Zlr. 57. 18. Jahrgang2. KW ks Jormiltls" Ktlintr UcksdlÄFnilig, 8. Miirz 1901.amenkavisches.Die Budgetkommissionsetzte in der Donnerstag-Sitzunq die Beratung des Kolonial-EtatSfort. Beim Etat für Togo wurde die bestehende Hüttensteuer vonverschiedenen Seiten als eine Hauptquelle der ausbrechenden Un-ruhen verurteilt und dafür die Einführung einer Ausfuhrsteuer aufGummi vorgeschlagen. Beim Etat für Südwest-Afrika fragteAbg. Bebel sSoc.) nach den genauen Angaben über dieVerurteilung deS Prinzen Prosper Arenberg. Nach Auskunftder Regierung wurde Arenberg, nachdem er wegen Mordszum Tode verurteilt war, zuerst zu 1ö Jahren Zuchthaus be-gnadigt, worauf diese Strafe durch einen weitereu Gnadenaktin 13 Fahre Gefängnis umgewandelt wurde.— Die Nachrichtenüber den Ausbruch der Rinderpest wurden als übertrieben bezeichnet.Eine Einwanderung von Boeren in größerem Maßstabe sei vorEnde des Kriegs nicht zu erwarten. Hierauf wurdevon verschiedenen Seiten die„Pauschquantum- Wirtschaft"in den Kolonialetats getadelt und die Aufführung der einzelnenAusgaben unter besonderen Titeln verlangt und beschlossen. Imvorliegenden Etat waren 140 000 M. zur Unterhaltung von Kriegs-gefangenen angesetzt. Es stellte sich heraus, daß diese Gefangenen.welche aus den Kriegszügen der letzten Jahre herstammten, seitdemzu öffentlichen Arbeiten verwendet worden waren. Die Kommissionerklärte sich dahin, daß die Gefangenen entlassen werden sollten undstrich den dafür ausgeworfenen Betrag. Auf eine Anfrage, wiesich � die Einfuhr deutscher Dienstmädchen in die Kolonienbewährt habe, gab ein Regierungskommissar eine sehroptimistische Auskunft. Von 16 eingeführten Mädchen hättensich 14i innerhalb dreier Monate verheiratet. Abg. Bebel konntedem aber sofort entgegenhalten, daß die Regierung anzuführen ver-gessen habe, daß von diesen verheirateten Mädchen verschiedenebereits wieder geschieden wären oder Selbstmord verübt hätten, vierauch bereits nach Europa zurückgekehrt seien.Eine längere Debatte knüpfte sich an den Titel„Fortführungder Bahn von Windhoek nach Karibik. Die ganze Bahn, deren Baildurch den wüstenartigen Charakter und den Wassermangel desLands großen Schwierigkeiten begegnet, soll 13�/4 Millionen Markkosten.—Die nächste Sitzung findet Freitag statt; auf der Tagesordnungsteht die Fortsetzung der Debatte sowie Debatte über die ostafrikanischeCentralbahn.ei cit.Parteilitteratur. Zur Erinnerung an den 30. Jahrestag derErrichtung der Pariser Kommune läßt die BuchhandlungVorwärts, Beuthstr. 2, Berlin 8W\, zum 18. März einercichillustrierte Kommunc-Erinneriings-Nuuimcrerscheinen, deren Einfllhrungsartikel— eine schwungvolle Darlegungund Würdigung der Kommune— Bebel verfaßt hat. Dascharakteristische Gepräge erhält die 8 Seiten starke Nummer durchihre zahlreichen Illustrationen, die fast durchgängig von Künstlernstammen, die entweder wie Gill oder Daumier selber(im Kunst-Ministerium) Mitglieder der revolutionären Regierung waren oderwie Picchio unter ihren Fahnen kämpften. Unter den ernstenBildern:„Des Löwen Erwachen",„Untergang der Kommune" hebenwir neben der packenden Gegenüberstellung der zwei Bilder:„Wiedas Bürgertum 1792 seine Kommune errichteteund 1371 die des Proletariats ni e d er k a rt ä ts ch t ebesonders das ergreifende Schlußbild hervor:„Und das nennensie Gnade". Aber auch eine Reihe interessanter Karikaturen ausjener Zeit werden reproduziert.Die Ausgabe erfolgt auf rotem und auf weißem Papier.Bestellungen erbittet die Buchhandlung umgehend.Polizeiliches, Gerichtliches usw.— Ein Fest socialdemokratischer Arbeiter ist in K ö n i g s-berg aus recht merkwürdigen Gründen verhindert worden. DerGesangverein„Morgenstern", dem nur socialdemokratische Arbeiterangehören, wollte am Sonnabend, den 9. d. M., ein Tanzvergnügenin einem Lokal auf den Hufen bei Königsberg abhalten' AmSonntag, den 10. d. M. wohnt das Kaiserpaar einer Kirchen-einweihung auf den Hufen bei. Auf Anordnung des Landratsamts hat der Amtsvorsteher dem Wirt durch Androhungdes Militärboykotts veranlaßt, sein Lokal jetzt plötzlich zuverweigern. Als Grund für die Verhinderung des Vergnügens wurdeangeführt, es könnte zu Unzuträglichkeiten führen, wenn die Patrioten,die sich auf den Hufen aufstellen, um den Kaiser zu sehen, amSonntagmorgen mit den vom Tanz heimkehrenden Socialdenrokratenzusammentreffen.Da die Socialdemokraten bekanntlich nicht daran denken, andreLeute in ihren patriotischen Vergnügungen zu stören, so scheint derHerr Landrat dem Ordnungssinn der Patrioten nicht recht zutrauen.— Z« vier Wochen Gefängnis wurde Genosse Zielowski,Redacteur der„Volksstimme" in Frankfurt a. M. verurteilt, weil erden Vorsitzenden der Orts-Krankenkassen in Vilbel durch eine Notizin der.Volksstimme" beleidigt haben soll. Die Strafe wurde miteiner früher erkannten, noch nicht verbüßten Strafe von 3 Monatenzu einer Gesamtstrafe von 3 Monaten 3 Wochen Gefängnis zu-sammengezogen._Aus Vvv Fruueubvturgnng.Eine Besprechung der Alt-Plätterinnen über ihre Lage fandam 6. Mörz im Gewerkschaftshaus statt. Einberufen, um diePlätterinnen selbst über ihre Erfahrungen zu hören, trug sie mehrden Charakter verttaulicher Besprechung über die Schäden des Ge-werbes.Der Vorsitzende des Verein» der Wäschebranche, TrinkS, wies indem einleitenden Vottrag auf die Notwendigkeit hin, die in raschemAnlauf glücklich erkämpften Votteile nicht preiszugeben. Viele Ar«beitettnnen jedoch lassen sich große Lohnabzüge bieten und nichtminder nehmen die Ueberstunden in erschreckender Weise zu. Beivoller Auszahlung deS Vereinbatten Lohns bedürfte es keinerUeberstunden, um das Fehlende zu ergänzen. Bei der an-strengenden Thättgkeit bedarf«S der verkürzten Arbeitszeit, umden Berufskrankheiten zu entgehen. Leider besitzen die Abmachungenvom vorigen Jahre keine Gesetzeskraft; um so mehr ist es Ehren-Pflicht der Vertragschließenden selbst, nicht wortbrüchig zu werden.Es bedarf eben, um den nötigen Druck auf die Uebelwollenden zuüben, der vereinten Kräfte aller Arbeiterinnen, welche khr eigne?Wohl und das ihrer Kolleginnen fördern wollen. Sie müffen sichihrer Gewerkschaft eng anschließen, nicht, wie es so manche thun, indie alte Gleichgültigkeit zurückfallen.An der Diskussion beteiligten sich nur sehr wenige Arbeiterinnen.Daß es nicht Mangel an Teilnahme war, bewies der rege Eifer, mitwelchem sie den Reden folgten und durch Ausrufe ihrer Zustimmungoder ihrer Entrüstung Ausdruck gaben. Es wurde mitgeteilt, daßan manchen Stellen für 4 Kragen 10 Pf. Lohn gezahlt werde. EineArbeitenn erzählt, daß sie und ihre Genossin entlassen wurden, weilsie sich weigerten, nachts bis 12 Uhr zu arbeiten; uni 9 hatten sieaufgehört. Mit gemeinen Schimpfworten sind sie überdies bedacht worden.Die allgemeine Entrüstung äußerte sich sehr lebhaft, fühtte aber nichtzu weiteren Mitteilungen.Um so lebhafter griffen einige Plättstubeninhaber in die Debatteein. Daß sie dabei zumeist ihre eignen Interessen im Auge hatten,kann man ihnen nicht verdenken, auch stimmen sie im ganzen mitdem Interesse der Arbeiterinnen übcrein. Ein Herr Fleischersuchte besonders die Arbeiterinnen scharf zu machen, indem er ihnendie ganze Schuld an den schlechten Preisen allein zuschob. Sieunterbieten sich um Arbeit zu erhalten, und plätten ebensowohlwährend der Mittagspause, als bis tief in die Nacht, um den Lohnmöglichst zu erhöhen. Sie gönnen sich nichts, sparen und kratzenjeden Pfennig zusammen und eröffnen nach einem Jahr mit200 Mark Kapital eine neue Plättstube, welche den Tarifunterbietet, um Kunden anzulocken. Kam hier die Konkurrenz-furcht allzu drastisch zur Erscheinung, so erklärte andrerseitsArbeitgeber Bauer, gewerkschaftlich organisiert, es sei nicht durch-führbar, daß um 8 Uhr abends geschlossen werde, namentlich des Sonnabends. Die Wäsche werde spät gebracht, manchmal von Leuten, dienur 1— 2 Kragen im Besitz hätten; man müsse Rücksicht nehmen.Dagegen forderte er Ausdehnung der Agitation auf die Vorotte undUmgebung, sowie Erstrebnng einer gesetzlichen Regelung der Arbeits-zeit' durch den Bundesrat. Fleischer bestritt das Bedürfnis derNachtarbeit. Man teile die Zeit richtig ein und lasse nicht dieArbeit sich zu Ende der Woche hänfen. Und dann nehme man amSonnabend eine Aushilfe. Unter den 12 000 Plätterinnen Berlins(die Plättstuben berechnet er auf 2000) sei stets mit Leichtigkeit eineAushilfe zu erhalten.Mit Recht wies TrinkS beim Schluß der Debatte darauf hin,daß man nicht eigentlich eine Plättstubeninhaber- Ver-sammlung beabsichtigt habe. Uebrigens könne er mitteilen, daßallerdings die Agitation schon in die Vororte dringe. Der Vereinvon Charlottenburg wird sich dem Berliner anschließen; auch mitSteglitz sind Verbindungen angeknüpft. Die Behauptung einesRedners, ein Streik werde geplant, kennzeichnete er als jeder Be-grllnduug entbehrend— niemand denkt an ein so thörichtes Beginnen,gegenwärtig einen Streik vom Zaun zu brechen.Zum Schluß wurde noch mitgeteilt, daß der paritätische Arbeits-Nachweis bald in Wirksamkeit treten werde. Das Kuratorium, be-stehend aus Arbeitgebern und Arbeitern in gleicher Zahl sei schongebildet; die Wahl der Verwalterin werde demnächst erfolgen. Diegroße Wichtigkeit dieser praktischen Besserung der Verhältnisse wirdsich erst ganz erweisen, wenn die neue Einrichtung sich eingelebt hat.Die Einzahlung von 20 Pf. bei Inanspruchnahme des Ansiveiscswird für die organisierten Plätterinnen von dem Verein geleistet.Die bedeutenden Leistungen desselben für das Wohl seiner An-gehörigen führen ihm stets neue Mitglieder zu und haben ihm auchunter den Alt-Plätterinnen neue Freunde getvorben.Eine Petition der Berliner Frauen, an den Magistrat ge-richtet, verlangt die Einführung von Bedürfnisanstalten in größeremUmfange als bisher. Die Anregung zu dieser Petitton lourde indem hygienischen Vortragscytlus gegeben bei einem Vortrag, denHerr Dr. Frcudenberg über Frauenkrankheiten am IS. Februar inder Aula der Gemeindeschule in der Wrangelstraße abhielt. DiePetition liegt nunmehr zur Unterzeichnung aus. und zwar bis zumSonnabend, den 16. März, in folgenden Lokalen:Orts-Krankenkasse der Schneider von 8—2 Uhr, Seydelstr. 21.Arbeitsnachiveis der Buchdruckerei-Hilfsarbeiterinnen von 3 bis2 Uhr, Montag und Sonnabend bis abends 8 Uhr, Jüdenstt. 36/36parterre.Die Frauen und Mädchen werden gebeten, für recht zahlreicheUnterzeichnung der Petition zu wirken und nicht nur selbst zu unter-zeichnen, sondern auch in Bekanntenkreisen für eifrige Unterstützungunsres so berechtigten Wunsches zu sorgen.I. A.: Klara Bien, Manteuffelstr. 100.Berliner Pariei-Angelegenheiten.Zur Lokalliste. Am Sonnabend feiert die Neue PhotographischeMien- Gesellschaft in Steglitz ihren Gestndeball bei Löwendors inLankwitz. Dieses Lokal ist für die Arbeiterschaft gespertt. Die Ar-bester werden ersucht, dies zu beachten. Die Lokalkommisston.Waidmannölnst. Sonntagnachmittag 4 Uhr bei Kuhn: Mit-§Iiederversammlung des Wahlvereins. Vortrag des Genossen Paulahn über:„Rechte und Psiichten der Staatsbürger".Nieder- Schönewcide. Der socialdemokratische Wahlvereinhält am Sonnabendabend 8'/2 Uhr bei Franz, Grünauerstr. 6.eine Versammlung ab. Auf der Tagesordnung steht u. a. einVottrag über„Vivisektion". Referent Herr Hermann Stenz.Uoksles.Die Stadtverordneten-Versammlunghat gestern den Moabiter Antisemiten nicht de» Gefallen gethan,sich bei dem Erkenntnis des Bezirksausschusses, das die Wahlunsres Genossen Glocke zum Stadtverordnetenfür den 4 4. Bezirk als ungültig erklätt, zu beruhigen. Siehat mit sehr großer Mehrheit beschlosien, Berufung dagegen ein-zulegen.Die Versammlung hatte sodann den Stadthaushalts-Etat für 1901 in erster Lesung zu beraten. Die Etatberatunghat wohl noch nie so spät wie in diesem Jnhre begonnen. Voneiner sorgfältigen Behandlung und gründlichen Prüfung des Etatskann da, wie Singer bemerkte, nicht die Rede sein; dennder Etat muß bis Ende März erledigt werden. Der Stadtkämmererlegte in seiner Einführungsrede Gewicht darauf, daß auch diesmalwieder vermieden worden sei, über die bisherigen Steuersätze von100 Proz. bezw. ISO Proz. hinauszugehen. Das ist freilichnur dadurch möglich geworden. daß man die Ausgaben,auch die allcrnotwendigsten, wieder mit gewohnter Knappheit be-meffen hat. In der Debatte wurden, wie üblich, von denRednern der einzelnen Fraktionen nicht nur allerlei Wünscheund Beschwerden vorgebracht, sondern auch eine Reihe vonallgemeinen Gesichtspunkten erörtert, die für die Kommunal-Verwaltung von Bedeutung sind. Sämtliche Redner beschäftigtensich namentlich mit dem Verhältnis der städtischen Behörden zuder Staatsbehörde, insbesondere mit den Gefahren, die der Ber-liner Kommunalverwaltung aus der Errichtung einesOberpräsidiumsBerlin drohen. Im übttgen verweisen wir auf den aus-führlichen Bericht, den unsre Leser an andrer Stelle finden.Eine kleine Episode möchten wir dabei besonderer Beachtungempfehlen. Genosse Singer, der namens der socialdemokratischenFraktion zum Etat sprach, wandte sich gegen die vom Stadt-schulinspektor Jonas verfaßte Jubelschrift, die derMagistrat am 18. Januar aus Anlaß der Zweihundertjahr-f e i e r in den Gemeindeschulen hat erteilen lassen. Herr Jonas hatin seiner vollkommenen Unfähigkeit, die moderne Arbeiter-bewegung zu verstehen, sich in dieser Schrift schwerste Beschimpfungender Arbeiterklasse erlaubt. Singer geißelte diese als„objektiv" ge-!zriesene Art der Geschichtschreibung mit rücksichtsloser Schärfe,bie ihm einen Ordnungsruf einbrachte. OberbürgermeisterKirschner, der das Buch der Versammlung im Januaro warm empfohlen hatte, mußte zugeben, daß er die gerügtenStellen nicht gelesen hatte, er würde sie sonst selber nichtgebilligt haben! Man wird sich erinnern, daß im Januar,als die Stadtverordneten-Versammlung die Mittel für die Verteilungder Schrift zu bewilligen hatte, unsre Genossen forderten, derVersammlung solle erst Gelegenheit gegeben werden, die Schriftkennen zulernen. Das geschah aber nicht. Die Versammlung bewilligtedie Mittel sofort und ließ zu. daß die Schrift unbesehen Kindernals„Geschenk" überreicht wurde, deren Eltern darin in beispicl-loser Weise beschimpft werden! Diesen Schlag ins Gesichtverdankt die Arbeiterschaft Berlins dem Berliner Kommuualfrcisinn,der sich nicht genug thun kann in höfischer Liebedienerei und Katzen-buckelei._J» der Mittwochfitzung der Gewerbedeputation kamenaußer der gestern schon berichteten Angelegenheit der Kontrollbücherim Tischlergewerbe noch einige weitere beachtenswette Fälle zur Er-örterung und Entscheidung. Zunächst wurde über eine Beschwerdedes Deutschen Mctallarbe'iter-Verbands verhandelt betreffend die ineinem elektro-technischen Betrieb in der A d a l b e r t st r a ß e be-triebene Lehrlingszüchterei. Die Deputation ordnete an, daßeine Untersuchung durch Sachverständige stattfinden soll und behiestsich die weitere Beschlußfassung vor.Eine weitere Beschwerde des Gesellenausschusses überdie Mißachtung der statutarischen und gesetzlichen Vorschriften seitensder hiesigen Schneider-Jnnung wurde nur zum Teil als be-gründet erachtet.Eine längere Debatte veranlaßte noch die Bekanntmachung desOberpräsidenten über die Aufbringung der K o st e n d e r H a n d-Werkskammer zu Berlin. Der Bezirk dieser Handwerkskammererstreckt sich nach polizeilichen Ermittelungen auf ca. 25 000 Betriebe,in welchen etwa 39 000 Gesellen und 7000 Lehrlinge beschäftigt werden.Der auf Berlin entfallende Kostenbetrag für diese Handwerkskammerist auf rund 18000 M. veranschlagt. Die Gewerbedeputation istderAnsicht.diese Kosten nicht der Stadtgemeinde zur Last zu legen, sondern sievon den Jnnungsmitgliedern wieder einzuziehen,wozu sie gesetzlich berechtigt ist. Die Bekanntmachung des Ober-Präsidenten setzt fest, daß die auf die einzelnen Betriebe entfallendenKosten je nach der Zahl der in diesen Betrieben beschäftigten Ar-beiter und Lehrlinge festgesetzt werden sollen. Die Mehrheit derDeputation war der Anficht, daß sich die Kostenbeträgeleichter durch einen Zuschlag zu der von den betreffenden Jnnuugs-meistern gezahlten Gewerbesteuer aufbttngen lassen undbeschloß, in diesem Sinne beim Oberpräsidenten vorstellig zuwerden.Das hiesige Jnnungs- Schiedsgericht hielt seine Sitzungen bis-her abends ab, was zu großen Mißständen führen mußte. Künftigsollen die Sitzungen vornuttags abgehalten werden. Als Vorsitzendedieses Schiedsgerichts fungierten vier hiesige Rechtsanwälte,welche für jede Sitzung ein Honorar von IS Mark bezogen. Durchdie Verlegung der Sitzung auf den Vormittag ist es diesen Herrennicht mehr möglich, den Vorsitz weiter zu führen, auch scheintden Jnnungsvorständen die bisherige Honorierung der Bor-sitzenden des Schiedsgerichts zu kostspielig. Statt nun das ganzeJnnungs-Schiedsgericht aufzuheben und die Streitigkeiten derJnnungsnreister mit ihren Arbeitern von dem hiesigen Gewerbe-gericht' entscheiden zu lassen, will man nur einen Vorsitzenden habenund diesem ein bestimmtes festes Jahreshonorar betvilligcn. DieJnnungSvorstände glaube», daß sich ein p e n s i o n i e r t e r R i ch t e rbereit finden dürfte, unter dieser Bedingung den Vorsitz im Schieds-gericht zu übernehmen. Da der Vorsitzende des Jnnungs-Schiedsgenchtsvon der Gewerbedeputation zu ernennen ist, geeignete Personen aber nochnicht in Vorschlag gebracht werden konnten, beschloß die Deputatton,die Beschlußfassung auszusetzen.Zu Mitgliedern des Kuratoriums der hiesigen höheren Webe-schule wählte die Deputation den Stadtschulrat Dr. Gerstenbergund den Stadtv. Dr. Ginsberg.— Zwei hiesigen Tischlergeselle»ivurden Beihilfen von 50 bezw. 100 M. zum Besuche der Tischler-schule aus der Heyse-Stiftung geivährt.Die städtische Parkdeputatio» beschäftigte sich gestern mitden Plänen zur Regelung der Anlagen in der Siegesallee, auf demKemperplatz und des angrenzende» Teils des Tiergartens. DieEntwürfe fanden die Billigung der Deputation und werden demMagistrat zur Ausführung empfohlen. Sie unterliegen noch derGenehmigung des Kaisers.Der Fall Medenwaldt und die Friihstücköbeutek. Anläßlichder Haussuchungen infolge des Medenwaldtschcn Mords ist bei einerHausbewohnerin ein mit Blut besudelter Frühstücksbeutel auf-gefunden worden. Der Fund stellte sich bald als recht harmlosheraus und wurde von einem Bäckermeister der Nachbarschaft alssein Eigentum reklamiert. Die Bäckermeister Moabitsnahmen jedoch den Vorfall zum Anlaß, um in ihrer gestrigen Ver-sammlung eingehend Maßnahmen in der Frühstücks-beutelfrage zu beraten. DieBäcker lieferten denKundcn die Frühstücks-beutet in sau b e r em Zustande, diese aber betrachteten sie als herrenlosesGut und verwendeten sie zu allen möglichen Zwecken, zum Auf-bewahren von Kartoffeln. Zwiebeln, ja sogar als Waschlappen, zumLampenputzen usw. Es wurde beschlossen, in einem Flugblattan das Publikum darauf hinzuweisen, daß es sich empfehle, auf diebisher übliche Lieferung von Frühstücksbeuteln durch die Bäcker-metster zu verzichten und aus gesundheitlichen Rücksichten eigeneFrühstücksbcutel anzuschaffen, wodurch peinliche Sauberkeit ermöglichtund jede Ansteckungsgesahr vennieden wird.So dient den Bäckerineistcrn sogar der Medenwaldtsche Mordzum Besten. Daß diese Herren zuweilen selber an dem unappetit-lichen Aussehen der Frühstücksbcutel schuld sind, ist bei der Pein-liehen Sauberkeit, die überall im Bäckercibetnebe herrscht, selbst-verständlich ausgeschloffen.Ucber die Eingemeindung der Hascnhcide in Berlin wirdam Donnerstag, den 14. d. M., im Kreishause dcS TeltowschcnKreises, Victoriastraße 18 hicrselbst, eine Verhandlung der inter-essierten Gemeinden unter dem Vorsitz des Oberpräsidentcnv. Bethmann-Hollweg stattfinden. Es dürfte in diesem Ternttn zueinem endgültigen Entscheid kommen, da die Gemeinde Tempelhofprincipiell mit der Abtretung der Hascnhcide an die Stadt Berlineinverstanden ist.Ein Polizeispitzel ist in der K o n i tz e r M o r d s a ch e wegenMeineids verhaftet worden. Bei den, hiesigen Polizeipräsidiumwar früher ein Agent Schiller beschäftigt. Dieser stellte sich, alsdie Konitzer Angelegenheit alle Welt zu beschäftigen anfing, in denDienst von Zeitungen, verließ die Polizei und ging als„Bericht-erstatter" nach Könitz. Seitdem wurde er in dieser Sache oft ge-nannt, zuletzt noch im Prozeß gegen Moritz Levy. Gestern morgenwurde er auf Ersuchen der Konitzer Staatsanwaltschaft wegen An-stiftung und Verleitung zum Meineid hier verhaftet undvon der Kriminalpolizei in das Untersuchungsgefängnis nach Moabitgebracht.Das Centralkomitce vom Rothen Kreuz teilt uns mit: Diein letzterer Zeit wiederholt vorgekommenen Eisenbahn-Kata-st r o p h e n haben innerhalb der Vereine vom Roten Kreuz in Ge-inäßheit ihres generellen Zusammenwirkens mit den Berufsgenossen-schaften, bezw. den Aufsichtsbehörden der Staatsbahnen zu Er-wägnngen geführt, inwieweit die über ganz Deutschland verbreitetenVereine. Sanitätskolonnen usw. in solchen Fällen hilfreich eintretenkönnen. Die Berliner Vereine vom Roten Kreuz, insbesondere auchdie Berliner Unfallstationen, haben in diesem Sinne bereits mit derköniglichen Eisenbahndirektion Berlin sich dahin verständigt, daß beietwaigen Massenunfälle» Ambulanzen nach Vorotten und auch nachweiter entfernten Plätzen entsendet werden.Ueber bevorstehende Aeuderungen im Polizeipräsidiumweiß ein hiesiges Lokalblatt zu melden: Der Chef des Polizeipräsi-diums, Polizeipräsident v. Wmdheim. wird zum 1. April d. I. einenbesonderen Vertreter und Repräsentanten in der Person des Ober-und Geheimen Regierungsrats Friedheim erhalten. GeheimratFriedheim war bisher' Dingent der ersten Abteilung desPolizeipräsidiums— Allgemein und landespolizeiliche Verwaltimg— und hatte in dieser seiner Stellung zugleich denPosten eines Stellvertreters des Polizeipräsidenten inne. DerStellvettretungsposten wird vom 1. April d. I. von der l. Abteilungabgezweigt und von Herrn Friedheim besonders gefühtt werden.Die Stelle eines Dingenten der I. Abteilung wird zur selben ZeitRegierungSrat Dumrat, der bisherige Leiter der Censnrabteilungfür Theaterangelegenheiten, erhalten. Die Ernennung des HerrnDumrat zum Oberregierungsrat steht bevor. Ueber seine Nachfolger-schaft in der Leitung der Censurabteilung ist nähere» noch nicht be-