schristen nicht eingehalten. Wie die Arbeiter von An-fang an vermuteten, genügen die Vorschriften überdie Einrichtung und den Betrieb von Roßhaarspinnereien zc.nicht, scheint es doch nun ziemlich sicher erwiesen zusein, daß die inländischen Borsten, die bekanntlichvom Desinfektionszwang besreit sind, Träger der Milz-brandsporen waren und den Tod eines Arbeiters der-ursachten. Der Durchführung dieser Verordnung haben dieAufsichtsbeamten noch immer viel Aufmerksamkeit zu schenken.Während des ersten Teils des Jahrs war die Lage derArbeiter in fast allen Industrien im wesentlichen die gleichewie im Jahre 1899. aber gegen Ende des Jahrs machtensich allerwärts und in allen Berufen die Krisenanzeichenbemerkbar, die Inspektoren berichten mehrfach von Verkürzungder Arbeitszeit infolge schlechten Geschäftsgangs.Eine sehr wertvolle Beigabe erhält der Bericht in einem78 Seiten starken Anhange:„Erhebungen der königlichbayrischen Fabrik- und Gewerbe- Inspektoren über dasMaurergewerbe", die sich würdig an ihre Vorgänger, dieErhebungen über die Buchdrucker, Schlosser, Tischler, Schneiderund Schmiede anschließen.Wie verschieden die Löhne in diesem allgemein verbreitetenBerufe sind, zeigen die folgenden Zahlen. Der Stundenlohnbeträgt:in d. Städten auf d. Landefür Maurer..... 22—55 Pf. 18— 41 Pf.„ Stein- u. Mörtelträger 15—50„ 10—29„, Taglöhner.... 16—35„ 15—30„„ Arbeiterinnen.,. 12—25„ 10—23„Die Arbeitszeit ist fast allgemein zehn Stunden proTag. Es ist uns nur möglich, auf diese Arbeit hin-zuweisen, ein Eingehen auf die Resultate der Erhebungwürde zu viel Raum beanspruchen. Bedauernd habenwir nur hervorzuheben, daß die eifrigen Bemühungender Arbeiter zur Herbeiführung eines genügenden Bau-arbeiter- Schutzes in dieser Arbeit die verdiente Würdi-gung nicht gesunden haben. An die Besprechung desGesammtberichts wäre der Wunsch nach einer Verbesserungdes Registers zu knüpfen, aber im allgemeinen wird manaus dem Berichte ersehen, daß die bayerische Fabrikinspektionmit Eifer und Ernst versehen wird; bloß die Sparsamkeit derRegierung hindert die Entwicklung, die erforderlich ist, damitdiese Einrichtung allen Anforderungen genüge.Nolikische Mebevfiifzk.Berlin, den 9. März.Das Abgeordnetenhaushat am Sonnabend die Beratung des KultuSetatsfortgesetzt und zunächst den Antrag der Budgetkommission an-genommen, welcher die Lage der Oberlehrer insofern bessert,alS sie das Höchstgehalt bereits nach 21 Jahren erreichensollen. Der Antrag G ö b e l(C.) betreffend Anrechnung derüber 4 Jahre hinausgehenden Hilfslehrerzeit auf das Dienst-alter der Oberlehrer mit rückwirkender Kraft bis zumJahre 1892 ging an die Budgetkommissson. In der vorauf-gegangenen Debatte sah sich Abg. Schmitz iE.) veranlaßt.in demselben Tone wie in der letzten Sitzung der Ministerv. Miguel, die Agitation der Oberlehrer'aufs schärfstezurückzuweisen. Auch Herr v. Miguel zog nochmals gegendie Lehrer zu Felde; er warnte den Lehrerstand davor, zuviel auf Aeußerlichkeiten zu geben, da das Jagen nach äußer-lichen Auszeichnungen das Ansehen der Lehrer nur gefährdenkönne. Herr v. Miguel spricht aus Erfahrung, er weiß, wiesehr das Jagen eines gewissen ehenialigen Republikaners.dessen Brust jetzt der schwarze Adlerorden schmückt, dem An-sehen dieses Manns in der Oeffentlichkeit geschadet hat.Bevor der Kultusetat weiter beraten wurde, beschäftigtesich das Haus mit dem Antrag Im Walle(C.). den Ministeraufzufordern, Verträge zwischen Schulsocietäten und politischenGemeinden wegen Uebernahme der Volksschule seitens derGemeinde nicht um dessentwillen zu beanstanden, weil sie eineVereinbarung wegen Erhaltung des konfessionellen Charaktersder Schule enthalten. Der Antrag, der aus Anlaß eines be-stimmten Einzelfalls gestellt war, hatte lediglich den Zweck.den Kultusminister Studt zu der Erklärung zu bewegen, daßer die Konsessionalität der Volksschule auf-recht erhalten will. Nachdem dieser Zweck erfüllt war,zog ihn der Antragsteller zurück; ein Beweis dafür, daß dasCentrum mit Herrn Studt zufrieden ist und von ihm eineneue Aera der Volksverdummung erwartet.In vorgerückter Stunde kam endlich das wichtigste Kapiteldes Kultnsetats, das Kapitel„Elementarunterrichts-Wesen" an die Reihe. Mit beredten Worten unterzog Abg.K o p s ch(frs. Vp.) unser heutiges Volksschulwesen einer herbenKritik; er tadelte insbesondere die geistliche Schulaufsicht undforderte eine Revision des Lehrerbesoldungs-Gesetzes. damitdas preußische Volksschulwesen endlich vorbildlich für andreLänder werde. Den gegenteiligen Standpunkt vertrat Abg.Dr. D i e t t r i ch(C.), der eine auf christlicher Grundlage auf-gebaute Schule als sein Ideal bezeichnete. Nach einer kurzenErwiderung des Kultusministers, der die Fürsorgedes Staats für die Volksschule pries, wurde die Sitzung ab-gebrochen. Die weitere Beratung des Volksschulwesens er-folgte in einer Abendsitzung unter äußerst schwacher Besetzungdes Hauses. Die preußischen Landtags- Abgeordnetenwerden sich doch um einer so wichtigen Sache willen, wie esdas Volksschulwesen ist, ihre Abendmuße nicht nehmenlassen.—Die russische Antwort.Die ReichStagSrede des Grafen Bülow ivird von der russischenPresse lebhaft kommentiert...Nowoje Wremja" sowohl als„Nowosti"heben den Passus der Rede hervor, in dem es heißt, daß Deutschlandsich hüten müsse, zu einem andren Staat in ein vasallisches Verhält-ins zu geraten. Die Rede verrate, so meinen die genannten halb-offiziösen Blätter, eine egoistische Anschauungsweise des Reichskanzlersin Bezug auf die internationale Politik. Durch eine derartigeegoistische Politik müsse Deutschland. schließlich völlig isoliert da-stehen. Die„Nowoje Wremja" meint, die Rede klinge stolz, sei aberin diplomatischer Beziehung unklug. Die„Nowosti" behandelnnoch besonders ausführlich den Passus über die Getreidezölle. GrosBiilow Iverde sich entschieden irren, wenn er bei seinen agrar-politischen Anschauungen mit Rußland eine Möglichkeit derV e r st ä ii d i g u n g a n u i m m t. Die andren großen Tagesblätteräußern sich in ähnlichem Sinne.-Demonstrationen gegen den Kornwncher.Weitere Protestversammlungen werden hegte gemeldet ausKönigsberg, Lauen bürg a. d. Elbe, Eberswalde,Potsdam.In Kiel und Umgegend fanden am Mittwochabend sechs Protest-Versammlungen statt. Die Versammlung im»Englischen Garten",wo Legi e n- Hamburg referierte, war von reichlich 2500 Per-sonen, worunter viele Frauen, besucht. Im„Elhsium" hatten sich1200 Personen eingefunden; hier sprach Adler- Kiel. G e r i s ch-Berlin referierte in Gaarden, wo sich S00 Personen versammelthatten. In Ellerbek sprach Schauenburg- Hamburg vor 350 Per-sonen, in Dietrichsdorf Brecour- Kiel vor 400 Personen und inWinterbek R o s b i tz k h- Wandsbek. Alle Versammlungen bekundetenden schärfsten Protest gegen den Brotwucher.AuS Oldenburg wird uns geschrieben: Der Gemeinderat zuOhmstede, eine Nachbargemeinde der Stadt Oldenburg, protestierteinstimmig gegen die Erhöhung der Zölle auf Getreide. Dieser Be-schluß ist um so beachtenswerter, als wir es hier mit einem Gemeinde-Parlament zu thun haben, das in seiner Mehrheit auS Bauern,darunter mehrere Großbauern, zum andren Teil auS Handwerken:und Arbeitern besteht.Stuttgart, 8. März. Die Protestbewegung gegen die agrarischeZoll- und Brotverteucrungs-Politik nimmt in Württemberg einengroßen Umfang an. Auf' die beiden am vorigen Donnerstag inStuttgart abgehaltenen Protestversammlungen folgten solche inCannstatt, Göppingen. Ober-Eßlingen. Tuttlingen. Feuerbach.Trossingen und Deißlingen. Weiter sind solche anberaumt in Heil-bronn, Möhringen und Zussenhausen; viele Anforderungen mußtenwegen Maugel an geeigneten rednerischen Kräften verschoben werden.' Die Interpellation des Genossen Dietrich im StuttgarterGemeinderat wird in nächster Sitzung zur Verhandlung konimen.Die Centrumsmehrheit des Gmünd er Gemeinderats lehntees ab, die Getreidezoll-Jnterpellation unsreS Genossen KlauS zuberaten, trotzdem eine Riesenversammlung in Gmünd, die von derHandelskammer einberufen war, sich entschieden gegen jede Zoll-erhöhung ausgesprochen, hatte.—Der Wurf deS Epileptiker», der d e n K a i s e r traf, wirdauch weiterhin fast in der gesamten Presse in nüchterner Ruhe er-örtcrt. Nur wenige Blätter können nicht verbergen, daß die Harm-losigkeit der Angelegenheit ihnen überaus mißfällt. Die„H a m-burger Nach richte n". das Blatt der Bismarck-Traditionen, be-zweifeln die Glaubwürdigkeit der offiziellen Mitteilungen, die vonBremen aus über den Thäter verbreitet werden, und lassen ihre»Unmut erkennen, daß es sich nur um einen Geistesgestörten, nichtaber um einen wirklichen Verbrecher, oder, was noch erfreulicherwäre, um ein regelreckites Komplott gegen das Leben deS Kaisershandelt. Auch die„S ch l e s i s ch e Zeitung" versucht den Vorfallgegen die„Partei des socialen Umsturzes" auszunützen, sie sagtunter anderm:„Denn die Untergrabung der Unterthanentreue, die Zerrüttungaller Liebe zum Monarchen, die Verleitung des Volks zur Auf-lehnung gegen Siecht und Ordnung, die Verhetzung der blindenMassen gegen den Kaiser— das ist das Tagewerk, das die social-demokraiischen Führer jahraus jahrein betreiben. Das ist dasGeisteselement, aus welchem Wahnwitzige und Verzweifelte denEntschluß zu hochverräterischen Thaten schöpfen.".In Wahrheit haben die socialdemotrotischen Führer grund-sätzlich dagegen gewirkt, daß irgend eine einzelne Persönlichkeit fürdie socialen und politischen Notstände verantwortlich zu machen sei.Die socialdemokratischcn Führer haben niemals in solcher Art diePerson des Kaisers bekämpft wie eS die konservative»S ch I e s.Ztg." beispielsweise im Kampf gegen eine LiebltngSvorlage desKaisers als eine Führerin der Kanalrebellen that.Die„Deutsche Tageszeitung' fälscht daS Vorkommnisweiter in ein„Attentat". Sie ist schwer entrüstet, daß nicht nur der„Vorwärts", sondern höchst staatserhaltende Organe wie der„Ham-burger Korrespondent" die Meinung aussprechen, sie selbstund die konscrvativ-agrarisch-aiitiscmitischen Hetzer gegen die England-Neigungen des Kaisers seien die zunächst Betroffenen.wenn eine politische Richtung verantwortlich gemacht werden solle.Gewiß nicht niit Unrecht sagt der„Hamb. Korrefp.":„Wir würden einen Gedanken unterdrücken, der sich unwill-kürlich jeden: aufdrängt, wcun wir eS unterließen, offen und mitaller Entschiedcizjheit auszusprechen, daß die leidenschaftliche persön-liche Polemik gegen den Kaiser, wie sie in den letzten Monatenvon unfrei: Boerenmännern und Englandhetzcrn beliebt worden ist,gelegentlich einmal eins ihrer rastlos ausgestreuten imheilvollenSaatkörner in ein Gemüt werfen konnte, wie das des elendenBremer Burschen, dessen Namen niederzuschreiben unsre Feder sichsträubt."Der Epileptiker Weiland wird nach Abschluß der gerichtlichenUntcrsilchnng ans mehrere Wochen in einer Irrenanstalt interniertwerden, lim seinen geistigen Zustand ärztlicherseits zu beobachten unddefinitiv festzustellen,—Weitere Steigerung der Kohlenpreise. Aus Zwickauwird der„Volks-Zeilmig" berichtet:Wie der„Vogtl. Anzeiger" meldet, werden die sächsischen Kohlen-preise am 1. April abermals erhöht werden. Die Preis-erhöhung beträgt acht Mark pro Doppelwaggon. EineLohnerhöhung findet auch diesmal nicht statt.—Landrätliche Socialpolttik. Bor der Verabreichungvon Gaben an umherstreifende Bettler erläßt der Landrat desKreises Jerichow II in Genthin folgende Warnung: ZurVerhütung des nutzlosen Vagabondiereus unbeschäftigter Personen istes durchaus notwendig, daß die Bevöllervng des Kreises Selbstzuchtübt und niemandcm eine Gabe verabfolgt. Durch die beiden V e r-p f l c g u n g s st a t i o n c n, die in Genthin und Schönhausen aufKosten des Kreises unterhalten werden, ist ausreichend für die durch-reisenden arbeitsiicheiiden Personen gesorgt. Jede weitere Gabe andieselben fördert das Landstreichertiim, belästigt und besteuert unnötigdie Einwohner. Denn jeder Ort, in welchen: trotzdem Gabenverabreicht werden, wird sofort eine um so größereAnziehungskraft auf die Landstreicher ausüben. Auch ist esallgemeii: bekannt, daß die milden Gaben leider sofort in Schnapsumgesetzt werden, die falsch geübte Mildlbätigkeit fördert also nurdie Liederlichkeit und den Hang zum Herumtreiben.Der Herr Landrat spricht' in seiner Bekanntmachung nur vonLandstreichern und Vagabonden, welche die„milden Gaben sofort inSckrnaps" umsetzen. Der Herr vergißt, daß die absteigende Kon-junktur große Maffcn durchaus solider Arbeiter brotlos macht undauf die Landstraße treibt. Und diese Elemente pflegen auS gutenGründen die polizeilich verwalteten Verpfleg» II gs st atione IIgern zu meiden.—AuS Ostpreußen. Die ostprenßische Landwirtschafts-kammer hat sich zu einer That aufgeschwungen, die von einigenRednern als ein Mittel zur Hebung der Arbeiter-Verhältnisse in der Provinz bezeichnet wurde. Die Kammer be-willigte 3200 M. für Diplome, Medaillen, Broschen undK r e'u z e, mit denen Arbeiter und Dienstboten prämiiert werden sollen,die lange an einer Stelle in Arbeit gestanden haben. Bei einer 20jShrigettDienstzeit will man ein Diplom, bei 25 jähriger Dienstzeit einebronzene Medaille an männliche und? eine Brosche an weiblicheArbeiter überreichen und bei 30jähriger Arbeitsdauer soll für Männerdie Verleihung des Allgenieinen Ehrenzeichens, bei Frauen dieUebcrreichung eines silbernen Kreuzes beantragt werden.Ein oder zwei Kainmenuitglieder gaben der ganz aufrichtigenAnsicht Ausdruck, daß auf solche Art die Arbeiterfrage nicht gelöstwerden könne. Die Mehrheit überzeugten sie natürlich nicht. DieHerren werden freilich bald durch die Thatsachen belehrt werden,daß auf so billige Art der Abwanderung der Landarbeiter nichtEinhalt gethan werden kamt. Die Aussicht auf ein Diplom oderein Stückchen Metall hält die jüngeren Landardeiter nicht davon ab,nach besieren Lebens- und Arbeitsbedingungen zu streben.—Zur ReichStagSwahl in Posen. Aus Posen wird uns geschrieben: Am Montag, den 11. dieses Monat« findet dieErsatzwahl für den verstorbenen Reichstags-Abgeordneten M o t t ystatt. ES ist von vornherein sicher anzunehmen, daß derpolnische Kandidat Rechtsanlvalt v. C h r z a r n o>v s k i mitgroßer Majorität gewählt wird, zumal beide polnische Parteien, dieHof- und die Volkspartei, diesmal einen gemeinsamen Kandidatenaufgestellt haben, wohlweislich einen VollSparteiler, da die Hofportei,die Partei des AdelS und der Geistlichkeit, immer mehr an Einflußverliert. Kam doch Motty, ein Hofparteiler, in der letzten Wahl nurmit geringer Majorität gegen den Kandidaten der Volkspartei durch.Natürlich spielen die Gedreidezölle eine große Rolle bei derWahl, obgleich sowohl von dem polnischen Kandidaten wie auch vondem der deutschen Parteien, Oberbürgermeister Witting, alles gethanwird, um die Wähler über die Bedeutung dieser Frage hinweg zutäuschen. Die Erörterung der Kornzollfrage in Beziehung zu derReichstagSwahl wird sowohl in der polnischen wie auch m derdeutschen Preffe vermieden, und die Socialdemokratie allein ist es,die die Wahl zu einer Protestwahl gegen den be-absichtigten Brotwucher machen will. Daß diese Auf-klärung den energischten Widerstand der Behörden veranlaßt, wirdden nicht wundem, der die fortwährenden Chikaniemngen derPosener Genossen durch die Behörden kennen gelernt hat. DieWegnahme von Flugblättern spielt die größte Rolle. So wurdenin dem Städtchen Stenschewo von einem Gendarmen dieFlugblätter weggenommen. Der Bürgermeister, von dem dieHerausgabe verlangt wurde, wußte nicht das geringste von den:Verbleib der Blätter. Ein an einen Genossen von Posenaus durch die Post gesandtes Paket mit Flugblättem, dasmittags ankam, wurde bereits am Nachmittag aus Veranlassung desBürgermeisters konfisziert. Man gab vor. eine Haussuchimg nach„anarchistischen" Schriften anstellen zu müssen. In Schwcrsenzwurden den Genossen die Flugschriften, die sie verbreiteten, auf Ver-anlaffung des Bürgermeisters weggenommen. Diese wenigen Bei-spiele beweisen, unter welch schwierigen Verhältnissen hier zu arbeitenist. Trotzdem hoffen wir auf einen Fortschritt auch hier im dunkelstenOrte, wo Pfaffentum und Junkerlliquen in ihrer Verdummungs-arbeit äußerst eifrig sind.—Koburg, 8. März. sEig. Ber.) Der Koburger Special-Landtag ist zum 18. März einbcnifen worden. Die Beratungenwerden diesmal mit erhöhtem Interesse erwartet, da nunmehr auchdem Koburger Landtag ein Socialdemokrat angehört. Bevor derLandtag seine Arbeiten erledigen kann, tritt voraussichtlich der ge-meiiisch'aftlichc Landtag für die Herzogtümer Koburg und Gotha,welcher in diesem Jahre in Koburg tagt, zusammen.—Au» dem hessischen Landtage. Die s o c i a l d e m o k r a t i«sch e Fraltion der Kammer beantragte, in allen hessiscben Gewerbe-Fiispcktions-Bezirkcn je einen Hilfsarbeiter und eine Hilfsarbeiterinaus dem Arbeiterstaude beizugeben. Die Centrumsfraktion der Kammerstellte einen ähnlichen, aber wenig präcisen Antrag, der will, dieRegierung möge die Anstellung von nicht akademisch-technisch gebildeten,ivomöglich dem Arbeiterstande entnommenen Hilfslrästen der Gewerbe-inspeklioii ins Auge fassen.Zwölf ländliche Abgeordnete der zweiten Kammer haben dendringlichen Antrag eingebracht, die Regierung zu ersuchen, im Bundesratfür Aufhebung der gemischten Transttläger und derZollkredite einzutreten.Arbeitslosigkeit.EI wird un» geschrieben:Der Magistrat von Hannover unternimmt schon Rotstand»«betten—- die Hannoversche Jndustrievorstadt Linden gehört zu denjenigenStädten, welch- in den letzten fünf Jahren den größten«evölkerung«-zuwachS gehabt haben; der Rückschlag ist also hier naturgemäß amsühlbaisten—; in Leipzig ist eine ArbeitSlofen> Versammlung auf-gelöst; die schlimmsten, furchtbarsten Arbeiterentlaffungen werdenerst noch kommen, wenn der große Znsammenbruch in der Eisen-industrie kommt, den die„Kölnische Zeitung" dieser Tage als un-vermeidlich bezeickmete; haben doch einige Werke Kredite inAnspruch genommen, die an Höhe ihr Aktienkapital über-steigen. Der Tiefstand der Krise ist bei weitem nochnicht erreicht. Es ist wahr, daß die„schlechte Zeit" durch dieSyndikate ivenigstenS reguliert, wenigstens gemildert werdenkönnte, wenn diese Syndikate anstatt den Profit des Augenblicks ihreeigenen und der Gesamtheit dauernde Jntereffen ins Augefaßten und vor allem dahin wirkten, jene gewaltsamen, über daStl ii v e r m e i d l i ch e weit hinausgehenden Stockungen zu ver«meiden, die zugleich aus dem allgemeinen Mißtrauen hervor-gehen und die? Mißtrauen hervorrufen. Aber gerade aufdies allgemeine Lauvs qui peut, auf den verheerendenZusammenbruch aller Unternehmungslust arbeiten jetzt dieSyndikate los, weil sie nach dem Grundsatz handeln: Mitnehmenwas zu kriegen ist und in Sicherheit bringen was zu retten ist.Umsonst reden so große Firmen wie die der bekannten Schruwen-Willm in Hagen sFunke) zur Vernunft. ES fehlt jede andre Direktiveals die des kurzsichtigsten Eigennutzes. Der Kapitalismuserweist sich eben wieder einmal als unfähig zur Ordnung der Kräfte,die er gerufen hat; der sich einen Hexenmeister dünkte ist nur einStümper und Lehrling.Große moralische und materielle Anforderungen stellt diese Lagean die Gewerkschaften. Auch in ihnen muß fich jetzt dasgemeinsame B e ru f s i n t e resse der Arbeiter mit dem Interesseder Einzelucn auseinandersetzen. Wir führen nur die Bildhauer-Gewerkschaft als Beispiel an. Seit einem Halbjahr macht sichin der Berliner Organisation der Gewerkschaft eine steigende Arbeits-losigkeit bemerkbar; die osfiziellen Zahlen sind schon erheblich genug,aber sie geben noch nicht ein vollständiges Bild, weil die krankenVkitglieder, deren Zahl auch höher ist als sonst, auch zum größtenTeil arbeitslos sind und nach der Karenzzeit die Gewerkschaft inAnspruch nehmen werden. Die offiziellen Arbeitslosen- Zahlen derGewerkschaft ergeben aber, daß allein in Berlin gemeldet waren:November 1899... 240 Arbeitslose,Dezember 1899... 265„Januar 1900.... 298,November 1900... 380,Dezember 1900... 432»Januar 1901.... 524»Die Gewerkschaftsgruppe hatte Ende des dritten Quartals 19001246 Mitglieder. Die Berliner Verwaltungsstelle, die 1893 mir556 M., 1899 schon 1713,20 M. an Extra-Unterstützungen ausgegebenhat. mußte diese Ausgabe in 1900 auf 5346,15 M. steigern. Natürlichreichen für diese Steigerung die ordentlichen Einnahmen nicht aus,und es ist deshalb ein Extrabeitrag beschloffen worden. Wie manleicht einsteht, kommen da die Interessen der Arbeitslosen mit denender Organisation in«inen Konflikt, der hohe Anforderungenan den Gemeinsinn auf beiden Seiten stellt, umdie Leistimgsfähigkeit der Organisation mit den Ansprüchen in Ein-klang zu halten.Wir sehen da im kleinen ein Bild der organisatorischen Be-wegung. die mit kleinen aber vereinten Kräften und Mitteln denFolgen überhitzter kapitalistischer UnternchmungSlust zu steuern sichmüht, während die kapitalistischen Organisationen fortfahren, denSonderproflt allen Warnungen und drohenden Folgen zum Trotzbis zum letzten Augenblick allein zu verfolgen.Kann jemand im Zweifel darüber sein, auf welcher Seite dieKeinie des Fortschritt» über die unvollkommene„Ordnung"von heute hinaus vorhanden find und gepflegt und erzogenwerden?—