lcw-ki's nach einer Pariser Photographie— hegen wir doch vorlänfig noch Zweifel und wollen weitere Mit- theilungen abwarten. Gewiß ist, daß Padlewski im Februar vorigen Jahres nach den Vereinigten Staaten kam, und daß er dort auch vor Auslieferung sicher war, da seine That in Amerika nicht als gemeines, sondern als politisches Verbrechen galt. Die Verkümmerung des Asylrechts, wie sie in der Schweiz Thatsache geworden, hat in den Vereinigten Staaten noch nicht stattgefunden. Aus Calais (Frankreich ) schreibt man uns: Andere Länver, andere Sitten, sagt man zwar, eine Sitte lndep findet man wohl uberall; diezenige der systematischen Unterdrückung jeder sozialistischen Regung. Hier, in Frankreich , wo Constans genau dieselben geistigen Waffen anzuwenden beliebt, wie weiland Herr v. Puttkamer seliaen Angedenkens, kann man beobachten, wie enorme Fortsetzte unsere Partei macht. Die gewaltsame Niederdrückung des sozialistischen Gedanken? hat auch hier, zum Schrecken der Gegner, gerade das Gegentheil ihrer Absicht bewirkt. Speziell hier im Norden Frank- reichs. wo die Arbeiter am allerschlechtesten gestellt find, wächst die Zahl unserer Anhänger rapide, so daß wir hoffen dürfen, bei den am l. Mai er. stattfindenden Gemeinderathswahlen den ge- wünschten Erfolg zu erzielen. Die Genossen Delcluze und Salemdier beriefen mit Rückficht auf diese Wahlen eine Ver- sanimlung zusammen, welche am L. er. stattfand und von circa 3000 Personen, darunter einigen hundert Frauen, besucht war. Als Redner waren Dr. Paul Lnfargue, der neugewählte Deputirte von Lille , und Jules Guesde . Sekretär der Partei, erschienen. Nach- dem Genosse Delory, Gemeinderath aue Lille, einen interessanten Ueberblick Uber die Entstehung und Organisation der Partei im Departement du Nord gegeben, erhielt Genosse Lafargue das Wort. Sein Thema war„Trennung der Kirche vom Staat". Er führte aus, daß die Frage, die schon seit IS Jahren in der Kammer von den Parteien hin- und bergezerrt werde, ohne zur Lösung zu gelangen, eigentlich keine Frage sei, mit welcher sich der Sozialismus befasse. In den Vereinigten Staaten; wo diese Trennung bereits existire, sei die Lage der Arbeiter durchaus keine bessere, als in Frankreich . Mit der Verwirklichung der so- iialistischen Ideen sei diese Frage schon von selbst gelöst. An den heutigen Staat indessen stelle die Sozialdemokratie den Anspruch auf Aenderung des bestehenden Verhältnisses vom Staat zur Kirche. Die Kirche, die Geistlichen seien den ausbeutenden Klassen gleichfalls zuzuzählen, sie, die das Budget jährlich mit 47 Millionen Franks belasten, durch billige Klosterarbeit dem Proletarier dre schlimmsteKonkurrenz machen, aus Waisenhäusern, unler dem Scheine guter Werke, dem Patronate Arbeitskräfte zu Schundlöhnen zuführen und im Besitze reicher Stiftungen dem Volk», dem Proletnriate von Rechtswegen den ihm zustehenden Wohlstand entziehen. Constans habe vor Kurzem die Idee einer Arbeiter-Altersversorgungs- klaffe gefaßt, mit einer Rente vom KV. Jahre ab. Selbstredend sei die Idee an und für sich ein Phantom, da ein Jeder wiffe, wie viel Arbeiter ihr KV. Jahr erreichen. Abge- sehen jedoch hiervon, sei es auch diesmal der Arbeiter, der die Zeche bezahlen muß. Es sei zu empfehlen, daß die er- wähnten 47 Millionen des Kirchenbudgets der Allersversorgungs- Kasse zugeführt werden und daß man zur Konfiskation der von der Revolution übrig gebliebenen Güter zum gleichen Zwecke schreiten müsse. Seiner Zeit habe die Bourgeoisie einen Anfang gemacht, ohne jedoch von diesem Vermögen dem vierten Stande etwas zufließen zu lassen. Lafargue kommt weiter auf die nieder- trächtig« geistig« Unterdrückung der Arbeiter in gewissen Werkslatten zu sprechen. Die Patrone gründeten in ihren Werkstätten Kirchen wie votrs äame de l'usine und zwängen, da sie in ihrem Eigenlhum dem Arbeiter gegenüber die unumschränkten Herrscher seien, dem Arbeiter ihre Religion auf. Es sei an der Zelt, daß man endlich vor der Trennung der Kirche vom Staat die Trennung der Kirche von der Werkstatt herbeiführt. Im sozialistischen Staate, der die Vorsehung im Himmel durch eine aus Erden ersetze, verschwinde die Kirche von selbst. Die Zeit nahe heran, die bevorstehenden Wahlen würden es zeigen. Die neuen Zolltarife, die jetzt bereits de» Preis der nothivendigsten Lebensmittel auf das ungeheuerlichste steigerten, würden die Wahl sozialistischer Männer auf das äußerste begünstigen und die Partei ihren Zielen stetig näher rücken. Nicht endenwollender Beifall lohnte den bekannten Redner für seine trefflichen Aussührnngen. Eine junge Arbeiterin überreichte bei dieser Gelegenheit dem Genossen Lafargue eine rothe Fahne im Namen eines hiesigen Arbeiterinnenvereins mit entsprechender Widmung. Hieraus meldete sich Charles Simon , der Sohn des Senators Jules Simon , der geistige Kämpe der hiesigen Bourgeoisie, als Gegenredner, ohne eben mehr als einige Phrasen von einer VersAinung des Arbeiters mit der besitzen- den Klafft vorzubringen. Im Eingang seiner Rede drückte er seine Zustimmung zu Lafargue's Ausführungen aus, um schließlich„in Nichts dahinzusinken". Jul. Guesde fertigte, die Aasführungen Siinon's, daß der Sozialismus den Klassenhaß predige und das Individuum unterdrück«, glänzend ab. Er antwortete mit der Entwickelung der allgeineinen Theorien des Sozialismus, die den Lesern bei„Vorwärts" hinreichend be- kannt sind. Ich unterlasse es nicht, Ihnen diesen Theil der Rede wörtlich zu übersetzen. Guesde sagte: Es ist ein seltsamer Jrrlhum, zu behaupten, daß das indivibuale Besitzthum von ehemals noch existire, daß der Berfertiger sein Produkt für sich verwendet. In einer Eisenbahn, wo sind die Eigenlhümer? man weiß es nicht. Sie sind überall und nirgends. Ihre Hände sind da, um alle drei Monat« ein kleines Papier vorzulegen, ihre langen Finger(doigts crochus) stnd da, um sich den Nutzen anzueignen. Es hat sich ei» neues Besitzthum gebildet, begründet auf die Nichtarbeit der Eigenthümer. ' Wir wollen den Arbeitern die Werkzeuge geben und damit die Produktionsmittel, die Minen, die Eisenbahnen und die Fabriken. Rur dann werden die Arbeiter frei sein und nicht Sklaven, wie man behauptet. Sie find Republikaner, CharleS Simon, und eifriger Republikaner, ich weiß das. Aber wie kommt es, daß Sie nicht begreifen, daß wir noch größere Republikaner find? Wir sind, wenn ich mich so ausdrücken darf, Republikaner der zweiten Potenz, da wir die Repubsil in der Werkstatt einführen wollen. Das allgemeine Stimmrecht, welches Sie arbeiten lassen, um Deputirte, Senatoren und weiterhin Minister Zu ernennen, wir wollen es auf die Werkstatt ausdehnen, an der wir alle Miteigenthümer sind. Sie haben, sage» Sie, den Sozialismus studirt? Aber wenn Sie den Sozialiemus gründlich kennen lernen wollen, so müssen Sie ihn nicht bei falschen Sozialisten suchen, nicht bei Feinden des Sozialis- UM», wie es der frühere österreichische Minister, Echäffle, den Sie soeben zitirten, ist. Der dritte Einwurf, den Sie ge- macht haben, ist eigentlich nur eine Phrase.„Ihr habt kein Baterland, sagt man, Ihr führt den Zusammenbruch Frankreichs herbei." Zwingen Sie uns nicht, ein Äuge auf die Handlungen Ihrer Klasse zu werfen, gelegentlich der traurigen Zeit unserer Geschichte. Wir würden sehen, wie Männer der kapitalistischen Klaff, unseren Truppen fehlerhafte Gewehre lieferten, wie sie «chuhe aus Pappe für unsere Soldaten fabrizirten, wie sie die Anleihe Morgan zum Preise des Blutes der J.ffwZösischen Armee verhandelten und zusammen mit den Bokhfchtld'» wie wilde Thier« hereinbrachen, um auf die Hausse ul' Baisse unserer Niederlagen zu spekuliren. Ich höre im Geiste ,5" Bankier Bleichröder zu Bismarck sagen,„man muß Fraiikreich �Milliarden Kriegsentschädigung auferlegen, um es zu erdrücken, und uh seh, gleichzeitig 4 Jahre später den Orden der Ehren- wglon auf der Brust dieses„Franzosenfreundes' prangen. Die Sozialisten dagegen, wie Liebknecht und Bebel, haben mit Ent- »«ilmig gegen die Erdrückung Frankreichs protestirt und als man °°r« Jahren neue Htlismitttel für die deutschen Truppen im J*5U*•*«*» Krieges gegen uns verlangte, hat sich Bebel erhoben und »lagtc„Um gegen Frankreich tu kämpfen, bewilligen wir nicht einen Mann, keinen Pfennig",— und während dieser Zeit ging die französische Bourgeoisie der deutschen Monarchie ent- gegen. Ich habe gesehen wie Herr Courcelles, unser Berliner Gesandter, in seinen Händen ein Geschenk von 7S 000 Franks hielt. Dieses Geschenk war mit unserem Gelds gekauft und für den Fürsten Bismarck bestimmt. 'Der endlose Beifall der Zuhörer bewies schließlich zur Ge- nüge, daß unter sozialistischen Franzosen der erdichtete Chauvi- nismus nicht existirt, und wir können hoffen, daß in absehbarer Zeit der größere Theil der Bevölkerung im echten Sinne des Wortes„Sozialdemokraten" werden. Mit dem Rufe„Vivo I-atarKuo",„Vive Guesde",„Vive le Parti Ouvrier" schloß die Versammlung. D. L. Tie Hinrichtiinge» in Xerez haben die von uns vorausgesehene Wirkung— der Eindruck auf die Massen des spanischen Volkes ist nach allen Berichten ein ungeheurer—, Mitleid mit den Opfern, Wuth auf die Regierung und der Ruf nach Rache. Selbst der Regierung freundliche Organe geben zu, daß die Hinrichtung der vier„Anarchisten" ein schwerer Fehler war; und daß, bei der allgemein herrschenden Unzufriedenheit die Mutter des sechsjährigen Königs klug gethan hätte, das Begnadigungsrecht auszuüben. Es gilt für sehr wahrscheinlich, daß die republikanische Partei einer- ilitd die s�für die Bourbonendynastie thätige) Carlistenpartei andererseits die Gelegenheit zum Losschlagen benutzen werden. Niemand glaubt an die Festigkeit und den Bestand des Thrones, auf dem ein schwächliches Kind sitzt, und Zünd- stoff ist überall in Hülle und Fülle aufgehäuft.— Die englische Regierung geht, wie wir bereits an- deuteten, mit dem Plan um, kleine Bauerngüter zu schaffen, die an Landarbeiter unter gewissen Bedingungen vergeben werden sollen. Man sieht daraus, wie ideenarm die Vertheidiger der heutigen Gesellschaftsordnung sind, und wie sie in allen Ländern auf dieselben Pfuschmittel und Kinder-Steckenpferdchen kommen. In England, wo der Bauernstand seit Jahrhunderten ausgerottet ist und der Großgrundbesitz so vollständig herrscht, daß das Wort peasant(Bauer) vom Volke garnicht mehr verstanden wird, ist dieser Plan geradezu aberwitzig. Die Regierung weiß das auch ohne Zweifel sehr wohl, und ihre Absicht ist nicht, den Plan zu verwirklichen, sondern, nur ihn als Köder zum Stimmenfang bei den bevorstehenden Wahlen zu verwenden. Mit Recht erinnert die„Justice" daran, daß der Kleingrundbesitz, den man in England angeblich her- stellen will, in allen Ländern, wo er noch besteht, sich ans dem Aussterbe-Etat befindet. Sie macht bei dieser Gelegenheit aus die elende Lage der Kleinbauern, nament- lich in Italien und Frankreich , aufmerksam. In Italien wüthet bekanntlich die Pellagra — eine Art Aussatz, hervorgebracht durch unzureichende Ernährung— und nach den neuesten Mittheilungen fängt diese furchtbare Krankheit auch in S ü d f r a n k r e i ch an sich zu verbreiten. Und wenn in Deutschland durch die Brotvertheuertlngs- Politik das Maisbrot, in dem der Pellagra-Keim enthalten ist, zum ständigen Volksnahrungsmittel gemacht wird, können auch wir Deutsche aus die Pellagra gefaßt sein.— Gute Ultterschast. Das Interesse an der Militärseelsorge, daS neuerdings mancherlei tristige Anregung erfahren hat und das auch das Landeskonsistoriiim lebhaft bewegt, hat demselben die Frage nahe gelegt, ob nicht schon dem Eintritt der einberufenen m i l i t ä r p s l i ch t i g e n Rekruten in den Dienst der Waffen von Seiten der Kirche eine besondere Beachtung zu schenken und dieselbe seelsorgerlich zu behandeln sei, gewissermaßen als der erste der seelsorgerlichen Akte, an den Söhnen unseres Volkes, welche die Waffen zu tragen haben, vom Eintritt in ihre Dienstzeit an. Dieser Vorgang, der vor anderen ähnlichen Vorgängen im sozialen Leben und nach Außen hin bemerkbaren Wendepunkten im Berufsgange ssch schon dadurch wesentlich unterscheidet, daß er bei der großen Menge der Militärpflichtigen vielmehr ins öffentliche Leben hinaustritt, als andere, wie er auch besonders fühlbar in das Leben des Ein- zelnen eingreift, ist bei der Wichtigkeil, welche das deutsche Heer als einer der hervorragendsten Faktoren der Erziehung des Volkes hat, unleugbar bedeutsam für unser Volksleben und bewegt die weitesten Kreise, insbesondere neben den Nächstbetheiligten, die Angehörigen der Militärpflichtigen. Dazu kommt, daß in unserer Zeit mit der lebhafteren Bewegung des öffentlichen Lebens von Seiten der Kirche und des geistlichen Amtes, Alles mit Sorgfalt gepflegt werden muß, was geeignet ist, die innige Berührung der Landeskirche, als Volkskirche, mit dem allgemeinen Volksleben zu fördern. Um dem Bedürsniß einer seelsorgerlichen und kirchlichen Be- Handlung des gedachten Vorgangs im Interesse der Militär- Pflichtigen und ihrer Augehörigen wie der Gemeinde gerecht zu werden, empfiehlt es sich, nicht sowohl ganz neue Wege ein- zuschlage», als vielmehr an vorbandene Ansätze kirchlicher Sitte aiizukiiilpfen. Solche Ansätze find gegeben in der in verschiedenen Geineindeii der Landeskirche üblichen Praxis, daß kurz vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Rekruten in den Militärdienst, die- selben mit ihren Angehörigen gemeinsam das heilige Abendmahl genießen. Eine solche Feier, eingeleitet durch eine entsprechende Abkün- digung vor der Gemeinde, beziehentlich durch geeigneten Hinweis aus dieselbe in der Predigt, sowie im seelsorgerlichen Berkehr init den Gemeindegliedern, begonnen mit einer herzanfassenden und gewissen- schärfenden Beichtrede, ausgeführt in Gegenwart der fttrbittenden Gemeinde, kann nicht verfehle», ans die Betheiligten nnd die Gemeinde einen nachhaltigen, erhebenden Eindruck zu machen. In der Beichttede wkrd jedoch zu vermeiden sein, in einseitiger und extremer Weife die sittlichen Gefahren zu schildern, welche mit dem Eintritt in den Militärdienst für den innerlich nicht ge- sestigten jungen Mann entstehen. Gefahren, welche mit dem Eintritt in jeden anderen Berufsdienst ebenfalls mehr oder weniger ver- knüpft sind; es gilt vor Allem dabei positiv zu wirken durch den Nachdruck, welcher auf die Gründung der Treue gegen König nnd Vaterland, Kaiser und Reich, in der Treue des Glaubens gegen Gott und Gottes Ordnungen, gegen Christus und seine Kirche zu lege» sein wird. An die Fürbitte, welche für die Kommunikanten am Tage der gedachten Abendmahlsfeier zu thun ist, wird sich, um der bewegten Theilnahme der nächsten Angehörigen der Rekruten und der Gemeinde überhaupt besonderen Ausdruck zu geben, am zweck- mäßigsten im uiimittelbaren Anschluß daran eine Fürbitte für die nächste Zukunft der Militärpflichtigen, für ihren Dienst und für das Wohl ihrer Seelen anknüpfen lassen. Wo eine solche AbendmahlSfeier, von der dringend zu wünschen ist, daß sie sich immer weiter in unserer Landeskirche verbreite und einbürgere, nicht zu Stande z» bringen ist. wird es sich doch empfehlen, an geeigneter Stelle»ach der Predigt eine solcheFürbitte einzuschalten. Für dieselbe ist, um einen bestimmten Anhalt zu bieten, das unter (7) nachstehende Formular beigelegt worden, ohne jedoch damit den einzelnen Geistlichen zu hindern, je nach lokalen Bedürfnissen, der Fürbitte eine andere Wendung zu geben. Indem Vorstehendes der Kreis hau ptm an» sch aft zu Bautzen , als Konststorialbehörde, sowie den Euperintendenturen eröffnet wird, werden dieselben aukaefordert. dieser An- regung weitere Folge zu gebe», zu diesem BeHufe gegenwärtige Verordnutig den Geistlichen und nicht minder den Kirchenvorstände» zur Kenntniß zu bringen und die Angelegenheit in geeigneter Weise bei Konferenzen, in Diöcesanversammlungen, bei Kirchenvisitationen und sonstigen Gelegenheiten zur Besprechung zu bringen. Von dem Erfolg ist im nächsten Jahresberichte Anzeige anhe» zu erstatten. Dresden , den 4. Januar 1892. Evangelisch-lutherisches Landeskonsistorium. T Gebet für die militärpflichtigen Rekruten. Wir befehlen auch Dir und Deiner gnädigen Obhut die Sühne unseres Volkes, die in diesen Tagen zum Dienste der Waffen berufen werden. Stärke sie mit Deinem Geiste in der Treue gegen König und Vaterland, Kaiser und Reich, hilf, daß sie im Glauben und christlicher Zucht eine gute Ritterschaft üben in Deinem und ihres Königs Dienst und bewahre sie unter allen Gefahren und Anfechtungen, daß sie wacker bleiben und Stand halten. Varkeinkrrftvtrhken. Der preußische Bolksschul-Gesetzentwurf i» der Veurtheilunn der sozialdemokratische» Presse. Slugsburger„Volks-Zettung": Immer spricht nlan vo» Versöhnung der Klassen und doch stellt man schon fast die Wiege in Feindesstellungen! Geht das Gesetz durch, sc ist der Pfarrer Souverän, der Lehrer Sklave! Belgien wird dann in Schntten gestellt! Damit aber das Aufräume» mit der „bösen Rothen" rascher gehe, hat der„Gesetzesmacher" Privat- schulen gestattet und diese mit herrlichen Freiheiten ausgerüstet; solche Anstalten werden wie Pilze aus dem Boden wachsen und einen passenden Tummelplatz kampfgieriger Hetzkapläne abgeben. Anmuthiges Ende des glorreichen 19. Jahrhunderts! Der Erlaß deS Herzogs Georg z« Sachse« und das Urtheil der sozialdemokratischen Presse. „Sächsische Arbeiterzeitung": Da? Schriftstück beweist, daß dem Militarismuß, dem auf Krieg und Parademarsch abzielenden Drillsystem endlich ein Ende gemacht werden muß. Das Militär soll die herrschende Klasse gegen ihre Feinde außerhalb und innerhalb Deutschlands schützen. Straßenkämpf« stellte v. Caprivi in Aussicht. Schießen auf Väter und Geschwister soll von sog. höchster Stelle alß Möglichkeit in Aussicht gestellt worden sein. In solchen Fällen würde weit mehr noch als im Kriege der„unbedingte Gehorsam" nothwendig sein, obwohl wir an einem Gehorsam in solchen Fällen überhanpt starke Zweifel hegen. Der unbedingte Gehorsam aber macht den Ge- horchenden zu einer Maschine; der heutige Soldat ist nichts weiter als ein Automat, der rein mechanisch die Arme und Beine hebt und senkt; er ist einem starren, äußerlichen Zwange unter- morsen; ob er etwas für richtig oder falsch hält, das ist gleich- giltig,„Disziplin muß sein!" Auf dm Befehlenden aber, vom Unteroffizier aufwärts, bringt das Doppelgefühl, daß er nach oben hin unbedingt gehorchen muß und daß ihm von unten her un- bedingt gehorcht werden muß, die schlinimsten Einwirkungen her- vor. Nach oben hin muß er aufs Wort pariren, muß sich harte Reden gefallen lassen, wie wohl thut es da, nach unten hi« das Empfangene weiter zu geben, sein Müthchen zu kühlen. Das langjährige Unteroffiziers- Leben, das fast jeder geistigen oder moralischen Anregung bar ist, ist erfüllt von dem Bewußt- sein einer Macht über eine Anzahl von Menschen, wie sie kein absoluter Herrscher auf dem Thron besitzt. Nur sehr starke und zugleich edle Charaktere— wie selten ist das Zusaminevtreffen beider Eigenschaften!— werden dem Anreiz widerstehen können, ihre Macht zu mißbrauchen. Ja selbst der Unteroffizier mit den besten Absichten wird leichr zum Mißbrauch seiner Macht getrieben. Gesetzt, er habe einige ungeschickte Leute in seiner Abtheiliing, die beim Marschiren krumme Knie machen; er wird vom Vor- Öetzten getadelt, daß er„seine Leute" bezw.„Kerls" nicht ser„im Zug habe"; das passttt einmal, zweimal und öfter, schließlich geht ihm die Geduld aus und er probirt, ob er nicht aus„andere Weise" zu dem erhabenen Ziele des„Knie- Durch- drückens" gelangen kann; ein roher Patron geht dabei noch einen Schritt weiter und wir sind bei dem Sergeaiiten Pflug von der 7. Kompagnie des 104. Regimentes angelangt, vo» dem das Schrift- stück sagt:„Das Unmenschlichste hat Pflug aber geleistet, als er die Rekruten, welche beim Gxerziren die Knie nicht ordentlich durchgedrückt hatten, derart über je zivei Stühle sich legen ließ, daß die Knie hohl lagen, und sich dann etwa 19 Minuten lang auf die Knie setzte und sie durchwuchtete. Als die Leute vor Schmerz laut ausschrien, hielt er ihnen mit der einen Hand den Mund zu, während er sie mit der anderen heftig ins Gesicht schlug." Man sieht also, es ist das System im Allgemeinen, welches solche Früchte zeittgt; es sind keine zufälligen„Ausartungen", sond-rn nothwendig« Folgen einer im Innern deS ganzen Organismus wuchernden Krankheit. Das System bedarf einer Umformung von Grund aus entsprechend dem Geiste der Zeit. An Stelle des Militarismus, des Drills, des Parademarsches, der scharf ab- gegrenzten Rangstufen, des sklavischen Gehorsams trete das Volksheer, dos Aufrücken in die höheren Grade nach dem Verdienst, die s r e i iv i l 1 i g e und deshalb gern beobachtete Disziplin. Nach dieser Richtung hin wollen wir das Aktenstück ausnützen und unS nebenbei über die klägliche Verlegenheit unserer ehrenwerthen Ordnungsblätter amüsire». '»' Zum Fall Pens sagt das katholische„Zentral-Volksbkatt für den Regierungsbezirk Arnsberg ":„Mit schnierzlichem Be- dauern haben wir jüngst die Thatsache vernommen, daß es einem Ehemanne, welcher sich in Untersuchuiigshaft befand, vo» Seiten eines königlichen Staatsanwaltes trotz de» Angebotes einer Kaution verweigert wurde, an die Seite seiner sterbenden Gottin zu eilen und ihr so die letzte schwere Stunde zu erleichtern. Was Mann und Frau infolge dieser Verweigerung gelitte», das auszumalen, mögen uns die Leser erlassen. Ein Jeder, der menschlich fühlt, wird sich in die Lage der bedauernswerthen Ehegatten versetzen können. Daß jener Ehemann ein Sozial- demokrat ist, thut nichts zur Sache. Auch ein Sozialdemokrat ist Mensch mit menschlichen Empfinduiigen, menschlicher Freude, menschlichem Schmerze. Wir mögen seine Anschauungen be- klagen, sie verdainme», aber das Recht der Gerechtigkeit können und dürfen wir ihm seiner Anschauungen wegen nicht streitig machen."— Daß am Ende des 19. Jahrhunderts noch ein Blatt ver- sichern muß, auch ein Sozialdemokrat sei ein„Mensch mit menschlichen Empfiiidllngen, menschlicher Freude, menschlichem Schmerze", zeigt, wie tief noch verhältnißmäßig der Kulturstand des Deutschen Reiches ist, wie wenig dieser neuerdings aller« christlichste Staat von dem Gebots de? mythischen Nazareners thalsächlich prositirt hat:� Liebe Deinen �Nächsten wie Dich selbst. Im badische« Landtage* kritisirtm Dreesbach und Dr. Rüdt bei Berathung des Budgets des Justizministeriums scharf die Zustände in den dortigen Strafanstalten. Rüdt schil» derte seine Erfahrungen im Heidelberger ÄmtZgefängniß und tadelte das Benehmen des Gesängnißarztes, der sich geweigert hätte, ihn zu untersuchen, obschon er ein Krankheitsattest bei- gebracht und der ihn mit der charakteristischen Bemerkung zurück» gewiesen habe:„Strafe muß sin l" Auch die Kost sei eine un- fenügende, in der Woche werde nur einmal Fleisch verabfolgt, onst gäbe es außerordentlich wässerige Suppen. Weiterhin be- mängelle er die Strafart der Dunkelkauimer, die an das hoch«, notbvewliche Halsgericht Kaiser Karl's V. erinnere.
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