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Treffend richtete der Abg. G othein(frs. Vg.) im Laufe der Debatte an die Negierung die Frage, ob denn nicht auch andre Berufsstände leiden oder ob etwa das Notleidcn ein Vorrecht des großen und befestigten Grundbesitzes sei. Auf die Mühle der Agrarier bedeutet das Verfahren der Regierung natürlich neues Wasser. Ihre Wortführer, Graf Kunitz, Frhr. v. E r f f a und v. Mendel-Steinfels, gaben der Regierung nicht nur völlig recht, sondern kündeten auch einen Antrag an, durch welchen sie für die Zukunft noch weitere Ausnahmetarife für die Landwirte, aber nicht für die Händler verlangen. Wie bedenklich das Verhalten der Regierung ist, das beweist die Thatsache, daß sogar Abg. Frhr v. Zedlitz(fk.), obwohl er es rechtlich für unanfechtbar erklärte, es doch volkswirtschaftlich für bedenklich hielt, daß hier mit dem Grundsatzgleiches Recht für alle" gebrochen iverde. Ab- fällig kritisierte außer den Freisinnigen auch der Abg. Zuckschwerdt(natl.) die Maßnahmen der Eisenbahn- Verwaltung. Nach Erledigung der Interpellation beriet das Haus den Antrag Dr. Langer Hans(frs. Vp.) u. Gen., betreffend Einführung der f r e i w i l li g e n Feuerbestattung. Den Gründen des Antragstellers Dr. Langerhans trat der konservative Schall in einer Rede entgegen, die den Gipfel des Widersinns bedeutet und die selbst bei den Freunden des frommen Pastors Äopfschütteln erregte. Auf die Schallschen Ausführungen einzugehen, hieße diesem Herrn zu viel Ehre anthun. Die übrigen Redner, die zu dem Antrage noch das Wort ergriffen, blieben völlig unverständlich. Es war nämlich im Häufe plötzlich die Nachricht verbreitet, daß am Freitag eine gemeinsame Sitzung beider Häuser des Landtages stattfinden solle, und diese Nach- richt erregte die Gemüter so sehr, daß sich überall Gruppen bildeten, die lebhaft die Frage Schlust der Session oder Auflösung? erörterten. Offiziell war die Einladung zu der gemeinschaftlichen Sitzung noch nicht ein gelaufen, und so konnte der Präsident nach Ablehnung des Antrags Langerhans in der gewohnten ruhigen geschäfts mäßigen Art die Sitzung schließen und für Freitagnachnrittag l Uhr eine neue Sitzung anberaumen, in der u. a. die Vor läge betr. die Zusammenlegung von Grundstücken in F r a n kf u rt a. M. beraten werden soll. Doch dürfte es schwerlich dazu kommen. *** Deutsches Jteich. Die wirtschaftliche Lage. Man schreibt uns: Die schlechten Nachrichten halten an. Von« Siegerländer Eisen markt wird jetzt gemeldet, daß das FriihjahrSgeschäft bisher nicht den Erwartungen entsprochen habe In einzelnen Zweigen nur ist eine Besserung eingetreten, die sich jedoch nicht auf alle Betriebe ausgedehnt hat. Auf den Hütten nehmen die Vorräte zu, so daß ein Teil der Hütten wiederum den Betrieb einschränken mußte. Infolgedessen sind einzelne Gruben in Mitleidenschaft gezogen, bei denen der Versandt im selben Maße nachgelassen hat. Die Preise sind zwar vorläufig noch nicht wieder gesunken, doch stockt vollständig der Abschluß neuer Geschäfte, da die Verbraucher meistens auf Jahre hinaus über den Be darf gedeckt sind. Das Rheinisch-westfälische Kohlen s y n d i k a t läßt die 10 p r o z e n t i g e F ö r d e r e i n s ch r ä n k u n g vorläufig bis E n d e I u n i bestehen und denkt auch über diesen Zeitpunkt hinaus nicht an eine Belebung des Geschäfts, denn es richtet an die Zechen das Ersuchen, die Herstellung von Coakskohlen nach Möglichkeit eiuzuschränken. So glauben die Syndikate noch immer die Preise durch Produktionseinschränkungen halten zu kviinen, trotz aller Proteste der Industrie, die angesichts der sinkenden Preise für Fertigfabrikate bei den hohen Preisen der Rohprodukte in immer größere Schwierigkeiten gerät. Bereits wendet sich der StettinerVulkan" in seinem eben erschienenen Jahresbericht gegen die Syndikatspraxis, indem er sagt:Das starre Festhalten an den hohen Preisen für Kohle und Coaks von feiten der Berg werke, und die vielen noch schwebenden sehr drückenden Syndikats- vertrage über Roheisen wirken ä u ß e r st lähmend auf die allgemeine Lage der Großgewerbe ein und lassen den sehr er- wünschten Aufschwung nicht zum Durchbruch kommen." Auch in der Handelskammer zu Kassel sich heftig gegen die Syndikatspraxis erhoben. Der erstatter führte aus, daß das Syndikat die preise seit dem Jahre 1894 um 60 Prozent habe und durch die von ihm gebildeten Unterverkaufs-Vereine den Markt völlig beherrsche. Die Handelskammer nahm nach längerer Erörterung folgende Resolution an:Die Handelskammer hält die Festsetzung der Preise von Jndustriekohlen für Neuabschlüsse seitens des Rheinisch-Westfälischen Kohleusyndikats nicht im Einklang mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage der In d u st r i e und hält im Interesse einer leichteren Ueberwindung der geschäftlichen Depression eine Herabsetzung der Äohlenpreise für dringend wünschenswert." Die Syndikats- kapitalisten denken aber nicht daran, diesen Forderungen der Industrie zu entsprechen. Das gewaltsame Mittel der Zurückhaltung der Kohle durch Fördereinschräiikung ist für sie die einzige Möglichkeit, den Preissturz aufzuhalten, da neuerdings auch das Ausland aufhört, die zu niedrigen Preisen abgelassenen deutschen Kohlen- und Coaksmengen abzunehmen. So nehmen Rußland und Spanien , wohin von dem Rheinland aus mehrere hiinderttausend Tonnen Coaks verkauft wurden, die gekauften Mengen nicht ab. In Belgien wurde vom dortigen CoakSsyndikat die ProduktionS- einschränkung für den M a i auf 61,7 Prozent festgesetzt. Von Wichtigkeit ist für den deutschen Markt auch der Umstand, daß in England die Coakspreise wesentlich gesunken sind, indem dadurch die deutsche Coaksausfuhr erschwert wird. Das luxemburgische Roh- eiscn-Shndikat arbeitet augenblicklich mit einer Produktions- einschränkung von 26 Prozent und die deutschen Hüttenwerke mit einer solchen von 1016 Prozent. die hat man Bericht Kohlen- erhöht Neubildung des Militärkabinetts Wilhelms U. Das Militärkabinett des Kaisers, das einen größeren Einfluß aus die Politik hat, als die verantwortliche Regierung, ist umgestaltet worden. Der vortragende Geiieraladjutant v. H a h n k e ist unter Eut- Hebung von der Stelle des Chefs deS Militärkabinetts zum Oberbefehlshaber in den Marken und z u ni Gouverneur von Berlin ernannt. An seine Stelle� als Chef des Militär- kabinetts tritt der Generalmajor Graf v. H ü I s e n- H ä s e I e r. Der General der Infanterie jv. B o m s d o r f f, bisher Gouverneur von Berlin , ist mit Pension zur Disposition gestellt worden. General - major v. V i l l a u m e, bis zu Ende April in seiner Stellung als Chef im Militärkabinett belasse», hat die«stelle des Direktors des CenlraldepartementS im Kriegsministerium jetzt übernommen. Deutschlands Isolierung. Die letzte Lorbecrsuche der deutschen Truppen in China hat nunmehr auch den letzten Liest derEinigkeit" derKultur"mächte zerstört. Sehr scharf äußern sich englische Blätter über das eigenmächti Vorgehen Deutschlands . So behaupten dieTimes", daß die beutst Politik, die unfähig fei, fremdes Wesen zu verstehen, statt! Provinz zu beruhigen, deren größeren Teil in Anarchie versetzt habe Die Unordnung sei so vollkommen, daß selbst die Nachbarschaft von Peking sür Ausländer und Christen jetzt unsicherer sei, als irgend einer Zeit seit deren Besetzung durch die fremden Truppe». Der Handel im Innern sei gelähmt; die chinesische Polizei sei ensi waffuet worden, so daß die Räuber und Boxer den stemden Truppen leicht entschlüpfen und das wehrlose Landvolk straflos ausplündern können. In jedem Monat nehme die Unruhe zu. Die Wieder herstellniig der chinesischen Territorial-Jurisdiktion sei eine ge bieterische Notwendigkeit. Die deutsche Expedition nach der großen Mauer habe Peking verlassen, ohne daß die britische Gesandtschaft oder der britische General vorher davon in Kenntnis gesetzt worden wäre, so daß kein britischer Offizier sie begleiten konnte. UndDaily Graphic" äußert: Ob der Kampf überhaupt nötig war, ist zw ei fei Haft. Es ist nicht wenig bezeichnend, daß die Franzosen , welche die Deutschen auf ihrem Marsch begleiteten, an dem Gefecht nicht teilnahmen. Wir können sicher sein. daß dies nicht infolge der Einwilligung des französischen Kommandanten, die zweite Violine zu spiele», geschah. Die Franzosen sind so nicht beschaffen, wie sie auf dem Marsche der Verbündeten nach Paotingfu hinreichend zeigten. Ihre Ufr thätigkeit war wahrscheinlicher durch Befehle' von Paris ver aulaßt. woselbst man die weise Ansicht zu hegen scheint daß sich leine Feindseligkeiten rechtfertigen ließen, wenn man dem chinesischen General hinreichende Gelegenheit ge boten hätte, dem kaiserlichen Befehl zum Rückzug zu ge horchen. Wenn natürlich Graf Waldersee überzeugt war, daß General Lin die Mächte absichtlich herausforderte oder daß ein Rückzug der Chinesen, ohne daß sie bestrast worden wären deni Prestige der Verbündeten geschadet haben würde, so that er vollständig recht daran, das Gefecht zu liefern. Im großen und ganzen aber muffen wir gestehen, wir hegen Besorgnis daß die Deutschen allzu bereit sind, in China ihre militärische Tüchtigkeit zu demonstrieren. Inzwischen bereiten die stemden Mächte ihren Abzug aus China vor. Der französische General Voyron begiebt sich nach Tientfin, wo er sein Hauptquartier aufschlagen wird, um die Zurückziehung der französischen Truppen zu überwachen, welche gemäß dem Wunsche der fremden Gesandten, daß mit der teilweisen Reduktion der verbündeten Streitkräfte unverzüglich begonnen werde, all mählich erfolgt. Dieglorreichen" Siege Waldersees werden nur den einen Erl folg haben, daß die Handelsbeziehungen zwischen China und Deutsch land völlig vernichtet werden. Außerdem wird man natürlich in Europa hinfort der Friedens liebe Deutschlands mißtrauen. Krieg im Friedru. Breslau , 30. April. Das ObcrkriegSgcricht des Vi. Arnieccorps verurteilte den Füsilier Wilhelm Siegert vom Jnfnnterie-Regiment Nr. 38 in Glatz wegen vorsätzlicher körperlicher Mißhandlung von drei Civjlisten unter recktswidrigcm Gebrauch der Waffe zu drei Monaten Gefängnis. S. hette angetrunken in Maticheikowitz mit den Arbeitern Warjusch, Barak und Getrusch ohne Grund Streit angefangen, das Seitengewehr gezogen und den einen Arbeiter mit der scharfen Seite auf den Arm geschlagen, dem andren an Kopf und Rücken große Wunden beigefügt, de» dritten Arbeiter auf den Kopf und ins Gesicht geschlagen, daß er ohnmächtig in einer großen Blutlache gefunden ward.' Hnnnrnchokolade. Die deutsche Kultur ninimt reißend zu Jetzt giebt, zur Versitllichung der Kinder, diedeutsche" Finna Theodor Hildebraud ihren in Automaten verkäuflichen Chokoladcn täfeichen Bilder zu, die Metzeleien aus dem Chinozng anschaulich schildern. So ist beispielsweise in derChina-Serie" die Einnahme von Takn dargestellt: deutsche Seesoldaten stechen die Chinesen mit ihren Bajonetten nieder, als handelte es sich um freche Berliner . Einer der Tapferen bearbeitet wutverzerrten Gesichts einen bereits am Boden liegenden Chinesen mit dein Baionett Pardon wird nicht ge- geben. Der Kommandeur, mit schneidigem Haby -Bart geschmückt, feuert die Soldaten zum Draufgehen an.' Wer seine Kinder nach den Anschauungen der Humanität zu er- ziehen sucht, hüte sie vor den Automaten mit Hildebrandschcr deutscher Hnnnenchokolade I Kaiserbesuch in Elsaff-Lothriugen. Aus Straßburg wird uns vom 30. April geschrieben: Bei der Beurteilung der verfasiungsmäßigen Verhältnisse deS Reichslands hat sich diesseits wie jenseits des Rheines von jeher eine erstaunliche Naivetät geltend gemacht. In ganz besonderem Maße zeigt sich dies wieder bei den Kombinationen, die an den für die zweite Maiwoche zu erwartenden mehrtägigen Aufenthalt Kaiser Wilhelms in Straßburg geknüpft worden sind. Der Umstand, daß der Kaiser gerade den 10. Mai, den dreißigsten ErinnerungStag an den Abschluß des Frankfutter Friedens, in der Hauptstadt des Landes derwiedergewonnenen Brüder" zubringen wird, hat den Kombinotionspolitikern hier wie m Altdeutschland Anlaß zu der Vermutung gegeben Wilhelm II. werde diese Gelegenheit zur feierlichen Pro- klamation der Aufhebung des sogenannten Diktatur-Paragraphen benutzen. Wenn nun auch eine derartige Vermutung angesichts der bekaimte» Vorliebe des Kaisers, besondere historische Anlässe zu wirksamen Kundgebungen zu verarbeiten, nicht gerade der Begründung entbehrt, so fehlen ihr anderseits doch alle verfassungsmäßigen und staatsrechtlichen Grund- lagen. Man sollte wissen, daß der Kaiser, selbst wenn er wollte. gar nicht die verfassungsmäßige Zuständigkeit besitzt, das zu thun, was man von ihm am 10. Mai erwartet. Die den sog. Diktatur-Paragraphen enthaltenden Gesetze vom 30. Dezember 1871 bezw. 4. Juli 1879 sind Reichsgesetze und als solche durch daS Znsammenwirken von Reichstag und Bundesrat i u stände gekommen. Zu ihrer Abänderung oder Aufhebung bedarf es also ebenfalls eines übereinstimmenden Beschlusses dieser beiden gesetzgebenden Faktoren. Seilens des Reichstags liegt nun eiii_ derattiger Beschluß allerdings feit Jahren vor. und zwar ist derselbe von Session zu Session mit wachsender Mchrhei: gefaßt worden; der Bundesrat aber hat sich mit dem elbcn bisher noch gar nicht befaßt, geschweige denn ihm seine Zu- iimmimg erteilt. Der Kaiser ist also außer stände,dem Lande am 10. Mai selbst die Aufhebung des lästigen Diktaturparagraphen zu bringen"; wohl aber könnte er seine Anwesenheit im Reiebslande an diesem Tage zu der feierlichen Versicherung an die Bevölkerimg be- nutzen, daß er von der Entbehrlichkeit jener entwürdigenden Gesetzesbestimmung überzeugt sei und seinen Einfluß in der Richtnng der Aufhebung derselben geltend machen werde. Es läßt immerhin auf eine» bemerkenswerten Stimmungs- Umschwung in den maßgebenden Kreisen der ReichslandeShaupistadt 'chließen, wen» selbst die regierungsoffiziöseStraßbnrger Post" in einer Besprechung der an den bevorstehenden Kaiserbesuch ge- knüpften Kombination zu dem Resultat kommt, daß das weitere Fortbestehen des Diktatur-Paragraphen dem Lande und seiner Regierung nur Schaden brächte. Zur Genfer Demonstration. Aus der Schweiz wird uns geschrieben: Wohl mehr als ein Genosse wird gleich mir die in diesen Spalten von K r i t s ch e w S k y unter obigem Titel veröffentlichte Richtig- und Klarstellung" mit Verwunderung gelesen haben. Hätte Kr. sich damit begnügt, die Blechschild-Demonstration als psychologisch begreiflich hinzustellen und von den ausgewiesenen Opfern derselben den Verdacht der Lockspitzelei zurückzuweisen, so wäre natürlich nichts dagegen einzuwenden. Seine viel weiter gehende Verteidigung des Genfer Vorkomumisi- aber nicht geeignet, der russischen Freiheitssache zu nützen Kritschewsky findet es zwar begreiflich, daß bei der Besprechung der Genfer Vorkommnisse die den russischen Dingen Fernstehenden die Zweckmäßigkeitsfrage in Erwägung zogen, erklart aber hinterher die vonphilosophischer Stimmung" ungetrübte Tapferkeit der De- monstranten, welche von dem unverteidigten Wohnsitze deS Genfer Zaren Vertreters das Wappenschild abgerissen, davon- getragen und in die Fluten der Arve geschleudert, als eine zweckmäßigeHerausforderung", dievon der Knuten- regierung recht unangenehm empfunden worden" sein soll. Woraus denn eigentlich K. diese seine ungewöhnlich naive Illusion geschöpt hat, istfnicht recht einleuchtend. Wenn er aber obendrein die wohlbegrcifliche aber für denkende Menschen trotzdeni un verzeih- liche Leichtfertigkeit in eine Art Niederlage der russischen Regierung umdichtet und dazu noch über die profanenFernstehenden" souverän mit den Achseln zuckt, so muß gegenüber dieser Anschauung und diesem Verfahren mit allem Stach- drück protestiert werden. Der schöne Sieg, von dem KirtschewSky spricht, war keine Niederlage des russischen Zaren. Im Gegenteil. Abgesehen von den 6 ausgewiesenen Opfern des Genfer Sieges" und von der niederträchtigen Hetze gegen unsre Genossen S i g g und P l e ch a n o w hat er de» schweizerischen Regierungsreptilicn nur den allzu willkommenen Anlaß geboten, dem ihnen innigst verhaßten Ashlrecht einen weiteren Schlag zu versetzen. Laut erschallte denn auck, der Lärm nach dem eidgenössischen Bundes- nnwalt, vergnügt rieb sich Herr K n o n a u e r die Hände und im Nu schlug die shmpatische Stellung der Schweizer Presse zu den Ereignissen in Rußland in das Gegenteil um. So sieht der Sieg Krits'chcwskys aus! Kritschewsky entrüstet sich darüber, daß man die Genfer Demonstration mit Lockspitzclei und Verrücktheit in Ver- bindung gebracht habe. Abgesehen von derVerrücktheit", die ihm die r e i n st e Vernunft ist, woher weiß denn Kritschewsky, daß die Genfer Demonstration von dem russischen Spitzeltum in keiner Weise begünstigt wurde? Spricht doch Kr. selbst von russischen Spitzeln, von denen ,'die Schweizer Universitäts­städte wimmeln" und die sogarden Schergen der schweizerischen politis che» PolizeiJnformations- dienste leisten". Nun, für jeden Vernünftigen kann es keinen Zweifel geben, daß die in der Protestversamnilung anwesenden Spitzel sehr gut von der sich vorbereitenden Demonstration gewußt und wenn sie die Polizei nicht sofort in Kenntnis davon gesetzt haben, so thaten sie es eben absichtlich im wohlverstandenen Interesse der russischen Regierung. Man braucht sich nur der russischen P o l i z e i- A n a r ch i st e n Ladeysin und Fagolkowsky zu erinnern, die 1390 und 1892 in Patts und Brüssel thätig" waren, um über die auswärtige Politik" das Zarentums im klaren zu sein. Und wenn, wie Kr. behauptet, die GenferArbeit" keine bestellte ge- Wesen sein soll, nun, so dürfte das dem Herrn Witte wohl sehr an- genehm sein, aber für uns kann daraus kein Gewinn erwachsen. Der Hinweis K.s auf das Schreiben des russischen Konsuls an die Genfer Regiening bietet feinem Siegesgefühl durchaus keine Unterlage. Dieses Schreiben beweist weiter nichts, als daß der gräfliche Zarcnagent in der Verhüllung seiner inneren Genugthuung etwas zu plump zu Werke ging. Er hatte nämlich unter anderm die stupide Unverschämtheit, der Genfer Regierung und der Bevölkerung den Glauben einzupauken, seine Durchlaucht betreibe keine Spitzelei, sondern bloße Fürsorge für seine geliebten Kompatttoten. Das war den Favon und Ge- nosien zu starker Tabak, sie bedankten sich dafür zwar nicht ganz höflich, aber energisch. Kurz Kritschewsky ist in seiner Reinwaschung der guten Menschen und schlechten Musikanten, die leider nicht alle werden, zu weit gegangen so weit, daß bei eventuellen späteren Heldenthaten gleichen Kalibers wirkliche Spitzel in derselben eine Artrevolu- tionären" Freibrief erblicken könnten. Und das ist vom Uebel. Vielmehr glaube ich, nicht alsFernstehender", sondern als Russe daß bei vernünftiger Benutzung der schweizettschen Freiheiten der russischen Sache mehr gedient werden kann, als mit radau- mäßigem Abreißen wehrloser Wappenschilder. Schweiz , den 26. April 1901. P. Ossip. Ausland. England. Der KriegSfekretär Brodrick hielt in Guildford eine Rede, in welcher er die Notwendigkeit betonte, so schnell alS möglich den Krieg in Südafrika zu beenden. Er fügte hinzu, daß Eng- land, wenn es seinen Ruf als Weltmacht behalten wolle, in die Lage kommen könne, gleichzeitig ani Nil, Orange- 'luß und Dangtfefluß Krieg z u führen. Der ctzige Krieg habe dargethan, daß eine R e o r g a n i- at'ion des englischen Heeres notwendig sei, und die Regierung glaube, durch die Bildung von sechs Armee- c o r p s, die in der Hauptsache in England Verwendung finden ollen, allen Eventualitäten wirksam begegnen zu können. DaS Kabinett sei fest entschlossen, den Krieg zu Ende zu führen oder aber sich zuttickzuziehen. Redner sprach sodann von dem Widerstande gegen den neuen Kohlenzoll und sagte, wenn man etwa glaube, daß eine solch« Agitation auf die Regierung irgend welchen Druck ausüben werde. durch den sie zur Nachgiebigkeit veranlaßt werden könnte, dann würde für die Regierung die Zeit der Herrschaft zu Ende sein. Frankreich . Polizeirencoutre. Aus Paris wird gemeldet: Nach der Bei- etzung der socialistischen Agilatorin Paule Minck begaben sich Socialisten auf den Fttedhof Pere Lachaise zur Mauer der Äomnmnards und begannen dort die Carmaguole zu singen. Die Polizei versuchte die Manifestanten zu zerstreuen, wobei ein Hand- gemenge entstand und ein Polizist leichst verletzt wurde. Spanien . DerFranks. Ztg." wird aus Madrid Arbeiterbewegnng. vom 1. Mai telegraphiert: Hier fanden zwei stark besuchte Meetings statt, die Aufbesserung deS ArbeirerloseS verlangten. Der Socialistenführer JglefiaS war der Wortführer. Die radikale Fraktion verlangte einen allgemeinen Streik, wenn am 20. Mai Achtsttmdentag und Lohnerhöhung nicht bewilligt würden. In Bilbao und San Sebastian wurde beschlossen. eifrig am Wahlkampf teilzunehmen. In Barcelona löste der Gouverneur eine Versammlung gleich bei Beginn auf, weil Skandale vorkamen. Das Wölfische Depeschenbureau meldet ferner: Bei Aguilas fMurcia) verursachten etwa 1000 ausständige Berg­arbeiter Ruhestörungen. Als auf die Gendarmerie geschossen wurde, ging diese gegen die Menge vor. Dabei wurden eine Person ge- tötet und einige verwundet. Rußland. Warschau , 26. April. (Eig. Ber.) Im Warschauer Arbeiter- leben ist es in der letzten Zeit still gewesen' Bei der vorhandenen Krisis im Königreich, bei der gewaltigen Arbeitslosigkeit konnte von Sttciks keine Rede sein. Die Agitations arbeit geht dagegen töndig weiter und umfaßt imnier weitere Kreise.' Die' Ge- nosien, welche sich vor einiger Zeit von der socialistischen �artei Polens unter deni Kampfruf desnotwendigen Systems deSTerrorismns" losgesagt haben, sind erfreulicher- weise wieder in die Reihen der Organisation zurückgekehrt. In der Nacht vom 19. zum 20. März fanden Massenredisioneu und Verhaftungen statt. 20 Arbeiter wurden festgenomiiieii. Auch ind jetzt die Urteile für die Genossen gekommen, die vor 2 Jahren beim Lackicrerstreik verhaftet wurden. Sieben von ihnen sind nach Sibirien verbannt worden. Die Spitzelei nimmt bei uns immer größeren Umfang an. Jetzt fordert man für Warschau 280 000 M. jährlich, um' eine Fabrikpolizei" einzurichten. Beim Bureau des Oberpolizei- Meisters ist eine neue politische Spitzclabteilung ein- geführt worden. Den als Spitzel gebrauchten Haus-