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1. Beilage zumVowiirts" Berliner   Volksblatt. Nr. 40. Mittwoch, de  « 17. Februar 1892. 9. Jahrg. Parlamenfsfcertrfjlc. Deutscher   Reichstag  . 178. Eitzungvom 16. Februar. l Uhr. Am Tische deZ BundeZratbs: Graf von Caprivi, von Sötticher. Die zweite Berathung des Etats der Militärverwaltung, Kapitel ISMilitär-Justizverwaltung", wird fortgesetzt. Dcuu liegen die Anträge der Budgetkommission und der Abgg. Buhl und Richter vor, betreffend die Aenderung des Beschwerderechts und des Militär-Prozeßverfahrens. Abg. v. Manteuffel(dk.): Nach der gestrigen Rede Bebels weiß ich eigentlich nicht, wie die Sozialdemokraten für die Reso- lution Buhl-Richter stimmen können, für dieses schwächliche, noch dazu von den Nationalliberalen unterstützte Machwerk.(Sehr richtig! rechts.) Herr Bebel hat eine neue Erziehungsmethode für die Jugend angeregt. Er mußte also eigentlich eine Reso- lution des Inhalts einbringen, daß die Jugeuderziehung so ge- leitet werden soll, daß jeder im sozialdemokratischen Zukunftsstaate seine Stelle ausfüllen kann. Dabei kann man vielleicht auch die Vorbildung für ein Amazonenkorps in Aussicht nehmen. Und da dieses'Ziel schließlich nicht so schnell erreicht werden kann, müßte für den Uebergang gefordert werden, daß bei der Ausbildung der Soldaten so verfahren wird, daß keine Be- schwerden vorkommen.(Heiterkeit rechts.) Damit hätten denn die Sozialdemokraten ihr Ziel erreicht, die Lockerung der Disziplin. Serr Bebel hat denn weiter behauptet, daß namentlich die adligen ffiziere, die mit der Muttermilch schon feudale Gesinnungen «ingesogen haben, den Geist herbeiführen, der zu den Miß. Handlungen führt. Das Gegentheil ist der Fnu, diese Adligen vom Lande kennen die Bedürfnisse der Soldaten viel besser als jeder andere Stand. Bebel hat ganz beweislose Behauptungen aufgestellt, einige Namen genannt und dadurch die detreffenden Personen in der Oeffentlichkeit diskreditirt. Er hat sich dem Christenthum feindlich gegenübergestellt. Ich bestreite, daß Christenthum und Wissenschaft Gegensätze sind. Wir bekämpfen nur die Wissensck st, welche sich im Gegensatz stellt zum Christen- thum.(Zustimmung rechts.) Dieser Kainps wird ein Kampf auf Leben und Tod sein und ich bin sicher, daß er mit Gottes Hilfe ein siegreicher sein wird.(Beifall rechts.) Jedenfalls wollen wir uns das kostbare Gut der Disziplin, durch welches wir drei Kriege gewonnen haben, nicht rauben lasten. (Beifall rechts.)_, Abg. Richter(dfr.): Die Ansicht des Reichskanzlers, daß der Antrag Buhl- Richter ein bischen Parteitaktik enthalte, ist «in« falsche und beruht auf einer mißverständlichen Auffassung des Antrages. Es fehlen allerdings in dem Antrage die Worte: .soweit nicht die militärischen Rücksichten den Ausschluß der Oeffentlichkeit verlangen", aber dafür ist aus das bayrische Ver- richtig. Die Sozialdemokraten erwecken die Vorstellung, sie emen ausgezeichneten Staats schaffen können. Aber ie die Ausführung Reichskanzlers ordnung. sein. ' bezoi Er spral als ob diese itation stellen' sie' etwas zurück, um die Schäden der gegen- rtigen Gesellschaftsordnung besonders grell hervorzuheben. Dafür finden sie zahlreiche Anhänger, die mit den Endzielen garnicht einverstanden sind. Deshalb müssen die Mißstände ab- geschafft werden, um den Sozialdemokraten das Wasser abzu- graben. Wir thun dieZ nicht mit Rücksicht auf die Sozialdemokratie. sondern um unser« Ziele durchzufuhren. Wir theilen nicht idie Furcht vor den Sozialdemokraten, welche jetzt wieder gewisse Kreise zu beherrschen scheint. Wir erkennen an, daß man an gewissen Stellen bereit ist, den Soldaten- Mißhandlungen entgegenzutreten. Das muß klar gestellt werden und diese Bestrebungen müssen unterstützt werden. Denn wenn die Mißhandlungen nicht in der Oeffentlichkeit besprochen «erden, dann erwächst leicht das Mißtrauen, nicht gegen die, welche diese Mißhandlungen ausüben, sondern gegen die Armee. Daß die Presse sich darüber aushält, ob ein General geht oder bleibt, ist nicht hübsch. Solche Erörterungen finden sich aber immer nur in der Presse, welche in der Armee gelesen wird. Die Preste ist der Spiegel der öffentlichen Meinung und wenn dem Reichskanzler der Spiegel nicht mehr gefällt, dann mag das daran liegen, daß er sich nicht mehr des allgemeinen Beifalls erfreut, wie bei seinem Amtsantritt.(Zustimmung links.) Ucber das Beschwerderecht muß der Soldat so klar und deutlich wie möglich unterrichtet werden, das geschieht jetzt nicht. Die Be- schwerdepflicht ist keine Einschränkung der Freiheit des einzelnen; denn es handelt sich hierbei nicht blos um die persönlichen »teressen. sondern auch um ein Interesse der Allgemeinheit. lu. geregelt werden soll, wird die Sache der .er größere Theil der Ausführungen des sich auf die Reformen der Militär- Prozeß- _____ 0.__ ir von der Untergrabung der Disziplin, von den Imponderabilien des militärischen Lebens:c. Man konnte danach die Meinung haben, als ob der Antrag nur eine Ab- straktion, entnommen aus einem juristischen Lehrbuch, ist. Wir verlangen aber nur die Einführung des bayrischen Militär-Straf- Verfahrens in Deutschland  . Herrscht in Bayern   Disziplinlosigkeit? Haben an der bayrischen Gerichtsordnung nur die Juristen Ge- fallen? Alle Offiziere bis zu den höchsten Spitzen treten dafür ein. Die militärischen Einrichtungen sollen nach dem Reiche' mnzler schon im Frieden so sein, daß sie leicht auf den Krieg ubertragen werden können. Aber ein Unterschied besteht doch; Sie lassen doch im Manöver die Mannschaften nicht scharf aus- «inander schießen.(Heiterkeit.) Ansichten der Armee, die der Reichskanzler vorführte, sind doch nur die Ansichten der Berufs- vsfiziere, aber nicht der Mannschaften, und die Ansichten der Offiziere andern sich mit den Anschauungen der maßgebenden Persönlichleilen. Der Reichskanzler verwies auf die großen Siege, welche die Armee unter dem jetzigen Gerichtsversahren«�fochten habe. Die Siege Friedrichs des Großen sind allerdings bedeutend. Aberste haben nicht verhindern können, daß darauf em Jena   folgte. SBit schreiten doch sonst vorwärts, und zwar stnd manche Fortschritte «cht kostspielig; warum sollen wir uns gerade m,t dem ver- alteten Strafverfahren so lange herumplagen. Der Reichskanzler behauptet, die Mißhandlungen haben abgenommen. Von anderer Seite wird dagegen gesagt, solche Dinge, wie im Erlaß des Prinzen Georg besprochen sind, seien früher niemals vor- jftkommen. Das liegt vielleicht in gewissen Aenderungen der Armee. Früher wurden die Unteroffiziere nicht so viel aus den Cnteroffizierschulen genommen, die Offiziere nicht so viel aus dem Kadettenkorps. Früher hatten die Unteroffiziere d,e Leiden der Rekruten selbst zu erleiden und hatten daher mehr Mit- »efuhl. Früher waren auch die Exerzierplatze mehr .der öffentlichen Straße belegen und wurden vom Publikum kontrollirt und mancher Unteroffizier mußte Rücksicht auf das Publikum seinen Jähzorn meistern. Herren aus Bayern   haben die Gefahr erkannt, welche in dem dtrag der Budgetkommission für sie liegt. Sie haben bemerkt, ° d,e gröbere Oeffentlichkeit. welche verlangt wird, mcht die syrische Oeffentlichkeit ist. Sie möchten deshalb die clausula. 'JuvMica aufnehmen; sie möchten die Münchener Ueber- i ugungstreue mit der Berliner   Diplomatie vereinigen. Sie dchten kür Bayern   die Oeffentlichkeit haben, dann mag der Reichskanzler mit dem übrigen Deutschland   machen, was er will. Das ist ganz wie der Spruch besagt: Heiliger Florian  , beschütz mein Haus, zünd' andere an. Halten denn die Bayern   das bayrische Militärstrafverfahren nicht für werth, zum Reichsrecht zu werden? Jeder Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes und Niemand sollte solchen Partikularismus treiben. Was die religiöse Frage hierbei soll, ist nicht recht begreiflich. Die armen Mißhandelten, von denen der sächsische Erlaß spricht, haben allerdings mehr als christliche Ergebenheit bewiesen. Soll etwa die religiöse Wendung der Resolution besagen, daß die Unteroffizier-Schulen und die Kadetten- anstalten konfessionell eingerichtet werden sollen? Dann sollte man es doch deutlich und klar heraussagen. Der General von Goßler erklärte übrigens im Gegensatze zum Reichskanzler in der Kommisston, daß religiöse Andachtsübungen in den Kasernen schon stattfinden und begünstigt werden. Vielleicht sorgt der Reichskanzler dafür, daß diese Konventikel aufhören. Der Reichskanzler meinte, man könne beim Militär sich nicht um den Glauben der Einzelnen kümmern; es müsse Kameradschaft gepflegt werden. Wenn das der preußische Ministerpräsident wüßte, könnte der Reichskanzler in den Verdacht des Atheismus kommen.(Heiterkeit.) Auch im bürgerlichen Leben sieht man nicht auf den Glauben; weshalb also die Kinder in der Schule schon nach dem Glauben trennen? Wenn man die religiöse Frage hineinzieht, dann kann man an der Duellfrage nicht vorbei; denn das Duell ist eine Einrichtung der Armee, es wird nicht blos geduldet, sondern den Offizieren aufgezwungen, sodaß deshalb katholische Offiziere ihren Abschied genommen haben, um nicht gegen ihre religiöse Ueberzeugung ein Duell annehmen zu müssen. Wen» man über die Rohheit der Jugend klagt, über die Rauf- lust u. s. w., dann kann man das Duellunwesen nicht länger dulden(Sehr richtig! links), deshalb wird es sich empfehlen, die Resolution bezüglich der religiösen Frage zu verwerfen und die Herren vom Zentrum werden sich überlegen müssen, ob sie nicht doch lieber für unseren Antrag stimmen.(Beifall links.) Generallieutenant von Spitz: Die Gutachten der General kommandos über die Reform der Militär-Strafprozeßordnung find eingegangen. Das umfangreiche Material wird im Kriegs- ministenum bearbeitet. Wir sollen uns an die Zivil-Strafprozeß ordnung anlehnen; aber ist denn dieselbe schon völlig ausgebaut? Es sind so wichtige Punkte, wie die Berufung und die Enb schädigung unschuldig Verurtheilter, noch nicht geregelt und wir sollen unser Strafverfahren schleunigst danach einrichten, trotz- dem es noch vieler Verbesserungen bedarf. Die Resolution macht keinen richtigen Unterschied zwischen Beschwerde und Klage. Mißhandlungen können durch die 5tlo verfolgt werden, nicht im Wege der Beschwerde. Ist ein Soldat mißhandelt, so hat er es dem Feldwebel und dem Sauptmann zu melden und diese müssen die Meldung bei schweren trafen weiter geben. Daß die Einstellung von Schülern der Unteroffizierschulen die Mißhandlung gefördert hat. ist nicht richtig; dazu ist die Zahl der Unteroffizierschüler zu gering, um darauf von Einfluß zu sein. Herr Richter meinte, es würden nur die alten Generale gefragt. Die Fürsten haben die Armee geschaffen und die Führer haben ihre Größe begründet! sie haben ein so festes Gesüge geschaffen, daß sich die Armee die Achtung der Welt errungen hat. Da darf man wohl fordern, daß die jenigen, welche der Armee ihr Gepräge gegeben haben, auch bei dieser Angelegenheit der Armee ihre Meinung sagen und daß ihr Urtheil beachtet wird. Abg. Haußmann(Demokrat): Ueber die Lage der Reform der Militär-Strasprozeßordnung sind wir nicht unterrichtet; der Reichskanzler sagte gestern, die Gutachten der C neralkommandos sind aufgefordert und der General von Spitz erklärt, sie sind schon eingegangen. Auch in Württemberg   kommen Mißhandlungen vor. In der Festung Ulm   ließ ein Rittmeister v. Lauenstein die Rekruten von älteren Soldaten mit Teppichklopfern prügeln. Das wurde erst durch Privatgespräche bekannt, und ein Mann, der davon erzählte, wurde verklagt wegen Verleumdung, weil er die Ehre des Offiziers auf das schmählichste beschimpft hätte. Das Zivilgericht forderte die Akten ein. das Regiment erklärte aber, daß von den Prügeleien nichts bekannt sei. Das Gericht stellte nunmehr eine Untersuchung an, und es wurde der vollständige Beweis dafür erbracht, daß diese Prügeleien stattgesunden hatten. Der Offizier aber, dessen Ehre also beschimpft sein sollte, trägt noch heute des Königs Rock und das Tragonerregiment in Ulm   heißt allgemein in Württemberg   das Prügelregiment. Ein Mann ertrank durch Verschulden des Schwimmlehrers; der Schwimmlehrer erhielt da für S Wochen Arrest. Von dem Tode des Soldaten wurde seinen Verwandten gar keine Nachricht gegeben. Ein anderer Mann wurde durch die Mißhandlungen zum Wahnsinn gebracht. Zuerst wurden die Mißhandlungen bestritten vom Unteroffiziere und von Kameraden. Nach- her stellte sich heraus, daß die Mannschaften nur auS Furcht vor dem Unteroffizier geschwiegen haben. Nachher gaben die Soldaten einige Mißhandlungen zu und erst als fie aus dem Dienst entlassen waren und vom Zivilrichter vernommen wurden, gestanden sie zu, daß stetig Mißhandlungen vorgekommen sind, und das ärztliche Gutachten stellte den Zu- sammenhang zwischen den Mißhandlungen und de,.. Wahnsinn fest und dem Manne wurde eine Pension wegen gänzlicher Erwerbsunfähigkeit gewährt. Aber die Klarstellung gelang erst dem Zivilnchler.(Hört! links.) Vom Hauptmann Miller spricht man allerdings etwas abfällig, aber niemand in Württemberg  wird ihm eine Unwahrheit zutrauen; deshalb glaubt man an die Fälle, die er erzählt hat. Wenn solche Fälle überall vorkommen, dann sind Ehre und Freiheit nicht genügend geschützt. Auch die Militärverwaltung hat ein Interesse an dem besseren Schutz, denn in den Regimenter», wo Mißhandlungen vorkommen, finden auch zahlreiche Desertationen slntt. Der Reichskanzler führte die Mißhandlungen auf die zunehmende Rohheit zurück. Wenn das der erste Beamte des Reiches ausspricht, dann leistet er damit der Sozialdemokratie Vorschub, welche immer behauptet, wir befänden uns in einer Decadence. Das hebt das Ansehen des Reiches nach außen hin nicht und wenn das Urtheil richtig wäre, dann könnte der jetzige Reichs- kanzler kein grausameres Urtheil über seinen Amtsvorgänger aus- sprechen.(Zustimmung links.) Wenn aber die Sachen früher schlimmer gewesen sind als jetzt, muß man da nicht zu dem Schluß kommen, diese Verrohung in der Armee wirke zurück aus das Volk? Was ist das für eine Logik? Die Verrohung im Volke nimmt zu. aber die Mißhandlungen nehmen ab?(Sehr richtig! rechts. Heiterkeit links.) Di- Herren, welche sehr richtig rufen. haben vielleicht ihre Erfahrungen in der Armee selbst gemacht und wissen, daß die Verrohung bei den Vorgesetzten zu- nimmt. Für das Volk möchte ich das aus Achtung vor meinem Volke nicht behaupten.(Zustimmung links.) Die Beschwerde kann der Soldat allerdings erheben, aber es giebt auch eine Vorschrift, welche die Vorgesetzten ermächtigt, von unbegründeten Beschwerden abznmahnen. Tas kann sehr leicht mißbraucht iverden, um das Beschwerderecht überhaupt zu unterdrücken. Die Einführung der Anzeigepflicht und zwar nicht blos für jeden Betroffenen, sondern auch für jeden, der davon Kenntniß erhält ,_ würde«in gutes Mittel zur Abhilfe sein. Durchgreifend würde mit solchen Mißhandluiigen ausgeräumt werden, wenn bei ieder Mißdandluna der betreffende Aauptmann mit schlichtem Abschiede entlassen würde.(Unruhe rechts; Zuruf; Aufhängen!) Disziplin wollen wir Alle; aber die Ausfuhrungen des Reichskanzlers bezüglich der Gefährdung derselben sind so lange hinfällig, bis bewiesen wird, daß in Bayern   keine Disziplin herrscht. Allen militärischen Rücksichten wollen wir Rechnung tragen, so weit sich die Menschenwürde damit verträgt. Graf Caprivi   hat gestern mehr als preußischer General, denn als deutscher   Reichskanzler gesprochen; er sollte auch die bürgerlichen Verhältnisse berücksichtigen. Deshalb bedaure ich, daß da» Zentrum nicht mit uns stimmen will, daß es nicht der Regierung beweisen will, daß das Volk das bayerische Verfahren wünscht Der Antrag Buhl-Richter wird der Sachlage vollkommen gerecht. Wenn ich für«inen anderen Antrag stimmen würde, würde ich mich mitschuldig machen an den Mißhandlungen, die später vor« kommen werden.(Lebhafter Beifall links. Stimme rechts: Ist ja Blödsinn!) Württembergischer Bevollmächtigter Neidhardt geht auf die einzelnen Fälle, welche der Vorredner angeführt hat,«in; sein» Mittheilungen sind aber nicht verständlich. Reichskanzler Graf von Caprivi  : Zur Höhe der Kultur deS Vorredners kann ich mich nicht erheben; ich unterschätze sie viel- leicht nach der heutigen Rede, welche nur darauf ausging. Miß- trauen und Mißvergnügen zu erregen.(Widerspruch links.) Denn was sollen die Vorführungen einzelner Fälle, die wir hier garnicht beurtheilen können? Die Militärbehörde kann auf die einzelnen Fälle nur eingehen, wenn die Herren die Güte haben. ihre Gewährsmänner zu nennen. Es ist heute früh an Herrn Bebel ein Schreiben gerichtet worden, er möge seine Gewährs- männer nennen.(Beifall rechts. Zustimmung des Abg. Bebel.) Wenn ein Reichskanzler sich als preußischer General fühlt und als solcher spricht, so vergiebt er sich nichts. Das Be, schwerderecht hat der Vorredner nach seiner Weise ge» deutet. Die betreffende Bestimmung ist nur dem Wohl- wollen entsprungen, um die Maunschaften vor unbe- gründeten Beschwerden zu bewahren.(Widerspruch links.) Der Vorredner hat zwischen der abnehmenden Zahl der Miß, Handlungen und meiner Behauptung, daß die Verrohung in der Bevölkerung zunehme, einen Widerspruch entdeckt. Die Verrohung liegt vor der Militärzeit, wenn trotzdem die Mißhandlungen ad- nehmen, so ist das ein Beweis für die Tüchtigkeit der Vor gesetzten. Wenn vom Auslande gesprochen ist, so will ich Herrn Richter meinen Dank dafür aussprechen, daß er sich an der Wäsche der schmutzigen Wäsche, die wir hier vor dem Auslände vornehmen, nicht belheiligt hat.(Heiterkeit.) Ich habe durchaus nicht nur das preußische Verfahren gelobt, sondern auch di» Güte der bayerischen Einrichtungen anerkannt. Ich vermuthe, der Abg. Richter hat die Absicht, Mißtrauen zwischen de? bayerischen und preußischen Regierung zu stiften.(Lachen links; Zuruf: Unglaublich!) Die bayerische Regierung ist nicht un» bedingt für die Ausrechterhaltung ihres Verfahrens eingetreten, der Kriegsminister hat nur davon gesprochen, daß di- bayerischen Einrichtungen, so weit sie sich bewährt haben, auf, recht erhalten werden. Als noch auf den öffentlichen Plätzen exerziert wurde, wurde in einer Art und Weise geschlnipft, von der wir heute keine Borstellung mehr haben.(Heiterkeit.) Heute sind wir empfindlicher; das Niveau hat sich verändert, man hat die Presse, und alle Welt erfährt solche Dmge. Wenn die Oeffentlichkeit des Militär-Strafverfahrens eingeführt würde, würde es mit der Presse noch schlimmer werden. Vielleicht gründen die Sozialdemokraten einen Fonds, um Advokaten zu besolden, welche in den Militärgerichten umhergehen, um Stoff für die Zeitungen zu schaffen. Es wird hier gleichsam eine Sammelstelle für Beschwerden geschaffen und das Ergebniß dieser Debatte komiat lediglich den Sozialdemokraten zu Gute. Ich habe gesagt, die Siege Friedrichs des Großen sind zu verdanken nicht blos der Disziplin, sondern dem Verhältniß der Truppe zum Kriegsherrn. Wenn nachher Jena   kam, so ist das ein Beweis für mich, denn das Verhältniß zum König war weggefallen. Das richtige Verhältniß zwischen den Offizieren und Truppen zu pflegen, wird stets eine Aufgabe der Militärverwaltung sein.(Bei- fall rechts.) Abg. Gröber(Z.) verwahrt daS Zentrum gegen den Vor- wurf, daß es mit der Zustimmung zu dem Antrage der Budget- kommission seinen früheren Standpunkt verlasse. Es werde nur praktische Politik getrieben; man verlangt nur das Erreichbare. Die Art und Weise, wie Herr Bebel hier einzelne Fälle vor- gebracht hat, nur auf unkontrollirbare Mittheilungen gestützt, wodurch nur einzelne Personen a» den Pranger der Oeffentlich- keit gestellt worden sind, ist nicht die richtige. Man kann solch, Fälle nur beurtheilen ans Grund aktenmäßiger Feststellung. Di« Oeffentlichkeit des Strafverfahrens muß auch für das Heer ein- geführt werden. Das Bedenken, daß die Oeffentlichkeit von der Presse ausgenutzt werden könnte, darf nicht ausschlaggebend sein. Das Interesse für die öffentlichen Verhandlungen würde sich bald verlieren, aber das Vertrauen des Volkes in die Recht« sprechung würde zunehmen. Was ist denn der Unterschied zwischen den beiden vorliegenden Anträgen? Wir haben an? erkannt in dem Antrag, daß die Oeffentlichkeit in gewissen Fällen ausgeschlossen werden kann. Der andere Antrag verweist auf die bayrischen Bestimmungen, welche die Ausschließung der Oeffentlichkeit im weitesten Umfange gestattet. In Bayern  besteht eine gute Praxis trotz der schlechten Bestimmungen. Glauben Sie. daß bei gleichen Bestinnnungen m Preußen die gute Praxis eintreten wird? Ich glaube das nicht. Dazu kenne ich die Herren in Preußen zu gut.(Heiterkeit.) Wenn einmal die Militär-Strafprozeßordnung vorgelegt wird, dann sind wir durch den Antrag der Kommission gar nicht be- schränkt; wir können die Oeffentlichkeit einfuhren, in welchem Umfange wir wollen. Nothwendig sei allerdings die Erleichterung des Beschwerderechtes für die Soldaten. Daß die Religion die Grundlage deS öffentlichen Lebens sein muß, ist allseitig an, erkannt. Die Religion muß gelten im ganzen Leben des Mannes. Sie muß gelten im Rath« der Könige und im Parlamente, im legenheit außerhalb der Kaserne, ihren religiösen Verpflichtungen nachzukommen, aber es müßte in der Kaserne manches unter- bleiben, was jetzt geschieht. Die Zunahme der Verbrechen und der Rohheit ist aus der Statistik genau nachzuweisen, namentlich auch der jugendlichen Personen bis zum 18. Jahre. Herr Bebel hat unS die Rede Reichensperger's beim Schulgesetz vorgehalten, welcher gesagt hat, daß in der Schule zu vielerlei gelehrt wird. Tas Zentrum hat keinen Antrag gestellt, den Lehrstoff zu be« schränken, es hat einfach der Regierungsvorlage zugestimmt. De« Gedanke der militärischen Jugenderziehung ist ein alter demokra- tischer Gedanke; man ist davon wieder abgekommen. Di» Uedungen werden natürlich, wenn der Gedanke des Herrn Bebel durchgeführt würde, auf den Sonntag verlegt; Vormittags geht der Arbeiter nicht in die Kirche, sondern in die Fortbildungs- schule. Nachmittags wird exerziert; so fviel IZeit lassen Sie wohl den Arbeiter, daß er seine sozialdemokratische Zeitungen lesen kann. Herr Richter hat unseren Antrag mit einer Ver- besserung bedacht, er hat den Antrag nur allein gestellt, es schein» also mit der Einigkeit in der großen liberalen Partei nicht weit her zu sein. Warum hat Herr Richter den Antrag nicht zu dein