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in ihr eigenes Gesicht empfanden. Gott Mammon hat die Geister der bürgerlichen und feudalen Gesellschaft bereits so weit nnter- jocht. um dieses zu erkennen. Klicke man nur zurück auf eine Zeit, die man als die der ärgsten Reaktion zu bezeichnen pflegt. Es waren die Jahre, in denen die Erinnerungen destollen Jahres" ausgerottet werden sollten. Die Demokratie war aus dem öffentlichen Leben verschwunden. In der sogenanntenLand- rathskammer" der 50er Jahre dominirten die Junker, ihnen gegeniiber standen einige Schwach- Liberale und eine damals verhältnismäßig kleine Anzahl Ultramontaner. Es galt damals dieErrungenschaften" der Revolution von I8t8, welche die unter dem Belagerungszustande oktroyirte Verfassung noch nicht zu beseitigen wagte, aus derselben zu streichen. Eine ganze Reihe Anträge, die von der späterenrechten Hand" Bismarck's, Wagener, dem damals die Kreuzzeitungs-Partei in Anerkennung seiner Dienste ein Rittergut schenkte, ausgingen, bezweckten, jene Artikel der Verfassung, in welchen ausgesprochen war, daß alle Preußen vor dem Gesehe gleich sind, daß Standesvorrechte nicht stattfinden, daß der Genuß der bürgerlichen und staats- bürgerlichen Rechte unabhängig vom religiösen Bekenntniß ist, und andere ähnliche Bestimmungen zu beseitigen. Man war damals noch sehr naiv, man war noch nicht durch die Bismarck- Bennigsen'fche Schule gegangen und glaubte, daß solche Be- stimmungen, weil sie auf dein Papier stehen, auch etwas zu bedeuten haben. Statt sich damit zu be- gnüaen, sie unuudenten, wollte man sie auch formell fortschaffe». Daß dieses nicht gelang, ist zum großen Theil ein Verdienst der Ultramontanen, insbesondere auch der Brüder Reichensperaer, von denen Einer heute noch im Reichs- tage sitzt, freilich hente im Hintertreffen derer von Schalscha, Ballestrem und LiiigenS. In jener Zeit wurde auch der Antrag gestellt, die Verfassungsbestimmung zu streichen, ivonach die Guts- Herren in Ausübung der Polizeiverwaltung ebenso verantwortlich seien, wie andere Beamte. Ein Graf Pfeil sprach, annähernd in der Weise des Königs Stumm, sur diesen Antrag. Er führte aus, wie widerstnnig.diese Bestimmung der Verfassung sei, denn nach ihr hätte er selbst und hierbei führte er einzelne Fälle an, in denen er alspatriarchalischer" Guts» und Polizeiherr kurzen Prozeß gemacht hatte ins Zuchthaus kommen müssen; und daß ein Graf Pfeil ins Zuchthaus   gesperrt werde, weil er einige Kerls ein paar Tage habe einsperren oder durchprügeln lasse», das könne man doch nicht wollen. Auf diese Rede des Grafen Pfeil antwortete der altliberale Abgeordnete, Gerichtspräsident Wenhsl, mit kurzen und wuchtigen Worten, die wir aus dem Gedächtniß es sind seitdem 36 Jahre verflossen wieder- geben. Er sagte:Meine Herren, wenn Ihnen das, was der Vorredner gesagt, noch nicht die Augen geöffnet hat über daS, was wir von denkleinen Herren" zu erwarten haben, dann wollen Sie nicht sehen, dann wollen Sie sich knechten lassen von Personen, welche die Dreistigkeit haben, die Redefreiheit zu mißbrauchen, um hierher zu treten und sich Verbrechen zu rühmen, auf welche das Strafgesetz mit gutem Recht Zuchthaus   setzt. Ich erwarte, daß der Redner das, was er hier im Hause sagte, auch außerhalb des Hauses wiederholen wird, und hoffe, daß der Staatsanwalt dann seine Schuldigkeit thun wird." Tiefes Schweigen herrschte im Hause auf diese Worte, die auf allen Seiten desselben den Eindruck machten, nicht als ob ein Ab- geordneter zum andern gesprochen, sondern als ob ein Richter das Urtheil über den Verbrecher gesprochen. Und die große Mehrheit des Abgeordnetenhauses gehörte zur Partei des feudalsten Junkerthums I Das war vor 36 Jahren. Hellte nun, man fühlt sich nicht mehr durch Versassungsparagraphen belästigt, ja man führt sie sogar, siehe Volksschul-Gesetz,»och nach 43 Jahren aus, man weiß auch Gesetze auszulegen, und derKönig Stumm" ist nicht mehr so naiv, wie der Graf Pfeil  , so primitive Gewaltmittel wie dieser zu gebrauchen, er hat bessere und schneidigere. Aus der ganzen Gesellschaft der herrschenden Klassen aber tritt ihm Keiner entgegen mit ähnlichen Worten, wie damals der Abg. Wentzel, und ruft dem Reichstage zu:Wenn Euch das, ivas der Abg. Stumm hier sagte, noch nicht die Augen geöffnet hat über das, was wir von der Herrschast des Kapitalismus zu erwarten haben, dann wollt Ihr nicht sehen, dann gebt Ihr alle Kultur- Errungenschaften, die ganze Menschheit preis den unverschämtesten Ausbeulergelüsten und dem frechsten Protzen- hochmuth." Und wollte selbst wer so reden, welchen Wiederhall fände er? Der christliche Staat liegt auf den Knieen und betet an vor G o t t M a m m o n. Es lebe König Stumm! Volittsche MtebevNckk. Berlin  , den 13. Februar. Taft der Gtatstitel der Reichs-Eisenbahnen den Reichstag durch volle drei Sitzungen beschäftigt hat, ist während der LI Jabre, wo die Reichslande zu Deutschland   gehören, noch nicht dagewesen. Freilich wäre es eine durch die That- fachen nicht gerechtfertigte Annahme, zu glauben, daß die schaft gelangte auf einen schmalen Gang, welcher binnen Kurzem bei einer verschlossenen Thür endigte, die aufs sorgfältigste gegen Solche verwahrt war, welche etwa die Absicht haben möchten, von Außen Hereinzugelangen; an Solche aber, die von Innen kommen könnten, um hinaus zu gelangen, schien man nicht gedacht zu haben, denn sobald man die beiden soliden Riegel zurück- geschoben und der Schlosser lediglich mit dem Zeigefinger das letzte Hinderniß beseitigt hatte, welches durch den Schlüssel von außen geschaffen worden, öffnete sich diese Thüre, und die Flüchtigen standen nunmehr auf dem offenen Gange des dritten Stockwerke?. Dort erwartete sie der Buchdrucker und erbot sich zum Rekognosziren, welches Anerbieten Frank mit einem Händedruck stillschweigend annahm. Meine Herren", flüsterte nun Frank,in der Zentral- halle sehen«er uns wieder. Das Uebrige wird sich finden. Jetzt kommen Sie; die nächste Treppe ist frei." Geräuschlos, gleich wandelnden Gespenstern, folgten in Entfernungen von zwei bis drei Stufen und abwechselnd rechts und links vertheilt die Uebrigen ihren Führern nach. Diese Vertheilung im Marschiren hatte der Offizier an- gerathen, damit bei einem etwa nothwendig werdenden strategischen Rückzüge in beschleunigter Eile die Fliehenden sich nicht gegenseitig in den Weg gerathen möchten. Ohne Aufenthalt ging es auf diese Weise von der dritten zur zweiten, von dieser zur ersten Etage hernieder. Nun langsam Einer nach dem Andern," mahnte Frank und war iin nächsten Augenblicke hinunter und in der Nacht verschwunden. Iwan folgte unmittelbar darauf, und eine Minute später war die Gesellschaft ihrem unfreiwilligen Auf- enthaltsorte entflohen. Achtzehntes Kapitel. G e i st e r e r s ch e i n ,l n g e n. Der Saal derdeutschen Halle" war an diesem Abend Noch zahlreicher besucht, als bei jeuer ersten Versammlung, über welche wir berichtet, denn allgemach hatte sich in der Stadt daS Gerücht verbreitet, die, beiden hauptsächlichsten erregten Debatten, welche in den letzten drei Sitzungen den Reichstag beschäftigten, sich im Wesentlichen mit der Ver- waltung der Reichseisenbahnen beschäftigten. Nichts weniger als das. Die Redner sprachen von allem Möglichen, nur nicht zu dem Etatstitel, welcher gerade zur Berathung stand. Die Verhandlung wurde nur durch das mehr oder minder große Geschick der betreffenden Redner mit der Tagesordnung in lose Verbindung gebracht und dabei so mancherlei erörtert, was eigentlich mit der Tagesordnung nichts zu thun hatte. Wenn gestern Herr von Stumm eine Sozialisten- debatte im großen Stile einleitete, so gelaug es heute unserem Genossen Bebel den Bochumer   Skandal und Baare's Schicnenfälschungen einer recht gründlichen Erörterung unterziehen. Anknüpfend an die unseren Lesern zur'Genüge be- kannten Vorgänge auf der Georgs- Marien- Hütte   bei Osnabrück   und die von Fusangel aufgedeckten Stempel- fälschungen und Schienenflickereien in Bochum   lverlangte unser Genosse, daß die Reichs- Eiseubahnverwaltuiig mit Werken, welche ihre Kunden in solcher Weise benachtheiligen, keine geschäftlichen Beziehungen mehr unterhalte, daß die- selben von ver Betheiligung an den Schienen-Snbmissionen für die Reichs-Eisenbahnen ausgeschlossen werden. Das letztere Verlangen lehnte der Regierimgskommissar als unausführbar(!!?) ab. Im Uebrigen suchte der Ver- treter der Regierung darzuthun, daß die Verwaltung der Reichs- Eisenbahnen nicht sonaiv" sei, um sich bei der Abnahme der Schienen übervortheilen zu lassen. Angesichts der Thatsache, daß auf der Georgs- Marien- Hütte  die Schwindeleien zwanzig Jabre lang betrieben wurden, ehe man sie entdeckte, und daß in Bochum   die älteren Fälle so weit zurückliegen, daß sie verjährt sind, konnte das Pochen auf die Schlauheit der Eisenbahn-Verwaltnngen gerade keinen imponirenden Eindruck machen. Der Herr Regierungskommissar mochte das selbst einsehen, denn er machte seine Sache sehr kurz und ging auf den Fall Baare in alleil wesentlichen Punkten gar nicht ein. Einen rück- haltlosen Verlheidiger fand Herr Baare nur in seinem Parteigenossen, dem Landgerichtsrath Schneider in Essen  . Dieser Herr war in dem Prozeß Fusangel wegen Be- leidigung der Bochumer   Steuerpreller Beisitzer des Gerichts- Hofes und wer heute seine Rede f ü r Baare gehört hat, der wird jetzt begreisen, was seiner Zeit vielen unbegreiflich er- schien, warum Fusangel, trotzdem er schwere Gebrechen in Bezug auf das Steuerwesen in Bochum   aufdeckte und obwohl seine Behauptungen in allen wesentlichen Punkten sich als richtig erwiesen, wegen einfacher Beleidigung doch zu fünf Monaten Gefängniß verurtheilt wurde. Herr Schneider war Feuer und Flamme für die Interessen Baarcs; ein schwer interessirtes Mitglied des Bochumer Vereins hätte nicht entschiedener und rückhaltloser für den General- direktor desselben eintreten können wie dies Herr Schneider that, der Richter im Prozeß Fusangel. Viel reservirter verhielt sich Herr Stumm. Derselbe sprach ein Langes und Breites über die Manipulationen der Schienenkartelle und Kohlenringe; über das Treiben in Bochum   aber gab er ein Urtheil ab, daS wenn man zwischen den Zeilen zn lesen versteht geradezu ver­nichtend lautet. Herr v. Stumm erklärte, daß auf großen Werken Betrügereien, wie solche von Bochum   behauptet werden, einmal durch iuteressirte Meister und Arbeiter vorkommen können, unmöglich aber auf d i e D a u e r be- trieben zu werden vermögen, ohne z n r K e n n tni ß d er Werkleitung zu gelangen, und daß, wenn ein solches Borkomniniß sofort mit der nöthigen Energie geahndet wird, eine Wiederholung ausgeschlossen sei. Wir denken, das ist deutlich gesprochen und genügt. Außer Herrn Hitze, der seinen Parteigenossen Fus- angel gegen den Vorwurf der Verleumdung in Schutz nahm, betheiligte sich aus dem Zentrum Niemand an der Debatte. Bezeichnenderweise nahm auch von der freisinnigen Partei Niemand zur Sache das Wort; Herr Schräder öffnet doch sonst in allen Eisenbahn- Angeleaenheiten regelmäßig die Schleusen seiner Beredtsamkeit! Sollte er sich als Eisen- bahndirektor a. D. sagen:Ich plauder' nichts aus"? Natürlich schwieg auch die Rechte. Baare zu vertheidigen, schien Niemand die Neigung zu haben; in die allgemeine Verurtheilung der Bochumer   Vorgänge aber einzustimmen, dazu sind für die Herren Konservativen die Leute vom Bochumcr Verein viel zu reich. Der Muth der Herren Führer der Fortschrittspartei, Dr. Raffmaus und Dr. Ben- jamin, seien in einen Meinungskonflikt gerathen, und es würde infolge dessen wahrscheinlich zu einem parlamentarischen Kampfe zwischen Beiden in der Versammlung kommen. ahre lang hatten Beide gemeinschaftlich an einem trange gezogen, Jahre lang gemeinschaftlich alle entstehenden politischen Gegner oder Nebenbuhler nieder- geschmettert, so daß man keine Ahnung hatte, welcher von Beiden bei einem entstehenden Kampfe unter jihnen selbst den Sieg davontragen würde. Infolge dessen waren auch Viele gekommen, die sonst für politische Angelegenheiten weniger Interesse empfanden oder sich für gewöhnlich nicht entschließen konnten, ihnen zu Liebe das Theater oder ihren Spielklub aufzugeben. Nach einem klimen, erfolglosen Versuche seiteus der Anhänger des Dr. Benjamin, das Präsidium zu erobern, war der Sieg auf Seiten des Dr. Raffmaus geblieben, da Rollmanu als der Vorsitzende der letzten Verstimm- lung diese neu eröffnet und den allgemein be- liebten und geachteten Dr. Raffmaus als Vor- sitzenden vorgeschlagen, ein Vorschlag, welchem die Versammlung durch Akklamation beinahe einstimmig beitrat. Ermuthigt durch diesen ersten Erfolg hatte der Advokat nunmehr dem Dr. Benjamin das Wort ertheilt und wartete, sowohl wie Dr. Lutz, mit dem Bleistifte in der Hand, aus diejenigen Stellen in der Rede des Gegners, welche die besten Angriffspunkte darbieten möchten. Dr. Benjamin war sich's bewußt, daß er um seine politische Rolle in der Zukunft zu känipfen haben würde und daß von seiner Eröffnungsrede das Schicksal des Abends abhängen konnte. Danach hatte er denn auch seine Vor- bereitungen und Maßregeln getroffen. Aengstliche Rück- sichten glaubte er nicht nehmen zu müssen, deshalb erklärte er, der geehrten Versammlung mittheilen zu sollen, daß ihm das Programm des Professor Birnenbaum als durchaus nicht weitgehend genug erscheine. Ihm fehlten darin eine ganze Reihe von dringend nothwendigen Reformen, nament- lich: Erweiterung des Wahlrechts, freiere Bestimmungen im Vereins- und Versammlungsrecht. Bei iedemdiejer einzelnen Punkte führte er einige drastische v. Helldorf und Dr. Hartmann schwillt nur an, wenn es gegen Unterdrückte und speziell arnie Arbeiter geht. » Am nächsten Montag beginnt die zweite Lesung des Militäretats. Dabei dürfte der Erlaß des Herzogs Georg zu Sachsen schon die ersten Stunden zur Erörterung konimen. Im Ansturm gegen das Volksschul-Gesetz legen sich bereits die Wellen. In der Konimission des Abgeord- netenhauses sind Freisinnige und Nationalliberale bereits mit Eifer bemüht, dem Gesetzentwurf diese und jene Flicken anzuheften, gerade als ob durch dieselben ein Gesetz, dessen Grundgedanken und dessen Ziele man vollständig verwirft, verbessert werden könnte. Wo der ganze Unterricht ein konfessioneller ist, da bleibt es sich gleich, ob man die Zahl der Stunden des Religionsunterrichts beschräukt, da die andern Lehrgegenstände der konfessionellen Religion ebenso dienstbar sind, wie der formelle Religionsunterricht. Die Frage, wie man am praktischsten den konfessionellen Unter- richt vertheile, wie viel Stunden man dem Katechismus, wie viele der biblischen Geschichte, wie viele man der kirch- lichen Moral und der Einflößung des Autoritätsglaubens im Unterricht des Deutschen   und der Geschichte widmen will, das werden die Fachmänner, die in der Grundlage einig sind, schon unter sich diskutiren und entscheiden. Was soll die Volks- schule? Das ist die Hauptfrage. Soll sie freie Menschen oder stumpfsinnige Knechte erziehen? Diese Frage ist nicht zu umgehen, und weil der bürgerliche Liberalismus diese Frage scheut, deshalb bleibt sein Kampf gegen das Volksschul- Gesetz ohne jede Wirkung. Die Gegner stehen mit festen Knüppeln bewaffnet da, die Liberalen hauen mit Schweins- blasen auf sie los. Die Schweinsblasen-Hiebe knallen zwar, aber thun Niemandem weh, aber die Knüppelschläge dnngen durch die Haut bis auf die Knochen.   Die servile»nd volksfeindliche Stellung, weicht das Zentrum einnimmt, seitdem es zur Regierungs- parte: geworden ist, erregt bereits in den Kreisen seiner Wähler Unwillen. Die ultramontaneKölnische Volks- eitung' nahm bereits den Abg. Lingens wegen seiner eußerung über den Unteroffizier als Stellvertreter Gottes ins Gebet, und wendet sich auch gegen die verschrobenen Anschauungen des Abg. v. Schalscha, der im Abgeordneten« hause bei Berathung des Berg-Etats sagte, die Erhöhung der Löhne komme nur der Sozialdemokratie zu gute. Sie erklärt die Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse für ein durch- aus berechtigtes und vielfach sehr nothwendiges Bestreben. Freilich ist nicht zu erwarten, daß der Standpunkt de« Kölnischen Volks-Zeituna" im Zentrum auf vielen Anklang zu rechnen hat. Der reaktionäre Charakter desselben wird im Gegentheil sich täglich deutlicher offenbaren. Der grobe Unfug hat eine erweiterte, wenn auch nur erst polizeiliche Auslegung erhalten. In einer Versamm- lung in Berlin  , die sich gegen das Volksschul» Gesetz kehrte, sah der überwachende Polizeibeamte in de« Aufforderung zum Austritt aus der Landeskirche einen groben Unfug". Nun ist uns zwar der Polizeibeamte nicht gerade eine Rechtsautorität, aber eine Witterung von dein, was in der Luft liegt, hat er doch. Er weiß, die Religion liegt jetzt in der Rcgierungsluft und da greift er zu. Ueber die juristische Begründung desgroben Unfugs" braucht er sich nicht den Kopf zu zerbrechen; da? werden schon die Rechts-Praktiter besorgen. Padletvski, der polnische Flüchtling, welcher am 13. November 189(1 den russischen Spitzel-General Silberstoff in einem Hotel zu Paris   erschoß, und der seinen Verfolaern glücklich entkam, soll sich am 23. Oktober vorigen JahreS in San Antonio  , Texas  , erschossen haben. So meldeten schon vor mehreren Tagen die Zeitungen, und auch unser Blatt erwähnte der Nachricht, jedoch ohne der­selben vollen Glauben zu schenken. Heute finden wir nun, daß auch unsere Freunde in Amerika   an den Tod Padlewski's glauben. Der Leichnam soll von einem Freunde erkannt worden sein. Nur wollen Viele nicht an einen Selbst- mord glauben, sondern vermuthen, Padlewski, auf dessen Kozif von der russischen Polizei ein Preis gesetzt war, sei von einem russischen Geheimpolizisten, der das Blutgeld verdienen wollte, ermordet worden. Trotz des ausführlichen Berichtes, den wir in derNew-Aorker Volkszeitung' vom 29. Januar finden sie bringt auch das Bild Päd» Beispiele aus der Tagesgeschichte vor und erntete sowohl hierfür, wie bei Anwendung einiger kräftiger Schlagwörter und drastischer Vergleiche Beifallsstürme, welche dem Dr. Raffmans den Angstschweiß ins Gesicht trieben, zumals als Dr. Benjamin unter anhaltendem Beifallsgeklatsche von der Rednertribüne abtrat und einen vielsagenden Siegerblick auf den verrätherischen Kollegen warf. Einen Augenblick lang überlegte RaffmauS, ob er nicht noch in der letzten Stunde die Hand zur Versöhnung bieten sollte; aber ehe er mit sich darüber einig geworden, war der Beifall erstorben, und Dr. Lutz rollte kampfbereit seine Notizen zusammen. In aller Majestät erhob sich der Präsident, stellte durch den Ruf der Glocke die Ruhe wieder her und rief: Herr Dr. Lutz hat das Wort." �Dr. Lutz drückte nun zunächst seine Verwunderung darüber aus, wie ein Mitglied der Fortschrittspartei, als welches Dr. Benjamin doch jederzeit innerhalb der Partei gegolten, seinen eigenen Kampfgenossen Lauheit, Mangel an Freiheitssinn u. s. w. vorwerfen, und ihnen gegenüber einzelne Punkte des gemeinschaftlichen Programms hervor« heben könne. Selbstverständlich wollten das, was Dr. Ben- jamin hervorgehoben, Dr. Raffmaus, Professor Birnenmann und die übrigen Vorkämpfer für Freiheit und Fortschritt auch, so gut, wie der Dr. Benjamin, aber gerade weil diese Sachen schon längst tm Programm aufgenommen und hin- reichend besprochen worden seien, habe man es für überflüssig gehalten, sie diesmal wieder von Neuem und ausdrücklich hervorzuheben. Einzig und allein um die Versammlung nicht mit Diskussions- und Verhandlungsgegenständen zu überlasten, habe man das hervorgehoben, was augenblicklich als das Dringlichste erscheine. Man mußte es dem Dr. Lutz zum Lobe nachsagen, daß er nicht nur mit ziemlichem Witze die Angriffe des Vor' redners znrückzmveisen verstand, sondern auch für die Punkte des aufgestellten Programms eine gewisse Begeisterung hervor« zurufen vermochte. Auch er wurde mit lebhaften Zeich» des Beifalls entlassen. tForffetzung folgt.)