gleit der Bundesstaaten auf einem Gebiete beschränken will, das sie der Zuständigkeit ihrer Landesgesetzgebung vorbehalten müssen". Daß die verbündeten Regierungen ihren Widerspruch zurück ziehen, ist nicht anzunehmen, obwohl die Kommission mit 28 gegen 8 Stimmen ihre Beschlüsse faßte. Aber hinter den 3 Stimmen steht die evangelische Orthodoxie, und diese ist ja von maßgebendem Einfluß auf die Mehrzahl der Regierungen. Die ReichStagS-Dtiiteu. Die Diätenlos igkeit der Reichstag?- Abge« ordneten, durch die Bismarck einst unsre Partei zu schädigen dachte, wird gerade von unsren Gegnern am drückendsten empfunden. Etwa zum zehntenmal stellten diese daher einen Antrag, Diäten zu gewähren und nach Beratung in einer Kommisston beschloß der Reichstag am S. Mai 1901 mit 185 gegen 70 konservative Stimmen: Der Artikel 32 der Reichsverfassnng wird durch folgende Be stimmnngen ersetzt: Die Mitglieder des Reichstags erhalten aus Reichsmitteln während der Legislaturperiode und zwar so lange der Reichs- tag versammelt ist, sowie acht Tage vor Eröffnung und acht Tage nach Schluß desselben, freie Fahrt auf den Eisenbahnen und für die Dauer ihrer Anwesenheit in Berlin Anwesenheit? gelber in Höhe von zwanzig Mark für den Tag. Der An- Wesenheit in Berlin steht es gleich, wenn der Abgeordnete durch Arbeiten für den Reichstag verhindert ist, in Berlin an- wesend zu sein. Bon den Anwesenheitsgelder« werden die Tagegelder ab> gerechnet, welche ein Mitglied des Reichstags in feiner be sonderen Eigenschaft als Mitglied eines deutschen Landtags für dieselbe Zeit bezieht. Die näheren Bestimmungen erläßt der Präsident des Reichs tags. Der Bundesrat hat de» Antrag dem AuSschuffe für BerfaffungS fragen überwiesen; voraussichtlich wird dieser ihn ablehnen, da»die Kerls keine Diäten kriegen' sollen! Die Theaierceusur. Die Aufhebung der Theatereensur, die von freisinniger Seite beantragt war, befürlvorteten wir in eindringlicher Weise. Die Kunst unter Polizei-Aufsicht stellen, heißt sie zur Dienerin der herrschenden Klasse niachen, denn nur was dieser gefällt, wird nicht„Polizei- widrig" sein. Eine Schranke kann sich nur der Künstler selbst setzen, und der einzige Censor, den er sich gefallen lassen kaim, ist das Publikum und die Kritik als Ganzes. Der Antrag konnte nicht einer Kommission überwiesen werden, da sich nur 7t Stimme» dafür und 73 dagegen erklärten, das Haus also wieder einmal beschlußunfähig war;' nach Wiederbeginn der Session wird die Ab stimmung wiederholt werden. Anträge unsrer Fraktion. Bon denselben sind zur Beratung gelangt die Anträge bezüglich der Wohnungsfürsorge und der G e w e r b e g e r l ch t e. Noch nicht beraten sind folgende Anträge unsrer Fraktion: Errichtung eines Reichs-Arbeitsamts. von Arbeitsämtern, Arbeitskammern und Einigungsämtern. Errichtung von Betriebs- Aufsichtsbehörden durch das Reich an Stelle der einzelstaatlichen Gewerbe-Anfsichts behörden. Feststellung einer M a x i m a l a r b e i t S z e i t für alle im Lehr-, Arbeits- und Dienstverhältnis im Gewerbe-, Industrie-, Handels- und Verkehrswesen beschäftigte Personen von vorläufig zehn Stunden, die innerhalb gesetzlich zu bestimmender Fristen auf acht Stunden zu kürzen ist. Verbot der Verwendung von schulpflichtigen Kindern unter 14 Jahren bei gewerblichen Arbeiten, sowie bei Arbeiten gegen Entgelt im Gesindedienst und der Landivirlschaft. Erweiterung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Arbeiterinnen, insbesondere der S ch w a n g e r e n und Wöchnerinnen. Verbot der Fabrikation, der Einfuhr, Ausfuhr und des Ver kaufs von Zündhölzchen mit weißem Phosphor. Erweiterung des Rechts der Versammlung, Vereinigung und Koalition. Erweiterung und Sicherung der Preßfreiheit. Aufhebung des D i kt a t u rp a r a g ra p h e n der Reichslande. Aufhebung der Strafbestimmungen wegen Majestätsbeleidigung. Schutz der ReichstagSmitglieder gegen Ver- Haftung während der Sitzungsperiode. Durchführung der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers. Neuabgrenzung der NeichstagS-Wahlkreise entsprechend der Zunahme der Bevölkerung. Die ILOOO Mark-Interpellation. Graf Posadowsky hatte zwar durch sein geheimes Rundschreiben vom 11. Dezember 1893 die verbündeten Regierungen für Nieder- Haltung der Streiks und der Koaliffonsfreiheit der Arbeiter ge- Wonnen, eS war ihm jedoch, infolge des energischen Widerstandes der socialdemokratischen Arbeiter, nicht gelungen, auch eine Reichs- tagSmehrheit auf seine Seite zu bringen, so daß das am 26. März 1899 vorgelegte Zuchthausgesetz nicht einer Kommission überwiesen wurde. In der Zwischenzeit bis zur zweiten Lesung, die im November 1899 stattfand u»d mit einer völligen Niederlage der Regierung endete, hatte das Reichsamt des Innern dadurch seinen Knebelentwnrf zu retten versucht, daß es sich an den Central- verband deutscherJndustrieller wandte, dessen arbeiterfeindliches Verhalten wir bereits oben gekennzeichnet haben. Daraufhin schrieb der Generalsekretär des Verbandes, Bueck, folgenden Brief, der an: 21. Oktober 1900 durch die»Leipziger Volks- zeitnng" in die Oeffentlichkeit gelangte: Centralverband deutscher Industrieller. Berlin , den 3. August 1893. DaS ReichSamt des Innern hat mir persönlich gegenüber den Wunsch geäußert, daß die Industrie ihm 18 000 Mark zum Zwecke der Agitation für den Eni- wurf eines Gesetzes zun: Schutze des gewerb- lichen Arbeitsverhältnisses zur Verfügung st e l l e n möchte. Ich habe diese Angelegenheit dem stell- vertretenden Vorsitzenden des Centralverbandes, Herrn Geheimen Finanzrat Jencke, unterbreitet, der es aus naheliegenden Gründen für zweckmäßig erachtet hat, dieses etwas eigen- tümliche Verlangen nicht zurückzuweisen. Herr Geheimrat Jencke hat für die Firma Krupp 5000 M. zu dem erwähnten Zweck zur Verfügung gestellt. gez. H. A. Bueck. Ein Teil der Unternehmerpresse bestritt zunächst mit der ihr eignen Dreistigkeit die Echtheit des Briefes. Doch nach vier Tage» entschloß sich die Regierung zu beichten. Eine Extra-Ausgabe der ministeriellen„Berliner Korrespondenz" veröffentlichte am 25. Oktober folgendes Geständnis: „Auszüge aus der Denkschrift und den Verteidigungsreden im Reichstage zum Zuchthausgesetz- Entwurf seien in zahlreichen Exemplaren provinziellen Blättern beigefügt worden. Auf An- regung und durch Vermittelung des Direktors im ReichSamt deSJnnern. Dr. vonWoedtke.hat der Generalsekretär eineSnmme von 12 000 Mark zur Verfügung gestellt; diese ist zur Deckung der Druckkosten verlvendet worden, die durch die Wiedergabe des obenbezeichneten amtlichen Materials entstanden ist. U e b e r die Verausgabung der Summe behufs Verbreitung des be- zeichneten, in den Drucksachen des Reichstags bereits niedergelegten amtlichen Materials, besitzt der genannte Beamte ur- kundlicheBelege." Sofort bei Eröffnung des Reichstags stellte unsere Fraktion folgende Interpellation wegen der 18000 Mark-Affaire: „Welche Maßregeln gedenkt der Herr Reichskanzler gegen den Beamten desReichsamtS deSJnnern zu ergreifen, welcher von einer Jntereffentengruppe, dem Central- verbande deutscher Industrieller, die Summe von zwölftausend Mark gefordert und erhalten hat. um damit die Agitation für den vom Bundesrat dem Reichstage am 26. Mai 1899 vorgelegte» Entlvurf eines Gesetzes zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhältnisses zu betreiben?" Am 24. November 1900 kam � sie zur Besprechung. Unser Fraktionsredn er unterzog das Verhalten des Rei'chsamts des Innern einer ätzenden Kritik. Es habe den Scharfmacher- kreisen, den Großiudnstriellen, Handlangerdienste ge l e i st e t und sich dazu die erforderlichen Geldmittel von ihnen erbettelt. Dadurch habe es sich in„eine abhängige unwürdige Stellung begeben, in die es garnicht hätte kommen können, wenn man in jenen maßgebenden Kreisen nicht von vornherein eut- schlössen gewesen wäre, Partei für die großen industriellen Scharf- macher zu nehmen, und zwar gegen die Arbeiter, die Eut- erbten.— Um das Koalitionsrecht univ irksam z u machen, um die Proletarier noch mehr unter die Schlot- junker zu beugen, als das heute schon der Fall ist, erschien Direktor von Woedtke mit dem Klingelbeutel vor der Thüre der Großindustrie.— Sogar Herr Bueck, dieser rücksichtsloseste Diener kapitalistischer Interessen, habe gegenüber diesem Vorgange eine moralische Anwandlung empfunden und von einem„eigentümlichen Ansinnen" gesprochen. Die im Reichsamt des Innern geübten Praktiken setzen also selbst so abgehärtete Gemüter, wie Herr Bueck eines ist, noch in Erstannen. Die Angelegenheit sei keineswegs damit erledigt, daß eine offiziöse Mitteilung sage: die Belege für die richtige Verwendung der 12 000 M. seien da. Für die moralische Seite des Vorgangs hat man also kein Ver- ständnis l Wir haben nicht behauptet, daß sich ein Beamter an den 12 000 M. bereichert habe; das, was geschah, ist weit schlimmer: der Vorgang beweist den ungeheuren Einfluß der Interessen- Vertretungen, vor allem deS Centralverbands in Deutschland , Das hat sich bereits'1897 gezeigt, als die Regierung die Unfallnovelle zurückzog, iveil der Centraiverband gegen die Verbesserungen, die sie zu Gunsten der Arbeiter brachte, Einspruch erhob. Ist es doch notorisch, daß hier in diesem Hause vom Vertreter des Reichsamts des Innern offen ausgesprochen wurde, nachdem der Personenwechsel stattgefunden hat, daß man jetzt der deutschen Nation eine Schonzeit auf dem Gebiete der socialen Gesetzgebung geben müsse, und daß diese Schonzeit vom Grafen Posadowsky damit begründet wurde: weil die freudige Mit Wirkung der Unter- n e h m e r k l a s s e fehlt." An den Reichskanzler richtete dann unser Redner die Frage: er hat die Verantwortung für diese Handlung des Reichsamts deS Innern z u tragen? und schloß mit den Worte», daß alle ehrlichen Leute mit uns in den Ruf ein- stimmen müssen:„Fort mit einem System, das solche Er- scheinungen zeitigt, und hinaus mit Personen, die sich der- artiges zu Schulden kommen lasten I" Der Reichskanzler Graf Vülow suchte die Kritik unsrer Presse>vie unsres Redners als ubertrieben hinzustellen, gab aber zu, daß„die Regierung sogar den Schein ver- meiden muß, irgend>v e'l ch e r Abhängigkeit von irgend welchen Gruppen, daß sie jeden Verdacht vermeiden, jedem Verdacht entgehen muß, irgend welcher Abhängigkeit von Sonderinteressen." Darum stehe er nicht an,„trotz des guten Glaubens, in dem die beteiligten Beamten geglaubt haben, einer Vorlage der verbündeten Regierungen zu diene», den dabei eingeschlagenen Weg als einen Miß- griff zu bezeichnen. Zur Zeit des Vorfalls, war er, Graf Vülow, »och nicht im Amt; wäre er damals um seine Meinung befragt worden, so hätte er abgeraten. Heute, als verantwortlicher Reichskanzler, würde er, wenn die Absicht einer solchen Maßnahme zu seiner Kenntnis gelange, die Ausführung zu verhindern wissen. Er erkläre im vollen Einverständnis mit dem Staatssekretär Grafen Posadowsky, daß derartige Wege in Zukunft nicht mehr eingeschlagen werden sollen.„Ueber diese meine Auffassung und diese meine Willensmeinung als des allein in: Reich leitenden Ministers ist das beteiligte Ressort nicht im Zweifel gelassen ivorden. Zu weiteren Maßnahmen sehe ich mich ni cht veranlaßt." Als Grund gab er an. die Veröffentlichung des Bneck-Briefs entspringe einer feindlichen Absicht gegen Posadowsky wegen dessen politischer oder vielleicht auch wegen dessen Wirtschaft- licher Richtung, es sei eine I n t r i g u e und dunkle Machenschaft, vor der er sich nicht beuge.— Den andren Parteien des Reichstags Ivar es ganz lieb, daß der Reichskanzler diesen AnSweg gefunden und»int nicht dem Verlangen unsrer Genossen nachzugeben brauchte, das Reichsamt deS Innern von den Schuldigen zu säubern. Verteidigt wurde das Vorgehen des Reichsamts' des Innern nur vom konservativen Abg. v. L e v e tz o w, der es nur nicht„vorsichtig und p o l i- tisch schlau" fand, und von Herrn v. K a r d o r f f, die beide das Zuchthausgesetz als zum Schutze der braven Arbeiter not- wendig und nützlich bezeichneten! Auch überschütteten alle Vertreter der kapitalistischen Parteien, wie es der Reichskanzler ebenfalls ge- than, den Grafen Posadowsky mit Lob wegen seiner stets bewiesenen arbeiterfreundlichen Gesinnung, die namentlich der Abg. Lieber an ihm rühmte,— an demselben Staats- ekre'tär, der die ZuchthauSvorlage eingebracht jattel Auch der Centrumsredner zog sich in das vom Reichskanzler o geschickt gegrabene Fnchsloch zurück und gab ihm recht, daß er sich nicht„zum Henkersknecht von Intriganten mache". Gegen diese bequeme Schiebung erhob unser zweiter Redner energischen Protest. Es sei festgestellt, daß ein r e i ch s- und verfassungswidriges Subsidienverhältnis eines Reichsamts zu einer Un t ern eh m e r g ru p p e. zu einer Vereinigung von Jnterestenjägern besteht. Wie der Brief in die Oeffentlichkeit gelangt sei. könne nicht zum Vorwand benutzt werden, um die Schuldigen straffrei ausgehen zu lassen. Der Reichskanzler hohe nicht die Frage beantwortet, m weichem Verhältnis Graf Posadowsky persönlich zu dem Vorfall stehe, ob er an ihm be- teiligt sei durch Handlungen oder durch llnterlaffungen. Und was hat er, wenn er erst n ach S e r davon unterrichtet wurde, gethan, als er von dem Vorfall erfuhr? Auf Grund der offiziellen Kund- zebungen des Centralverbands wies Redner nach, wie jener von jeher von der feindseligsten Gesinnung gegen die Arbeiter erfüllt und trotzdem stets den größten Einfluß auf die Regierung ans- geübt habe. Unsre Interpellation habe nicht den Zweck, Minister zu stürzen, sonder»„dem Volke zu zeigen, wie durch die Regierung die Geschäfte der Scharfmacher besorgt werden". Trotz aller dieser Herausforderungen schwieg aber die Regierung, ,0 daß, da kein Redner sich weiter meldete, die Besprechung >er Interpellation geschlossen wurde. � Der Staats- ekretär hatte derselben beigewohnt, blieb aber mäuschenstill. Da ertönte aus nnsren Reihen der laute Zwischenruf:„Und Graf Posadowsky?" Dieser schivieg; erst in der Zeit bis zum 11. Dezember 1900 gewami er, unterstützt durch die Presse der Kon- ervativen, des Centrums und der Nationalliberalen, welche die Affaire für beigelegt erklärten, Ivieder soviel Sicherheit, daß er auf diesen Zwischenruf vom 24. November zu antworten sich ge- traute. Bei der Generaldebatte des Etats er- klärte er, es sei vollkommen nebensächlich, ob er von dem An- uchen an den Centralverband etwas gewußt habe oder nicht, ob er es veranlaßt habe oder nicht— er trage die Verant- wortung für das, was in seinem Amt geschieht. Der Gesetzentwurf zum Schutz der Arbeitswilligen sei arbeiterfreundlich, nicht zu Gunsten der Unternehmer. Die' 12 000 Mark seien nur zur Verbreittmg amtlichen Materials, das bereits dem Reichstage vorlag, ver- wendet worden, und nicht, um den Gesetzentwurf durchzubringen— der wäre nach der ersten Lesung schon verloren gegeben!— sondern um die Aufregung im Volke zu mildern, die durch unrichtige Mit- teilungen über den Entlvurf seitens der socialdemokratischen Presse hervorgerufen war. Wenn die Mittel nicht aus dem Druckkostenfonds entnommen wurden, so mag die Ursache davon„eine gewisse bureaukratische Aengstlichkeit" gewesen sein. Eine Woche später, am 19. Dezember 1900, veröffentlichte Bueck. der Geschäftsführer des Centralverbandes, selber einen Brief in den„Berliner Neuesten Nachrickiten", dem Organ des Verbands, unter dem Titel:„Graf Posado ivsky und der Central- verband der Industrielle n". Dieser zweite Bueck- Brief kompromittierte das Reichsanit des Innern in noch größerem Umfange. Herr Bueck enthüllte nämlich, verärgert dadurch, daß der Reichs- kanzler die Alliance Posadowskys mit dem Verbände als einen Miß- griff bezeichnet hatte und der Staatssekretär sich von dem Verbände zurückzog, daß der Centralverband schon seit langer Zeit in i ntim st eni Verkehr mit dem Reichsanit des Innern st ehe und wiederholt ko st spielige Dienste geleistet habe; die Kundigen hätten dies längst gewußt. Bueck verweist auf die Arbeiten des Centralverbands beim Abschluß des Handelsvertrags mit Rußland. „Der sämtliche) Zollbeirat hatte sich im Bureau des Centralverbandes installiert, desien Kräfte er durch Monate vollständig und fast übermäßig in Anspruch nahm.— Bei dem Handelsvertrag mit Japan und den Verhandlungen mit P o r tu g a l wiederholt sich dieser Vorgang." Die Koste »' beliefen sich auf mehrere tausend Mark. Auf W u n s ch deS Reichsamts des Innern ließ der Centralverband eine Broschüre schreiben und als Agitationsschrift für den Handelsvertrag ver« breiten. Dann enthält der Bueck-Brief folgendes lehrreiche Ge« ständnis: „Die vom Centralverband veranstaltete große und denkwürdige Flottenkundgebung, die nicht unwesentlich dazu beitrug, Stimmung für das viel« bestrittene erste Flottengesetz zu machen, mag doch auch Erwägung finden." Auch am Zustandekommen und Arbeiten des Wirtschaft- lichen Ausschusses zur Vorbereitung der neuen Handels- vertrüge nahm der Centralverband regen und pekuniären Anteil. Bueck entrüstet sich nun, da doch all diese anderen Liebesdienste des Centralverbands gegenüber der Regierung nirgends beanstandet worden seien, über diesen jetzt ausgebrochenen, gewaltigen verlogenen Lärm wegen einer ganz ähnlichen Sache!" Nachdem Herr Bueck so den innigen Geheimbund zwischen Re- gierung und Scharfmachern aufgedeckt, wendet er sich gegen den Grafen Posadowsky, weil dieser, wie Bueck sagt, sich scheu von dem von allen Seiten angegriffenen Centralverband und der in ihm ver- tretenen Industrie zurückziehe und beide preisgebe. Indem er ihn so des Treubruchs und des Verrats beschuldigt, giebt er ihm zu ver- stehen, daß der Centralverband nock, gefügigere Minister wolle und hält es daher„nicht für ausgeschlossen, daß dem gut unterrichteten ein besser unterrichteter Staatssekretär folgt". Unsre Fraktion stellte nun bei der zweiten Lesung deS Etats den Antrag: Eine Kommission zu wählen zur Erforschung der politischen und finanziellen Beziehungen, welche das ReichSamt des Innern mit dem Centralverband der Industriellen oder andren Interessengruppe» unterhalten hat, und darüber dem Reichstage Bericht zu erstatten. Der zweite Bueck-Brief, führte unser Redner aus, zwingt zu der Schlußfolgerung, daß„die 12 000 Mark nicht die einzige Unterstützung waren, die das Reichsamt des Innern voni Scharfmacherverband oder andren Jntereffentenverbänden zum Zwecke der Durchdringung von Zwangsgesetzen gegen die Arbeiter- klaffe erhalten hat". Geberdet sich doch Herr Bueck schon längst als Herr über die Geschicke der deutschen Arbeiter. Hat er doch un- mittelbar nach dem Amtsantritt Posadowskps in einer General- Versammlung triumphierend gesagt:„Die Männer im Reichsanit des Innern'seien abgesetzt, von denen„überstürzende Arbeit" auf dem Gebiet der socialen Reform zu befürchten sei." Und sah sich doch der„abgesetzte" Freiherr v. Berlepsch veranlaßt, in der Socialen Praxis" die Anschuldigung zu erheben, es machten sich im ReichSamt des Innern„unberechtigte Einflüsse" geltend? l„Ist es da nicht begreiflich, daß unter diesen Umständen schließlich im ganzen Deutschen Reiche, in der ganzen Arbeiterklasse bloß noch die eine Ueberzeugung herrscht, daß daS Reichsamt deS Innern nichts sei als eine Filiale des Centralverbandes der Industriellen, eine Filiale der Interessen- Vertretung des Groß Unternehmertums?" Im Interesse der Würde und des Ansehens des Reichstags liege es, Licht in dieses Dunkel zu bringen und die von uns geforderte Unter- suchnngSkommission einzusetzen. Graf Posadowsky verschanzte sich hinter die Ausflucht, daß er nicht niehr die geringste Veranlassung habe, sich über die Sache elbst zu äußern. Dann rechtfertigte er abermals seine socialpolittsche- Thätigkeit und erzählte wiederum, daß das Zuchthausgesetz kein Trutzgesetz gegen, sondern ein Schutzgesetz für die Arbeiter sei. Das bekam er denn auch von Dr. Oertel bescheinigt und noch ein paar Mund voll Lobsngnngeu dazu wofür aber Dr. Oertel unverblümt verlangte, der Staatssekretär solle nun den Agrariern ebenso zu Willen sein ivie bisher den Industriellen und „die berechtigten Forderungen", das heißt den Kornwucher, seiner- eitS unterstützen. Die Vertreter der. andern Parteien erklärten, Ivir sollten doch die 12 000 Mark-Affaire ruhen lassen, Iveil sie ja mit der Miß- billigung durch den Reichskanzler ihre Erledigung gefunden habe— und'mit allen gegen unsre Stimmen wurde der Antrag, eine Untersuchungs-Kommission einzusetzen, abgelehnt. Daß sich die kapilalistischen Parteien samt und sonders zu Be- .chützern eines solchen Staatssekretärs und seines Systems hergeben, verstärkt noch die moralische Niederlage, die der Klassenstaat bei der 12 000 Mark-Affaire erlitt. Den Arbeitern ist bis in die Reihen der Centrumsanhänger hinein ein Licht darüber aufgegangen, wie ihre Interessen denen der Unternehmer preis- gegeben sind. Die Anterpellatlon wegen deS GrieSheimer Unglücks. Am 25. April 1901 wurde in der chemischen Fabrik in Griesheim „Elektron" durch ein Feuer, das in der Pikrinsäureanlage ausbrach, eine Explosion herbeigeführt, bei welcher 24 Personen ums Leben kamen, eine große Anzahl von Arbeitern und sonstigen Angestellten der Fabrik Verletzungen erlitten, und ein erheblicher Schaden an Hab und Gut der Einwohner der umliegenden Ortschaften verursacht wurde. Die Thatsachen, die über die Ursache des Unglücks in die Oeffentlichkeit drangen, veranlaßten uns zu folgender Jnterpellatton: Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß die für die Er« richtung und den Betrieb chemischer Fabriken geltenden Vorschriften den chemischen Fabriken in Griesheim gegenüber außer Acht gelassen sind, und was gedenkt der Herr Reichskanzler zu thun, um der- artige Ungesetzlichkeiten für die Zukunft zu verhindern? Bei der Begründung wurde nachgewiesen, wie die ganze Art bis Unfalls zeige, daß weder die für die Genehmigung konzessions« Pflichtiger Anlägen zuständigen Landesbehörden, noch die dortige Gewerbe-Aufsicht, noch die Berufsgenosseuschaft und die Betriebs- leitung die durch Reichsgesetz ihnen auferlegten Pflichten zum Schutz der Arbeiter gegen die Gefahren für Leben und Gesundheit ge- niigend beachteten. Die in Griesheim hergestellten Produkte sind außerordentlich explosibel, trotzdem war die Anlage nicht nach den ür die Herstellung von Sprengstoffen vorgeschriebenen Be- timmnngen eingerichtet. Da der Staatssekretär dies bestritt, daß Zie Pikrinsäure zu den unter das Sprengstoffgesetz fallenden Stoffen gehöre, wurde dies von unsrer Seite auf Grund technischer Details widerlegt und gefordert, daß die Vorschriften über Herstellung und Aufbewahrung von Pikrinsäure verschärft werden. Die Re« zierung hat bis jetzt über die Resultate der von ihr angestellten Üntersnchnngen in Griesheim nichts bekannt gegeben.
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