Die Gchnsucht nach dem ZnchthanSgesetz. SlnS Freiwaldau wird uns geschrieben: In den.Berliner Neuesten Nach- richten� klagte vor kurzem ein schlesischer Fabrikant über un- botmäßiges Verhalten seiner Arbeiter. Er fordert, um.Herr im Hause" sein zu können, ein Z u ch I h a u s g e s« tz. Da der verehrte Artikelschreibcr es vergessen hat. in seinem Artikel die Bezeichnung und den Sitz seiner Fabrik anzugeben, so wollen wir dies nachholen. Es� handelt sich um die Schlesische Dachstein-Falzziegel-Fabrik Aktiengesellschafl in Freiwaldau {Niederschlesien ). Und was haben die Arbeiter und Arbeiterinnen dieser Firma unternommen? Nun, sie haben sich zum weitaus größten Teil dem Verbände der Fabrik- Land- und Hilfsarbeiter und-Arbeiterinnen Deutschlands an- geschlossen, um gerade bei der Firma gegen das elende gedrückte Verhältnis der Arbeiter anzukämpfen. Als der Vor- sitzende der Freiwaldauer Verwaltungsstelle dieses Verbands blos wegen seiner Zugehörigkeit zum Verbände entlaiien wurde. Protestierten die Arbeiter dagegen, zu einem Streit ist eS nicht ge kommen, weil die Geschäftslage zu ungünstig war. Und darum nun Räuber und Mörder I Daß übrigens die Freiwaldaner Arbeiter und Arbeiterinnen alle Ursache haben, sich ihrem Verbände anzu schließen, beweist die Thatsache, daß in vergangenen Jahren beim Eintreten der kalten Jahreszeit regelrecht der Direktor Sturm, der Leiter des Unternehmens, Lohnabzüge machte, so daß Famrlienväler die schwere Arbeit zu leisten hatten, mit einem Wochenlohn von kl M. nach Hause gingen. Die Arbeiter sind weiter so anmaßend. daß sie Frühstücksstuben und Klcidcrräume verlangen, jetzt liegen die Kleider in allen Ecken der Fabrik und aus dem Hose herum DoS ist der Mann, der noch Sehnsucht nach einem Zuchthaus- gesetz hat. Käme ein Arbeiter zu dem Herrn, ihm seine Lage schildernd, so würde er gewiß mit einem Achselzucken antworten: »Wem eS nicht paßt, der kann gehen!" Ausland. Norwegischer Gewerkschaftskongreß. Die.Landsorgani- sation der norwegischen Gewerkschaften" hielt zu Ostern in Christiania ihre Landesversammlung ab. Durch tlv Delegierte waren 9 Centralverbände, 28 Lokaiorgonisationcn aus Christiania und 36 Lokalorganisationen aus den Provinzen vertreten. Dem Jahresbericht ist zu entnehmen, daß die gewerkschaftlichen Organi- sationen erfreuliche Fortschritte gemacht haben.— Um eine einheit- liche und planmäßige Agitation zu ermöglichen, wurde bc< schlössen, daß die verschiedenen Gewerkschaften ihre AgitationS- gelber zusammenschießen und dann die Agitation gemeinschaftlich betreiben sollen. In dem weitgestreckten Lande sind die Agitations- touren mit so großen Reisekosten verknüpft, daß dadurch die einzelnen Gewerkschaften zu sehr belastet werden.— Ferner wurde beschlossen, daß in Verbindung mit den Vorständen der verschiedenen Gewerk- schasten eine Vereinheitlichung der statistischen Auf- nahmen herbeigeführt werden soll� wie sie beim.Gesamtverband der dänischen Gewerkschaften" besteht. Zum Vorsitzenden und Geschäftsführer wurde an Stelle deS bisherigen Vorsitzenden D. Jensen der Maler A. P e d e r j e n gewählt und sein JahreSgehalt auf 1800 Kr. festgesetzt. Sociales. Die Einführung des Achtuhr- Ladenschlusses in Halle scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die dortige Polizei- Verwaltung erläßt eine Bekanntmachung, nach der bei ihr von 689 Ladenmhabern folgender Antrag eingereicht worden ist:«Die unterzeichneten Inhaber offener Verkaufsstellen{mit Ausnahme der Händler mit NahrungS - oder Genußmitteln, sowie mit Ausnahme der Blumen- oder Cigarren-Specialgeschäfte) in der Stadt Halle a. S. beantragen hiermit beim Herrn Regierungspräsidenten zu Merseburg die Herbeiführung des Achtuhr-LadenschlusseS an den fünf ersten Wochentagen und des N eu n u h r- L a d e n- schlusses an den Sonnabenden und Vortagen der Feste." Ein gleichartiger Antrag ist, wie es in der Bekanntmachung weiter heißt, auch von den Ladeninhabcrn der Lebensmittel- blanche eingegangen. Geheime Vehme. Der„Magdeburger Droguistenverein' sendet, bevor eines seiner Mitglieder einen Angestellten engagiert. an den letzten Prinzipal desselben eine» Fragebogen, der 39 Fragen enthält. Unter diesen befinden sich Fragen nach der„moralischen Führung", nach dem Grund des Austritts, nach dem Benehmen nach der Kündigung. Ferner wird der Herr Prinzipal gefragt, ob er Beweise über Unredlichkeiten oder auch nur Verdacht hege.' So geht die Fragestellung weiter bis in alle Einzelheiten über das Verhalten deS betreffende» Angestellten bei und außer der Arbeit. Dieses Cirkular ist für zahlreiche Angestellte selbstverständlich gleichbedeutend mit dem Nichtengagement; es ist nichts, als eine schwarze L i st e, die für ihn um so verderblicher wirkt, als ihm natürlich der Grund seiner Zurückweisung nicht mitgeteilt wird. Die diesjährige Konferenz der Zentralstelle für Arbeiter- WohlfahrtS-Einrichtungen wird am 6. und 7. Mai im SitzungS- saal der Gcmeindcbevollmächtigten im Rathanse in München statt- finden. Auf die Tagesordnung steht die Fürsorge für die männliche schulentlassene Jugend und zwar sollen im Specicllen die Thätigkcit der Arbeitgeber und der Vereine auf dem Gebiete der Jugendfürsorge behandelt werden. Die Vorberichte sind verfaßt von Professor Dr. Albrecht, Groß-Lichterfelde , Alkolb, Geschäftsführer des Wohl- fahrtsvereinS der Württembergischen Metallwarenfabrik in Geislingen , Generalsekretär Dr. Pieper in M.-Gladbach, Pastor Fritsch-Berlin und Benefiziat Sittlec-Münchcn. Gccichks�Icitunlg. Ein Abcntcncr auf der Polizeiwache beschäftigte gestern wieder einmal in vierstündiger Verhandlung die erste Strafkammer des Landgerichts I . Der wegen Widerstands gegen die Staats- gewalt und wiffenllich falscher Anschuldigung angeklagte Bank- buchhalter Wilhelm H a r t f i e l kann dieses Abenteuer als die Folge eines Zwischenfalls beim Skatspiel betrachten. Er saß an jenem Tage mit mehreren Herren in einer Restauration der Wallner- theater-Straße beim Skatspiel und bekam Streit mit einem Partner, der ihm angeblich in die Karten geguckt haben sollte. Der Wirt bemühte sich vergeblich, die Streitenden auseinander zu bringen. Der Angeklagte benahm sich so unpassend, daß man handgemein ivurde und auf ihn losschlug, und der Wirt sah sich schließlich genötigt, den Störenfried gewaltsam aus dem Lokal zu befördern. Er kehrte bald mit dem Schutzmann Neinecke zurück und verlangte kategorisch die Feststellung der Personen, die ihn geschlagen haben. Er begnügte sich dann nicht dannt, verlangte vielmehr in lautem Tone noch allerlei von dem Schutzmann und wurde schließlich gegen diesen so ans- fallend, daß der Beamte ihn zunächst ennahnte, sich ruhig zu verhalten und schließlich, als er sehr laut wurde, ihn nach der Woche des 22. Polizeireviers in der Holzmarktstratze sisiieren wollte. Nachdem der Angeklagte unterwegs dem Schutzmann noch verschiedene erregte Vorhaltungen gemacht hatte, ersuchte er ihn, von der Sistierung Abstand zu nehmen und die Sache auf sich beruhen zu lassen, der Schutz- mann lehnte dies ab und nun nahm der Angeklagte die Gelegenheit wahr, Reißaus zu nehmen. Durch Zufäll fing ihn aber der Schutzmann wieder ab, faßte ihn nunmehr am Ann und führte ihn so auf die Polizeiwache. Nach der Behauptung des Schutzmanns hat er unterwegs versucht, sich loszureißen und dabei zu dem Beamten gesogt:„Lassen Sie mich los. sonst schlage ich Sie mit meinem Stock!" Me es ihm auf der Polizeiwache angeblich ergangen sei, hat er in einer Beschwerde an den Polizeipräsidenten, die die Unterlage der Anklage bildete, geschildert. Er behauptet, daß er von dem Schutzmann ohne Grund arretiert und in nachdrücklichster Weise am Arm gepackt worden sei. Auf der Treppe habe ihn der Schutzmann im Genick gepackt und kräftige Püffe versetzt, die er sich nicht habe gefallen lassen wollen. Oben habe der diensthabende Wachtmeister den Schutzmann in wegwerfendem Tone gefragt, was er da für einen„Burschen" bringe, und darüber sei es zwischen ihm und dem Beamten zum Konflikt gekommen, da er sich eine solche Beleidigung verbat. Der Wachtmeister habe dann angeordnet, daß er in die Zelle gebracht werden solle, man habe aber auf seine Bitte wieder davon Abstand genommen. Als dann einer der in der Wachtstube Skat spielenden Schutzleute über ihn die Aeußerung gemacht:„Wer weiß, wo Sie schon gesessen haben", habe er sich dies wieder nicht §efollen lassen wollen und da habe ihm ein Schutzmann einen au st schlag in das Aug« gegeben und angeordnet .Schmeiß: ihn doch in die Zelle I " Das sei dann auch erfolgt. Auf dem Gange noch der Zelle habe er von h i n t e n so heftige Schläge bekommen, daß er lauteS Schmerz e'nSgeschrei, was jeder habe hören müssen ausgestoßen, dann habe man ihn gewaltsam in die Zelle geschoben Am nächsten Morgen habe er den Reviervorstand, Polizeilieutenant Palm, aufgesucht, um sich bei ihm zu beschweren, er habe aber davon Abstand genommen, da der Lieutenant dies als „Mumpitz" bezeichnet habe, und habe eS vorgezogen, sich direkt bei dem Polizeipräsidenten zu beschweren.' Polizeihauptmann Guerecke hat dann umfangreiche Vernehmungen stattfinden lassen und sein Augenmerk darauf gerichtet, daß eS nicht so aussehe. als ob irgend etwas vertuscht werden solle. Er war besonders scharf in seinen Vernehmungen, da es sich um ein Revier handelte in welchem schon einmal ein Schutzmann wegen Miß- Handlung verurteilt worden ist. DaS Ergebnis war. daß die jetzige Anklage gegen den Beschwerdeführer erhoben wurde Der Angeklagte blieb vor Gericht beharrlich dabei, daß seine Be Ichwerde durchaus den Thatsachen entspreche, und berief sich auf einige Zeugen dafür, daß er unmitlelbar nach dem Vorfall die blauen Flecke am Auge und die Druckflecke am Arm gezeigt und gesagt habe, daß er auf der Wache geschlagen worden sei. Demgegenüber bekundeten zwölf als Zeugen vernommene Schutzleute übereinstimmend, daß der Angeklagte nicht mißhandelt worden sei und auch keine Schmerzensruse ausgestoßen habe. Er habe laut lärmend das Wachtlokal betreten, dort gedroht, mit dem Stocke zu schlagen und auch mit dem Stocke heftig auf den Tisch geichlagen. Richtig sei eS, daß der Wachtmeister das Wert .Bursche" habe fallen lassen und daß auch schließlich die Rede Wendung gebraucht ivorden sei:„Schmeißt ihn in die Zelle", Alle sonstigen Behauptungen des Angeklagten seien unwahr; bei seinem Verhalten sei die Uebersührung in die Zelle durchaus gerechtiertigt gewesen. Der Angeklagte unterließ fast bei keinem der vernommenen Schutzleute die dringende Bitte,„doch die Wahrheit zu sagen", da ja jeder von ihnen gesehen hoben müsse daß er geschlagen worden und auch seinen Schmerzens icheei unbedingt gehört haben müsse. Die Schutzleute blieben aber bei ihren gegenteiligen Auslagen Auch Polizeilieutenant Palm bestritt entschieden, dem Angeklagten gegenüber das Wort„Mumpitz" gebraucht zu haben, — Mehrere Zeugen gaben es als leicht möglich zu. daß der An- geklagte die Verletzungen schon bei dem Handgemenge im Restaurant erhalten baben könne.— Noch den Ergebnissen der Beweis- aufnähme beantragte Staatsanwalt H e I l w i g die Verurteilung deS Angeklagten zu drei Monaten Gefängnis,' Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d t hielt dagegen nicht nachgewiesen, daß die in der Be- schwerde aufgestellten Behauptungen des Angeklagten objektiv falsche waren denn immerhin sei doch die eine von ihm behauptete Be> leidigung durch Anwendung des Wortes„Bursche" zugegeben und es sei auch nicht anzunehmen, daß bei einem solchen Renconkre die Schutze Teilte sich einer besonderen Zartheit befleißigen werden. Jedenfalls könne nian nach der subjektiven Seite hin annehmen, daß der Angeklagte von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt gewesen sei — Der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten nur wegen Wider stands zu einer Woche Gefängnis und sprach ihn von der w i s j e n t l isch f a l s ch e n A n s ch u l d i g u n g frei. Der Gerichts Hof nahm zu seinen Gunsten an, daß er die Vorgänge, die auf der Kneipe und im Wachtlokal passiert sind, vermischt und ver- quickt und daß ihm bei Abfassung der Beschwerde das Bewußtsein von der Unrichtigkeit der Thatsachen nicht innegewohnt habe. Aus den Verhandlungen des Frcimacher- ProzcssrS in Elberfeld ist folgende Bekundung des Zeugen Kriminalkommissars, Koch{Düsseldorf ) interessant: Bei Beginn der gegenwärtigen Unter- suchung habe er sich zu der Angeklagten Dieckhoff begeben und sich dieser als Oberstabsarzt a, D. Dr. Hoppe aus Minden vorgestellt. Die Frau erzählte ihm: Ihr verstorbener Mann habe sich mehrfach mit Frei- machen beschäftigt. Ihr Mann habe hauptsächlich die Schtvgche» der Militärärzte benutzt und die jungen Leute dort hingesandt, wo will- fährige Aerzte die Aushebung besorgten. Der Staat verschulde eS selbst, daß sich die Militärärzte zur Freimocherci her- geben. Diese können doch nicht mit 800 M. JahreSgehalt als Offiziere leben. Noch zuLcbzeitcn ihres Manns sei sie einmal von einer 'rau Oberstabsarzt besucht worden. Diese habe sie gebeten, ihren influß geltend zu machen, daß ihr Mann den Oberstabsarzt nicht ferner in seiner Wohnung besuche. Diesem Oberstabsarzt hätten sie einnial einen Waggon Kohlen gesandt. Das Gespräch sei auch auf Strucksberg gekommen. Frau Dieckhoff sagte: Man braucht durch« aus nicht alles zu sogen. Strucksberg scheint an„Maulfechterei" gelitten zu haben, sonst hätte nian ihm und seinen Mitangeklagten nichts anhaben können. Wenn man den Mund halte, sei nichts zu befürchte». Ihr Schivager Wilhelm Dieckhoff. der auch„Frei- macherei" betrieben habe, sei bedeutend schlauer als ihr Mann gewesen, derselbe sei auch freigesprochen worden.— Präs.: Hatten � ie den Eindruck, daß die Dieckhoff die Wahrheit sagte?— Zeuge: Vollkommen, die Dieckhoff. die ungemein fließend sprach, schien mich für eine» Militärarzt zu halten, der ebenfalls in die Untersuchung verwickelt sei, deshalb sagte sie wohl auch: wenn man den Mund halte, sei nichts zu befürchten. Sie wollte mich augenscheinlich beruhigen.— Präs.: Nun, Frau Dieckhoff. was sagen Sie dazu?— Angekl.: DaS, waS der Zeuge hier bekundet hat, ist in» allgemeinen richtig, ich habe aber demselben lediglich das erzählt, was ich von meinem Manne gehört hatte.— Präs.: Wußten Sie, wer der Herr sei?— Angekl.: Ich ahnte nicht, daß eS ei» Spion sei. Der Herr stellte sich nur als Oberstabsarzt a. D. Dr. Hoppe aus Minden vor. ich zweifelte nicht an der Wahrheit dieser Angabe. Aus Elberfeld meldet uns ein Privat-Telegramm vom Freitag, daß der Arzt vr, wsä. Schulz in Köln unter dem Ver- dacht der Freimacherei verhaftet worden ist. Vevfammlunsen. Tie Lntcrnentvärter Berlins hielten am 9. d. M. in Stecherts Lokal eine öffentliche Versammlung ab, in welcher die ablehnende Antwort des Magistrats auf die von dem ArbeiterauSschuß gestellten Forderungen einer scharfen Kritik unterzogen wurde. Die betreffende Antwort lautet: 1. Der Antrag betreffend Beschaffung von UnterkunstSräumen für sämtliche Latcrnenwärter muß vorläufig abgelehnt werden. Aller Bemühungen der unterzeichneten Direktion ungeachtet waren in städtischen Gebäuden UnterkunftSräume nicht zu beschaffen, auch haben sich in privaten Grundstücken geeignete Mietsräume nicht ermitteln lassen. 2. Der Anspruch auf eine allgemeine Lohnaufbesserung erscheint als durchaus unbegründet. Wenn auch zugegeben werden kann, daß infolge der Einführung der Gasglühlicht-Beleuchtiing beim Putzen und Reinigen der Laternen gegen früher eine etwas' größere Sorg- falt beobachtet werden muß. so wird der für die Laternenwärter dadurch entstehende Zeitverlust durch die jetzt bei weitem einfachere Art des Auzündens und Löschens der Laternen zum mindesten auf- gewogen. 3. Was die Weiterzahlung der Besoldung der Laternenwärter bei event. Erkrankungen betrifft, so muß eS dem pflichtmäßigen Er- niesten der unterzeichneten Direktion unter Prüfung von Fall zu Fall überlasten bleiben, welche Maßnahmen zu treffen sind. gez. Fürst. gez. Schimming. Der Referent S o c r s ch führte der Versammlung vor Augen. wie hartnäckig sich die betreffende Behörde jeder in den letzten Jahren gestellten Forderung der Anzünder entgegenstellte, wie be- sonders bei der letzten Forderung der UnterkunftSräume und der allgemeinen Lohnaufbesserung die oberste Behörde sich mit den technischen Leitern im Beleuchtungswesen in Widerspruch setzte. Die technischen Leiter erkennen die Forderungen als berechtigt an und befürworten dieselben. Tie Gasdeputation lehnt dieselben aber mit nichtssagenden Einwendungen ab. Redner ermahnt die Ver- sammelten, an den gestellten Forderungen festzuhalten, bis die- selben zur Durchführung gelangt sind." Auch von den nachfolgenden Rednern wird die ablehnende Antwort in scharfen Worten getadelt und dabei erwähnt� wie bei einer Unterredung mit einem Anzünder der Herr Stadtrat Namslau sagte: Glauben S:e sicher, mir liegt das Wohl eines jeden Arbeiters am Herzen l Warum liegt nun nicht einmal die Gesund- heit der Anzünder dem Herrn Stadtrat Namslau am Herzen, die glaubwürdig behaupten, ihre Erkrankungen sich meist aus den frei- liegenden Sammelplätzen zugezogen zu baben. Wenn gesagt wird, daß sich in öffentlichen und privaten Gebäuden iolche Räume nicht beschaffen ließen. so baue man Buden auf öffentlichen Plätzen, wie eS die Anzünder in ihrer Forderung auch verlangt haben.— Geradezu unbegreiflich erscheint die Ablehnung der Lohnaufbesserung. Wenn dieier gegenüber angegeben wird, das Anzünden und Lolchen der Laternen erfordere jetzt weniger Zeit als früher, io ist d-es gerade Gegenteil der Fall. Es brauchen nur einige Flammen zu versagen oder durchzuschlagen, was sehr oft vor- kommt, so muß erst die Leiter geholt werden, und das Anzünden dauert dann statt einer halben vielleicht eine ganze Stunde. Und wie steht«S nun mit der Nachlrube, welche die Anzünder im Sommer doch fast gänzlich entbehren müssen. In jedem Fabrikbetrieb wird die Nachtarbeit besser bezahlt als die Tagesarbeit, bei den Anzündern aber nicht. Wie kann man d-nn verlangen, daß die Anzünder, die deS Nachts auf dem Posten sein müssen, nun bei Tage noch ge- nügend Kraft besitzen, ihrer Nebenbeschäftigung nachzugehen; das können sie doch wiederum nur auf Kosten ihrer Gesundheit. Wenn Herrn Stadtrat Namslau das Wohl der Anzünder wirklich am Herzen liegt, so sorge er dafür, daß die Anzünder besser besoldet tverden. denn bei einem Lohn von 60— 75 M. pro Monat kann eine Familie unter heuligen Verhältnissen doch kaum noch vegetieren. Die Lalernenlvärtcr protestieren ferner dagegen, daß jedesmal, wenn die Anzünder Forderungen stellen, man dieselben darauf hin- weist, daß in kürzester Zeit die Laternenwärter doch über- flüssig werden durch sogenannte Fernzünder-Einrichtnngen. Die Laternenwärler wissen ganz genau, daß es der Technik niemals gelingen ivird, eine Maschine zu erfinden, welche die Laternen selbstthätig putzen und bei eintretendem Frost auch austauen kann. Folgende Resolution fand einstimmige An- »ahme:„Die heute versamnielten Laterncnivärter Berlins erklären, sich mit der Antlvort des Magistrats auf ihre gerechten Forderungen nicht zufrieden geben zu können. Dieselben beauftragen den Ar- beiterauSschutz. die gestellten Forderungen mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur Durchführung zu bringen." Der Arbeiter- auSschuß der Laternenwärter hat beschlossen, nunmehr bei dem Herrn Oberbürgermeister Kirschner vorstellig zu werden. Etwa Tchuhmachcrmeister{Jnmmgsmeister) und etliche Besohlanstalts-Besitzer waren Donnerstag bis spät nach Mitternacht in Dräsels großem Festsaal. Neue Friedrichstraße, versammelt, um über die Annahme oder Ablehnung des aufgestellten Lohntarifs Be- schluß zu fassen. Nachdem der Obermeister V i e r b a ch diese außerordentliche Generalversammlung erösinet, erteilte er zunächst dem Meister Rothbarth das Wort. der in längerem Vortrag ausführte, daß sich die Gesellen in derselben traurigen Lage wie ein großer Teil der Meister befinden, eine Aufbesserung der Preise und Löhne sei unbedingt geboten, die Gesellen müßten täglich einen Thaler verdienen, das beanspruche heute schon jeder ungelernte Arbeiter. Der aufgestellte Tarif halte sich in mäßigen Grenzen, da man darauf Rücksicht genommen, daß man es nicht nur mit den besser Situierten zu thu'n. sondern auch mit der großen Masse, den Arbeitern, die ans gutes Schuhzeng halte. Nachdem noch etwa zwanzig Redner, darunter mehrere vom Gesellenausschuß, zum Worte gekommen und einige Besohl- anstaltS- Besitzer geltend zu machen suchten, daß sie die im Tarif aufgestellten Lohnsätze unmöglich innehalten könnten. wurde der Lohntarif mit allen gegen die Stimme eincS Besohlanstalts- Besitzers angenommen. Der Mindestwochcnlohn für de» Gesellen ist 20 M. bei lOsiündigcr täglicher Arbeilszeit. der Stundenlohn auf 40 Pf. festgesetzt. Jeder Geselle für„Matz- arbeit" bekommt einen Mindestlohntnrif und darf nicht unter den darin festgesetzten Löhnen arbeiten. Viele Tausende Plakate sollen seitens der Innung unter der Berliner Bevölkerung verteilt werden, Ivorin dieselbe aufgefordert werde, nur auf gute Schuhwaren ihr Augenmerk zu richten, damit der Ausspruch„billig und schlecht" auf letztere in Berlin keine Anwendung mehr finden könne. Sociale Nechtspflegr. Die nicht nenucnSwerte Unfallsolge. Der Ziegelei-Arbeiter Bröckel hatte durch einen Betriebsunfall ein und ein halbes Glied deS linke» Zeigefingers verloren. Die Ziegelei- BerufSgenossenschast lehnte eS jedoch ab, B. eine llnfallrente zu gewähren, indem sie annahm, der Verletzte sei nur in„wirtschaftlich nicht meß- barer" Weise in seiner Ermerbsfähigkcit beschränkt. Da- gegen gewährte sie für einige Zeit monatlich vier Mark lliiterstützung. B. legte Berufung ein und wandte sich, als das Rechtsmittel verworfen wurde, an daS Reichs» Ver- ' i ch e r u n g s a m t. Dieses hatte nicht nur über die Erwerbs- Unfähigkeit zu befinden, sondern auch über einige formale Bedenken. Der Senat ging aber auf letztere nicht ein. sondern wies den Rekurs mit der Begründung zurück, daß der Anspruch deS Verletzten auf keinen Fall anerkannt werden köunte. Die ärztlichen Gutachten, auf die es ankomme, stimmten darin üoerein. daß B. nur etwa um 5 Proz. in seiner Erwerbs- fähigkeit beschränkt sei, da eS sich um den linken Zeigefinger eines Rechtshänders handle. Für solche„nicht nennenswerten" Schädigungen brauchten die Berufsgenossenschaften Unfallrcntcn n i ch t zu gewähren._ Uchte Llachcichkett und Vcpefchen. TyphuS im Heere. München , 12. April. Die„Korrespondenz Hoffmann" meldet amtlich: Beim 2. Bataillon des in Metz garnisonierenden bayerischen 8. Jnfanterie-RegimentS traten seit Ende vorigen Monats gleich- artige fieberhafte Erkrankungen in großer Zahl auf, die nach ihrem Verlauf als Unterleibstyphus bezeichnet werden müssen. Die Epidemie hat in den letzten Tagen großen Umfang angenommen, o daß die als Typhus festgestellten Zugänge am 12. dieses Monats die Zahl von 260 erreichten. Das Bataillon ist anf Fort Manteuffcl untergebracht, in dessen Umgebung unter der Civilbevölkernng Typbus nicht selten vorkommt. Eine im benacbbarten Scblosie Grimont untergebrachte Abteilung des gleichen Bataillons, welche andres Trinkwasser bezieht, ist bisher von dieser Krankheit verschont geblieben. Für die Pflege der Erkrankten, wie gegen die Wcitervcrbreitung der Seuche wurden die unifaffcndsten Maßnahmen getroffen._ Frankfurt a. M., 12. April. (SB. T. B.) Infolge starker Regengüsse in Unterfranken steigt der Main weiter. Hier sind die Maininsel und die vorderen Uferstellen überschwenunt. Wie die Abendblätter melden, ist der Rhein bei Mainz sowie bei Bingen oberhalb des Dorfs Gaulsheim Über seine Ufer getreten und hat an letzterer Stelle das ganze Wiesengclände mehrere Kilometer weit überschwemmt. In Bingen dringt das Wasser in die tiefer gelegene» Keller. DaS Wetter ist noch immer regnerisch. Marseille , 12. Slpril.(©. H.) Im hiesigen Hafen wird wieder voll gearbeitet. Die zur Verstärkung herbeigezogenen Militärtruppcu und die Gendarmerie haben die Stadt wieder verlassen. Belgrad , 12. April. (W. T. B.) Nach der am 31. Dezbr. 1900 stattgehabten Volkszählung beirug die Einwohnerzahl Serbiens 2 636 066. Die Bevölkerung hat in den letzten fünf Jahre» hiernach um 181 286 Einwohner zugenommen. Belgrad hatte nach der letzten Zählung 70516 Einwohner. Verantwortlicher Redacteur- Heinrich Wetzker m Gr.-Ltchterfelde. Für den Inseratenteil verantwortlich: Th. Glocke in Berlin . Druck und Verlag von Max Babing in Berlin . Hierzu% Beilagen.