Falle erwünschtsein oder nicht, so hat man zu ihrem Schutze— wie dieKultur überall znnt Wohle der Gesamtheit denEinzelnen z u m Z ä h m e u seiner e g o i st i s ch e n G e-lüfte zwang—, auch das egoistische Begehren desEinzelnen nach llngebundcnheit und Abwechselung in demerotischen Liebesleben, dem Wohle der Gesellschaft untergeordnet.„So ist eben die Kult u r immer bemüht, die Grausamkeitender blinden Natur zu mildern, ihre UnVollkommenheiten zum Wohleder Menschheit auszugleichen, und die überschüssigen Triebe zu be-schneiden, wie der Gärtner dies an dem Weinstock thut, damit diewilden Triebe ihm nicht die Kraft zum Hervorbringen der edlenFrüchte rauben."Ein herrliches Gleichnis fit der That! Wie vorteilhaft hebt sichsolch einBcispiel einer wahrhaft idealenGeschichtsauffassungdoch von dergeistigen Nüchternheit ab, die die sog. materialistische Geschichtstheoriein gewissen Kreisen des SocialismuS erzengt hat k Weshalb aber tretenviele, trotzdem nun schon vor Jahrtausenden die weise vorsorgendeKultur zum Schutze für die Gesellschaft die Ehe geschaffen hat, jetztdennoch für freie Liebe ein? Die Verfasserin erklärt sich dies auSverschiedenen Ursachen; einem mißleiteten Freiheitsdrang der geistigselbständigen Frauen, dem Einfluß der dekadenten modernen Litte«ratur(!) inid schließlich aus der traurigen, aber unbestreitbaren That-fache, daß durchaus nicht sämtliche Ehen diesem ursprünglichenweisen Kultnrideal entsprechen, weil entweder bei der Eheschließungschon ganz andre Motive als die Liebe ausschlaggebend waren, oderweil die eheliche Treue— die Voraussetzung unsres Ideals— vonden Gatten, besonders dem Manne— ganz und gar nicht immerheilig gehalten wird. Es sei indessen— so meint E. Mießner—ein ganz irrtümlicher Schluß, wenn man um solcher Unvollkommen-heiten willen die Eheform als solche überhaupt verwerfen wolle.Das heiße nur, das Kind mit dem Bade ausschütten. Die wirklichunglücklichen Ehen, deren Zahl verhältnismäßig gering sei, müßtenvielmehr getrennt und zu diesem Zweck die Scheidungsbedingungcnerleichtert werden: die Fälle von Treulosigkeit und Ehebruch dagegenbewiesen höchstens, daß insbesondere die Männer von vollkommenerSittlichkeit noch weit entfernt seien. Es erscheine gerade als die höchsteAufgabe der geistig hochstrebenden, selbständigen Frauen, den Mannallmählich zur Höhe ihrer eignen, edleren Veranlagung emporzuheben.Das vorläufig offenbare Mißlingen aller ethisierenden Bestrebungennach dieser Richtung hin dürfte demnach, wie wir vermuten, nur aufdie bisher noch zu schwache Ausbreitung der frauenrechtlerischen Ideenzurückzuführen sein.Es würde wahrlich nicht der Mühe lohnen, auf geistige Erzeug«niffe vom Schlage dieser Broschüre auch nur ein Wort der Kritik zuwenden, wenn es nicht interessant und in gewissem Sinne lehrreichwäre, von Zeit zu Zeit die sogenannte Weltanschauung wieder ein-mal zu studieren, die in der bürgerlichen Gesellschaft und ganzbesonders in manchen Kreisen der bürgerlichen Frauenweltheute noch herrscht. Ist es nicht unbegreiflich, daß diese Mädchenund Kranen, deren ganzes Leben ein Kämpf gegen die blödestengesellschaftlichen Vorurteile ist, es dennoch nicht vermögen, auch nurmit einem Blick über diese bürgerliche Gesellschaft hinauszusehen.gerade als sei an einem bestimmten Punkte die ganze, iveite Weltfür sie mit dicken Brettern verschlagen?Die Verfasserin will eine Strömung wie die der freien Liebekritisieren, die— man möge darüber im übrigen denken, wieimmer man wolle— jedenfalls doch aufs tieffte verknüpft ist»nitdem socialen Aufbau der gesamten Gesellschaft und deshalb natür-lich nur auS dem geschichtlichen Werden dieser Gesellschaft wie ausihren gegenwärtigen Lebensbedingungen heraus begriffen werdenkann. Was aber geht Frl. Mießner, die sich in den Grundsatz ver-rannt hat— oder wahrscheinlich richtiger—, die in dem Grundsatzerzogen worden ist: die Ehe allein sei sittlich waS geht siehistorischer Zusammenhang, was geht sie das Dasein der Welt außer-halb der bürgerlichen Familie an?Sie erzählt ihren naiven Hörern, die Menschen hätten, seitdemsie„kultiviert" sind, in der monogamischen Ehe gelebt, und sieunterdrückt dabei nur die offenbar völlig belanglose Thatsache, daßdiese monogamische Ehe von Anbeginn au basiert hat und nurbasieren konnte auf dem Untergrund einer mehr oder weniger miß-achteten und ausgestoßenen Klasse von Prostituierten. Sie weiß,wie es scheint, nichts davon oder will nichts davon wissen, in welchfurchtbarer Weise diese Prostitution in der modernen Gesell-schaft anwächst und damit � zugleich ihre ganze grauenhafte Gefolgschaft von Elend, Siechtum und Verkommenheit.wie sie unsern socialen Organismus allen medizinischen und wirt«schaftlichen EingriffSversuche'n zum Trotz allein schon von diesemGiftherb aus immer von neuem durchseucht.Und auf der andern Seite versteht Frl. Mießner zwar sehr rührendund empfindsam die veredelnde Wirkung des Familienlebens, derMutter- und Väterliche zu schildern: aber so oft sie als Frcrnen-rechtlerin auch vermutlich hervorgehoben hat, daß dieses Familien-leben heute infolge der wirtschaftlichen Entwicklung Tausenden vonBürgermädchcn versagt ist, plötzlich scheint ihr auch diese Erkenntnisverloren gegangen. Oder nein: sie tveist ja selbst darauf hin. daß„dienoch in allen Wnikel» herumspukende, traditionelle Anschauung über-wundener Kulturstufen, es sei die vornehmste Lebensaufgabe, unddas einzige Glück des Weibes, Mutter zu werden", viele Frauen,, dienicht heiraten können, der freien Liebe in die Arme treibe.'Daaber die Fraucnrechtelei bekanntlich»wch Ansicht ihrer Vertreterinnenmit dieser traditionellen Anschauung aufgeräumt hat, so ist fürFrl. Mießner der Beweis gegen die Notwendigkeit der freienLiebe damit geschlossen, und alle die bürgerlichen Mädchen.die infolge unsrer idealen Familien- Auffassung ihr Lebenlang Liebe und Mutterglück entbehren muffen, sie könnenaus dieser schönen Welt dafür mit dem Tröste scheiden,daß sie die Höhere Mission des Frauentums bethätigt und nach besterKraft an der Erziehung des männlichen Geschlechts zu erhöhterSittlichkeit mitgewirkt haben.Sollte denn der Verfasserin niemals der Gedanke gekommensein, daß es sich hier nicht sowohl um die„Lebensanfgabe" dcSWeibeS, als um ihr ursprünglichstes, einfachstes M e n s ch c n r e ch thandelt, und hält sie die Sittlichkeit wirklich für so viel gefährdeterda. wo beide Gatten die Freiheit haben, einen liebeleeren Bund zulösen als heut, wo man die Liebe auf der Straße verschachert? Z.Daß die Lage der KoufektionSarbeiterinne»» namentlich inder Hausindustrie eine schlechte ist, dürfte allgemein bekannt sein.Die Ausbeutung der Arbeiterinnen wird am schamlosesten namentlichvon den sogenannten Zlvischenmeistcrn betrieben, weiche größerePosten der fertig zu stellenden Arbeiten von einem größeren Geschäftbeziehen und diese Arbeit dann außer dem Hause anfertigen lassen.Die Bezahlung für diese Arbeit spottet jeder Beschreibung: ammiserabelsten handeln in dieser Hinsicht diejenigen Zwischenmeister,welche sich in den Vororten niedergelassen haben in der Annahme,hier besonders willige und billige Arbeitskräfte zu finden. Indieser Voraussetzung haben diese Personen bis dahin auchnoch keine Enttäuschung erfahren. Zwingt doch die in der zahl-reichen Arbeiterschaft der Vororte herrschende Not die Proletarierinnen,von jeder sich irgendwie darbietenden Arbeitsgelegenheit Gebrauchzu machen. Zu der Erkenntnis, gemeinsam gegen diese AusbeutungFront zu machen, sind leider diese ausgebeuteten Arbeiterinnen nochnicht gekommen.Ein besonders starkes Stück leisten sich in Neu-W e i ß e n s e e einige Zwischennnternchinerinnen, welche Blusen an-fertigen lassen. Für ein Dutzend solcher Binsen zunähen zahlen sie sicbeuzig Pfennige. Hiervon haben die Nähe-rinnen noch Auslagen für Garn zc. zu leisten. Wer da weiß, wieviel Arbeit zur Fertigstellunq eines Dutzend solcher Sachen gehört.wird verwundert sein, daß sich noch Arbeiterinnen finden, welche fürdieses Spottgeld arbeiten. Möchten endlich die Frauen und Mädcheneinsehen, daß durch Organisation solchen ausbenterischen Praktikenein Ziel gesetzt werden kann.Sociales.Gegen das Trinkgeld.Wie in Deutschland, so ist auch in Frankreich daS Trinkgeldlvesez,zu einer wahren Landplage geworden. Namentlich ist eS im Cafö,