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Nr. 40. Krschelnl lägltch außer Montag». Abonnement»-Preis für verlin: vierteljährlich z.zoMt., monatlich 1,10 Ml, wöchentlich 28 Pfg frei in'» Haus. Einzelne Nummer 8 Pfg. Sonntag»-Nummer mit illustr. Sonntags-BeilageNeue Welt" 10 Pfg. Post-Abonnement: 8,80 Ml.pro Quartal. Unter Kreuz- band: Demjchland u. Oesterreich- Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland Z Mk.pr.Monat. Tingelr. in der Post-ZeitungS- Preisliste für lös» unter Nr.«»82. n. Zayry. ZnsertionS-Vebiihr beträgt für die sünfgespalteni Pstitzetle oder der«» Raum«0 Pfg., für Berein»- und verfammlung«- Anzeigen 20 Pfg Inserate für die nächst- Numme« muffen bt» 4 Uhr Nachmittags in der Erpedttion abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen- tagen bi»? Uhr Abends, an Sonn- and Festtagen bis 2 Uhr vor mittag» geöffnet. ß,r» s»r,ch-Ziufchl«!: »mt I.». 4180. Verliner Volksblalt. Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands . Redaktion: Aeuth» Straße 2. Mittwoch, den 17. Februar 1892..| Spedition: Reuth- Straße s. Der GetVeMMietzften tziteszltes JBtel. Die Arbeiter sind heutzlitage im Grunde beneidens- werthe Menschen. Schade, daß sie so wenig davon merken. Die herrschenden Parteien reißen sich gegenwärtig doch in der That in ganz anderem Sinne um den armen Mann, als noch wenige Jahrzehnte vorher. Damals handelte es sich höchstens darum, wenn es zuerst gelänge, ihm das bischen Hab und Gut und, wenn es gut ging, auch die Fetzen vom Leibe zu reißen; heut thun sie doch wenigstens schon so, als wenn all ihr edles Streben nur darauf hinausliefe, Zu sorgen, daß der Arbeiter, wenn er krank, alt oder invalide ist, einen warmen Löffel in und einen warmen Rock auf dm Leib bekäme, vom Paradiese auf Erden, wie es die Encyklika über die Arbeiterfrage dem Arbeiter in Aussicht stellte, jener Scholle Land und jenem winzigen Häuschen am Lebensabend garnicht zu reden. Im Liebeswerben um die Gunst des armen Mannes thut es gegenwärtig die ultramontane Partei alleu anderen Zuvor. Es war nicht nur ein schüchterner Fühler, den die .Kölnische Volkszeitung* riskirte, als sie von der Roth- wendigkeit zu sprechen wagte, sich der Gewerkschaftsbewegung im Interesse der Arbeiter, aber zum Schaden der Sozial- demokratie anzunehmen. Ueberall in der Zentrumsprcsse wird in den letzten Wochen der Gewerkschaftsbewegung gehuldigt. Ueberall heißt es: die Gewerkschaften sind be- rechtigt, sie sind nützlich, sie sind nothivendig, ja sogar Unentbehrlich; wer die Gewerkschaften auf seiner Seite hat, dem winkt die Palme des Sieges im sozialpolitischen Konkurrenzkampfe der Parteien. Und in der That haben es sich die Zentrumsführer jetzt fest vorgenommen, der Sozialdemokratie im eigenen Lager den Kampf anzubieten und die Gewerkschaftsbewegung in christlich- konservative Bahn zu lenken. Die großen Leitartikel, welche sich mit der Vorarbeit dazu befassen, enthalten so manches Beachtenswerthe und Interessante. Daß darin behauptet wird, die Sozial- demokratie v e r g i f te die Gewerkschaftsbewegung, entfremde sie ihrem eigentlichen Ziele, mache sie dem eigenen Parteiinteresse dienstbar u. f. w., ist nicht von Belang. Schon etwas mehr Beachtung verdient die Behauptung, Bebel habe es in Brüssel ausgesprochen, die Wunden am Gesellschaftskörper müsse die Sozialdemo- kratie noch mehr aufzureißen bemüht sein, weil das den Unfrieden der großen Masse mehre und die soziale Re- volution fördere. Ebenso seien auch der Sozialdemokratie die Gewerkschaften nicht genehm,sofern.sie die Lage der arbeitenden Klaffen verbessern". Was solche geflissentliche Entstellung der sozialdemokratischen Bestrebungen aus sich hat, wird sich weiter unten ganz von selbst ergeben. Ultramontane Sozialpolitiker stellen die Frage: Welches ist da»' wahre und berechtigte Ziel der Arbeiterbewegung überhaupt und der Gewerkschaftsbewegung insbesondere? Die heutzutage für angezeigt erachtete Antwort, die wir in Feuilleton. »iochsrua v»rb»l«».I [40 Am Webstuhl der Zeit. Zeitgenössischer Roman in 3 Büchern von A. Otto W alster. Die Schweiz z. B. hatte noch nie ein Kriegsschiff, es sei denn vielleicht auf dem Boden- oder Bierwaldstätter See, aber chre Uhren und der Schweizerkäse gingen trotzdem über die See und wurden überall bezahlt. Oder sollen wir vielleicht die Flotte Zum Schutze unserer Küsten halten? Ich muß erklären, daß 'ch sowohl für meine Person mit allen Seemächten in Frieden Z" leben gedenke, als ich es bei Ihnen voraussetze. Wenn die Negierungen aber einen Seekrieg wollen, so werden sie schon selber für eine Flotte Sorge tragen, dazu brauchen vür wahrhaftig keine Fortschrittsmänner, und ich weiß Wirklich nicht, wozu der Herr Sekretär Lutz und der Herr Dr. Raffmaus, welcher neulich einen so begeisterten Toast °uf unsere Marine vom Stapel ließ, so dringend nöthig eine motte brauchen." ,. Sowohl die lauteste Heiterkeit der Versammlung, als vle Glocke des Vorsitzenden unterbrachen jetzt den Redner. »Ich muß," bemerkte der Vorsitzende nach eingetretener '-»den Herrn Redner doch bitten, die Persönlichkeiten �ußerm Spiele zu lassen." q,»Ausreden lassen, ausreden lassen," rief es überall, und �affmaus mußte sich, von einem höhnischen Blicke des Dr. Benjamin verfolgt, zurückziehen. der Zentrumspreffe finden, lautet:ES ist nicht nur die Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen, daS ist nur ein Theil der heutigen Arbeiterfrage, wenn auch nur der nächste und dringendste. Das eigentliche Ziel der heutigen Arbeiterfrage ist die Befreiung der arbeitenden Klassen, des vierten Standes, von wirthschaftlicher Bedrückung, die selbst- ständige Organisation des Arbeiter st a n d e s als einheit- lichen, gleichberechtigten Gliedes der menschlichen Gesell- schaft, gleichberechtigt nicht blos dem Namen nach politisch und gesetzlich, sondern in der That und Wirklichkeit. Die politische und gesetzliche Gleich- berechtigung brauchen die Arbeiter nicht erst zu erringen, sie steht längst auf dem Papier in den Verfassungen aller europäischen Staaten. Aber die thatsächliche Gleichbcrechti- gung fehlt, weil eben kein Arbeiterstand mehr vorhanden ist, sondern nur Arbeitermassen. In den Gewerkschaslen schickt sich nun die Arbeiterklasse an, sich wieder als Stand zu organisiren." An anderer Stelle in der ultramontanen Presse wird behauptet, daß die Sozialdemokratie einen ökonomisch starken Arbeiterstand absolut nicht gebrauchenkönne, gehe nicht allein aus den Reden der Führer bei den Kongressen und Versammlungen hervor, sondern auch aus dem, was im vorigen Jahre in der sozialdemokratischen Revue, derNeuen Zeit", dargelegt worden sei. Da hätte es folgendermaßen gelautet:Man vergesse nicht, daß wir stetstzvon einer Hebung der Arbeiter- klaffe sprechen. Die Verbesserung der Lage einzelner Individuen oder Schichten innerhalb der Arbeiter- klaffe auf deren Kosten, wodurch diese gespalten und ge- schwächt wird, bedeutet allerdings keine Förderung, sondern ein H e m m n i ß für das vorwärtsdrängende Proletariat. Produktivgenossenschaften, selbst Gewerkschaften können ein solches werden, wenn sie nicht unter dem Einflüsse einer starken Bewegung der gesanimten Arbeiterklasse, d. h. einer selbständigen politischen Arbeiterbewegung stehen. Dagegen kann eine Arbeiterschutz-Gesetzgebung, die der ge- sammten Arbeiterschaft zu gute kommt, eine solche Wirkuilg nicht haben." Daß die ultramontane Presse an einer derjenigen Stellen, an welcher sie ihren Standpunkt gegenüber der Gewerk- schaftsbewegung im Gegensatze zum sozialdemokratischen darlegen will, die hier wiedergegebenen Ausführungen der Neuen Zeit" zitirt, ist in der That in höherem Grade, als sie selbst es 1 gewünscht haben mag, charakteristisch für die Sozialdemokratie und für die ultramontane Partei selbst, sowie für das Interesse, das wir sowohl als sie an der Gewerkschaftsbewegung nehmen. Vollkommen zutreffend betont dieNeue Zeit", daß die Sozialdemokratie nur die Interessen der gesammten Arbeiterschaft zu fördern beabsichtige und daß sie jede Förderung einzelner Individuen oder Schichten innerhalb der Arbeiterklasse auf Kosten der Gesammtheit als Hemmniß für das vorwärtsdrängende Proletariat be- trachten und bekämpfen müsse. Die Sozialdemokratie will die tausendfach zersplitterte Arbeiterklasse zu einem einzigen Ganzen einen, damit diese gewaltige Macht den Emanzipations - Sehen Sie England an, das Land mit dem größten Nationalreichthum, den meisten Millionären und der größten Kriegsflotte. Lebt dort der Arbeiter weniger in Roth und Dürftigkeit, in Kummer und Elend? Hat England nicht den Welthandel? Kann aber, sagen Sie mir, diese Groß- macht zu Wasser und zu Lande seine Armen vor dem Hunger schützen? Nein, meine Herren, mit solchem Flotten- kram soll man uns wenigstens nicht in Volks- Versammlungen kommen, und wer uns mit der nationalen Flotte beglücken will, den lassen wir ganz einfach schwimmen." Laute Ausbrüche der Heiterkeit unterbrachen den Redner abennals, der, ohne eine Miene zu verziehen, rüstig fortfuhr i. Was nun die hübschen Geschenke des Herrn Dr. Ben- jamin betrifft, so würden sie uns sehr angenehm sein, wenn wir nur erst in der Lage wären, sie gebrauchen zu können. Ihn hörte ich in sehr beredten Worten die Zivilehe als eine große Errungenschaft feiern. So lange die Arbeiter noch nicht im Stande sind, eine Familie ordentlich zu er- nähren, so lange ist ihnen die kirchliche Ehe nicht viel un- angenehmer, als die Zivilehe. Das Vereinsrecht bedarf allerdings einer größeren Freiheit, doch vermißte ich bei terrn Dr. Benjamin noch immer das Wort freies oalitionsrecht für Arbeiter zur gemeinschaftlichen Be- schließung und Ausführung aller derjenigen Schritte, welche nöthig erscheinen, um ihre drückende Lage zu verbessern. Äluch mit Erweiterung unseres über alle Maßen beschränkten Wahlgesetzes hat Herr Dr. Benjamin sich auf einen äußerst zahmen Standpunkt gestellt, da er, wenn er überhaupt einen richtizen Sinn für Recht und Billigkeit im Staatsleben besitzt, nur ein Wahlrecht an- kampf, den politischen sowohl alS den ökonomischen, der gesammten unterdrückten Menschheit der ungeheuren Volksmehrheiten sieghaft bestehen könne. Der ultramontanen Partei kann das nicht in den Kram passen- ebenso wenig, vielleicht noch weniger, als irgend einer anderen der herrschenden Parteien. Sie will im Roth- fall alles nur das nicht. Sie könnte sich dazu verstehen, die Gewerkschaften zu fördern und die Arbeiter als Stand zu organisiren. Sie will, wenn es nicht anders geht, sogar ein modernes Arbeits- und Arbeiterrecht schaffen. Sie will sogar den Arbeiterstand als solchen befähigen,� die Kon« kurrenz zu regeln. Und wenn es durchaus nicht anders sein kann, so will sie dafür sorgen helfen, daß der Stand der Arbeiter im Kampfe ums Dasein seine wirthschaftliche Freiheit und Selbstbestimmung zu behaupten vermag. Sie wirst sich in die Brust und rühmt: Ein großes Ziel fürwahr, aber auch ein berechtigtes und erreichbares. Sie will also die Arbeiter organisirt sehen als Stand neben anderen Ständen, neben und unter dem Stand der Offiziere, der Geistlichen, der Handel treibenden und Fabriken be- sitzenden Bürger. Ihr großes Ziel für die Gewerkschafts- bewegung unserer Tage läuft auf dasselbe hinaus, was die alten Egypter vor drei- und viertausend Jahren schon besaßen, eine ständische Volksgliederung und Volkszersplitterung, deren einzelne Bestandtheile kastenartig gesondert einander gegenüberstehen. Einer dem Andern fremd, womöglich feind- lich, damit die Reibung dieser mit feindlichen Interessen ausgestatteten Kasten das Streben der gesammten Menschheit konsumire und paralystre, damit es von der Menschheit heißen möge in Ewigkeit: Sie dreht sich rechts, sie dreht sich links, der Zopf, er hängt ihr hinten. Wir danken dafür und werden der Arbeiterklasse andere Wege weisen. Die Arbeiterklasse wird sich immer mehr zu- sammenballen, aber nicht, um für alle Ewigkeit sich zu einem Haudarbeiter-Stande zurück zu entwickeln und zu ver- knöchern, sondern um Hand in Hand mit der Wissenschaft den Fluch alles dessen, was geistlödtend ist an der Arbeit, ebenso zu überwinden, wie die politische Knechtung und die ökonomische Ausbeutung in jeder Form, und die Hand- arbeit zur Kulturarbeit zu erhöhen, sie zum höchsten Prinzip und Angelpunkt allen menschlichen Strebens, Lebens und Genießeus zu erheben. Arbeiterschntz und Wortfalsch- münzerei. Wohl mit keinem Worte ist mehr Mißbrauch getrieben worden, als mit dem Worte: Arbeiterschutz. Wir haben in Deutschland ein sogenanntes Arbeiterschutz-Gesetz, welches jedoch seinem wesentlichen Inhalte nach nicht ein Gesetz zumSchutz" der Arbeiter gegen Uebergriffe der Unternehmer und gegen Ge- fahren für Leben und Gesundheit ist, sondern umgekehrt ein erkennen und vertheidigen kann, ich meine das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht mit geheimer Abstimmung! Das Einstehen für dieses Recht kann das Volk keinem seiner Vertreter erlassen." Das Verlangen nach dem allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrecht war aber ein so allgemeines ge- worden, daß diese Stelle ein nicht enden wollendes Bravo hervorrief. Was nun die Preßfreiheit anbelangt, so weiß ich wirklich nicht, ob ich das Bestreben des Herrn Dr. Ben- jamin, uns dafür zu interessiren, nicht mit dem Bestreben eines Hausbesitzers vergleichen könnte, der uns veranlassen will, mitzuwirken, damit er die Erlaubniß bekommt, in seinem Garten Leuchtkugeln, Schwärmer und Raketen los- zubrennen, wobei uns die Feuerfunken in die Vorhänge und die Stäbe in die Fensterscheiben fliegen, während uns dieses Recht verkümmert bleibt. Denn seitdem unsere Bouraeoispresse auS einer reinen leuchtenden Weihekerze sich Fackel verwandelt hat und als Magd des Geldsackes den Arbeitern und ihren Bestrebungen ins Gesicht schlägt, während die Arbeiterpresse bei jeder mißliebigen Bemerkung über Mißbräuche und Willkürhandlungen von den Behörden aufs Erbittertste verfolgt und aufs Schärfste verurtheilt wird, kann uns eine scheinbare Freiheit der Presse nichts nützen. Nun ist hier in erster Reihe die größere Selbständigkeit der Gemeinden gegenüber der«staatlichen Bevormundungssucht aufs Tapet gebracht worden. Dagegen würde ich prinzipiell nicht viel einzuwenden haben. Wie aber steht es in Wirk- lichkeit? In Wirklichkeit ist das städtische Verfassungswesen noch schlechter, als das staatliche; m die städtischen An- gelegenheiten hat der Arbeiter noch weniger Gelegenheit ein-