Diensteid der Beamten sie zu lebenslänglicher Dienst- leytung verpflichte und was mindestens die letzteren anbelange, vei rhnen doch von keinem erzwungenen Eide die Rede sem könne. Das_ half aber Alles nichts. Das Gericht ging im Gegentbeil noch über den Antrag des Staats- anwalts hinaus, welcher nur 4 Wochen Gefängniß be- antragte. Revision ist angemeldet.— Die Berufung Hülle's gegen ein Erkenntniß. das ihn wegen Beleidigung eines Allsiedter Schneidermeisters zu 30 M. Geldstrafe verurtheilte, wurde ver- worfen. Gegen Hülle schweben außer den vorerwähnten noch neun Anklagen. „. In Ichtershausen (Thüringen ) sollte Redakteur Adolf Hoffmann aus Zeitz über das Thema:„Die zehn Gebote und die besitzenden Klassen" referircn. Als die Bersamm- lung kurze Zeit im Gange war. erklärte der Ortsschulze, die zehn Gebote hätte er bereits in der Schule gelernt, darüber brauche Hoffmann hier also nicht zu reden, und schloß die Versammlung. Punktum! Beschwerde gegen diese absvi.derliche Amtshandluim wird selbstverständlich geführt. LoKnles. Bou de« VerpflegungSstationcn.„Einer, der's praktisch durchgemacht hat", sendet uns ein„Tagebuchblatt aus seinem Handwerksburschenleben" mit dem Ersuchen, aus dem Kapitel von den Berpflegungsstationen unseren Lesern Einiges miltheilen zu wollen. Wir kommen diesem Ersuchen nach und lassen den Hand« werksburschen, oder wie die bürgerliche Presse sich ausdrücken würde, den„Strolch" selbst reden: Ich bin Tapezirer und mußte im Februar vor einigen Jahren Berlin verlassen, weil es mir absolut nicht gelingen wollte, in irgend einer Werkstätte Arbeit zu bekommen. Mein Nothgroschen war aus— 79 Pfennig zusammengeschmolzen und mit diesem„Kapital" in der Tasche ging ich„auf die Walze" in der Hoffnung, in der Provinz Arbeit und somit Brot zu finden. Ich kam aber aus dem Regen in die Traufe. In Berlin war die Beschäftigunaslosigkeit groß, in der Promyz noch bedeutend größer. Mein„Kapital" war natürlich schon am zweiten Tage aufgezehrt— und jetzt mußte der Leib- riemen enger geschnallt werden, denn es ging mächtig ans Hungern. Nachts wurde in Scheunen kampirt, in denen meist eine bittere Kälte herrschte. Unter Entbehrungen aller Art hatte ich endlich das Slädlchen M.... erreicht, wo eine Verpflegungs- station existirte. Das war auch äußerlich zu bemerken, denn an jeder Werkstatt fand sich ein Schild mit den Worten: Umschau ver- boten! Unterstützung im Rathhause! Ich mochte nun etwas erbarmungswürdig aussehen, in dem einlachen Anzüge klapperte ich vor Frost. Die Leute hätten mir wohl gern warmes Essen gegeben, sie getrauten sich aber nicht, denn„wenn es der Gen- darm sieht, werden wir noch bestrast". Ich mußte also nach dem Rathhaus trotten und wurde von da nach der Herberge geschickt. Hier traf ich mehrere Leidensgenossen, denen schon das Waffer im Munde zusammenlief, denn man hatte ihnen gesagt, sie würden bald„warmes Abendessen" erhalten. Das wurde denn auch bald ausgetragen, es bestand aus— Pellkartoffeln und Herina! Die Kartoffeln waren erfroren, der Heruig schmeckte wie thramges Oel. Nachdem uns die Papiere abgenommen worden waren, konnten wir„zu Bett" gehen, d. h. die Stube wurde ausgefegt und aus dem Hofe Sttoh geholt, wo dasselbe in einer Ecke unter Eis und Schnee gelegen hatte. Das Stroh wurde ausgebreitet, als Kopikissen diente ein Brett, das war das Nachtlager. Wer in einem Bett schlafen wollte, mußte 25 Pfennige extra zahlen. Früh um 6 Uhr wurde ge- weckt. Zum Frühstück gab es Zichorienbrühe und eine Schrippe. Um W Uhr kam der Polizist und holte die„Pennbrüder" nach der Polizei, weil sie das„abverdienen" sollten, was sie verzehrt hatten. Ter Polizeikommissar war ein gestrenger Herr, er hatte so seine eigene Polizei-Auffassung von der Würde seines Amtes. „Wie viel Strolche bringen Sie?" herrschte er seinen Unter- gebenen an.„Ein Dutzend, Herr Kommiffar."„Was soll ich mit den Banditen anfangen? Lassen Sie die Hunde arbeiten, bis sie schwitzen. Tie Gesellschaft ist nur faul, sonst würde sie sich bei der Kälte nicht auf der Slraße herumtreiben." Gegen diese wunderbare Auffassung war nichts einzuwenden und so wurden wir zur Arbeit getrieben. Einige mußten die Straße kehren, die Anderen die Kirche reinigen, die Dritten Holz hacken. Um 11 Uhr waren wir mit unserem Pensum fertig, wir hatten also 4 Stunden gearbeitet. Dann ging's wieder zu dem Kommiffar, der inzwischen die Papiere durchgesehen hatte. Zwei meiner Leidensgenossen hatten acht Tage lang die berühmten Berpflegungsstationen nicht benutzt und das mußten sie büßen. „Ihr verfl..... Hallunken. wo habt Ihr Euch herumgetrieben Gestohlen habt Ihr Bande." Die beiden armen Kerle wurden in Haft genommen, bis sich herausgestellt hatte, wovon sie während der acht Tage gelebt hatten. Wir anderen konnten unserer Wege gehen. Wir hatten 4 Stunde» gearbeitet und dafür ein miserables Abendessen erhalten und auf dumpfigem Stroh schlafen können. Wollte man das zifferngemäß nachrechnen, so würde es sich herausstellen, daß die Station noch etwas dabei verdient haben muß. Und so sieht's überall in den vielgerühmten Verpflegungs- stationen aus. Ja F... sollte ich eingesperrt werden, weil ich für Hering und Kartoffel und ein Nachtlager auf Stroh nicht länger wie zwei Stunden arbeiten wollte. Mich rettete vor dem Loch nur der Umstand, daß ich Berliner war und meine Ver- theidigung mit großem Geschick führte. In einem Dorfe in der Nähe von L... wurde ich bei 10 Grad Kälte ins Spritzenhaus gesperrt, weil ich beim Schulzen um ein Nachtlager im Stall ge- beten hatte. Aehnlich« Zustände herrschen im ganzen Reiche. Die Verpflegungsstationen sind doch nur deshalb errichtet worden, damit der biedere Bürger nicht zu oft durch einen bettelnden Handwerksburschen in seiner Ruhe gestört werde. Man dirigirt einfach die Armee der auf der Landstraße umher Laufenden von einer Verpflegungsstation nach der anderen, füttert sie nothdürflig ab. läßt sie aus Stroh schlafen und schiebt sie bis zur nächsten Station weiter. Das ist der Kern dieser «menschenfreundlichen" Einrichtung! Ein offenes Geständnist. In einem Jnnunasorgane äußert sich der Verfaffer einer Borbesprechung des bevorstehenden Handwerkertages in Berlin u. A. in folgender beachtenswerthen Weise:„Wenn ich oben von gewiffenhasten Meislern«gesprochen habe, so darf es nicht unerwähnt bleiben, daß es auch sehr vielegewissenloseMeifter giebt, und s o g a r i n d e n Innungen, welche ihre Pflicht in der unverantwortlichste» Weise an den ihnen von den Eltern übergebenen Lehrlingen ver« säumen. Der Lehrling ist das Karnickel im Hause, das Mädchen für Alles, und wird mehr als Hauskneckt oder Laufbursche ver« wendet. Manchem Vater oder mancher Mutter würde das Herz bluten, wenn sie wüßten, wie wenig sich der Meister um ihren hoffnungsvollen Liebling kümmert. Der Lehrling besucht keine Fortbildungsschule, weil der Meister ihm keine Zeit dazu giebt und in den meisten Fällen selbst kein Verständniß dafür hat. Die Folge ist, daß der Junge in einigen Jahren das Meiste von dem vergessen hat, was er in der Schule gelernt hat."— Wir hoben dem kaum etwas hinzuzusetzen. Der Zentralverei« für Arbeitsnachweis hält seine «Dienststunden" auf das Strengste inne. Als Dlenilag früh 'iS Uhr zwei„Eingeschriebene", d. h. solche, welche für Zahlung ber üblichen Gebühren in das Riesen-Arbeitsnachweis-Register eingetragen worden waren, die Vorhalle betraten, bekamen sie von einem der feudalen Angestellten sofort einen furchtbaren Anschnauzer.„Machen Sie, daß Sie'raus kommen. Immer raus— kommen Sie um 8 Uhr wieder!" Als ein etwas weniger schroffer Ton verlangt wurde, machte der Angestellte Anstalten, die Arbeiter gewaltsam an die frische Luft zu befördern. Der Vorsitzende des Vereins hat nun zwar im„Vorwärts" erst er- klärt: Ich halte streng darauf, daß seitens des Aufstchtspersonals den Besuchern des Instituts wohlwollend entgegen gekommen wird. Das galt allerdings in erster Linie für die Angestellten der Wärmehalle, aber die des Arbeitsnachweises können sich ge- trost auch ein Exempel daran nehmen. Auf jeden Fall erscheint es angebracht, wenn solche Rücksichtslosigkeiten an die Oeffentlich- keit gelangen. Die Leiter dieser Unternehmen sehen dann weniastens, daß das Personal ihre humanen Intentionen nicht durchführen will. Und erst dann ist die so dringend gebotene Abhilfe zu erwarten. Unter den Briefe« scheint es ebensolche Pechvögel zu geben. wie unter den Menschen. Wenn einmal ein solcher„pechöser" Brief seinen Adressaten verfehlt hat, dann kann sich die gesammte deutsche Reichspost mit ihrer vielgerühmten„Findigkeit" auf den Kopf stellen, der Brief aber kommt doch nicht an seine richtige Adresse. Ein solcher Unglücksbrief liegt vor uns. Das Kouvert ist mit Zetteln und Allongen beklebt und mit allen möglichen behördlichen Notizen versehen und sieht aus, als ob es die Reise um die Welt durchzumachen gehabt hätte. Aufgegeben war der Brief in Cornwall am Hudson(U.-St.-A.) und abressirt an eine Arbeiter ini Feuerwerks -Laboratorium in Spandau . Der Adressat war inzwischen nach Berlin . L... straße 12a., verzogen und hatte dem Spandauer Postamt seine neue Adresse auch mitgetheilt. Der dortige Briefträger versah das Kouvert mit dem Vermerk: Adressat verzogen nach Berlin , L... straße Nr. 11 oder 12. Der Brief wanderte nach Berlin und dann wieder zurück nach Spandau , denn auf dem Kouvert steht: Adreffat L... straße 11 unbekannt. Nicht gemeldet. Polizeilich bestätigt. In Spandau erhielt der Brief zunächst eine Allonge angeklebt und auf dieser heißt's an erster Stelle: Äldressat bestimmt nach Berlin , L... str. 12a, Hinterhaus 2Tr., verzogen. Also zum zweiten Mal nach Berlin . Hier wieder der Vermerk: Adressat ist L... str. 12a nicht zu ermitteln. Polizeilich bestätigt. Nicht zu ermitteln. Einw.-Melde-Amt. Endlich noch mit grüner Tinte die schwer zu lösende Frage: Anderer Nachweis möglich? Da die Post überzeugt gewesen sein muß, daß sie hier vor ber Lösung einer unmögliche» Aufgabe stehe, ist der Brief zum zweiten Mal nach Spandau zurückgesandt worden, so daß er also die Räume des Spandauer Postamts zum dritten Mal kennen zu lernen das Vergnügen hatte. Inzwischen hatte aber der Adreffat in Erfahrung gebracht, daß ein Brief für ihn wiederholt in dem Spandauer Postamt aufgetaucht sei und so lheilte er diesem seine Adresse nochmals mit. Das war denn auch von so durchschlagendem Erfolg begleitet, daß die Irrfahrten des Brieses endlich aufhörten und derselbe seinem Empfänger zugestellt wurde. Wäre aber der günstige Zufall nicht dazwischen gekommen, dann wäre das Schreiben wohl wieder über das „große Wasser" zurückgewandert, da der Absender auf der Rück- seile des Kouverts seine Adresse vermerkt hat. Etwas boshaft fügt unser Gewährsmann seiner Mittheilung hinzu: Wenn also schon die Post so außerordentlich„fi» ig" sein soll, so ist die Steuerbehörde noch sehr viel„findiger",— der Steuerzettel hat meine Adresse noch nie verfehlt! Neber die Reste des Weudiscbe« im Berliner Dialekt entnehmen wir dem„Bär": Im Be-einer Dialekt, wenn man so sagen darf, sind nur wenige Reste des Wendischen. Wem ist nicht schon die Bezeichnung„Latschen" in ihrer dreifachen Be- deutung aufgefallen? Der in den großen„Latsche » latschende Schusterjunge hat seinem Gegner eine gelatscht, und wat for eene!"— Die Ohrfeige heißt im Wendischen lacs.(latsch ): ohrfeigen laonus. licnus und wulacowas; schleudern lazys; schleppen, schleifen lac und looys; der unschlüssige Mensch lacak. Mit diesen Hilfsmitteln kann man sich wohl durch das Latschen hindurchwinden.— Du sollst nicht kokeln!" ruft die desorgte Mutter dem mit einem glimmenden Stäbchen spielenden Kinde entgegen. LioUc(sprich kostk) heißt das Stäbchen, das Streichhölzchen. Ob nun der Ausdruck„kokeln," das heißt also mit Stäbchen spielen, aus jener Zeit stammt. wo das Feuer auf die primitivste Art dem Holze entlockt wurde, oder ob er neueren Datums und somit importirt ist, vermag ich nicht zu entscheiden.— In Berlin wird oft„ein Fluntsch" gemacht. Die heidnischen Wenden harten einen Götzen mit nnscbönen, aufgeworfenen Lippen und häßlichem Gesicht, Namens Flins, an den ein in der Niederlausty beliebtes Gebäck, der Plinz, zu erinnern scheint. Im Branitzer Park bei Kotlbus befand sich vor Jahren an einem alten Baume eine Tafel mit der Inschrift:„Hier wurde dem Götzen Flins geopfert." Manche behaupte» nun, es habe überhaupt keinen wendischen Gott Flins gegeben. Das soll uns aber nicht abhalten, die Ansicht auszusprechen, daß„einen Fluntsch machen" soviel besagen mag als„einen Flins machen", oder gar einen Pluto , der ja sprachlich und nach indogermanischem Begriff mit ihm nahe ver- wandt ist. Daß daS Naturlebe» immer im und am Waffer beginnt, kann man jedes Jahr beobachte». Gegenwärtig balzen die Schwäne an der Spree und entfalten dabei alle ihre Charaktereigen- schaflen. Auch die Fische sind theilweise aus ihrer winterlichen Er- ftarruiig im Schlamme des Grundes erwacht und„steigen", einzelne kräftige Hechte„stehen" sogar schon, um zu laichen, wie die Schiffer be- haupten. Die sonst so behenden Räuber erscheinen noch völlig schlaftrunken und sind in kleinen, seichten Gewässern selbst mit der Hand leicht zu erlangen, während sie in größeren mit der Hechtgabel gestochen werden. Obgleich der Thiergarten noch einer flüchtigen vielgliederigen Winterlandschaft gleicht, birgt er doch schon Blüthen. Die große Kornelkirsche(Cornus rnascula) an der Brücke zur Louisen-Jnsel. unfern der Thiergartenstraße, hat infolge ihres günstigen Standes am Wasser unter Mitwirkung der milden Witterung eine außergewöhnliche Fülle von Blüthen- knospen entwickelt, dt« sich tagsüber bereits theilweise entjalten, sich aber gegen Abend wieder schließen. Unter den Ziersträuchern einzelner Garten präsentirt Calvoantlrns praecox, die Winterblume. ihre ansehnlichen gelben Blüthen, während aus Friedhöfen die grüne und weiße Nießwurz florirt. AnS„Berti« bei Nacht". Unsere Leser erinnern sich ge- wiß der ivundersanien Mär vom„Goldonkel", welche wir vor einigen Monaten nach den Mittheilungen der hiesigen Kriminal- polizei erzählten. Drei jener„Dame»", die nur bei Nacht aus- zugehen pflegen, machten sich damals durch unverhältnißmäßig hohe Geldausgaben verdächtig. Zwei derselben wurden fest- genommen, die dritte, eine Oesterrelcherin. war bereits nach Wien verduftet. Die beiden verhasteten Ätachtvögel erzählten nun eine ganz merkwürdige Geschichte, wonach sie einen fremden Herrn in einem hiesigen Kaffee kennen gelernt, mit demselben Champagner getrunken und das Zechgelage in der Wohnung einer der „Damen " noch fortgesetzt hätten, wohin sie mit ihrem neuen „Freunde" und diversen Flaschen Sekt per Droschke gefahren seien. Beim Abschiede hätte der Fremde jeder von ihnen die Summe von 800 Mark, zusammen also 2400 Mark geschenkt. Diese romantisch klingende Erzählung mußte man für richtig halten, nur konnte der„Goldonkel" damals nicht ermittelt werden, und in der Annahme, daß dieser, vielleicht ein Ausländer, wohl inzwischen weitergereist sei, entließ die Kriminalpolizei die Mädchen, welche übrigens das geschenkte Geld in einer ziemlich vernünftigen Weise, nämlich in erster Linie zur Zahlung von Schulden, verwandt hatten. Jetzt hat sich nun aber die Sache aufgeklärt, und zwar hat sich ein recht überraschendes Resultat ergeben. Das Geld, nicht 2400, sondern 9000 Mark, ist jenem „Herrn" gestohlen worden, und dieser hinwiederum hat sich nicht gemeldet, weil er seine guten Gründe dafür hatte: er hatte das Geld nämlich selber gestohlen. Am 17. v. Mls. logirte nämlich in einem hiesigen am Schiffbauerdamm belegenen Hotel ein Mann, der sich Kaufmann Lauska aus Prag nannte und nach einigen Tagen ohne Bezahlung seiner Hotelrechnung wieder verschwand. Er wurde indeß vierzehn Tage später ermittelt und sistirt. Der Polizeibehörde gegenüber erklärte er. der Student Georg Jander zu sein. Indeß auch diese Angabe erwies sich als falsch, da es gelang, festzustellen, daß man es mit einem Postdefraudanten zu thun hatte, nämlich dem Post- kommis Glaesener aus Luxemburg , der im November v. I. aus drei bei einem dortigen Postamt eingelaufenen Einschreibebriefen den Betrag von 16 000 M. entnommen und dann aus Luxemburg flüchtig geworden war. Glaesener hatte sich damals direkt nach Berlin gewandt, woselbst er eine Kellnerin kennen lernte, mit der er Lustreisen nach Wien . Prag -c. unternahm. Dabei verpraßte das Pärchen die Summe von 7000 M.! Den Rest der 9000 M. haben ihm die obenerwähnten„Damen " in der Wohnung einer derselben gestohlen, wohin der stark Angetrunken« mitgefahren war. Als er die drei„Grazien" verließ, ivar Glaesener völlig mittel- los— wie gewonnen, also zerronnen! Das weibliche Kleeblatt fühlte sich inzwischen wieder sicher; denn auch die Oesterreicherin hatte in der Meinung, daß die„Luft rein" sei, ihr Domizil wieder hier aufgeschlagen. Jetzt schmachten alle drei hinter den ver- gitterten Fenstern des Polizeigefängnisses und zehren von der Erinnerung an jene schöne Stunden, die sie mit dem„Goldonkel" verlebt. Ihren Bes serungen, daß das Geld, dessen Betrag sie heute nicht mehr wiflen, ihnen doch geschenkt worden sei, glaubt die Behörde nicht, wohl aber der Angabe der Wienerin, daß sie von dem Raube nicht 800. sondern 2300 Mark„abbekommen'" habe. Für die Luxemburger Postbehörde ist die jetzt endlich aus!» geklärte Affäre immerhin sehr fatal, da die 16 000 Mark so ziemlich ganz den Weg allen Fleisches gegangen sind. Nur em Paar Brillant-Ohrringe, Plüsch- und Pelz-Jackets sind in d<« Wohnimg der Mädchen beschlagnahmt worden, und an diese letzten Reste einstiger Herrlichkeit wird sich die Luxemburger Bie-- Hörde hallen können. Verhaftet worden ist in Malchin in Mecklenburg , wie hier- her mitgerheilt worden ist, ein Mensch, welcher sich zuerst tanT- stumm stellte, später aber sich zu der Angabe bequemte, daß<r David Cohn heiße. Er führt sowohl auf diesen, als auch auf die Namen Großmann und Schröder laulende Papiere mit siä). Ferner ist aus einer bei ihm vorgefundenen Sammelliste en t- nommen worden, daß der Genannte in Berlin große Summt m durch Vorspiegelungen einzuziehen verstanden hat. Die Behövse ist bemüht, den richtigen Namen zu ermitteln. Vielleicht handi lt es sich um den Hochstapler, der kürzlich hier in Berlin öffentlich gekennzeichnet wurde. Erklärliches Aufsehe« erregte die dieser Tage erfolgte Verhütung der in der Bellealliancestraße wohnhaften Hebeamme D., welche dringend verdächtig ist, ein Verbrechen an keimend em Leben begangen zu hauen. Ein Bräutigam, der seine Braut, eine jugendliche Tochter aus einer hiesigen geachteten Familie. der Frau D. zugeführt hatte, nachdem er von einer and« ren Hebeamme, der er ein gleiches Ansinnen gestellt hatte, abgewiesen ivorde» war, hat die Entdeckung des Verbrechens aus eigenthüm- liche Weise selbst herbeigeführt. Nach beendeter„Kur" gin{> er zu der letzterwähnten Heoeamme und erzählte dieser triumphilend, daß er seinen Willen doch durchgesetzt habe, und gab dabei die Adresse ber verbrecherischen Helferin preis. Auf diese Weise kam die Angelegenheit zur Kenntniß der Behörde, welche die Vcrhaf- tung der„klugen Frau" veranlaßte. Ein Durchgänger wird aus Leipzig hierher signalisirt. ES ist der Kommis Georg Hönicke, der mit 7O00 M. am 9. d. M. von dort geflohen ist. H. ist 24 Jahre alt. Er pflegt einen' Stahlklemmer zu tragen. Als besonderes Kennzeichen wird«in linsengroßer Fleck an einer Schläse angegeben. Bon einer merkwürdige« Erpressungsgeschichte macht die �Allg. Fleischerztg." Mittheilung. In den Friseurladen von F. Munligel in der Kesselstr. 41 kam dieser Tage eine etwa dreißigjährige blonde Dame und ließ sich von dem sechzehn- jährigen Frl. Muntigel srisiren. Plötzlich erklärte die Dame, sie fühle sich sehr unwohl und bat um«ine Tasse schivarzen Kaffee. Das junge Mädchen war gern bereit, der Fremden ge- fällig zu sein und ging durch das für die männlichen Kunden bestimmte Zimmer, das zufällig leer war, in die Wohnräume, um schnell den Kaffee zu bereiten. Die Dame folgte ihr alsbald, und als sie sich mit dem jungen Mädchen allein sah, bat sie dasselbe, ihr doch die Uhr und Kette, die Frl. Muntigel trug, zu leihen— sie müsse sie haben, denn sie müsse sich damit ber der Direktion des Friedrich- Wilhelmstädtischen Theaters, wo sie engagirt werden solle, vorstellen. Die seltsame Bittstellerin unterstützte ihr Gesuch sehr nachdrücklich, indem sie das Mädchen mit einem Revolver bedrohte. Das eingeschüchterte Mädchen mußte sich wohl oder übel entschließen, der Fremden Uhr und Kette auszulie>ern. Die unheimliche Dame nahm die Sachen dankeüd in Empfang und ließ als Pfand ein unechtes Armband und den sechsläufigen geladenen Revolver zurück. Sie hat Uhr und Kette noch nicht zurückgebracht. Die seltsame Sache wird jetzt von der Polizei weiter untersucht.! Ein schweres Geschick hat den Schlächtermeister Porsch, Waldemarstr. 77, betroffen. Mitten in der Arbeit, bei der er stark dem Zuge ausgesetzt war, ist der noch jugendliche Meister plötzlich erblindet. Ein Versuch, durch eine Operation ihm die Sehkraft wieder zu gewinnen, ist leider erfolglos geblieben. Da seine Frau, wie die„Allgemeine Fleifcher-Zeitung" mittheilt. nicht in der Lage ist, das Geschäft allein zu führen, so muß Porsch, der seit sechs Jahren erst etablirt ist, sein Geschäft auf- geben. I« der Köpenicker Mordsache fanden am gestrigen Donuerstag wieder zahlreiche Zeugeuvernehmungen statt, obwohl die Sache in der Hauptsache ausgeklärt ist. Es hat sich heraus- gestellt, daß Rüttle erst in den Morgenstunden gegen halb 5 Uhr über die Lange Brücke gegangen ist, so daß es den Anschein ge- winnt, als hätte sich das Mörderpaar während der ganzen Nacht am Orte des Mordes aufgehalten, um erst die vierte Morgen- stunde abzuwarten, danlit sie nicht von einem Nachtwächter angehalten werden konnten, weil diese in der Regel nach Hause gehen, sobald sie 4 Uhr abgepfiffen haben. Aus diese Weise er- klärt es sich erst, daß die Mörder vom Orte der That nach der Wohnung der Schutt gelangen konnten, ohne von irgend Jemand gesehen zu werden. Außerdem kamen bei der erneuten Zeugen- Vernehmung verschiedene schwere Diebstähle in Betracht, welche dem Ruttke zur Last gelegt werden.> Polizeibericht. Am 11. ds. Mts. wnrde«in Schneider in seiner Wohnung, in der Eisenbahnstraße, mit einer tiefen Schnitt» wunde am Halse, die er sich selbst beigebracht hatte, aufgefunden und nach Anlegung eines Verbandes nach der Charitee gebracht. — Vor dem Hause Potsdamerstraße 96a wurde Vormittags eine Frau von einem Geschäftswagen überfahren und am Kopf und am Arm so bedeutend verletzt, daß ihre Ueberführung nach dem Elisabeth-Krankenhause erforderlich wurde.— Am Kronprinzen» User, nahe der Alsenbrück«, stürzte sich Mittags eine Frauens» person in die Spree, wurde jedoch noch lebend aus dem Wasser gezogen und nach der Charitee gebracht.— Auf dieselbe Weise versuchte Nachmittags eine Frauensperson ihrem Leben em Ende zu machen, indem sie gegenüber dem Grundstück Weidendamm 1 in die Spree sprang. Auch sie wurde gerettet und nach der Cha- ritee gebracht.— Im Laufe des Tages und in der daraus folgen- den Nacht fanden sechs Brände statt. Gerickiks-FZeikunfl. Eine Anklage wegen Brandstiftung beschäftigte gestern das Schwurgericht hiesigen Landgerichts I. in mehrstündiger Verhandlung. Der Angeklagte, Korbmachermeister Theodor
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