nicht ernst genug betrachtet werden. Ich wünschte, der Reich?- kanzler teilte uns ausführlich mit, was in diesem Abkommen steht. So viel über dieses russische Abkommen verlautet, handelt es sich um Vorteile durchaus nicht vorübergehender Natur für Rußland . Rußland hat sein Ziel erreicht, es ist in den Sattel gekommen, indem wir Deutsche ihm den Steigbügel gehalten haben.(Sehr richtig! links.) Es war ein großer Fehler, als im Jahre 189S Deutschland den ostasiatischen Dreibund schloß und Japan verhinderte, sich in Nordchina festzusetzen. Durch den Mandschurei - Vertrag ist die offene Thür dort ganz und gar zugeschlagen ivorden.(Sehr richtig I links.) Es ist bedauerlich, daß Frankreich sich der diploniatischen Note über dieses Abkommen nicht angeschlossen hat. belle France folgt ohne Erröten den Spuren des russischen Zaren. Schon weist Japan darauf hin, daß es sich gleichwertige Vorteile sichern würde, wenn Rußland auf den seinen bestünde. Das war das Signal zur Aufteilung Chinas . Deutschland sähe sich dann auch veranlaßt, dem Bei- spiele Nußlands zu folgen und in Schantung 'und Schaust Gebiets- teile zu occupieren. Eine solche Aufteilung würde für unsre militärischen, finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse außer« ordentlich belastend sein. Hierüber verlangen wir Klarstellung, da- mit jede Beftirchtung beseitigt wird, als sei unsre Politik in China in eine Sackgasse geraten. sBravo! links.) Aus alledem folgt, daß wir besondere Veranlassung haben, die Friedensverhandlungen zu beschleunigen. Das können wir er- zielen, indem wir auf Vereinfachung dringen. Unser Interesse an der Bestrafung der Mandarinen und Prinzen ist sehr gering. Tausende von Chinesen sind umgekommen, viele Dörfer sind zer- stört, ganze Landschaften verwüstet. Wenn das alles auf China keinen Eindruck macht, dann wird auch ein halbes Dutzend abgeschlagener Großmandarinen- und Prinzenköpfe nichts helfen.(Sehr gut I links.) Ob ein Prinz nach Berlin kommt, ob das Sühnedenkmal errichtet wird, ob das Hofceremoniell geändert und die Prüfungen unterbleiben, das sind aveS Dinge, die nicht eine Woche längeren Aufenthalt unsrer Truppen in China lohnen.(Sehr richtig! links.) Die Schleifung der Wälle Pekings und die Beseitigung der Waffeneinfuhr kann von den Mächten jetzt schon ausgeführt werden. Die Hauptsache ist, daß wir unser Geld zurück- bekommen.(Heiterkeit und Zustimmung links.) Wir wollen unsre Legionen und unsre Millionen zurück haben. Ich bitte um nähere Auskunft, wie man sich die Leistung der Kriegsentschädigung von China denkt. Daß eine Anleihe aufgenommen wird, halte ich für verkehrt. China hat keinen Kredit mehr, und die andren Staaten mußten ihren Kredit anspannen, um sich bezahlt zu machen. Jede Woche kostet uns 2'/, Millionen. Mit aller Mühe hat die Budgetkommission glücklich 20 Millionen gespart, das ist noch nickt der zehnte Teil von dem. was uns China kostet. Diese A7« Millionen sind mehr, als der deutsche Handel in den letzten llS Jahre» in China verdient hat.(Sehr richtig I links.) So ist es immer: was die Herrscher einbrocken, müssen die Völker auslöffeln. Das einzig Tröstliche ist, daß dem Volke allgemach die Augen aufgehen, wie weit wir mit unsrem Platz an der Sonne und mit unsrer vielgerühmten Welt- Politik kommen. Diese Politik der Epigonen Bismarcks geht ja darauf hin, daß nirgend in der Welt mehr wichtige Entscheidungen fallen sollen ohne die Zustimmung des deutschen Kaisers. In- dem man dem Phantom einer solchen Weltpolitik nachjagt, legt man dem Volke große Opfer auf ohne entsprechende Vorteile.' Diese Opfer könnten ganz anders verwandt werden im Lande zur Hebung des Volks.(Bravo I links.) Abg. Graf Stolberg(k.): Ich freue mich immer, wenn Herr Richter die Politik des Fürsten Bismarck lobt.(Abg. Richter: die auswärtige I) Früher hat er das nicht gethan. Gefreut haben mich die Aufklärungen des Reichskanzlers über das deutsche Aantse-Abkommen. Wir begrüßen mit Freuden, daß das Abkommen keine geheime Klausel enthält und sich nicht auf die Mandschurei bezieht. Die russischen und die deutschen Interessen laufen nicht nur in China , sondern auch in Europa , wenn sie nur richtig verstanden werden, durchaus Hand in Hand. (Abg. Dr. Oertel: Sehr richtig I) Die geforderten Gelder werden wir bewilligen müssen, so daß eine Kommissionsberatung überflüssig ist. Für den Verzicht auf diese Kommissionsberatung spricht auch die Geschäftslage des Hauses. Gelingt es nicht, den Ergänzungs-Etat jetzt gleich vor Ostern zu erledigen, dann wird aus dem Ergänzungs-Etat ein Nachtragsetat. Sollte das Haus aber doch auf Kommissions- beratung bestehen, so bitten wir um möglichste Beschleunigung. (Bravo ! rechts.) Abg. Bebel(Soc.): Alles ist ungewöhnlich im Gange dieser chinesischen Expedition. Fortgesetzt wird behauptet, wir befänden uns mit China in keinem Krieg. In der Anmerkung zu diesem Etat aber wird gesagt, daß Friedensverhandlungen eingeleitet seien, daß die chinesische Re- gierung die Friedensbedingunge» der verschiedenen Regierungen acceptiert habe. Nun, wenn Friedensverhandlungen eingeleitet sind. dann sollte doch das erste sein, daß man übereinkommt, die Feindseligkeiten einzustellen. Nun haben wir es freilich in China mit zweierlei Kämpfen zu thun, einmal mit dem Kampf gegen die Boxers, irreguläre Volköhaufen, die. wie man sagt, das revolutionäre Element repräsentieren, die mit der chinesischen Re- gierung und den Fremden nicht zufrieden sind und sich zunächst gegen diese letzteren empört haben. Auf der andren Seite ist es eine unbestreitbare Thatsache, daß wir uns fortgesetzt im Kampfe mit-regulärcn chinesischen Truppen befinden. Das geht auch aus dem letzten Telegramm Waldersees über das Gefecht am Antsuling- Paß hervor. Wie erklärt sich das? Es wäre doch natürlich gewesen, daß in dem Augenblick, wo die chinesische Regierung sich bereit er- klärt hat zu Friedensverhandlungen, die Feindseligkeiten auf beiden Seiten eingestellt worden wären. Tag für Tag aber lesen wir von neuen Scharmützeln mit einem Ausgange, der zeigt, wie wenig ernst der ganze Kampf in China ist. Wenn in dem Telegramm mitgeteilt ist, daß ein einziger leicht verwundeter Mann auf deutscher Seite war, während die Chinesen mindestens 250 Tote und 4 Schnellfeuergeschütze zurück- gelassen haben, so zeigt das, daß der Kampf nicht ernst zu nehmen ist und daß die europäischen Truppen in der bisherigen Zahl dort nicht niehr nötig sind. Eine ungleich geringere Zahl würde genügen, die Chinesen im Zaum zu halten. Ich stimme mit dem Abg. Richter vollkommen darin überein, daß insbesondere die Zahl der Truppen. die Deutschland dort stehen hat, in ärgstem Mißverhältnis steht zu den Interessen, die es in China zu vertreten hat. Wir hatten keinen Grund, uns in dieser Weise zu engagieren, wie das geschehen ist, auch nicht durch die Ermordung des deutschen Gesandten. Die Interessen, die wir in China zu vertreten haben, stehen weit hinter denen andrer Staaten zurück, besonders der Engländer. Wir dienen mit einer solchen Truppenzahl in hohem Grade den englischen Interessen. Wir geben England die Möglichkeit. seine eignen Streitkräfte zu schonen und gegen die Boeren zu verwenden, während es wegen der von ihm in China vertretenen Interessen seine Truppen in China selbst stehen haben müßte.(Lebhafte Zustimm. links.) Es ist also deutsches Geld, es sind deutsche Soldaten, die für englische Interessen in China ins Feld geführt werden. So wenig wie ich mit Herrn Richter geneigt bin, irgend ein Unter- nehmen gegen England zu unterstützen, und so sehr ich überzeugt bin, daß fast in allen Fällen die englischen und die deutschen Jntcr- essen sich decken, so gehen doch unsre Rücksichten gegen England nicht so weit, daß wir mit unsrem eignen Gelde und unsren Mannschaften die englischen Interessen in China vertreten sollten. Dagegen müssen wir uns auf das entschiedenste verwahren. Die Vorgänge haben gezeigt, daß China vollständig außer stände ist, irgend wie ernstlichen Widerstand zu leisten, und wenn dennoch eine so große Truppenmacht in China nach wie vor gehalten wird, dann habe ich den Eindruck, daß das weit weniger Chinas wegen geschieht, als weil die rivalisierenden Atächte dort sich gegenseitig vor einander fürchten, weil sie befürchten, daß aus diesen Auseinandersetzungen mit China früher oder später noch ernste Verwicklungen kommen könnten. Was dort im Osten begonnen worden ist, wird, so fürchte ich, eines Tags im Westen ausgesochtcn werden.(Sehr wahr! links.) So glatt werden die Dinge nicht sich abspielen, wie das nach den Ausführungen des Reichskanzlers der Fall zu sein schien. Ein paar Worte zu dem Verhältnis Deutschlands zu Rußland wegen der Mandschurei . Gewiß, Deutschland hat kein direktes Interesse an der Mandschurei , aber es steht auch fest, daß in dem- selben Maße, in dem die russische Macht im fernsten Osten wächst, auch die deutschen Interessen immer mehr gefährdet werden. Mit der Eroberung der Mandschurei habe Rußland die Möglichkeit, einen entscheidenden Druck auf Korea auszuüben, es hat die Macht, den Golf von Peffchili zu beherrschen, dre chinesische Regierung auf das stärkste zu beeinflussen, kurz es hat mit der Mandschurei eine Position gewonnen, die im Laufe der Zeit ganz von selbst dazu führt, dast es immer mehr nach Süden und Südosten dringt, und daß eines Tages auch Kiautschou mit seinem Hinterland von Rußland bedroht wird. Das geschieht nicht von heute ans morgen, gewiß nicht, aber der Politiker hat mit der Entwicklung zu rechnen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die durchaus verkehrte Stellung, die Deutschland 1895 im chinesisch- japanischen Kriege eingenommen hat, heut ihreFrüchte trägt.(Sehr richtig: links.) Wenn damals China an Japan die Halbinsel Liaotung hätte abtreten müssen, wenn Japan die Möglichkeit gehabt hätte, m China festen Fuß zu fassen, dann war es diejenige Macht, die im stände war, später gegen russische Uebergriffe mit Energie einzutreten. Aber Japan ist zurückgedrängt worden, und nun ist die notwendige Folge, daß die russische Macht sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, auch im fernsten Osten, verstärkt und eines Tags zum Entscheidungskampf drängen wird. Ich bm überzeugt, daß das zum größten Nachteil für die deutschen Interessen in Ostasien ausfallen lvird. Ich bin der Meinung, daß der erste Akt, den unsre Welt- Politik hier aufführte, zu ihren Ungunsten ausgefallen ist, und daß in einem großen Teil des deutschen Volks kein Gelüst mehr besteht, ähnliche Akte aufführen zu sehen. Wir haben den dringenden Wunsch, so rasch als möglich auS China herauszukommen. (Lebhaftes Bravo! links.) Abg. Bachem(C): Die Aktion gegen China war unvermeidlich; da ist es ganz gleichgültig, ob man von einem Krieg mit China spricht oder nicht. Das deutsche Volk will, daß diese Aktion mit Ehren zu Ende geführt wird. Wir haben in China vor allen Dingen die Ehre des deutschen Namens zu vertreten. Wir sind in China in einer andren Lage, als alle europäischen Völker. Keinem andren Volke ist der Gesandte ermordet worden. Da ist es auch kein Wunder, wenn wir mehr Truppen in China haben als andre Mächte.— Es erscheint mir nicht wohl- gethan, diesen Etat ohne Kommissionsberatung zu erledigen. Es ist feststehende Praxis, jede Finanzvorlage der Budgetkommission zu überweisen, um wie viel mehr diesen Huiidertnnllioneu- Etat. Abg. Bassermann(natl.): Wir sind der Ansicht, daß die Vorlage im Plenum ohne Ver- Weisung an die Budgetkommission erledigt werden kann. Es handelt sich lediglich um Konsequenzen aus der erste» Chinavorlage und um Pauschalsummen. Die Ausführungen des Herrn Reichskanzlers atmeten einen erfreulichen Optimismus. Seine Worte machen den Eindruck, daß die Regierungen einen baldigen Abschluß der Verhandlungen dringend wünschen und darin ist das deutsche Volk mit ihnen einig. Daher sollten wir diese Politik unterstützen und Einzelheiten nicht zu scharf kritisieren, da uns doch die speciellen Kenntnisse abgehen. Ob ein Teil unsrer Truppen in Peking abberufen werden kann, kann allein der Entscheidung des Militärkommandos unterliegen. Gerade die- jenigen, die Deutschland in China nicht isoliert wissen wollen, müßten sich gegen eine Abberufung der Truppen erklären.(Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Die Erklärungen des Herrn Reichskanzlers über unser Verhältnis zu Rußland können wir mit Befriedigung de- grüßen. Im allgemeinen müssen wir zugeben, daß die Re- gierungen in China von vornherein eine durchaus konsequente Politik verfolgt haben. Ich begrüße es. daß heute die Angriffe gegen das Verhalten deutscher Soldaten in China nicht wiederholt worden sind. Bis auf einzelne Fälle find sie ja auch widerlegt worden.(Wider- Ipruch bei den Socialdemokratcn.) Abg. Schräder(frs. Vg.): Auch wir sehe» keinen Grund, die Vorlage an die Kommission zu überweisen, sollte es aber geschehen, so könnte ihre Beratung in der Kommission morgen erledigt werden. Zu einer retrospektiven Erörterung der ganzen China -Angclegcnheit liegt wohl heute kein Anlaß vor. Zu hoffen ist. daß die Verhandlungen mög- lichst bald zum Abschluß kommen. Leider fehlt bei dem europäischen Konzert der Kapellmeister, aber es ist doch zu hoffen, daß die wider- streitenden Interesse» einen Ausgleich finden. Das wird gelingen, wenn sich die deutsche Politik in den Grenzen hält, wie sie Graf Bülow darlegte.(Beifall b. d. frs. Vg.) Reichskanzler Graf Bülow: Ich kann mich auf die Beantwortung iveniger in der Debatte gestreifter Punkte beschränken. Herr Bebel hat die Expeditionen in der Provinz Petschili getadelt. Diese Expeditionen stellen aber das einzige Mittel dar� um die Ruhe und Ordnung in Petschili wiederherzustellen, also das, was wir mit unsrer ganzen Aktion in China bezwecken, zu erreichen. Je prompter die Ruhe wiederhergestellt wird, umsomehr ist Aussicht vorhanden, daß wir Petschili räumen. Die chinesische Regierung war nicht stark genug, um Petschili von den Boxerbanden und den vielfach ihnen affilierten chinesischen Soldaten zu reinigen. Daher fiel den verbündeten Regierungen die schwierige aber nützliche Aufgabe zn, das Land von diesem Gesindel zn räumen. Mit den Expeditionen wurde nicht nur die aufrührerische Bewegung zurückgedrängt, sondern ist auch ein ganz allgemeiner Ausbruch der Frenidenfeindlichkeit in ganz China ver- hindert worden. Weiter hat Herr Bebel gemeint, ivir dienten in China englischen Interessen. Dieser Vorwurf hat mich einigermaßen in Verwunderung gesetzt von Herrn Bebel, der doch.ein Freund der Englandspolitik lst. Das bin ich auch, aber nur im Rahmen unser vollen Selb- tändigkeit, und deshalb betone ich mit großem Nachdruck, daß ich in China unsre deutschen Interessen wahrnehme, und es den Engländern überlasse, dort ihre eignen Interessen zu vertreten. Herr Nichter hat an mich die Frage gerichtet, was in dem sogenannten Mandschurei - Abkommen stünde. Ja. meine Herren. wenn ich das wüßte!(Heiterkeit.) Das weiß ich nicht, das wissen sogar gewisse Regierungen nicht, die an dem Mandschurei - Abkommen direkter interessiert sind als wir. Und es würde nicht diplomatischen Gepflogenheiten und auch nicht den deutschen Interessen entsprechen, wenn ick in dieser Beziehung gegenüber der russischen Regierung zu große Neugierde und zu große Ungeduld durchblicken ließ. Wenn ich aber, ohne irgend welche Pression auszuüben auf ganz nattirlichem Wege etwas über den Inhalt dieses Abkommens erfahre, so werde ich dies mit größtem Vergnügen Herrn Richter mitteilen.(Heiterkeit.) Herr Richter hat sich weiter berufen auf ein Telegramm der Telegraphen-Agentur Lassan . Diese Agentur ist aber eine recht verdächtige, die in der Entenzucht eine wirkliche Virtuosität besitzt.(Heiterkeit. Sehr gut I rechts.) Deshalb glaube ich. daß die Nachrichten, welche diese Agentur verbreitet hat, der reine Schwindel seien, daß nänilich Herr v. Mumm gesagt habe, daß wir jetzt in China eine annektionistische Politik treiben wollen. Ich wiederhole, daß wir uns auf der Basis des deutsch - chinesischen Ver- trags vom ö. Februar 1898 zu halten wünschen. Herr Richter hat nun ferner gefragt, warum unsre Schlachtflotte noch dort sei. Das geschieht einmal wegen deS moralischen Eindrucks auf die Chinesen. Auch diese sind nicht unempfindlich für Imponderabilien, und die Anwesenheit der Flotte macht sie empfänglicher für die Friedensverhandlungen. Weiter be- deutet aber die Flotte für unsre immerhin recht beträchtliche Landmacht in China eine in hohem Grade nützliche Unterstützung und ihre Anwesenheit hat auch dazu beigetragen zu dem ruhigen Verhalten der verschiedenen Vice-Köuige in China . Wohl in Vorahnung der An- frage des Herrn Richter Me ich gerade vor etnsgen Tagen an unsern Gesandten in China die Frage gerichtet, ob wir die Flotte nicht zurückziehen könnten; er hat mir geantwortet, Graf Waldersee sei mit dem vorzeitigen Zurückziehen deS Geschwaders nicht einverstanden, da er daran festhalte, daß es ausgezeichnete Dienste durch seine Anwesenheit geleistet habe und bei weiteren Auseinandersetzungen über die Entschädigung ebenfalls zur Geltung kommen werde. Auch hält er das Verbleiben der Flotte in Ostasien für das fernere Wohlverhalten der Aangtsee- Gouverneure für vorteilhaft. Herr Richter sprach von einem Plötz- lichen Abmarsch der russischen Truppen aus Petschili. Ein solcher hat nicht stattgefunden. Die russische Regierung hat uns in loyalster Weise rechtzeitig darauf aufmerksam gemacht, daß sie einen Teil ihrer Truppen für die Mandschurei gebrauche, und das war im Hinblick auf die Zustände dort in der That sehr notwendig. Sie hat gleichzeitig bemerkt. daß sie nickt daran denke, sich vom europäischen Konzert zu trennen und hohes Gewicht auf ein weiteres freundliches Zusammengehen mit uns legen. Nun hat Herr Richter weiter gemeint, ich hätte mich in zu allgemeinen Redewendungen bewegt. Da möchte ich doch konstatteren, dost in keinem anderen Parlament, weder in Paris , Rom , noch in London irgend ein Minister des Aeußern in Bezug auf die China - frage so detaillierte Mitteilungen gemacht hat, wie ich das heute gethan habe. Allerdings mit immer neuen Enthüllungen kann ich unmöglich jedesmal aufwarten.(Heiterkeit. Sehr gut! recht«.) Ich will mich aber lieber der Kritik aussetzen, daß ich zu ivenig sage, als mit Recht den Vorwurf verdienen, daß ich Dinge gesagt hätte, die die Intel - essen des Landes schädigten. Ich bin schließlich kem arabischer Märchen- erzähler, sondern der verantwortliche Leiter unsrer auswärtigen Politik. Herr Richter meinte, durch unsre China -Expeditionen würde das deutsche Volk immer mehr mit Mißtrauen erfüllt gegen die Welt- Politik. Wir wollen uns doch verständigen darüber, was wir unter Weltpolitik verstehen; ein Begriff muß doch bei dem Worte sein. Wenn Herr Richter unter Weltpolit'ik irgendwelche Tendenzen versteht, uns in Dinge zu mischen, die uns mchts angehen, so bin ich der aller- entschiedenste Gegner einer solchen Weltpolitik. Daß wir aber infolge der Entivicklung unserer Verhältnisse große überseeische Jnter- essen auch in Ostasien und namentlich dort erworben haben, und daß es für uns eine Lebensfrage ist, diese Interessen zu fördern, ist eine historisch gewordene Thatsache, von der wir als vernünftige und verständige Leute nicht abstrahieren können. In diesem Sinne habe ick vor drei Jahren gesagt, daß wir auch einen Platz an der Sonne haben wollten, und in diesem Sinne wiederhole ich heute, daß wir diesen Platz behaupten und uns nicht in den Schatten drängen lassen wollen.(Bravo I rechts.) Damit schließt die Diskussion. Der Antrag Bachem auf Ueberweisung der Vorlage an die B u d g e t'k o m m i s s i o n wird gegen die Stimmen deS CentrumS uiid eines Teils der Rechten abgelehnt. Es folgt die zweite Beratung der verschiedenen EtatSreste. Zunächst stehen vom Reichsamt deS Innern einige Titel der emmaligen Ausgaben zur Beratung. Zur Beteiligung des Reichs an der internationalen Bibliographie' der Naturwissenschaften werden 30 000 M. gefordert. Der Titel wird bewilligt. * Zum Neubau eines DienstgebäudeS für das Patent» a m t werden als erste Rate 600 600 M. gefordert. Die Kommission beantragt diese Position zu streichen. Staatssekretär Graf PosadowSky bittet um Bewilligung dieser Forderung unter Angabe einiger Abänderungen der bisherigen Preisbedingungen. Abg. Singer beantragt hierauf mit Rücksicht auf die in der Kommission anerkannte Notwendigkeit des NeubauS an sich, die Position wiederherzustellen. Abg. Dr. Paasch-(natl.) schließt sich diesem Wunsche an. Das Haus beschließt hierauf entgegen dem Antrage der Kom- Mission Bewilligung der Forderung. Zur Errichtung zweier FlaggenmastenamNiederwald« Denkmal werden 42 000 M. gefordert. Die Kommission beantragt, diesen Titel zn streichen. DaS Haus beschließt ohne Debatte demgemäß. Zur Unterstützung für die Herausgabe von Veröffentlichungen auf dem Gebiete des Erziehungs-Schulwesens werden 80 000 M. gefordert. Die Kommission beantragt in einer Resolution Erhöhung der Summe im nächsten Etat auf 50 000 M. und Einstellung in das Ordiuarium. Der Titel wird bewilligt, die Resolution der Kommission an- genommen. Zur Förderung der Herstellung geeigneter Klein- Wohnungen für Arbeiter und gering besoldete Beamte in den B e t r i e b e n und Verwaltungen des Reichs durch Gewährung von Beihilfen an Private sowie an) gemeinnützige U n t e r n e hsm u n g e n(Bau-Vereine, Bau-Gciiossenschaftcn, Bau-Gcsellschasten u. a.) werden 2 Mill. Mark gefordert. Die Kommission beantragt daher folgende Resolution: .Der Reichstag spricht die Erwartung auS, daß die hier be- willigten Summen nur Verwendung finden, wenn bei Festsetzung der Mietspreise der mit Mithilfe des Reichs errichteten Wohnungen nur die landesübliche Verzinsung und Amortisation des zum Bau des Hauses aufgewendeten Kapitals, sowie die Kosten der Ver- waltung und Instandsetzung in Anrechnung gebracht werden, und daß die Häuser späterhin keinen andren Zwecken dienen dürfen. Abg. Süigcr: Hier wird nur der erste schwache Versuch gemacht, die Hilfe des Reichs zum Bau von Arbeiterwohnungen in Anspruch zu nehmen. Das wird natürlich in Zukunft in erhöhtem Maße erfolgen müssen, doshalb war es notwendig, die Wünsche des Reichstags über die Art und Weise, wie die Mittel verwandt werden sollen festzulegen. DaS ist in der Resolution geschehen. Natürlich bedeutet auch dieser Weg keine endgültige Lösung der Wohnungsnot. Diese kann nur erfolgen, wem, der Grund und Boden vom Privateigentum losgelöst ist.(Sehr richtig I bei den Socialdemokraten.) Natürlich werden wir uns deshalb nicht Forderungen widersetzen, die wenigstens eine relative Besserung der Verhältnisse herbeiführen wollen. Dabei wird es sich zunächst darum handeln, gesunde Wohnungen zu schaffen und dafür zu sorgen, daß die Miete mit dem Einkomuten der Arbeiter und kleinen Beamten in einem richtigen Verhältnis steht. Heute sind besonders in den Jndnstriecentren die Mieten außerordentlich hoch imd zwar stehen die Mieten stets im umgekehrten Verhältnis zu dem Einkommen der Mieter. Ick bitte Sie also, die Position mit dct Resolution anzunehmen.(Beifall bei den Socialdemokraten.) Abg. Dr. Pachnicke(fts. Vg.) schließt sich diesem Wunsche an. Abg. Dr. Jäger(C.)— ans der Tribüne unverständlich— tritt für die Annahme der Resolution ein. Staatsminister Graf PosadowSky: Sehen Sie in der Bescheidenheit unsrer Forderung nicht den Beweis, daß wir der Sacke nicht die notwendige Bedeutung bei» messen. Wir wollen aber selbst erst Erfahrungen sammeln, wie dieser Zweck ain besten erreicht werden kann. Vorher ivolltcn wir nickt niit größeren Forderungenhervortrcten. Sie können sich darauf verlassen, daß wir mit dem Inhalt der Resolution in allen Punkten einverstanden sind. Wir verfolgen genau dasselbe Ziel. Im Anfang war die That. ES soll'etwas' geschehen. In künftigen Etats werden voraussichtlich wesentlich größere Summen eingestellt werden. Abg. Schlumberger(natl.) hält die Errichtung von kleinen, billigen Arbeilerwohnungen mit zwei Stuben und Zubehör durch das Reich für besonders dringlich.
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