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«..71. I«. ftw.,. 1.|(ilüf)» Jwilttf Iftlilttt lÄHlB. Srni.,, a» im Meineidsprozesse tttib Schwurgerichte. UeberGeschwornengerichte und Revo« lutionstribunalc" schreibt uns Genosse K. K.: Die trefflichen Ausführungen des Genossen Herzfeld überMeineidsprozesse und Schwurgerichte" imVor- wärts" vom 20. März regen mich zu einigen kleinen ergänzenden Bemerkungen an. Genosse Heine hat zum Beweis dafür, daß Laienrichter sich leichter als Berufs- richter durch Leidenschaften und Vorurteile beeinflussen lassen, auf diegrauenhaften Ausschreitungen der französischen Revolutionstribuuale" hingewiesen. Genosse Herzfeld hat darauf schon mit Recht erwidert, daß der Zustand der Revolution ein Ausnahmezustand sei, an dem normale Ver- Hältnisse nicht gemessen werden dürften. Aber das"Ausnahmsweise steckt nicht bloß in der revfr lutionären Situation. Das französische Revolutionstribunal selbst war nicht ein gewöhnliches Schwurgericht, sondern ein Ausnahms-Gerichtshof. Die Geschwornengerichte, welche die Revolution im April 1790 für den Kriminalprozeß einführte,*) hatten damit nichts zu thun, und es ist mir nicht bekannt, daß sie sich selbst während der Revolution hätten grauenhafte Ausschreitungen" zu Schulden kommen lassen. Das Rcvolutionstribunal, dem diese zur Last fallen, wurde viel später eingeführt, erst am 10. März 1793. Schon am 9. März hatte der Konvent mit allen gegen eine Stimme beschlossen einen außerordentlichen Kriminal gerichtshof einzurichten, von dem kein Appell an den Kassationshof gestattet ist, und der alle Verräter, Verschwörer und Gegner der Revolution aburteilt." Am folgenden Tag erhielt das neue Ausnahmsgericht seine Gestalt. Es be stand auS fünf Berufsrichtern und zwölf Geschworenen, welche letztere über den Thatbestand zu urteilen hatten. Aber wie die Richter und der öffentliche Ankläger wurden auch diese Geschworenen von dem Konvent ernannt(aus den Bürgern von Paris und seiner Um gebung). Die Geschworenen hatten laut, vor der Oeffentlich. keit, zu verhandeln und ihre Stimme abzugeben. Daß ein derartiges Tribunal mit einer derartigen Auf gäbe kein Ggschwornengericht im gewöhnlichen Sinne des Worts bildet, ist wohl klar. Den Revolutionsmännern selbst wäre es nicht eingefallen. es als solches zu betrachten. Sie erklärten ausdrücklich den neuen Gerichtshof als einen außerordentlichen. Es waren außergewöhnliche Zustände, die seine Einsetzung erzwangen Nicht etwa Uebennut oder sinnlose Raserei oder zwecklose Blutgier, wie die Reaktionäre aller Sorten so gern behaupten, trieb dazu, sondern der verzweifelte Zustand Frankreichs . Es stand im Kriege gegen ganz Europa . Im Innern erhoben sich an allen Ecken und Enden gegenrevolutiouärc Ausstände und Verschwörungen, die dem auswärtigen Feinde Hilfe leisteten. Ohne sich erst mit richterlichen Förmlichkeiten abzuquälen, schlugen die Bauern der Vendee jeden Beamten, jeden, der als Anhänger der revolutionären Regierung galt, tot. Die alte Armee war aufgelöst, die neue Armee bestand fast nur aus Rekruten und diese wurden von Offizieren geführt, die mit dem äußeren und inneren Feind fymphatisierten und konspirierten. Die Liste der Generäle, die zum Feind übergegangen waren, hatte bereits eine ziemliche Ausdehnung erreicht, sie sollte gerade damals um einen neuen Namen bereichert werden. Dumouriez , der Befehlshaber der Hauptarmee Frankreichs war bereits verdächtig, als das Rcvolutionstribunal eingesetzt wurde. Wenige Tage darauf kam sein Verrat zu Tage. Er forderte seine Soldaten auf, sich mit den ihm gegenüberstehenden Oestreichern zu ver einigen, um auf Paris zu marschirren und der Revolution den Garaus zu machen. Aber die Soldaten der Revolution waren aus andrem Holze geschnitzt, als ihre ersten Generale, und nur eilige Flucht rettete Dumouriez vor der Wut seiner Truppen. Krieg nach außen, Bürgerkriege und Verschwörungen im Innern, Verrat bei den Häuptern der Armee das war die Situation, die das Revolutionstribunal gebar. Es sollte nicht ein Mittel sein, ängstlich abwägend das Recht zu finden, sondern eine scharfe Waffe, die versteckten Feinde der Revo- lufion niederzuschlagen. Und wenn damals das revolutionäre Frankreich sich siegreich behauptet hat, da sein Untergang besiegelt schien, so verdankt es das nicht zum geringsten der Energie seines Revolutionstribunals. Sicher, seine Thätigkeit war eine grauenvolle, aber nicht grauenvoller, als der Krieg über- Haupt, und sie erzeugte nicht mehr Ausschreitungen, als der Krieg überhaupt. Man kann also aus dem Wirken des französischen Revolutionstribunals ein Argument gegen den Krieg ableiten. Aber diesegrauenhaften Ausschreitungen" beweisen nichts gegen die Revolution, gegen die wohl auch Heine sich nicht gerichtet hat, gegen die man aber seine Worte ausbeuten könnte, und sie beweisen schon gar nichts gegen die Ge- schwornengerichte. Daß wir andrerseits nicht lange zu suchen brauchen, um in der Geschichte grauenhafte Ausschreitungen, die sich mit denen des Revolutionstribunals kühn messen können, zu finden, begangen von Berufsrichtern, nicht in der Leidenschaft eines Kampfs auf Leben und Tod. nicht um des Volkswohls willen, sondern aus berechnender kühler Servilität und Streberei, brauchen wir wohl Genossen Heine nicht erst zu bemerken. 9» m Genosse Wolfgang Heine schreibt uns: Die Entgegnung, die Kollege Dr. Herzfeld in Nr. 67 deSVorwärts" gegen meinen unter dem TitelMeineids- Prozesse und Schwurgerichte" in Nr. 61 veröffentlichten Artikel gebracht hat, würde mich nicht zur Erwiderung veranlassen, weil ich es nicht für meine Pflicht halten würde, jemand zu widerlegen, der sowohl Zweck wie Inhalt meines Aussatzes durchaus nicht verstanden hat. Da aber Herr Kollege Herzfeld mirWidersprüche zu den Grundanschauungen der socialdemo« kratischen Partei" nachsagt und mich im Gegen- satze zu einer Forderung des Erfurter Programms erblickt, muß ich erwarten, daß das wieder *) Für den Cidilprozetz wurden die Bcrussrichter beibehalten. diese Ivurden aber aus den gebildeten Juristen vom Volke ge- wählt. Auch das Amt des öffentlichen Anklägers unterlag der Bolkswahl. einmal Wasser auf die Mühle der Gegner der Socialdemo- kratie liefern würde. Lediglich deshalb bitte ich Sie, die folgenden Zeilen aufzunehmen. Kollege Dr. Herzfeld vermißt in meinem Artikel die Be- tonung deS Klassencharakters der heutigen Justiz. Um die Haltlosigkeit dieser Kritik nachzuweisen, genügt es, daß ich für Leser, die Nr. 61 desVorwärts" nicht mehr zur Hand haben, folgende Stellen wiederhole. Von den juristischen Richtern habe ich gesagt: Dies« Entfremdung(von de» Bedürfnissen des Volks und seinem Rechtsgefühl) wird schon durch die juristische BctrachtungS- weise an sich bewirkt, wird aber noch erheblich ver- stärkt durch die standeSmätzige Abgeschlossenheit der Juristen vom Volke und durch den Einfluß der besondren Interessen der Bureau kratie." Und über die heutigen Laiengerichte habe ich ge- schrieben: Wir Socialdemokraten empfinden jetzt sogar diese Gefahr (nämlich einer Becinfliisstmg durch Leidenschaften. Haß und blinde» Vorurteil) besonders, weil in Deutschland die Ge- schwornengerichte einseitig aus Angehörigen der besitzenden Klassen zusammengesetzt sind." Diese zweite Stelle hat Herr Kollege Herzfeld offenbar nicht gelesen, denn er übergeht sie in seinem Resumo meiner Ausführungen völlig. Ich dächte, daß ich mit diesen Worten für denkende Leser die Gefahren des Klassencharakters der heutigen Gerichte deutlich genug ausgesprochen hätte. Herr Kollege Herzfeld hat sich mir gegenüber darauf be- rufen, daß in meinen Ausführungen das WortKlassenkampf" nicht vorkäme. Im reichlichen Gebrauch dieses Aus- drucks ist er mir allerdings über," ich möchte aber meinen, daß es auf den Gedanken und nicht auf das Wort ankomme, und daß es Geschmackssache sei, ob man dasselbe Wort immer wiederholen will, oder ob man es vor- zieht, den Gegenstand auch einmal anders auszudrücken. Herr Kollege Herzfeld hat aber überhaupt nicht verstanden, daß und weshalb ich die Frage des Klassencharakters der Justiz nur nebensächlich zu streifen hatte. Mein Artikel war dem Problem gewidmet, ob die Bedenken begründet wären, die von liberaler Seite aus Anlaß der Konitzer Prozesse gegen die Rechtsprechung durch Nichtberufsrichter, durch Geschworne in ihrer Eigenschaft als Laien erhoben worden waren. Deshalb mußte ich die specifischen Unterschiede zwischen dem Verfahren von Juristen und dem von Laien als solchen erörtern, Unterschiede, die un- abhängig von den Klassenunterschieden vorhanden sind, wenn sie sich natürlich auch in der Praxis damit kombinieren. Wie Herr Kollege Herzfeld darin einenVerstoß gegen die Grundanschauuugen der Partei" erblicken kann, ist mir unverständlich. Er sagt ja selbst, die Frage, ob Laienrichter ob Berufsrichter sei für die Abschaffung der Klassenjustiz ganz( gleichgültig. Da i ch mich nun aber gerade mit dieser Frage, ob Laienrichter, ob Berufsrichter, beschäftigte, so hatte ich bei meiner damaligen Untersuchung keine Veranlassung. das Klassenkampfproblem besonders hervorzuheben. Wenn Kollege Herzfeld es ferner für nötig hält, zu betonen. daß erim Gegensatz zum Genossen Heine an eine Rechtsprechung durch vom Volk, erwählte Richter glaube, wie unser Programm s i e v o r s ch r e i b e ," so habe i ch ihm zur Konstruierung eines solchen Gegensatzes zwischen mir und dem Programm keinenAnlaß gegeben.weil ich mich mit dem Programm überhaupt nicht beschäftigt habe, und bei meiner Betrachtung auch nicht zu beschäftigen brauchte.Glaube" ist zwar im allgemeinen nicht meine starke Seite, und noch weniger liebe ich es, ihn zur Schau zu tragen, aber zur Bs- ruhigung ängstlicher und zum Aerger schadenfroh lauernder Gemüter mag hier ausdrücklich gesagt sein, daß es mir nicht im Traume eingefallen ist. an diesem Programmpunkt rütteln zu wollen. Die Fragen, ob Laienrichter oder Juristenrichter, und ob vom Volk erwählte oder von der Bureaukratie ernannte Richter, bestehen völlig unabhängig voneinander. Man kann sowohl Juristen wie Geschworne entweder wie heut ernennen oder vom Volke wählen lassen. Auch vom Volk gewählte Juristen und Laien werden stets die durch ihre Vor- bildung bedingten Unterschiede in der Beurteilung der Fälle zeigen. Mit diesen Unterschieden habe ich mich beschäftigt; wenn das Erfurter Programm diese Frage nicht erörtert, so existiert sie doch, und es wird Wohl noch erlaubt sein, auch Probleme zu besprechen, die nicht im Rahmen des Parteiprogramms liegen. Darüber hat, denke ich. mein neulicher Aufsatz keinen Zweifel gelassen, daß nach meiner Meinung die eigentümlichen Schwächen der Laienjustiz bei weitem übertroffcn werden durch die mit ihnen innig zusammenhängenden Vorzüge, daß ich deshalb die Mitwirkung der Nichtjuristen an der Rechtsprechung für ein unentbehrliches Erfordernis eines gesunden Rechtslebens halte, und daß mich daran auch vorgekommeneAusschreitungen" nicht im geringsten irre machen. Wenn andrerseits das Erfurter Programm sich für die Wahl der Richter durchs Volk ausspricht, so folgt daraus noch nicht die Pflicht, in dieser Maßregel die Heilung aller Uebelstände zu suchen, auch solcher, mit denen gerade s i e nichts zu thun hat. Wir fordern die Wahl der Rickter durch das Volk, um sie von der Bureaukratie und den herrschenden Kreisen unabhängig zu machen; dies Ziel ist schon Begründung genug dafür. Aber die Einflüsse, die gerade in Könitz in Frage standen, würden bei der Wahl der Richter durch das Volk nicht beseitigt worden sein. So wenig wie es dem Moritz Lewy genützt haben würde, wenn die Geschwornen aus dem Volk von Könitz und Umgegend hervorgegangen wären, so wenig hätte es ihn gerettet, wenn sie d u r ch dies Volk gewählt worden wären. Und genau so steht es mit dem Einfluß der Klassen- interessen oder-Empfindungen; er wirkt zweifellos, aber er wird sich sowohl bei Laien wie bei Juristen, desgleichen bei bureaukratisch ernannten und bei demokratisch erwählten Richtern zeigen. Die Rechtsprechung durch vom Volk erwählte Richter kann und wird also die Einwirkungen des Klassen- interesses auch nicht aufheben, ebenso wenig wie die Recht- sprechung durch Laien für sich allein diesen Erfolg haben könnte. Aber ein Gegengewicht gegen die rücksichtslose Einwirkung der Klasseninteressen auf die Rechtsprechung ist in der That denkbar, und zwar auch schon vor voller Durchführung der socialistischen Gesellschaft. nämlich die Erzeugung einer politischen Durchschnittsbildung,.welcher in der RechtsprechungUnparteilichkeit gegen jedermann und leidenschaftslose Behandlung auch des Gegners ein selbst- verständliches Lebenselement sind". Herr Kollege Herzfeld spricht etwas von oben herab seinen Unglauben dieser meiner Ansicht gegenüber aus. Daß eine solche Unparteilichkeit ein Jdealzustaud ist. der nie voll ver- wirklicht werden wird, mag sein. Klasseninteressen und andre entgegenwirkende Faktoren werden sich wohl nie restlos aus- schließen lassen. Als Ziel jedenfalls müssen wir ihn an- streben und thun es längst. Das Deutsche Ceutralkomitee zur Errichtung von Heilstätten für Luttgenkrauke hielt am Sonnabend, den 23. März, unter dem Vorfitz deS Grafen PosabowSkh in dem SitzungSsaale des Reichstags seine General - Versammlung ab. Das eiste Referat, erstattet von dem Chefarzt der badischen Heilstätte FncdrichSheim, Dr. Rumpf, behandelte das Thema: Auslese der Lungenkranken fiir die Heilstätten. Der Redner ging davon a»S. daß gegenivärtig das Kranlenmaterial der Heilstätten zu einem sehr erheblichen Teile ans solchen Personen besteht, denen die Heilstättenbehandlung nicht Mehr nutzen kann, weil der Krantheitsprozeß schon zu weit vorgeschritten ist. Andrerseits fänden auch Kranke Aufnahme, bei denen die längere Beobachtung schließlich den Verdacht auf Tuberkulose nicht bestätigt. Beides die Aufnahme von zu weit vorgeschrittenen Fällen und von Nicht- tuberkulösen niuß vermieden iverden, zmnal da heute noch, und voraussichtlich noch sehr lange, die vorhandenen Heilstätten dem Bedürfnis bei weitem nicht genügen. Des- halb ist eine sorgfältigere Auslese nötig, mid um diese zu er- reichen, schlägt R. die Errichtung von VoruntersuchungS« Stationen vor, in denen, wenn nötig, die Kranken auch für einige Tage zum Zwecke der Beobachtung Ausnahme finden können. Diese Voruntersuchimgs-Stationen würden am besten an Kranken- Häuser angegliedert,' in denen dann die Unheilbaren gleich zur weiteren Behandlung verbleiben könnten. Demgegenüber vetonte der Leiter der hiesigen königl. Poliklinik für Lungenkranke, Prof. M. Wolfs, daß solche Unteqiichungs- stationen nur für kleine Verhältnisse paffen würden. I» der von ihm geleitete» Poliklinik seien in 5/i Jahren 600 Personen zur Unter- suchung gekommen. Die alle zur Beobachtung aufzunehmen, sei un- möglich; allerdings würde er es auch für sehr wüiischensiuert halten, daß eine kleine Anzahl von Krankeubetten zur Verfügung ständen, zum Beispiel für seine Anstalt IS 20. In«der Regel genüge aber die poliklinische Untersuchung. Sodann referierte Prof. B. Frankel überPflege- stätten und I n v a Ii d e nh e im e für Tuberkulöse". Schon um die Gesunden zu schütze», sei die möglichste Isolierung auch deS unbeilvarcu Erkrankten anzustreben. Die Unschädlichmachung des Auswurfs genüge nach de» neuesten Untersuchungen nicht voll- ständig, so werlvoll und notwendig sie auch sei. Scbon deshalb sei 'es»ölig, auch für die rmbeili»..v.,'-«rkulosen Asyle ans dem Lande zu errichten, in den-:, sie die bestmögliche Pflege genießen. Der Eintritt kann zunächst nur ein freiwilliger sein. Aber durch entsprechende Belehrung iverde man doch einen großen Teil der Kranke» zum Eintritt bewegen. Staat und Gemeinde müssen die JnvaliditätSanstaltcu bei der Schaffung dieser Einrichtung unter- stützen. Dann folgte das Referat von Professor H e u b n e r über die Bckämpfuiig der Tuberkulose im Kin deSalter. Heubner tritt für die Errichtung besonderer Krankenhäuser bez. Abteilungen für tuberkulöse Kinder ein, damit die Uebertragung der Krankveit auf solche Kinder vermieden werde, die wegen andrer Erkrankungen Aufnahme gesunden haben. Das Kind, und namentlich daS kranke und schwache Kind, sei für alle Uebertragungen besonders empfänglich. Das gelte insbesondere auch für die Zeit der Re- tonvalescenz(Genesung) von Masern usw. und deshalb sei es not- wendig, Rekonvalescentenheime für Kinder zu schaffen, in denen diese unter günstige» hygienischen Bedillgnngen ihre volle Gesund- heil zurückcrlangen können. H. war früher der Ansicht, daß wenigstens für die ersten Versuche in dieser Richtung die Thätigkeit privater Wohlthätigkeitsvereine ausreichen werde. Er glaubt dies heute nicht mehr, sondern fordert die Gewährung staatlicher bezw. kommunaler Mittel. Das sei schon deshalb notwendig, weil H. gemäß einem Vorschlage deS Münchcner Professors v. Ziemssen eine organische Verbindung zwischen de» außerhalb der Städte gelegenen Rc- lonvalescentenheimen und den Krankenhäusern im Innern der Stadt hergestellt zu sehen wünscht. Der Korreferent Professor Ewald beschränkte sich auf einige Mitteilungen über die Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten. Ihre Wirksamkeit würde eine noch weit bessere sein, wenn nicht materielle Gründe meist zu einer Abkürzung des Ausenthalts führten. Ein ganz andres Bild, als die drei ersten, bot das vierte Referat, welches die T u b e r i u l o s e- B e k ä m p f n» g durch W o h- nungsfürsorge behandelte. Bis dahin waren Männer der Wissenschaft zum' Wort gekommen, welche die Ergebnisse ihrer Forschungen im Interesse der socialen Fürsorge verwerteten, und die diese Art der Verwertung als Selbstzweck betrachteten. Jetzt erhält das Wort der preußische Landral, der auch i» seiner Art sociale Fürsorge treibt, aber von dem höheren Gesichtspunkt aus, daß durch die sociale Thätigleit derUmsturz" bctümpft und dieAutoritäten" gestärkt werden müssen. Dr. Hehd- w e i l l e r, der Landrat deS Kreises Lüdenscheid mein Kreis" nannte ihn der Redner im Laufe seiner Ausführungen hob ein- leitend hervor, daß das erste Ziel einer aus die Bekämpfung der Tuberkulose gerichteten Bewegimg die Beschaffung gesunder Arbeiter- wohnunaeu sein müsse. In immer weitere Kreise dringe dann auch diese Erkenntnis. Das Reich betrete ja jetzt schon aktiv de» Weg der Wohnmiftsfürsorge, Miqnel habe ähnliches für Preußen ver- sprachen, und auch zahlreiche Arbeitgeber seien in gleicher Richtung thätig. Ader man müsse die WohnungSfürsorge nach den örtlichen Verhältnissen einrichte». Glücklicherweise sei ja nicht überall im Deutschen Reich der Gang der Kulturentwicklung der nämliche. Gott bewahre uns in de» Provinzen vor Berliner Kulturentwicklung! Für viele Teile Deutsch- lands, z.B. das Saarrevier, sei eS darum weit nützlicher, wohliv ollende Arbeitgeber für die Wohnungsfürsorge zu gewinnen, als gemeinnützige Bangenosseuschaften zu errichten. Wo entwickeltere Verhältnisse bestehe», da sind die Baugenossenschafte» am Platze: diese müssen aber ihre Aufgabe darin sehen, jeden Ar- bester selbst i» den Besitz seines Hauses zu setzen. Denn es sei notwendig, die Zahl der sich nur als Gattungswesen, nicht als Individuum fühlenden Menschen möglichst zu beschränke». Außer- ordentlich wichtig sei auch in den Bau genossen- sch asten eine führende Rolle des Arbeitgebers. Allerdings hat die Bereitwilligkeit der Arbeitgeber zu soctalcr' Mitarbeit unter dem Einfluß der poli« tischen Verhetzung der Arbeiter und der behördlichen Eingriffe sehr gelitten. Aber wenn, wenig- stens den wohlwollenden Arbeitgeber» gegenüber, der englische Grundsatz:mein Haus ist meine Burg" wieder mehr Platz greifen ivürde, dann würde das schon wieder besser werden. Die Wohuuugs- reform vertrage keine Schematisienuig und keine Rcglenientienmg von oben, sie erfordere aber die Mitarbeit aller Kulturträger im Volksleben, unter Führung der deuffchen Fürsten , Obrigkeit, Äircke, Schule, Volksvertretungen, Gemeinden, Wissenschaft, Aerzte, Arbeit- geber und Arbeitnehmer. Die Wohuungssrage wird entweder unter Mitwirkung aller dieser gelöst, oder sie wird dauernd«in