Die»Kölnische Ztg.-!ann auch anders! Wenn eS demnächst doch zur Wahrheit werden sollte, daß Deutschland in der populären Rolle des.Friedeusvsrmittiers" glänzen möchte, so wird daS Blatt das erste sein, das die unermeßliche Güte und Weisheit der Regierung Preist . Güte und Weisheit wird dann sein, was heute als aus- ländische Wühlarbeit gelästert wird. Der ivankbruch. ES wird alleS aufgeboten, um die Folgen deS Leipziger Krachs einzuschränken; allerdings haben die Berliner Großbanken es ab- gelehnt, die Leipziger Bank zu stützen. Ein Leipziger Blatt macht dies Verhalten den„Berliner Juden* zum Vorivurf und spricht sogar davon, daß sich der Direktor des alten Leipziger Geldinstituts dazu erniedrigt habe, die Berliner Finanz um Hilfe anzugehen. In der That, eine unerträgliche Demütigung für eine Verwaltung, die ihre Depositäre und Aktionäre auf die frivolste Weise hinter- gangen hatl In Wahrheit muß es den Berliner Banken als ein Verdienst angerechnet werden, daß sie wenigstens nicht so wahnsinnig handeln, dem Dreberschwindel das Leben retten zu wollen, tvas sie nicht einmal könnten, wenn sie es auch möchten, denn bei ihnen allen liegt der Knüppel beim Hunde. Als die Berliner Hilfe versagte, hoffte mau noch auf die sächsische Regierung. Es scheint in der That, daß die letztere wenigstens mit dem Plane umgeht, einzugreifen. Die s ä ch s i- schen Staatsfinanzen sind nicht nur indirekt, sondern auch direkt an dem Leipziger Bankrott interessiert, weil die Kasse der Staatslotterie für 10 Millionen Mark Wechsel der Leipziger Bank im Besitz hat. Auch die Sächsische Bank(Notenbank) ist beteiligt. In Dresden hat sich das erwachte Mißtrauen der Bankgläubiger besonders gegen die Dresdener Bank gerichtet, die schon lange und besonders seit ihrer letzten Bilanz als diejenige Großbank be- kannt ist. welche am leichtesten Kredit gewährte und ihre Mittel am meisten festgelegt hat. Wie uns aus Dresden mit- geteilt wird, hatte die Dresdener Bank am Dienstag einen Sturm- lauf ihrer Gläubiger zu bestehen. Die Bank zahlte aber ohne Um- stände alle Forderungen aus und ließ das Geschästslokal sogar bis 7 Uhr abends offen. Auch bei der Bankierfirma Günther u. Rudolf wurden Einlagen zurückgezogen. Den Sparkaffen fließen dagegen Einlagen zu. Die Nachrichten über die Wirkungen des Bankrotts fließen übrigens äußerst spärlich. Wolfis Bureau bringt nur wenige Nach- richten, meist ohne Belang. Ueber die Wirkung in den Provinzstädten des Königreichs Sachsen, in denen die Leipziger Bank Filiale» oder Kommanditen unterhält, ist noch nichts bekannt. Auch den Sturm auf die Dresdener Bank verschweigt das »Bureau Wolff*. Dagegen verbreitet es eine geradezu alberne Nachricht aus Caffel, wo der Aufsichtsrat der Trebertrocknung eine Nachtsitzung abgehalten hat, bei der weiter nichts zu stände gebracht ist, als ein Beschluß, eine Uebersicht aller Schulden zu Wege zu bringen; das soll einige Tage in An- spruch nehmen und dann will der famose Anffichtsrat weiter sehen. Die Herren markieren ein sehr ruhiges Gemüt; innerlich steht'S anders aus;«8 würde uns nicht wundern, wenn dieser und der die paar Tage, die zur Klarlegung erforderlich sind, benutzte, um auf«ine längere Sommerreise zu gehen. Denn der Treber- trocknungS-Schwindel ist für die Gerichte reif. Man muß sich wundem, daß die Staatsanwaltschaften in Leipzig und Kassel sich der Dinge noch nicht angenommen zu haben scheinen, obwohl jähre- lang betriebene dreiste Täuschungen nachgewiesen sind. Der AufsichtSrat der Trebertrocknung besteht auS folgenden Personen: Rittergutsbesitzer Hermann Sumpf- Kastel, Bor - sitzender, Fabrikant R. Schlegel-Guxhagen , Rittergutsbesitzer Arnold Sumpf« Greifswald . Kanfmann F. E. Otto- Dortmund nnd Lttttergutsbesitzer Th. Schulze» Dellwig- Aplerbeck. Diese Ltörperschaft, die bemfen war, über die kompliziertesten Unter- «ehmungen in aller Herren Länder zu wachen, besteht also zu drei Fünfteln aus Rittergutsbesitzern. Dem Aufsichtsrat der Leipziger Bank gehören die reichsten Finanz- firmen Leipzigs an: Stadtrat und Konsul Heinrich Dodel, Bor - sitzender; Georg Schröder, stellvertretender Borsitzender; Kammerrat und Stadtverordnetenvorsteher Alex. Mayer; Fel. Schaeffer; General- konsul Wilhelm Wölker; Alfred Börster; F. L. WilkenS, sämtlich in Leipzig , und Dr. O. Fiebiger in Dresden . Selbstverständlich find diese meisten Herren regreßpflichtig, aber eS ist bezeichnend genug, daß man auf die Ergebnisse der Regreß- klagen so wenig giebt, daß man sie erst gar nicht in Rechnung zieht« Wir haben ja in der Behandlung der Regreßpflicht der Erben des Baron Cohn bei den Sandenbanken gesehen, wie gelind die Dinge schließlich ausfallen. Aus Leipzig wird vom Mittwoch gemeldet: »Die Aufregung in der Stadt dauert noch fort, bei allen größeren Bankin st ituten herrscht großer Zulauf der Gläubiger, welche Depots abheben, doch glaubte man heute ein geringes Nachlassen dieser Bewegung zu verspüren. Auch ist die öffentliche Meinung über die Frage, ob etwa weitere hiesige Institute dem Sturze der Leipziger Bank folgen könnten, einiger- maßen geklärt; außer der Leipziger Hypothekenbank hat auch die Kredit- und Sparbank eine entsprechende Erklärung veröffentlicht. DaS Ergebnis der seit heute niittag andauernden Beratungen der Hauptgläubiger der Leipziger Bank war bis drei Uhr nachmittags noch nicht bekannt, doch hegt man keine Hoffnungen mehr auf eine Intervention irgend welcher Art." Ueber die Wirkungen deS Bankkrachs auf die Berliner Großbanken ist Genaues nicht bekannt. Mehrere große Finanzfirmen sind mit Millionen be- t e i l i g t. Die Firma von der Heydt war in den Verdacht großer Berluste gekommen, hat aber ibre Wechsel am Mittwoch prompt reguliert; man sagt, daß ihr dazu allerdings außerordentliche Hilfe zu statten gekommen sei. Die mit der Börse in Fühlung stehende Presse giebt sich be- greiflicherweise die größte Mühe zu»beruhigen*. DaS»Berliner Tageblatt* hat sich von der jüngst erlittenen Abfuhr sogar so weit erholt, daß es die eklatante Genugthuung, die eine Marxsche Lehre er« fährt, wie wir gestern kurz andeuteten, uns gegenüber zu bestreiten wagt. Dabei passiert es Herrn Schmock, die»allgemeine* Krise zu leugnen. Offenbar wissen diese glänzenden Oekonomisten immer noch nicht, was eine»allgemeine*, eine die Produktion lähmende und alle Zweige der Wirtschaft ergreifende Krise ist. Der Beschwichtigungsrat des„Berliner Tageblatt" giebt sich die größte Mühe zu erweisen, daß es sich in den Krisenvorgängen nur um den Zusammenbruch von schwindelhnften, betrügerischen Einzelunternehmungen handle. DaS ist um so lächerlicher, als der Handelsteil des„Berl. Tagebl." seit Monaten die zahlreichen kritischen Vorgänge mitgeteilt und einigermaßen redlich erörtert hat, welche das Vorhandensein einer allgemeinen, einer Produktionskrise längst offenbart haben. Daß unter solchen Verhältnissen des Marktes der wahnsinnige Schwindel zuerst zusammenbricht, ist klar. Aber weiß nicht jedermann, daß unsre Großbanken ins- gesamt im«Aufschwung* der Ueberspekulation gehuldigt haben? Und darin liegt daS W e s e n der Krise, daß die übertriebene An- läge und die Kreditüberspannung die Grundlagen der Wirtschaft zerrüttet haben. Es existiert in Berlin keine einzige Groß- bank, die in der Lage wäre, einen wirklichen Run ihrer Gläubiger auSzuhalten. Diesen Zustand geschaffen zu haben ist auch ein schwerer Vorwurf und dieser Vorwurf trifft das System; diese Uebergänge von scheinbarer Ueberflllle zum elendestenBankrott sind die immanente Eigentümlichkeit und die schlimmste Schwäche deS kapitalistischen Systems. Ans Leipzig wird vom Mittwochabend gemeldet: Die an der Berliner Börse herrschende Meinung, die sächsische Regierung beabsichtigte auS Anlaß der jüngsten Bankkatastrophen eine Hilfsaktion, scheint sich nicht zu be- st ä t i g e n; in hiesigen matzgebenden Kreisen ist davon nichts be- kannt. Die Leipziger Bank wird heute abend noch beim Amtsgericht Leipzig Konkurs anmelden, doch bleibt die Entschließung des Konkurs- richters noch abzuwarten. Leipzig , 2S. Juni.(W. T. B) I» der heute mittag im Ge« bände der Leipziger Bank abgehaltenen Versammlung der Haupt- gläubiger, an welcher Vertreter der RcichSbank, der Sächsiscken Bank, sowie verschiedener Leipziger und auswärtiger Häuser und Banken teilnahmen, stellte sich als unmöglich heraus, ein Moratorium sämtlicher Gläubiger herbeizuführen, so daß die Konkursanmeldung gesetzlich geboten erschien. Nach dem en bloc aufgestellten Status der Bank hat dieselbe an Verbindlichkeiten circa 29 000 000 M. Accepte, 24 000 000 M. Depositen- und Checkkonto, sowie 39 000 000 M. Kreditoren, zusammen etwa 92 Millionen Mark. Demgegenüber stehen an Aktiven circa 2(3>/s Millionen Mark Wechsel, wovon 10 000 000 bei Staatsanstalten gegen Depositen ruhen, ferner S'/s Millionen Mark Effekten, 2 Millionen Mark Kasse, 111�/2 Millionen Mark Debitoren, iVa Millionen Mark Pfänder, 7 Millionen Mark Konsortialbestände nnd L'/eMillionenjM. freier Wert des Bankgebändes, zusammen circa ISOVa Millionen Mark. Wenn alle Aktiven voll- ständig eingehen sollten, so würben nach Berechnung der Direktion 67 Millionen Mark für die Aktionäre vorhanden sein. Es kommt aber vor allem darauf an, welche Verluste für die Leipziger Bank bei der Realisierung ihrer etwa achtzig Millionen Mark betragenden Engagement» mit der Aktiengesellschaft für Trebertrocknung in Kassel und der ihrer Gruppe angehörenden inländischen und ausländischen Gesellschaften und Firmen ent- stehen. Die Engagements bestehen laut Bericht der Direktion zum Teil in Debitoren, Pfändern, Wechseln und Konsortialbeteiligungen, zum Teil auch in Vorschüffen, welche gegen Sicherheit der- schiedenster Art, so gegen Bürgschaft,' an Mitglieder des AufsichtSratS und der Direktion der Kasseler Gesellschaft gegeben wurden. Die Berichte, die der Vorstand der Bank, ferner die AufsichtSratSmitglieder Georg Schröder, Kammerrat Fritz Mayer und Generalkonsul W. Wölker über ihre persönlichen, zum Teil im Auslande gewonnenen Erfahrungen über die Aktiengesellschaft für Trebertrocknung erstatteten, suchten nachzuweisen, daß im Jnter- effe der Aktionäre behufs Erzielung einer möglichst hohen Quote das Kasseler Unternehmen in irgend einer Form erhalten bleiben müsse. * Hypothekenbanken. Die Leipziger Hypothekenbank, die mit der Leipziger Bank in Verbindung steht, veröffentlicht eine Darstellung der Verhältnisse zwischen ihrem Pfandbriefumlauf und de» zu seiner Deckung vor- handeuen Hypotheken. Danach sind 86 242 500 M. wirklich umlaufende Pfandbriefe durch mehr als 92 Millionen Mark Hypotheken gedeckt. Die Zinszahlung zum Juli ist gesichert. Welche Verluste die Bank erleidet, wird nicht gesagt. In diesen Tage» ist auch das Ergebnis der staatlichen Revision der Pommerschen Hof-Hhpothekenbank im»Reichs- Anzeiger' veröffentlicht worden. Die Mitteilung belegt im einzelnen das schon früher bekannt gewordene Ergebnis, daß zwar Hypotheken vorhanden sind, die auf Uebertaxat beruhen, daß aber die Pfand- bliese nichts zu befürchten haben. Wir haben bekanntlich von An- fang an in dem Falle der Pommernbank�diese Ansicht vertreten. Deutsches Weich. Der Tündcnbock. Herr v. Woedtke, der jetzt mit einem unpolitischen Amt abgefunden werden soll, ist, wie man längst vermutete und wie die»Freis. Ztg." besonders betont, in keiner Weis« durch die 12 000 Mark-Asfaire belastet. DaS betreffende Schreiben ist nicht von Herrn v. Woedtke, sondern von Herrn v. Posado wsky selbst unter- zeichnet worden. Wäre seitdem Herr v. Woedtke einmal im Reichstag erschienen, so würde er provoziert morden sein, dies klar zu stellen. Eben deshalb war es Herrn o. Woedtke von seinem Chef untersagt worden, im Reichstage wie sonst zu erscheinen. So verhält es sich also in Wahrheit damit. Auch der Berliner Vertreter der»Franks. Ztg.* erklärt, daß Herr v. Woedtke bei der 12 000 Mk.-Affaire als Sündenbock gedient habe. Man habe eigentlich erwartet, daß er gelegentlich zu einer höheren Stellung befördert und dadurch entschädigt werden würde. Statt dessen gehe er mit der Ernennung zum Präsidenten deS neuen Reichsamts für da? private Versicherungswesen definitiv in eine unpolitische Stellung über.»Besonders beliebt ivar der eifrige Mann nicht. DaS hindert aber nicht, anzuerkennen, daß er schweigend die Schuld eines Höheren auf sich genommen hat und trägt. So denkt man auch in den Kreisen der höheren Beamten und seiner Kollegen und man denkt im Zusammenhang damit noch manches andre." Und nun erinnere man sich jener offiziellen Erklärung, die un- mittelbar nach der Enthüllung des schmählischen Handels abgegeben wurde. Am 25. Oktober 1900 schrieb die»Berliner Korrespondenz* wörtlich: »Auf Anordnung und durch Bermittelung deS Direktors im Reichsamt des Innern, Dr. v. W o e d t k e, hat der General- sckretär eine Summe von 12 000 M. zur Verfügung gestellt. Welche Ehrbegriffe müssen in den höheren Kreisen herrschen, wenn derart ein Unschuldiger für den Schuldigen unterschoben wird? Damals wurde ja sogar ein Alibi für Posadowsky fabriziert, von dem behauptet wurde, er sei zur kritischen Zeit in England ge- wese». UebrigenS lvurde in jener Auslassung der ministeriellen Korrespondenz noch erklärt, daß der»genannte Beamte*, also Herr v. Woedtke, die»urkundlichen Belege* für die Verwendung der Summe besitzt. Ist es wahr, daß Herr v. Woedtke in keiner Weise durch den immer noch dunklen Handel belastet sei, so war auch jene Angabe des ministeriellen Organs falsch und nicht bei Herrn v. Woedtke, sondern beim Grafen Posadowsky wären die urkundlichen Belege zu suchen und vermutlich auch zu sin den. Was soll man unter solchen Umständen noch glauben? Daß die Angelegenheit zu keiner Klarheit gediehen ist, das ist in erster Linie die Schuld der Freisinnigen, die heute den Fall wieder aufrühren. Auch sie haben gegen die von u»S beantragte parlamentarische Untersuchung gestimmt. So ist heute noch jeder Ver- mutung und jedem Argwohn Thür und Thor geöffnet— nicht zum Vorteil der Regierungsautorität.— Preußische Finanzeu. Bei dem am 16. d. M. vorgenommenen Endabschluß der preußischen Generalstaotskasse dürfte sich der wirkliche Ueberschuß des Rechnungsjahres 1900 um etwas niedriger ge st ellt haben als der Ueberschuß des Vorjahr?, und auch wie dieser Ueberschuß bei der Vorlegung deS Staatshaushalts für das laufende Jahr im Januar d. I. geschätzt lvurde. Der Grund liegt nach den»B. P. N." vornehmlich darin. daß der Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung zum Teil infolge der Sistierung der Verkäufe von Altmaterialien im Winter dieses JahreS sowohl hinter dem vorjährigen Ueberschuß als der jener Schätzung zu Grunde liegenden vorläufigen überschläglichen Ermittelung zurückgeblieben ist.— Die NotstandSaktion. Nach den„B. P. N." wird angenommen, daß der Betrag, welchen der Staat zur sofortigen Linderung des Notstands in den neulich von den Ministern besuchten östlichen Pro- vinzen zur Verfügung zu stellen haben wird, sich a u f etwa 7— 8 Millionen Mark belaufen dürfte.— Eine köstliche Entdeöknng in der Socialdemokratie hat die„Post* gemacht. Sie schreibt zum Zolltarif-Gesetzentwurs: „Uebrigens ist die Socialdemokratie in ihrem AgitationS- eiset gegen die Kornzölle recht lahm geworden. Die Erkenntnis, daß der wirtschaftliche Niedergang durch den Einfluß der Preisunterbietungen mit fremden Waren bewirkt wird, ringt sich immer mehr durch und erzieht allmählich auch die Socialdemokratie zu einem schütz- z ollfreu»dliiben Standpunkte. Bedauerlich ist es freilich, daß die Not sie erst zur Erkenntnis der Wahrheit reif zu machen vermochte, während in den Tagen der blühenden Rosen jeder Hinweis auf die segenspendende Bedeutung eines nationalen Grenzschutzes wirkungslos verhallte." Wir bedauern, das Lob der„Post* nicht zu verdlenen. Den Herren Kapitalisten und Großgrundbesitzern, die durch Schutzzölle möglichst hohe Preise für ihrc Waren einstreichen, dürfte der»schütz- zöllnerische Standpunkt", zu dem sich die Soeialdemokratie„durch- ringt*, noch ebenso unangenehm werden wie die„recht lahme* social- demokratische Agitation. Dem Kapitalisten ist es bekömmlich, wenn er seine Produkte dem deutscheu Arbeiter teuer verkauft, um sie im Ausland billig verschleudern zu können. Nicht ober dem Arbeiter. Der Wahn- witz internationaler Preisiiberbmungen fordert mehr als irgend ein andres Uebel heraus zur Beseitigung des Schutzzolls.— Die Reichstag »-Ersatzwahl im Kreis« Duisburg-Mülheim- Ruhrort. Aus dem Judnstriebezirk wird uns geschrieben: Die Wahlbeivcgung kommt langsam in Fluß. Der konservativ- nationalliberale Kudde'lmuddel-Kandidat Herr Dr. Beumer hielt in einer am Sonnabend in Duisburg stattgehabten Versammlung seine Programmrede. Die BersamMlcmg war gut besucht, allerdings repräsentieren Wahlkomitee und Vertrauenslente, die wohl sämtlich zur Stelle waren, allein schon die stattliche Zahl von 500 Personen. Herr Dr. Beumer sprach sich für eine entsprechende Erhöhung der Getreidezölle, bei laugfristigcu Handelsverträgen aus. Ein langes und breites redete Herr Dr. Beumer von dem notwendigen Schutz der Arbeit; über die Not- wendigkeit des Schutzes der deutschen Arbeiter schwieg er sich natür- lich aus. Daß man ihn als bezahlten Agitator bezeichnete, hat Herrn Dr. Beumer offenbar sehr gekränkt, obwohl es ja ein von ihm selbst gemünztes Wort ist. Daß er, so meint er, für seine Thätigkeit beim Verein der Großindustriellen bezahlt werde, löiine ihm doch nicht zum Vorwurf ge- gemacht werden. Es komme doch darauf an, ob man dabei seine wirkliche innere Ueberzeugung vertrete. Stimmt! Will Herr Dr. Beumer etwa dann den Angestellte» der socialdemokratijchen Partei und der Gewerkschaften, die er durch das von ihm gemünzte Wort zu mißkreditiercn suchte, die innere ehrliche Ueber- zeugung absprechen? Mit Entschiedenheit eintreten will Herr Dr. Beumer für Erhaltung eines starken schlagfertigen Heeres und einer Marine, die im stände sei, unsren englischen Freunden ernste Kopfschmerzen zu machen. Diskusston war nicht gestattet. Sine Anfrage über seine Stellung zur Diätenfrage beantwortet« Herr Dr. Beumer dahin, er betrachte die Thätigkect eines Reichstags- Abgeordneten als eine ehrenamtliche, für die Diäten nicht zu zahlen feien. In einem durch Maueranschlage und diejLokalpreffe berbreiteten, mit einer größeren Anzahl von Unterschristen versehenen Aufruf zu Gunsten des Dr. Beumer, wird letzterer den Arbeitern sogar als Socialpolitiker empfohlen I Auch die Namen von zwei Arbeitern, eines Fabrik- und eines Bergarbeiters, finden sich unter dem Aufruf. Rcnommierarbeiter I Interessant ist die Mitteilung der»Rh. Wests. Ztg.", daß Ver- Handlungen wegen Uebernahme ver Kandidatur mit Herrn Ober- bürgermeister L e h r stattgefunden habe», der seine Zusage jedoch von der Bedingung abhängig machte, daß auch das Centruin ihm das Mandat antrage. Ein konservativ-centrümlich-nationalliberaler Kandidat wäre eine ebenso neue wie interessante Erscheinung ge- Wesen. Unsrerseits wurde der Wahlkampf mit einem am Sonntag- vormittag in 76 000 Exemplaren verbreiteten Flugblatt eingeleitet. Am Soiuiabendabeiid fand in Mülheim a. d. R., am Sonntagabend in Duisburg eine Wählerversammlung statt. In beiden Versamm- liiiigeii sprachen der Kandidat des Kreises Genosse Hengsbach und Genosse Hofrichter-Köln. Die Versammlung in Duisburg tagte in demselben Lokale, in dem am Abend vorher die nationalliberale Versammlung statt- gefunden hatte. Trotz des Schützenfestes war dieselbe sehr stark be» sucht, der große, an 1000 Personen fassende Saal bis auf das letzte Plätzchen besetzt. Zunächst sprach H o f r i ch t e r- Köln, der, oft von Beifall unterbrochen, die politische Lage schilderte, den Zickzackkurs kritisierte, eine gründliche Abrechnung mit Nationalliberalen und Eentrum vornahm, sich eingehend mit Herrn Dr. Beumer und seiner Programm-Rede beschäftigte und mit einer Empfehlung de? Kandidaten der Socialdemokratie schloß. Genosse Hengsbach, mit demonstrativem Beifall empfangen, beschäftigte sich mit dem Brotwucher, der keineswegs, wie Herr Dr. Beumer meine, ein Schlagwort sei. Die Brotpreisfrage sei für den Arbeiter eine Lebensfrage. Gegen den Brotwucher müsse vor allem die Arbeiterschaft ebenso einheitlich ihre Stimmen erheben, wie seiner Zeit gegen die Zuchthausvorlage. Die beste Gelegenheit biete den Arbeitern dieses Kreises die am 25. Juli stattfindende Wahl. In der Diskussion sprach zunächst ein Anhänger der national« liberalen Partei, der die Soeialdemokratie im Reichstage für not- wendig erklärte, die Bildinigsfreundlichkeit seiner Partei im Gegensatz zum Eentrum pries und schließlich ein Loblied auf den Oberbürger- meister Lehr sang. Dann sprach ein Anhänger der Centrumspartei, der erklärte, den Darlegungen der beiden socialdenwkratischen Redner im allgemeinen, und zu seinem Bedauern müsse cr eS gestehen, auch der am Centrum geübten Kritik ziiziisiiinmen. Daun suchte er»ach« zuweisen, daß dem Centrum auf socialpolitischem Gebiete vieles zn danke» fei, und die Socialdemokratie bei der zu erwartenden Stich- wähl daher für das Centrum einzutreten habe. Beide Diskussionsredner erhielten die gebührende Antwort. Was die Socialdemokratie bei der Stichwahl thun werde,»verde zur gegebenen Zeit entschieden werden, auf keinen Fall könne fie sich für einen Brotlvncherer entscheiden. Eine Resolution, die den Kandidaten der Socialdemokratie als den für die Arbeiterschaft als einzig in Frage kommenden bezeichnet und zur Agitation für seine Wahl mit allen Kräften auffordert, wurde eiustiinmig angenommen. Mit einem Hoch auf die Social- demokratie lvurde die Versammlung, die um 8 Uhr begonnen hatte, ggen 12 Uhr geschlossen._ Der Gumbtnner Militiirprozeß. Wie die»Preußisch- Littauische Zeitung* von» Oberkriegsgcricht in Königsberg erfährt, kann zur Zeit noch nicht festgestellt»verde», Ivan» die Verhandlung de« Obermegsgerickts in Sachen Marten-Hickel stattfindet. Die Meldung, daß das Oberlriegsgericht in Jnsterburg tagen werde, erscheine unbegründet. Hickel ist immer noch nicht freigelassen!— Internationale Konferenz für Revision de» KriegsrechtS- Die Genfer Koiiventioi» vom Jahre 1864 strebte eine Ver- meidung von Härten im Kriege an, die für den KriegSziveck selbst unnötig sind; außerdem befaßte sie sich">it dem Schutz� der Verivundeten. Die Bestimmungen der Konvention sind längst als rmzureichend selbst für ihren nur so bcschränlteu Zivcck
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