Einzelbild herunterladen
 

Abg. Siuger(Soc.): Man wird eS begreiflich finden, daß auch ich einige Bemerkungen �u der gestrigen Rede des Herrn Stöcker mache. Er hat sein Gift ausgespritzt und ist dann fortgeblieben, fläehr richtig I links.) Wenn er als anständiger Politiker angesehen werden will, dann hätte er sich hier stellen müssen. Vicepräsident Biising: Auch in bedingter Form dürfen Sie Herrn Stöcker nicht den Anstand absprechen, das verstößt gegen die Ordnung des Hauses. Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung, Abg. Singer(fortfahrend): Ich sage also, wenn Herr Stöcker vlS ein Politiker gelten will, der gewillt ist, das, was er sagt, auch zu verteidigen, dann hätte er sich hier einfinden'müssen um die verdiente Antwort zu hören. Ich bedaure, daß ich nur nach einem kurzen Zeitungsbericht seine gestrigen Aeußerungen citieren kann; ich nehme aber den Bericht der ihin nahestehendenKreuz> Zeitung". Er war entrüstet, daß ich zur Widerlegung seiner Be Häuptling, uns sei der Satz:«Religion ist Privatsache, nur ein Hum dug". sagte, es sei bei uns nicht so wie in manchen Kreisen, die Herrn Stöcker nahe stehen, wo das Christentum Geschäftssache wäre. Herr Stöcker meinte, das sei wohl eine orientalische Auffassung Nein, durchaus nicht. Ich kann Beweise für die Richtigkeit meiner Behauptung aus sehr christlichen, auS sehr frommen Kreisen, aus sehr patriotischen, sehr monarchischen, sehr konservativen Kreisen bringen, die Herrn Stöcker sehr nahe stehen. Ich brauche nur air den Busenfreund Stöckers, an Herrn v. H ammerstein, zu erinnern. Niemand wird bestreiten wollen, daß Hammerstein Frömmigkeit an den Tag legte nur auö Geschäfts interesse. Und soll ich Ihnen den Namen Sanden zurufen? Auch ein frommer Mann, der mit seiner Frömmigkeit seine Geschäfte deckte. Soll ich Sie an den Generalkonsul Schmidt, den frommen Hofbankicr der Kaiserin er- inner»? Die beiden konnten sich nicht genug thun an Frömmigkeit. Kann man fich aber etwas Widerlicheres denken, als wenn die Frömmigkeit zum Deckmantel aller Niederträchtig kciten, aller Gemeinheiten benutzt wird?(Sehr gut! links.) Und das thnt diese Gesellschaft in der nichtswürdigsten Weise, die Leute um ihr Geld und Gut gebracht hatten.(Sehr wahr! links.) Als eine der Geschädigten sich an die Fra » des der haftete» Sanden wandte, da wurde sie auf Gott verwiese», der ihr wohl helfe» würde!(Beivegung.) Redner verliest den Brief der Frau Sanden. in dem fast in jeder Zeile von Gott, Gottcshilfe und Gottvertraucn die Rede ist. Wollen Sie bestreiten, daß das aus konservativen Kreisen kommt?(Rufe rechts: Ja, Sanden kennen wir gar nicht!) Die konservative Partei hat mit Herrn Sanden paradiert!(Widerspruch rechts.) Wer kennt nicht die frommen Streber, die allsonn täglich mit dem Gebetbuch unterm Arm in die Kirche wandeln, nur um von den Vorgesetzten gesehen zn werden.(Sehr richtig I links.) Herr Stöcker behauptet, ich hätte mich dem Teufel verschrieben. Ich bin nicht so vergnügungssüchtig, mich nach dem Himmel zu sehnen, aber wenn ich die Wahl zwischen Herrn Stöcker und dem Teufel habe, dann will ich zehnmal lieber beim Teufel sein, als bei Herrn Stöcker.(Heiterkeit.) Ich muß bei diesen Dingen iimner an die Worte des Goetheschen Faust über Mephistopheles denken, der ja auch der Vater der Lüge gewesen ist.(Sehr gut I links.) Herr Stöcker meint, es sei verwerflich, und ein anständiger Mensch veröffentliche einen Brief wie den Scheitcrhanfcnbricf nicht. Umgekehrt ist es richtig. Es sind das Briefe, die von a n- ständigen Menschen nicht geschrieben werden. Grade die konservative Partei sollte doch nicht verkennen, daß in diesem Brief eine Politik des Verrats am König getrieben wird, den Sie so hoch stellen. Mcepräsident Büsing: Das dürfen Sie nicht sagen. Ich bitte, nicht weiter von der Ordnung des Hauses abzuweichen. Abg. Singer(fortfahrend): DerVorwärts" hat den Brief zunächst veröffentlicht mit Hinweglassung der Anfangszeilen, und zwar weil man sonst sofort aus den Namen des Herrn Kropats check gekommen wäre, den zu nennen wir keinen Anlaß hatten. Wie hat sich Herr Stöcker nun zu dieser Veröffentlichung verhalten? Zunächst bat er alles bestritten.(Selbstverständlich. Heiterkeit links.) Er erinnert sich an nichts. Sein Freund Hamnicrstcin, der damals auf der Flucht vor dem Zuchthause war, hat ihm auch bestätigt, er erinnere sich nicht, daß Stöcker jemals einen solchen Brief ge- schrieben hätte. Darauf wurde der Scheiterhauseubrief in vollem Umfange abgedruckt. Darauf meinte Stöcker, es sei ihm leider auch jetzt noch nicht möglich, be- stimmt zu erklären, daß der Brief echt sei. Nun erschien der Brief facsimiliert imVorwärts". Damit war allem weiteren Leugnen Thür und Thor geschlossen. DaS ganze Verhalten Stöckers ist doch höchst auffällig. Wenn er von der Harn»' losigkeit des Briefs fo überzeugt gewesen wäre, wie er gestern that, dann hätte er doch das alles nicht nötig gehabt. Nun noch einige kurze Bemerkungen zum Fall Ewald. Herr Gröber meinte, die Socialdemokratie' habe Schweineglück. Das verläßt uns auch Herrn Stöcker gegenüber nicht. Während ich ver- hindert war. Herrn Stöcker zu hören, wollte der Zufall, daß Herr Ewald, der Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung ist, in unsrer Fraktionsversammlung mir einige sehr interessante Mitteilungen über die Angelegenheit machte. Ewald hat gestern vor einer größere» Anzahl Zeugen und mit voller Sicherheit eines guten Gedächtnisses mir erklärt, daß er gegenüber der Behauptung Stöckers, er kenne Ewald nicht, dabei bleibt, daß diese Behauptung falsch sei, denn in jener Zeit sei Stöcker in Volksversammlungen wiederholt unter Nennung seines Namens zu ihm gekommen, habe ihm die Hand gereicht und sich nach seinem Befinden erkundigt. Ewald war bereit, diese Aussagen eidlich zu erhärten. aber dazu ist es bei dem Bäckerprozeß nicht gekommen, denn das Gericht hat die Ladung Elvalds abgelehnt, Iveil es aus den Verhandlungen heraus die Uebcrzeugung gewonnen hatte, daß die Aussage Ewalds nicht mehr nötig sei. Es giebt aber noch ein interessantes Vorspiel. Als Herr Munckel, der damals die Verteidigung führte, sich über die Aussage Ewalds vergewissern wollte, kam er beim Polizeipräsidium ein und ersuchte. Ewald, der auf Grund des Socialisten- gesetzes ausgewiesen war, für diesen Prozeß freies Geleit zu geben. Dieses Gesuch wurde abgelehnt.(Hört I hört I links und Bewegung.) Man wollte nicht Herrn Ewald Stöcker gegenüber unter dem Eide nachweisen lassen, daß Stöcker ihn gekannt haben müsse. Da wir gerade dabei sind, uns über die Charaktereigenschaften des ferrn Stöcker zu unterhalten(Heiterkeit links), so will ich auch den all des Predigers Witte erwähnen, von dem Stöcker öffentlich be- hauptet hat, er habe sich für einen jüdischen Mitbürger, der gern Kommerzieurat werden wollte, verwandt.(Herr Stöcker erscheint im Saale.) Das Gericht hat für erwiesen angenommen, daß Herr Stöcker im Gefühle der Rachsucht und des lierletztcn Ehrgeizes feinen AmtSbrudrr öffcnt- lich angegriffen habe.(Hört I hört! links.) Wenn Herr Stöcker sich mit so besonderer Emphase dagegen Ivehrt, daß bei manchen Leuten die Religion nur das Geschäftsinteresse deckt, dann sollte er aus seiner eignen Vergangenheit doch manches nicht ver- gcssen. Ich habe dunkel im Gedächtnis, daß von sehr hoher Stelle die Entlassung des Hofpredigers Stöcker einmal verlangt worden ist. Wenn ich nicht irre, hat wegen dieser Frage sogar ein Kronrat stattgefunden. Das Resultat jener Verhandlungen war folgendes: Ich citiere nach dem politischen Handbuch E. Richters und erwähne, daß Stöcker einen Verweis vom Ober-Kirchenrat erhalten hatte: Infolge jenes Vorwurfs wurde Stöcker vor die Wahl gestellt, ent- weder' auf seiue fette Pfründe als Hofprediger zu verzichten, oder seine agitatorische Thätigkeit in politischen Vereinen und Ver- sammlungen aufzugeben. Stöcker zog das letztere vor, so daß die Travestie eines neuen Luthers dadurch vollständig wurde." Er hat es also damals vorgezogen, sich zu ducken, und sein_ Amt höher gestellt, als die Sorge für sein Ideal christlicher S ocialreform. Daß Herr Stöcker später doch vom Schicksal ereilt wurde, weiß man. Da handelt es sich aber nicht um die christlich-sociale Agitation als Ursache, sondern man erzählt sich ganz andre Gründe. Man weist darauf hin, daß eine zu sehr auf di« Spitze getriebene Intimität mit sehr hohen Kreise» miß« liebig bemerkt wurde und zu einem Wink mit dem Zaunpfahl ge» führt hätte. Wenn ich"anf die Schlußworte des Herrn Stöcker eingehe, so sage ich, daß mir dieser Ton doch widerstrebt. Es ist nur bezeichnend für die Vornehmheit der Rechten und für den Tiefstand ihres Urteils in Bezug auf daS parlamentarisch Zulässige, daß sie gerade diese Stelle so betlatschte. Als ich die Stelle von den Hunden las. erinnerte ich mich daran, daß schon der alte Homer sagt:Nichts HündischcrischeS giebt cS auf Erde » als einen Menschen, dessen Zunge zwie- spältig ist."(Lebhafter Beifall bei den Socialdemokraten.) Vicepräsident Büsing: Wegen der letzten Aeußerung rufe ich den Redner, und zwar zum zweitenmal, zur Ordnung. Abg. v. Ledetzow(k.): Wirhaben keine Veranlassung, nnSinjden persönlichen Streit zwischen Herrn Stöcker und Herrn Singer einzumischen. Nur zweierlei will ich sagen: Den Namen Sanden habe ich zum erstenmal gehört. als der bekannte Zusammenbruch erfolgte. Allen meinen hier an- wesenden Freunden ist Herr Sanden ganz unbekannt, und ebenso seiue Frau. Zweitens sage ich, die Brändmarkung des Artikels durch Herrn Stöcker hat uns allen sehr gut gefallen, und nicht nur uns. sondern der Mehrheit dieses Hauses.(Bravo I rechts.) Abg. Stöcker(wildk.): Ich habe ja von den Reden der Herren Vorredner nur wenig gehört, was ich aber gehört habS! hat wenig Eindruck auf mich gemacht.(Lachen bei den Socialdemokraten.) Herr Singer hat die Wittesche Angelegenheit hier vorgebracht, hat aber nicht erwähnt, daß ich in meiner Zeitung öffentlich erklärt habe. Herr Witte habe den Brief, ans den er seine ganze Anklage gegen mich stützte, gefälscht, um die öffentliche Meinung irre zu führen. Herr Witte hat mich verklagt, ich habe aber vor Gericht ihm gegen über vollkommen recht bekommen. Herr Singer hat wahrscheinlich ineine ganze LebenSgeschichte hier hervorgeholt.(Widerspruch bei den Socialdemokraten.) Ich hatte meine Anklage auf ganz bestimmte Punkte gerichtet, auf diese Punkte sollten die Herren auch ihre Verteidigung richten.(Abg. Bebel: Sie waren ja gar nicht da!) Nach dem, was ich gehört habe, scheint es mir, als ob hier eine Generaldebatte über meine Person abgehalten worden ist; daran bin ich seit zlvanzig Jahren gewöhnt.(Glocke des Präsidenten.) Vicepräsident Büsing: Herr Abgeordneter, Sie sind während des größten Teils der Reden der Herren Vorredner nicht anwesend ge- Wesen, ich glaube, Sie können sich nun nicht in Vermutungen darüber ergehe», ivas bielleicht gesagt worden ist, während Sie nicht an- wesend waren. Ich bitte Sie sich auf die Antwort auf das zu be schränken, was Sie gehört haben.(Lebhaftes Bravo I links.) Abg. Stöcker(wildk., fortfahrend): Ich habe nicht gehört, was Herr Singer vorher gesagt hat. aber... Vicepräsident Büsing: Ich bitte wiederholt mir darauf zu er- widern, was Sie, als Sie im Saale anwesend waren, gehört haben. (Bravo ! links.) Abg. Stöcker(fortfahrend): Herr Singer hat dann, soweit ich ihn gehört habe, gesagt, ich hätte, um meine fette Pfründe nicht zu verlieren, auf meine politische Thätigkeit verzichtet. Eine fette Pfründe tvar die Domstelle nicht.(Lachen bei den Socialdemokraten.) Uebrigcns habe ich sehr bald darauf mein Amt thatsächlich niedergelegt und zwar gerade um meiner Grundsätze willen. Wenn ich diese beiden Dinge so leicht widerlegen kann, so glaube ich, daß es mir ebenso leicht sein würde, alles was sonst gesagt worden ist, spielend zu wieder legen.(Lachen bei den Socialdemokraten.) Was Herr Singer vor- gebracht hat, ist so thöricht... Vicepräsident Büsing: Der Ausdruckthöricht" ist parlamen tarisch nicht zulässig gegenüber einem Kollege.(Heiterkeit.) Abg. Stöcker(fortf.): Herrn Singer, der den Scheiterhaufe» brief hier vorgelesen hat. erinnere ich daran, daß ich ihm eine Aussage vom' Jahre 1L83 verlesen könnte, worin sein Socius Rosenthal beschuldigt wird, die social größte Sünde begangen u haben, die man nur begehen kann. Er hat auf eine Forderung nach höherem Loh» gesagt:Lassen Sic die Mädel auf den Strich gehen und schaffen Sie mir billige Mäntel."(Abg. Bebel: Was geht das Singer an!) Herr Singer hat das Geschäft darum nicht verlassen, obwohl er die Aeußerung gekannt hat. Der Gerichts hos hat das bezeugt, iven» es beziveifelt werden sollte, will ich es verlesen. Wie hat Herr Singer unter diesen Umstanden das Recht, einem andren Gewissenlosigkeit vorzuwerfen. Wenn die Socialdemokratie eine» Mann von solcher Vergangenheit zu ihrem Präsidenten macht, so hat sie überhaupt das Recht verwirkt, von socialen Reformen, Sympathie ür die Arbeiter oder Rechtschasscnheit und Gewissenhaftigkeit zn reden. Abg. Wurm(Soc.): Das Ansehen, das Herr Stöcker in diesem Hause genießt, ist be zeichnend, daß von den Abgeordneten, die ihm nahe stehen, keiner eS für notwendig gehalten hat, auch nur ein Wort zu einer Verteidigung zu sagen. Ich wende mich nunmehr zu dein eigentlichen Gegenstand der Tagesordnung, zum Etat des ReichSamts des Innern. Bei der zweiten Lesung hat der Herr Staats- sekretär auf meine Anfrage erklärt, daß er eine Enquete über die Lage und die Berufskrankheiten der Steinarbeiter angeordnet habe. Es wird dem Herrn Staatssekretär vielleicht interessant sein, zu erfahren, was aus dieser Enquete geworden ist. D i e A r b e i t e r w i s s e n v o n der Enquete überhaupt nichts. Von der Steinmetzinnung in Berlin sind Frageboge» an die einzelnen Meister gesandt worden, die nachher de» Gewerbc-Jnspektoren überreicht iverdc» sollen Ans diesem Fragebogen haben aber die JnuungSmeister zur Vorsicht auch gleich die ihnen erwünschten Antworten hinzugefügt. (Hört! hört I bei den Socialdemokraten.) Ans die Frage über die durchschnittliche Lebenszeit der Steinnrbciter. soll danach geantwortet werden:früher habe sie ja vielleichtz 33 Jahre betragen, jetzt aber hätten sich die Verhältnisse gebessert." Das ist eine grobe Un- Wahrheit. Staatssekretär Graf Posadowskh: Daß den Regierungen sehr oft von den Parteien der ver- schiedenen Richtimge» au« Eigennutz unrichtige Angaben gemacht werden, ist natürlich. Die' Frage ist nur, ob die Regierung sich dadurch bestimmen läßt oder nicht. WaS die berührte An­gelegenheit anlangt, so ist bereils eine Bnndesratsverordnmig zur Regelung der Lage der Steinarbeiter vorbereitet und über diese werden sowohl Arbeitgeber wie Arbeitnehmer im ReichSamte des Inner» gehört werden. Abg. Singer(Soc.): Der Unterschied zwischen Herrn Stöcker und mir besteht darin, daß ich Herrn Stöcker vorwerfe, was er gethan hat, während er mich verantwortlich macht für das, was andre gethan haben. Was die Sache selbst anlangt, so freut es mich, hier wie schon zu wieder- holten Malen erklären zu können, daß es niemand giebt. der diese Redensart schärfer verurteilt hat als ich, und der mehr davon durchdrungen war, daß, wenn die Firma, der ich augehört habe, nach dieser' Redensart etwa gehandelt hätte, das den schlimmsteu Vorwurf berechtigte, den man überbaupt machen kann. Aber es ist in dem damaligen Prozeß durch alle Zeugen festgestellt, daß diese verwerfliche Redensart zivar gebraucht worden ist. aber ein der- artiges Verhalten in keiner Weise in der Firma gebräuchlich war, daß die dort gezahlten Löhne in vielen Fällen sogar über die Löhne bei andren Firmen hinausgingen. Die Zeugen, die das aussagten, waren nicht Social» demokraten, sondern Mitglied des christlichsocialen Arbeiter- Vereins, der damals bestand.' Daß Herr Stöckers Vorwurf un- berechtigt war. dafür ist ein Beweis, daß in dem Prozeß, de» ich wegen verleumderischer Darstellung des Falls gegen ein hiesiges Blatt angestrengt hatte, der Redactenr desselben in allen drei Instanzen zu 600 M. Geldstrafe verurteilt worden ist.(Hört! hört! b. d. Soc.) Es wird mir naturgemäß schwer, mich selbst zu loben, aber ich muß bei dieser Gelegenheit doch sagen, mein ganze? Leben, meine ganze Thätigkeit bürgt doch dafür, daß ich mich einer solchen gemeinen Handlungsweise, wie sie in jener Redensart liegt, unmöglich schuldig machen kann.(Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Und weil meine Parteigei, offen daS wissen. deshalb glauben sie mir mehr wie Herrn Stöcker.(Sehr richtig I bei den Socialdemokraten.) Wenn ich mich übrigens nicht frei von der Schuld fühlte, hätte ich Herrn Stöcker auch schwerlich angegriffen. Diese schon so oft als gemein« Lügen und Ver- leumdungen zurückgewiesenen Sachen unter dem Deckmantel der Objektivität wiederholen würde.(Lebhaftes Bravo! bei den Social- demokraten.) Vicepräsident Büsing: Wegen der letzten Aeußerung rufe ich den Herrn Abgeordneten zur Ordnung. Abg. Bebel(Soc.): DaS Verhalten des Herrn Stöcker ist sehr bezeichnend. Man hätte erwarten müssen, daß es Herr Stöcker für seine Pflicht hielte, nachdem er gestern gehört hatte, daß vier socialdemokratische Redner nach ihm gemeldet waren, heute an seinem Platze zu sein.(Sehr richtig! bei den Socialdemokraten.) Statt deffe» erscheint er zwei Stunden nach Beginn der Sitzung und sein erstes Wort ist, er hätte erwartet, daß»vir uns in der Erwiderung auf ganz bestiminte Punkte beschränken würden. Das sagt derselbe Mann, der unsre Reden bis auf die letzten Worte SingerS überhaupt nicht gehört hat. Diese eine Thatsache charakterisiert Herr» Stöcker mehr als dies ganze Bände thun könnten.(Sehr richtig I bei den Socialdemokraten.) Heute muß nun Herr Stöcker schweigen, er wird aber dann wieder am nächsten Tage die Berichte lesen und nach einigen Wochen, wenn kein Mensch mehr an die Sache denkt, auf unsre Reden er- widern. Das ist doch ein geradezu anarchistisches Verfahren.(Große Heiterkeit.) Vicepräsident Büsing: Dieser Ansdwck war nicht in der Ordnung.(Erneute stürmische Heiterkeit.) Abg. Bebel(fortf.): Was nun den Fall Rosenthal anlangt, so hätte Herr Stöcker am wenigsten Anlaß zu einem solchen Angriff gegen Singer. Was würde er dazu sagen, wenn wir ihn für die Schuftereien und Verbrechen seines Freunds Hammerstein verant- Ivortlich machen wollten.(Sehr gut! bei den Socialdemokraten.) Was kann Singer dafür, wenn sein Socius eine solche zweifellos gemeine und niederträchtige Aeußerung macht. Ich war mit Singer, der damals aus Berlin ausgewiesen war, in jener Zeit zusammen und weiß, wie tief ihn diese Aeußerung geschmerzt hat, und gerade diese Aeußerung hat ihn veranlaßt, aus dem Geschäft auszutreten.(Abg. S t ö ck e r: Wie können Sie das sagen!) Vicepräsident Büsing: Herr Abgeordneter. ich bitte Sie. den Redner nicht zu unterbrechen.) Sie haben nachher daS Wort und können dann antworten. Abg. Bebel(fortfahrend): Was wir an Singer haben, wissen wir ganz genau, er ist ein Mann, der unermüdlich für die Partei arbeitet und seine ganze physische, geistige und auch seine materiellen Kräfte in den Dienst der Partei stellt, der soviel für seine Sache geopfert hat, wie es Herr Stöcker niemals gethan hätte. Wenn wir in Singer freilich einen Mann hätten, der die- selben Charaktereigenschaften besitzt, wie sie Herr Stöcker gezeigt hat, dann hätten wir ihn allerdings längst aus der Partei hinausgeworfen (Lebhaftes Bravo! bei den Socialdemokraten.) Vicepräsident Büsing: Wegen der letzten Aeußerung rufe ich den Hern: Abgeordneten zur Ordnung. Abg. Sachse(Soc.) polemisiert gegen frühere Ausführungen des Abg. Oertel über Arbeiterkonsnmvereine und Bezahlung der Lagerhalter. Im Wahl- kreise des Herrn Oertel erhalten erwachsene Bergarbeiter den Hunger- lohn von 50 Mark monatlich. Nun drängt Herr Oertel besonder? auf Erhöhung der Brotzölle. Ich nenne das indirekten Mord.(Sehr gut! bei den Socialdemokraten.) Abg. v. Schcle-WunStorf (Weife) ersucht, fich der Steinarbeiter energisch anzunehmen. Staatssekretär Graf PosadowSky wiederholt feine vorherige Erklärung. Abg. Stöcker: Wenn ich es vermocht hätte, wäre ich hierher gekommen(Lachen links) schon im eignen Jnterefle. Das Erkenntnis von 1886 hat meiner vorgesetzte» Krrchenbehörde vorgelegen und sie hat nichts darin geftmden, was mich meines Amts unwürdig gemacht hätte. Der Obertribnnalsrat Docker hat den ganzen Prozeß eine Monstrosität genannt. Aber Sie lesen ja so etwas nicht.(Lachen links.) ES ist ja eine Perfidie, mich aus persönlichem Haß herauszugreifen und so zu Ihn», al« ob ich allein mit Hanimerstein zusammen- gewesen wäre. Darin liegt eine grenzenlose Gemeinheit unsres öffentlichen LebenS.(Lachen links.) Ich bin in allen Jahren höchstens viermal in Hammer st eins Haus« ge- wesen, andre waren viel häufiger da.(Stürmisch« Heiterkeit links. Rufe: Aber die Briefe I) Nun, das waren ja rein politische Briefe. DaS versteht sich doch von selbst. Im Fall Singer- Rosenthal aber liegt daS Erkenntnis eines Gerichtshofs vor, das Sie doch wohl auch gelten lassen werden. In dem Erkenntnis wird aus- drücklich erklärt,' der Austrittt Singers aus dem Geschäft sei ans andren rein äußerlichen Gründen, aber nicht wegen der Geschäfts- principien dcS Herrn Rosenthnl erfolgt. Dadurch ließ sich Herr Singer nicht stören. Das Gerichr hat aber die Aeußerungen des Herrn Rosenthal als schamlos bezeichnet, die sich mit der ge- ringslen Arbeitersreundlichkeit nicht vertrügen.(Lebh. sehr richtig! bei de» Socialdem.) Herr Singer aber hat das Verhältnis nicht gelöst. Etwas Schwereres läßt fich gar nicht denken. Bebel hat doch selber gesagt, Singer hätte seine Geldmittel der Partei zur Verfügung ge- stellt. Was ist denn da Schlimmes an der Behauptung, er ei deshalb"zum Präsidenten gewählt worden? Schlimm ist nur, daß Sie an der Spitze ei»en Mann haben, der in der schamlosesten und verwerflichsten Weise Grundsätze aufgestellt hat, die jeder Arbeitersreundlichkeit Hohn sprechen.(Stürmische Unterbrechung links. Rufe:Meiueidspfaffe" l) Präsident Graf Ballestrem: Sie dürfen das nicht von einem Abgeordneten sagen, ich rufe Sie zur Ordnung. Abg. Stöcker(fortfahrend): Wenn die Socialdemokratie sich als Sittenrichter aufstellt, dann haben wir das Recht, ihr diese Dinge entgegen zu halten. (Schluß im Hauptblatt.) Vevmis'chkes, In dem Bergwerk von Lansiug(Kansas ) meuterten 284 dort arbeitende Sträflinge. Sie hielten IS Wärter in der Mine est und verhinderten sie, ins Freie zu gelangen, bis ihre Forderungen bezüglich besserer NahrungS m i t t e l ihnen bewilligt worden waren. Sie töteten auch die Maultiere, die sich im Bergwerk be- änden. um das Fleisch derselben als Nahrungsmittel zu benutzen. Nach einer Meldung anS Bombay vom IS. März wurden sieben Artilleristen in Secunderabad infolge der Explosion eines HaubitzengeschosseS getötet. Ein furchtbarer Orkan fuhr, wie jetzt erst bekannt wird, in der letzten Januarwoche über Neukaledonien dahin und ver» nichtete Eigentum und eine Menge Menschenleben. Die Eisenbahnen und.Straßen sind zerstört, die Telegraphendrähte zerrissen, ganze Ortschaften vom Erdboden verschwunden. Der DampferHero" liegt zertrümmert auf dem Strande, ebenso eine Anzahl von Segelschiffen. Die neue viermastige BarlHavre ", die mit Ntckelerz beladen war, ist gesunken.