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Nr. 46.

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9. Jahrg

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Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: Beuth- Straße 2.

Bum 24. Februar.

Mittwoch, den 24. Februar 1892.

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Expedition: Beuth- Straße 3.

rungen aus, sondern eine Thatsache. In dem Kasseler Des Näheren darauf einzugehen, würde zu weit führen. Der als Tageblatt" vom 19. d. Mts. finden wir folgenden Bericht Sachverständige geladene Prof. Dr. Roser aus Bonn   bemerkte Heute ist ein Bierteljahrhundert verflossen, seitdem der kon- einer Prozeßverhandlung: demgegenüber, daß die erwähnten Verträge zwar geschlossen seien, ftituirende Reichstag zusammengetreten ist. Auch für die Sozial­nicht aber aus Feindschaft gegen Kaiser und Reich, wie der Angeklagt ist der Redakteur der in Melsungen   erscheinenden Artikel behaupte. Frankreich   habe derartige Verträge wegen der demokratie ist der heutige Tag ein Gedenktag, denn in den Hessischen Blätter", des Organes der Rech   is partei", Herr spanischen Erbfolge, des römischen Raiserthums 2c. zuerst mit dem Reichstag von 1867 war August Bebel   gewählt, und mit beleidigung(§ 95) und verächtlichung von Staats- später, nach anfänglicher Weigerung, habe Preußen dasselbe ge­Wilh. Hopf, die Beschuldigung lautet auf Majestäts- Kaiser, mit Bayern  , Hessen  , Hannover   2c. geschlossen und erst dieser Wahl begann die parlamentarische Thätigkeit der Sozial- einrichtungen(§ 131 des Reichs Straf Gefeßbuches). than. Aus diesen Verträgen allein laffe sich ein abschließendes demokratie. Der Staatsanwalt stellt zweimal den Antrag auf Ausschluß Bild nicht gewinnen, Was Bebel in diesen fünfundzwanzig Jahren im Reichstage der Deffentlichkeit, der Gerichtshof lehnte ihn jedes Mal ab. Es denselben andere Verträge zur Seite ständen. Die zitirten Ge man dürfe nicht vergessen, daß geleistet hat, aufopfernd, unermüdlich, selbstlos, wachsend mit den Artikel der Bessischen Blätter", welcher der Anklage zu Grunde es ftand ihnen, selbst Menzel und Rotted, nicht das volle wird darauf in öffentlicher Sigung verhandelt. Der intriminirte schichtsschreiber seien tendenziös befangen gewefen oder aber höheren Zielen und Aufgaben, bis er Der ward, als den wir Alle liegt, umfaßt sieben fieben Spalten, er führt die ihn kennen, das brauchen wir unsern Lesern nicht erst zu sagen. schrift Deutsch und Preußisch" und ist in den Nummern vom forschern zugänglich ist. Ueber Material au Gebote, wie es den jezigen objektiven Geschichts­Mit unvergänglichen Lettern ist es in die Geschichte der Partei 14. und 17. Januar 1891 abgedruckt. Daß der Fall erst jest Archive geöffnet und so Einblick in die politischen Schriftstücke Die preußische Regierung habe ihre eingetragen, sein wirken für die Arbeiterklasse wird unvergeß- Eröffnung der Anklage zuerst abgelehnt hatte, auf Berfügung urtheilen, so müsse man das ganze Material übersehen, nicht zur Verhandlung kommt, liegt daran, daß die Straffammer die geboten, nicht aber so die anderen Regierungen. Wolle man lich sein. des Ober- Landesgerichts jedoch das Verfahren eröffnet wurde. aber die Hälfte benutzen und tendenziös gegen die preußische Wie vor fünfundzwanzig Jahren, so steht Bebel auch heute In dem Artifel wird eine Betrachtung über die Monarchie auszubeuten suchen, wie es die sogenannte großdeutsche noch in der vordersten Reihe der Streiter für die Sache des 1648-1863 gegeben und darin die Behauptung aufgestellt, einzelne Abmachungen als geheime bezeichnet feien, so wolle brandenburgisch preußische Geschichte von Historiographie gethan. Wenn in den angezogenen Verträgen Proletariats. Und so haben wir an seinem Ehrentage feinen dieselbe zeige immer den gleichen Stempel: Feindselig das nichts bedeuten, das geschehe auch 1648-1863 besseren Wunsch für ihn, als den, daß er nach dem heißen teit gegen echtes und wahres Deutscht hum. Staatsverträgen, ohne daß man das Durchsteckerei nennt. geschehe auch heute noch bei Rampfe auch den fröhlichen Sieg erlebe. Man habe das bestehende Deutsche   Reich und Dann sei aber später den Deutschen Bund   möglichst verwirren, trägen, welche Stellung Frankreich   nach dem westfälischen auch wohl zu beachten bei jenen Ver ja nicht sich fräftigen lassen wollen." Man Frieden zu dem Reiche einnahm. Schritt für Schritt weist nun wollte recht große deutsche   Länder an Branden- ferner Herr Professor Koser Behauptungen des Artikels bezüglich herausschneiden, einen besonderen großpreußischen der Beschuldigungen Friedrich des Großen und seiner Nach Staat bilden, und sich um das übrige Deutsch  - folger 2c. auf Grund des vorhandenen geschichtlichen Atten land nicht mehr kümmern." Also wohi materials als unrichtig und tendenziös entstellt zurück. Herr Als das römische Zäsarenthum zugleich mit der öffent wollte durchaus nicht etwa Deutschland   zum Durch den Artikel, der von Anfang bis zum Schluffe eine verstanden"- so heißt es darin weiter wörtlich man Staatsanwalt Wagner hält die Anklage in allen Punkten aufrecht. lichen Achtung die Grundlagen seiner Macht schwinden fah Besseren umgestalten, man wollte es in selbst Menge entstellter und erdichteter Thatsachen enthalte, habe sich und den Glauben an sich selbst zu verlieren begann, erfand sichtigem Streben schwächen, zerreißen und der Angeklagte einer Majestätsbeleidigung und auch der Ver es die Majestätsbeleidigung, und je tiefer das Bäsarenthum zu eigenem Nußen theilen." Den Herrschern Preußens ächtlichmachung sant, desto weiter wurde der Begriff der Majestätsbeleidigung werden dann der Reihe nach Vorwürfe über die innere Der Artikel geht bis auf die neuere Zeit und beleidige von Staatseinrichtungen schuldig gemacht. ausgedehnt, desto härtere Strafen über die Majestäts- und äußere Politit gemacht, die nach der Anklage sich die preußischen Monarchen, die Vorfahren des jetzigen beleidiger verhängt. auf erdichtete und entstellte Thatsachen beziehen und die Absicht Kaisers. Auch fei der Inhalt Des Artikels ge= Der Fall des Zäsarenthums wurde durch die Majestäts- des Verfassers erkennen laffen, damit Einrichtungen des Staates eignet, die Einrichtungen des preußischen Staates verächtlich beleidigungs- Gefeße und die Majestätsbeleidigungs- Prozesse Geschichtsforschung darzustellen. Nach einer Reihe weiterer Bor  - theologisches Gramen so gut bestanden, müsse man mit vollem verächtlich zu machen, sowie in tendenziöser Weise die zu machen. Bei dem Bildungsgrade des Angeklagten, der sein nicht aufgehalten, sondern im Gegentheil, nur beschleunigt. würfe gegen die innere und äußere Politit Preußens gipfelt der Recht annehmen, daß er sich der Strafbarkeit seiner Handlung Die Geschichte der Majestätsbeleidigungs- Prozesse ist der Artikel in der Behauptung Deutsch   aber und preußisch waren voll bewußt gewesen, sowie daß er gewußt habe, die von ihm schlagendste Beweis dafür, daß sie nur auf durch und durch gewaltige Unterschiede!" Zum Schlusse heißt es: Preußen hatte vorgebrachten Behauptungen feien theilweise erdichtet und ent faulem Boden, in einer durch und durch ungesunden seit 1848 fort und fort Unkraut unter den deutschen   Weizen ge- stellt. In dem Artikel seien die historischen Ereignisse der Zeit Atmosphäre gedeihen, und daß fie ihren Zweck: die streut. Gleichwohl hat es schließlich da geerntet, wo es nicht nur lückenhaft wiedergegeben, und zwar sei nur alles Böse Alleinherrschaft und das persönliche Regiment zu stützen, in gefät hatte." Der Angeklagte giebt bei seiner Bernehmung zusammengestellt, das Gute aber habe man weggelassen. Mit feiner Weise erfüllen. an, daß sein Organ die Auffassung derjenigen Geschichtsschreiber derartigen Zeitungsartikeln und einer derartigen tendenziöfen Wie es scheint, find wir jetzt wieder im Anfange einer her einen Rechtstitel für die Annexion vom Jahre 1866 fonftruiren nur der Sozialdemokratie in die Arme. Indem Redner das Be bekämpfe, welche aus den früheren inneren deutschen   Zuständen und falschen geschichtlichen Darstellung arbeite der Angeklagte Aera   der Majestätsbeleidigungs- Prozesse. Seit Jahresfrist wollen. Aus dieser Tendenz sei auch der fragliche Artikel ver- lastungsmaterial noch einmal in übersichtlicher Weise gruppirte etwa häufen sich die Prozesse dieser Art in bedenklichem faßt, den er zwar nicht selbst geschrieben, der aber feine An- und sich auf das flare und objektive Gutachten des Sachver Maße, und Verurtheilungen, wie die unseres Genossen schauungen im Wesentlichen vertrete. Es solle damit bewiesen ständigen bezog, begründete er des Näheren, daß das strafbare Peus, zeigen nur zu deutlich, daß der Schrecken ein werden, daß kein historischer Rechtstitel für die 66 er Annexion Verschulden des Angeklagten völlig genügend erwiesen sei, und Regierungsfaktor geworden ist. bestand, wohl aber, daß andere Fürsten   mehr für Deutsch   beantragte eine Gesammtstrafe von vier Monaten auf mehrere Geschichtsschreiber, Zitirung von ihm günstig er Rechtsanwalt Martin, trat in längerer Rede zu Gunsten seines land gethan, als Preußens Fürsten  . als Preußens Fürsten  . Unter Bezugnahme Gefängniß. Der Vertheidiger des Angeklagten, Herr scheinenden Stellen aus politischen Verträgen des großen Kur- Klienten ein. Er suchte nachzuweisen, daß die in dem Artikel fürsten, Friedrich II.   und seiner Nachfolger mit Frankreich   und enthaltenen Behauptungen und Thatsachen feineswegs erdichtete anderen Staaten suchte der Angeklagte nun seine Behauptungen und entstellte seien, noch weniger, daß sie geeignet, die Gin­zu belegen und die Anklage, die er in Abrede stellte, zu entkräften. richtungen des preußischen Staates verächtlich zu machen.

Historische Kritik und burg   bringen, fie aus dem Körper Deutschlands   der Erlangung des preußischen Königstitels, der schlesischen Kriege, Majestätsbeleidigung.

Man geht in neuester Zeit selbst soweit, die historische Kritik in das Prokrustes bett der Majestätsbeleidigung zu gwängen, und die Tages- und Weltgeschichte auf die Auflage bank zu schleppen. Wir sprechen nicht Vermuthungen, nicht Schlußfolge

Feuilleton.

Nachdruck verboten.)

Am Webstuhl der Zeit.

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Beitgenössischer Roman in 3 Büchern von A. Otto Walster  .

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Das stimmt, und diese Quittung ist hier, Herr Assessor." Wie?" rief der Gerichtsbeamte, erstaunt das dar gereichte Papier prüfend, Sie haben die Quittung bei sich und haben dieselbe so lange bei sich behalten? Die Quittung ist schon vor vierzehn Tagen ausgestellt."

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Das stimmt auch, denn ich gehe nie ohne eine solche Quittung in Wechselarrest."

" Das sagen Sie zwar, aber es ist ganz unglaubhaft, denn Sie würden sich sonst gar nicht hier heraufbringen laffen. Ich muß daher annehmen, daß diese Quittung ge­fälscht ist."

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Wir werden die entwichenen Herren auf jeden Fall wieder erlangen; und wenn dieselben dann sagen, daß Sie von der Flucht gewußt haben und trotzdem jetzt den Un- Gefälscht, Herr Assessor? Vedenken Sie wohl, was Sie wissenden vor dem Richter spielen, so kann Ihnen Ihre hier sagen; der Herr Wachtmeister ist Zeuge dieser Ehren­Weigerung, Auskunft zu geben, viele Nachtheile bereiten." Fränkung." Das ist Alles ganz gut möglich, Herr Assessor; indessen gebe ich mich mit solchen Möglichkeiten nicht viel ab; ich kann Ihnen nur sagen, daß ich mich hier nicht mehr wohlbefinde und meine Entlassung beantrage, da ich für heute eine Landpartie nach Hasselbach   beabsichtige."

" Ihre Entlassung?" rief der Assessor verwundert; ich hoffe, Sie werden diese Gelegenheit nicht dazu benüßen wollen, unzeitige Wiße zu versuchen."

" Ich habe nichts gehört," rief der Wachtmeister, " Herr Assessor, wollen Sie es noch einmal in Gegen­wart des Herrn Wachtmeisters widerholen?"

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" J, das ist doch eine wahre Verhöhnung des Gerichts und der Gesetze!"

" Schon wieder ein Verbrechen? Herr Assessor! Sie wissen doch, daß diese Einrichtung einmal besteht und rücksichtslos gehandhabt wird; der Staat erhält sie, und Jeder, der es in seinem Interesse findet, kann daran theilnehmen. Ob Jemand, der Hunderttausende besitzt, einen armen Teufel für dreißig Thaler Schulden festsetzen läßt, fragt das Gericht danach? Ob Jemand aus Rach­sucht so einen Wechsel von einem Anderen billig kauft, um Jemanden zu chikaniren, fragt das Gericht, ob es sich nicht zum Werkzeuge eines solchen miserablen Wichtes herab­würdigt? Die Einrichtung besteht und läuft nach der Schablone ab; warum sollte ich sie nicht ebenso gut nach meinem besten Dafürhalten benußen dürfen?"

Aber, sich selber sehen zu lassen, das ist doch gar

zu stark!"

" Ich bin nicht dazu da," erwiderte dieser; jedenfalls widerte der Philosoph gelassen. Sie wissen doch, daß der Nicht so ganz, wie Sie denken, Herr Assessor," er­ist die ganze Sache äußerst verdächtig." Warum, Herr Assessor? Die Sache ist sehr einfach und steht; das eine nennt er sein besseres, das andere sein böses Mensch aus zwei miteinander innig verbundenen Wesen be­unverdächtig. Mein Wechsel beträgt 60 Thaler; ich habe Jch oder Selbst, und beide leben zeitweilig, ja fast immer die Quittung über Betrag und Kosten; ich habe hier zwei im Krieg miteinander, und so geht es auch mir. Mein Banknoten über 100 Thaler und bin außerdem Besizer eines befferes Selbst treibt mich, die furzgemessenen Erdenstunden Grundstücks von wenigstens 30 000 Thalern Werth. Glauben mit Weisheit zu benutzen; mein böses oder materielles Jch Sie, daß ich da so dumm sein werde, eine Quittung von drängt mich nach sinnlicher Luft; und da nun mein besseres 60 Thalern zu fälschen, um in die Tretmühle der heiligen Selbst die Oberherrschaft auszuüben berechtigt ist, legt es Justiz zu gerathen? Fällt mir gar nicht ein, wäre Blöd- dem anderen Gesetze auf. Ganz natürlich hapert es mit der finn. Die ganze unerklärliche Sache besteht nur darin, daß Ausführung dieser Gefeße unter so innig verbundenen Wesen So haben Sie Ihren Gläubiger zu bezahlen und ich mich selbst habe seizen laffen, auf eigene Rechnung und immer, deshalb habe ich zum Pfand mein schlechteres Selbst von diesem eine Quittung beizubringen." Gefahr." einen Wechsel unterschreiben lassen und ihm gesagt, daß ich

Unzeitige Wize, Herr Affeffor? Was berechtigt Sie zu dieser unerhörten, mich beinahe verlegenden Annahme?" Sie wissen doch ganz bestimmt, daß Ihre Entlassung nur mit Einwilligung Ihres Gläubigers bewirkt werden tann."

Wenn ich nun aber bezahle?"