Ur. 30.Adomtmntt»■ Kedingungrn:atonncmcnt«- Preis pränumerando:«ZiirteljShrl. S.S0 monatl. 1,10 Sit,möchexMch 26 Pfg. frei in» Hau».Einzelne Numw'I» Psg.«onnlag«.Nummer mit il>»nri-ri«c Tsnntagi»Beilage.Tie Neue Welt" 10 PIg. Post-Abonnement: 1,10 Marl pro Monat.«ingelragen in der Post- Zeitung».Preisliste für 1001 unter Dr. 7671.Unter Kreuzband für Deutschland undOesterreich-Ungar« 2 Marl, für da»übrig» Ausland S Marl pro Monat.18. IahrgPik Instrtiong.Vtvllyibetrügt für die sechSgelpaltene Koloned«eil» oder deren Siaum«0 Pfg., sürpolitisch« und gewerkschaftliche Vereins-und Versammlung«-Anzeigen 20 Psg.„Kleine Anseigeii" jede« Wort B Psg.(nur»oB erste Wort fett). Inserat« sürdie nächst« Nummer müssen bis s Uhrnachmittag» in derExpedition abgegebenwerden. Die Expedition ist an Wochen-tagen bw 7 Uhr ab«nd». an Eonn- undFestlagen bi» 6 Uhr vormittag« geöffnet.Ersch, inl täglich wiRtc Montag«.Devlinev Volksblakt.Telegramm-Adreff»»„Porialdrmokrat Serltn»Cenwawrgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands.Redkklimn 19. Beulh-Slrahe 2.Fernsprecher: Amt I, Nr. lkiliS.Dienstag, den 5. Februar 1901.Expedikwn: sw. 19, Benth-Strago 3.Fernsprecher: Amt l, Nr. lUTl.Der Zoll-Kanal.Der Kanalkampf hat die preußische Negieninq von NiederlageNiederlage und die Junker von Sieg zu Sieg geführt. Diejetzige erste Lesung der in erweiterter Gestalt vorgelegten großenKulturvoilage, die am Montag im Abgeordnetenhause begann, bedeutet, soweit sich bis jetzt Schlüsse aus dem Verlauf der Debatteziehen lassen, die endgültige Kapitulation der Regierung vor demTrotz der Junker. ES wird nur das aus der Vorlage Gesetzwerden, ivaS den Junkern vorteilhaft erscheint, und lo e n n etwanoch ein weniges mehr, so nur dann, wenn dieRegienmg sich vollends unter daS ostelbische Z o I l j o ch gebeugthaben wird.Nicht nur die Regierung, sondeni auch dieKrone ist zumNachgeben gezwungen worden. Der»unbeugsame Wille,den einmal als richtig erkannten Weg allem Widerstand zum Trotzunbeirrt weiter zu gehen"— ist gescheitert an dem mächtigerenWillen einer jahrhundertelang in Preußen gehätschelten, einerdurch daS ungerechteste und elendeste aller Wahlsysteme in derHerrschast gefestigten Klasie. WaS kümmert es die königstreuenJunker, daß der König erklärt hat, er werbe dafür stehen, daßseine Macht mit voller Wucht für daS große Werk eingesetzt wird?Was macht eS ihnen aus, daß in einem führenden Blatt der Großinduftrie, in den»Berliner Neuesten Nachrichten" nach Ablehnung derersten Borlage im Jahre 18SS geschrieben werden konnte:»In dem Verhalten der konservativen Partei zur KanalVorlage erblickt der König eine persönliche Heraus-forderung und eine völlige Verschiebung desGrundverhältnisseS zwischen der Krone und der konser-vativen Partei. Der König ist eiitschlossen, den hingeworfenenFehdehandschuh aufzunehmen und den Kampf rücksichtslos durch«zuführen."Die Junker haben bewiesen, daß kein Wille in Preußen stärkerist alS der ihre. Jeder Versuch, sie zu züchtigen, schlug nur zuihrem Vorteil auS. Durch die Maßregelung der kanalgegnerischenLandräte gab ihnen Miquel selbst die angenehme Möglichkeit, alsMärtyrer und VerfasinngSschützer zu glänzen. Die MnßrcgeluugS-komödie endete mit der Beförderung der Kanalrebellen in höhere Stellen.Die Junker forderten vor 2 Jahren endlose Kompensationen, um dieVorlag« zu verschleppen. Sie haben den Zweck der Verschleppungerreicht, die Regierung bringt jetzt die gewünschten Kompensationenund— die Vorlage wird von den Konservativen unter unschulds-vollstem Lächeln als ebenso unannehmbar erklärt als vor2 Jahren IDie Junker forderten vor allem die Garantie erhöhtenK o r n z o l l S. Graf B ü l o w hat ihnen zugesichert, waS sieforderten, und— die Junker wollen die Vorlage in»wohlwollendeTr wägung" ziehen und sich überlegen, ob sie sich durch Bewilligungirgend eines Teils derselben gegengefnllig bezeigen wollen.Die Junker hatten sich beklagt, daß die Regierung die Kanalvorlag« als eine politische Frage behandle.Graf Bülow erklärt, daß sür ihn die Kanalvorlage keinepolitische, sondern eine r e i n wirtschaftliche Bedeutung habeund dieser Auffassung entsprach die Haltung, die die Regierung inder jetzigen Verhandlung beobachtet. GS war kein Zufall, daß nurdie Ressortminister v. Thielen, v. Miguel, Brefeld undFreiherr von Hammerstein, nicht aber auch derMinisterpräsident am Ministertisch erschienenwaren. Graf Bülow blieb absichtlich fern, um nur nichtden Schein zu erwecken, als handle es sich um eine politische AktionTrocken und geschäftsmäßig, wie wenn die gleichgültigste Vorlagezur Beratung stände, leitete Minister v. Thielen die Debatte einKein Wort über die politische Bedeutung deS Gesetzes, kein Wortgegen die LandtagSmehrheit. die sich hartnäckig gegen die Regierunganfgelehnt hatte. Statistische Daten über das Anwachsen des Verlkehrs und über die Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen, noch dazuso langweilig vorgetragen, daß die Mitglieder sich laut unter-hielten! Kein Zeichen des Beifalls oder Mißfalls I Nur einmal,als Herr v. Thielen das Wort eines Docenten der CharlottenburgerHochschulen citierte, wonach Deutschland nach Fertigstellung desKanals an der Spitze der Kultur stehen würde, antworteten dieJunker mit lautem Gelächter.Und in demselben trockenen Ton verlief die ganze Debatte.Der Sprecher des CentrumS, Abg. Am Zehnhoff ergingsich im üblichen einerseits— andrerseits seiner Partei, die sich alleMöglichkeiten, aus dem Handel etwas herauszuschlagen.offen halten will. Er entdeckte mancherlei gutes in der Vorlage.aber seine Partei will sie nicht bewilligen, wenn nicht auch Moselund Lippe kanalisiert werden und Schlesien genügende Vorteile zu-geivendet iverden.Graf Limburg-Stirum, der Redner der Konservativen.sprach in dem selbstbewußten Tone deS Parteiführers, der sichals Beherrscher der Situation fühlt. Seine Freunde sind festentschlossen, den Mittellandkanal abzulehnen,wollen aber unter Umständen für einzelne Teile desgroßen Projekts stimmen, das heißt, sie werden sich, wie ihnenzugerufen wurde, die Rosinen aus dem Kuchen polken. Der Haupt-grund für die zuwartende Haltung der Konservativen liegt natürlichdarin, daß sie zunächst sehen wollen, wie sich der neue Zoll-t a r i f gestalte» wird. Der diplomatische Graf Limburg hütete sichdabei wohlweislich, diesen Grund anzuführen und machte statt dessenfinanzielle Bedenken geltend. Dabei entschlüpfte ihm daS reizendeGeständnis, daß die„kolossalen Summen, welche dieChina- Expedition erfordere", auf die Finanzlage Preußensungünstig zurücktvirken I damit ist auS konservativem Munde dieHunnenpolitik als Hemmnis jeglichen Kulturf o r t s ch r i t t s zugestanden.Der einzige Redner für die Vorlage, der nationaUibcrale Abgeordnete v. E y n e r n. erweckte den Eindruck des blamiertenEuropäers. Seine Parteigenossen haben neulich in ihrer großenMehrheit für de»konservativen An tragaufErhöhunder Getreidezölle gestimmt; als Lohn dafür erwartete Herrv. Eynern, der Vertreter der Großindustrie, eine entgegenkommendere Haltung der Konservativen zu der Kanalvorlage.Die Rede des Grafen Limburg hatte ihn enttäuscht, seinKonzept war verdorben, und so konnte er nur untereinigen berechtigten Ausfällen auf den Bund der Landwirtedas hohe Lied von der Gemeinsamkeit der Interessen zwischenIndustrie und Landwirtschaft anstimmen. Er suchte den Junkern zuHerze zu reden, indem er ihnen vorhielt, daß sie, w e n n f i e denArbeitern durch hohe Zölle daS Brot verteuernandrerseits doch verpflichtet wären, für billigVerkehrsmittel zu sorgen. Schallendes Gelächter derAgrarier war die Antwort.Nun nahm Miguel das Wort. Er war der Höhepunkt derDebatte. Wird er für oder gegen die Vorlage sprechen?—fragte man sich, als er begann. Und Miquel sprach für die Vor-läge. Aber er sprach s o für die Lorlage, daß ihre Gegner ebensoviel Freude an seiner Rede haben konnten als ihre Befürworter.Miquel beschwor die Konservativen in den zärtlichsten Tönen undunter fortwährender Betonung der Bedeutung des Kanals geradefür die agrarischen Interessen um mildernde Umstände. Er bat sieum versöhnliches Entgegenkommen, damit nicht eine Verstimmungzwischen den Parteien, deren festes Zusammenhalten diehöchste politische Notwendigkeit sei, zurückbleibe. Undzum Ueberfluß erklärte er den agrarischen Freunden, daß doch derwirkliche Schutz für die Landwirtschaft auf dem Gebiete deS Zoll-WesenS liege.ES wird den Konservativen nicht allzu schwer werden, sobaldder Kornwuchcr endgültig besiegelt sein wird, mit Herrn Miquel sichüber den Kanal zu einigen.Nachdem auch noch der einstige Seehandlungs-Präsident Freiherrv. Z e d l i tz entsprechend seinem im Scherlschen.Tag" veröffentlichtenArtikel die Stellung seiner freikonservativen Freunde von der Ge-staltung des neuen Zolltarifs abhängig gemacht hatte, wurdedie Beratung vertagt.Der erste Tag der neuen Kanaldebatte bedeutet ein weiteresZurückweichen der Regierung vor dem junkerlichen Uebcrmut.Die lübische Streikposten-Verordnungvor dem Reichsgericht.Vom Landgericht Hamburg ist am 19. Oktober v. I. derReichstags-Abgeordnete Redacteur Hermann Wolkenbuhrwegen Aufforderung zum Ungehorsam gegen die vomLübecker Senat erlassene Streikposten-Verordnung. begangen durchVeröffentlichung eines Artikels im Hamburger»Echo", zu einerGeldstrafe von 100 Mark verurteilt worden. Reichstags-Abgeordneter Molke»buhr hatte hiergegen Revision ein-gelegt, die in der heutigen Verhandlung vor dem Reichs-gerichte durch Rechtsanwalt Dr. Suse tHamburg) und den Reichstags-Abgeordneten Rechtsanwalt Heine<Berlin) i» längeren Ausführungenbegründet wurde. Beide beantragten Aufhebung des Urteils undFreisprechung des Angeklagten, da jene Verordnung zu Unrecht er--lassen, also ungültig sei und die Ausforderung zum Ungehorsam gegeneine solche Verordnung nicht uiiter den§ 110 deS Strafgesetzbuchsfalle. Der Reichsanwalt beantragte dagegen die Verwerfung der Revision.— Nach längerer Beratung füllte da» Reichsgericht(3. Strafsenat)folgendes Urteil:Das Urteil des Landgericht« Hamburg wird aufgehoben undder Angeklagte von Strafe und Kosten freigesprochen. AuS derBegründung ist folgendes hervorzuheben: Der 8 110 St-G.-B.setzt voraus, daß das Gesetz, die Verordnung, gegen welche zum Un-gehorsam aufgefordert wird, eine rechtsgültige Norm darstellt.Die Rechtsniigültigkeit kann folgen au« einer unzulässigenFormalität, unter der das Gesetz oder die Verordnung zu ständegekommen ist. wenn z. B. der lübische Senat als solcher nicht zu-ständig gewesen sein würde, ohne Zustimmung der Bürgerschaft dieVerordnung zu erlassen, oder eS kann auch die Ungültigkeit folgenau« der materiellen Ungültigkeit. auS der Kollision mit andren~ e s e tz e n. Die erste Frage kann dahingestellt bleiben, weil dieFrage, ob eine materielle Kollision vorliegt, an fich schon imSinuc der Revision zu bejahen war. ES kann daher dahin-gestellt bleiben, ob etwa anzunehmen wäre, daß die Abschnitte ü. 7, 16des Strafgesetzbuchs eine Materie endgültig normieren dergestalt.daß von einem Verbot, wie eS hier vorliegt, nicht mehr gesprochenwerden könnte; es kann auch dahina<stellt bleiben, ob ans dem Gesetz-entivnrfe zum Schutze deS gew'. blichen Arbeitsverhältnisses(1699)ein Präjudiz für die Zulässb.»eit oder Unznlässigkeit dieser Ver-vrdnung hergeleitet werde. kann. Enttcheidend sind diejesetzlichen Normen in Art. 2 der RcichSverfassung und ß L>es Eilifiihrungsgcsetze< zum Strafgesctzöuche. Aus diesen Be-limmungen ist der Rechtssatz zu entnehmen, daß Reichs-recht vor Landesrecht geht, daß also. wenn die Reichs-gesetzgebung en.n bestimmten RechtSstoff endgültig normiert hat,daneben für„ie Landesgesetzgebung ein Raum nichtmehr gegeben ist Ob daS eine oder andre der Fall ist, wirdim Einzelfall zu eutscheiden sein. Man wird aber mit der inBand X der.Entscheidnugen" abgedruckten Entscheidung anzunehmenhaben, daß im Zweifel die Absicht des Gesetzgebers dahin ging, denbetreffenden Rechtsstoff endgültig zu normieren und abzuwehrenalle diejenigen londeSgesetzliche» Bestimmungen, die sich alsEingriffe in diesen RechtSstoff ergeben. Wenn man die152 und 153 der Gewerbe- Ordnung vergleicht mit deinInhalt der lübische» verordming. so ergiebt sich zunächst,tvaS die Tendenz deS Reichsgesetzes betrifft, daß eS fich hjer handeltum d i e Aufhebung aller Verbote der Verab-redungen und Vereinigungen, welche den Zweck haben,bessere Lohnbedinaungen herbeizuführen seitens der ge-werblichen Arbeiter. Da« ist völlig klar. Was die Auslegungder Verordnung betrifft, so ist sie nicht so einfach. Wenn man ab-steht von der Ucberschrift und sich nur an den Wortlaut hält, soivürde daS zu Konsequenzen führen, die offenbar vom Gesetz-gebcr nicht gewollt sind, wie dies zutreffend von derVerteidigung angeführt worden ist. Man wird also dieUeberschrift mit hinzunehmen müssen, um zur richtigenAuslegung zu kommen. Eine solche Herübernahme ist an sich zu«lässig. Dann würde zu sagen sein, daß die Verordnung voraussetzteinen Streit, bei welchem Posten gestellt werden. WaS unter Streik-Posten zu verstehen ist. ist au« der Verordnung insoiveit zu entnehmen, alscS sich um planmäßige Beobachtung und Beeinflussung von Arbeiternan gewissen öffentlichen Orten handelt, im übrigen aber ist man an-gewiesen auf daS. was sich nach den Erfahrungen, dem historischenVerlauf der modernen Lohnkämpfe als das richtige ergiebt. Danachkann u. a. die Aufftellimg von Streikposten den Zweck haben, einembereits existierenden Streik eine weitere Ausdehnung in dem Sinnezu geben, daß der Zuzug von arbeitswillkgen auswärtigen Arbeiternverhindert wird. Das kann geschehen durch ArbeitSiiachlveise, diePresse, Plakate usw., jedenfalls aber auch durch Streikposten, welchedie Aufgabe haben, die zuziehenden Arbeiter von der Existenz desAuSstandeS zu unterrichten und gegebenenfalls mit ihnen Ver«abrevungen zu treffen, ob sie beitreten wollen oder nicht. DaS würdedann der Versuch sein, dem bereits bestehenden Ausstände eine weitere.seinem Zwecke dienende Ausdehnung zu geben. Dann würden dieStreikposten als Mandatare dienen, mit den Zuziehenden Verabredungenzu treffen über den Beitritt. Die Streikposten würden also die Aufgabehaben, seine bestimmte Form derjenigen Verabredungen einzugehen, dieunterschiedslos in§ 162(mit 168) erlaubt und jedenfalls straflos sind. Dieweitere Jolgernng würde di'e sein, daß ein Landesgesetz,welches in Widerspruch mit dieser Unterschieds-losen Straflosigkeit tritt, als ungültig zu er«a ch t e n i st. Es bleibt die Möglichkeit, daß die lübische Verordumigauch andre Gesichtspimtke im Auge hat, etwa sich auf andre alsgewerbliche Arbeiter bezieht. Es könnte auch m Frage kommen,ob sie etwa andre Zwecke im Auge hat als die Beseitigung von Ver-abredungen und Vereinbarungen zum Zivecke der Erlangung bessererLohnbedingungen, sie könnte auch im Auge haben Verhältnisse, indenen eS sich um die Beseitigung eines mißliebigen Werkmeistershandelt. Jedenfalls muß rechtsgrundjätzlich aus-gesprochen werden, daß. solange der Inhalt der Verordmingeiner Auslegung dahin zugänglich ist. daß die eben berührten Be-stimmungen' haben getroffen werden sollet:, um eine bestimmte Formder Verabredung, auch die Erlangung günstigerer Lohnbegingungenzu verhindern, die Verordnung iu töto für Ut: gültigz u e r i l ä r e n t st.ES bleibt dem Gesetzgeber überlassen, neue Bestimmungenzn treffen, welche nicht kollidieren mit der Reichs-Gesetzaebung.Selbstverständlich ist dabei, daß die Streikposten sich an die Grenzender Gesetze zu halten haben. Dabei würden ja in Frage kommeneine große Reihe von Gesetzen, so auch d er§366,10 de's Str.G.-B.In der That haben andre Polizeibehörden auf Gnind dieses Pnra«zraphen Bestimmungen getroffen, wonach, wenn nach der Ailffaffimg»es AufstchtSbeamten eine Störung der Sicherheit auf Straßen undPlätzen zu befürchten steht, der betreffende Kontravenient ausschließlichans Anweisung des Aussichtsbeamten den Platz zu räumen hat. DieRechtsprechung de« Reichsgerichts hat anerkannt, daß in einem solchenFalle unterschiedslos der Anordnung der Polizeibeamten Folge zuleisten ist. Es ivürde nichts im Wege gestandenhaben, wenn der Lübecker Senat diesen Weg be«treten hätte.Nun ist zwar richtig, daß nach einer amtlichen Erklärung de»Vertreters des Lübecker Senats gelegentlich einer parlamen«tarischen Verhandlung es die Absicht gewesen ist, bei Erlaß derVerordnung, der Gefahr einer Verkehrsstörung zu begegnen. E»mag sein, oaßdaS die äußere Veranlassung zum Erlaßder Verordnung gewesen ist. So lange aber der Wortlmit der Ver»ordnung an sich klar ist, ist es unzulässig, zumal es fich um eineex post abgegebene Erklärung handelt, oarauf eine Anslegung derVerordnung zu gründen.Schließlich ivird noch die Frage erörtert, ob dies« Entscheidungetwa mit einer andren im Widerspruch stehe und dann diese Frag«verneint.Das Urteil war auS allen diesen Erwägungen aufzuheben undder Angeklagte, da im übrigen die Sache spruchreif war. freizu-irechen._____Volikiflsze Mebevfichk.Berlin, den 4. Februar.Der Reichstagwar am Montag noch schlechter besetzt als in den vorigenWochen. Die Kanalvorlage bannt alle Doppelmandatare indas preußische Abgeordnetenhaus. An sich verdiente der Etatder Reichs-Ju st izverwaltung freilich die größteBeachtung der Volksvertreter. Nirgends.ist der Stillstandaller Reformen so augenfällig tvie hier. Das Rcichs-Justizamtscheint seit dem Abschluß des Bürgerlichen Gesetzbuchs so ein-zutrocknen wie sein Leiter, der Staatssekretär Nieberdingvertrocknet ist. Es gelingt nichts mehr. An der Reform derStrafprozeß-Ordnung müht man sich seit Jahren ab,ohne daß man einen Schritt weiter gekommen wäre.Und auch der Schritt oder richtiger der Sprung nach rück-wärts ist nicht geglückt: die 1« Heinze, für die sich die Re-gierung so sehr ins Zeug legte, ist ihr vor die Füße ge-worfen. Seitdem scheint die Lähmung vollständig zu sein.Die Resolutionen, in denen der Reichstag nach Annahme desBürgerlichen Gesetzbuchs die dringendsten Justizreformen alsGesetzentwürfe von der Regierung forderte, sind vom Bundes«rat nicht ohne Zuthun deS Rcjchs.JusttzamtS abgelehntworden. An einen einheitlichen Strafvollzug wird nicht ge-dacht. Die Entschädigung für unschuldig erlittene Unter-