Einzelbild herunterladen
 
st. 226. ,8. MM», ijeilage des Jorntörts" Kerlimr WlksblM. Parteitag der deutschen   Soeialdemokratie. Schluß der Mittwochs- Sitzung. (Ausführlicher Bericht.) Richard Ftscher-Berlin  (fortfahrend): Das ist der Grund, weshalb ich für die Resolution Bebels nicht habe stimmen können, weil darin die Stelle steht ich weiß, Bebel hat es nicht beabsichtigt, aber der Schluß irird daraus gezogen, daß Bernstein   den Kampf gegen die bürgerliche Gesellschaft nicht führe. Wenn das in der wissenschaftlichen Revue steht, und eS dann heißt l «andrerseits hält Bernstein   schon deswegen an der Soeialdemokratie fest. iveil er außerhalb derselben jedes politischen Einflusses ermangeln würde' (Große Unruhe) ein so ordinäres Princip und das hat Kautsky  aufgenommen! Wenn es weiter heißt:Seine Aufgabe ist nur die Zersetzung der Partei", dann sind das nicht Entgleisungen, sondern der Ausdruck eines Systems.(Sehr wahr.) Tann ist es ja nicht nur Parvus. Die Genossin Luxemburg   ist nicht anwesend, das kann mich aber nicht hindern, auch über sie etwas zu sagen. So war es schon in der Millerandfrage. Man kann eine Auffassung vertreten in aller Schürfe, aber man darf die Meinungen der Genossen nicht fälschen und bloß in der Absicht, geistreich zu sein, zu rabulieren, zu unterschieben und zu fälschen, so zu operieren, wie es die Genossin Luxemburg   in der Millerandfrage und in ganz klastischer Weise in der letzten Nummer derNeuen Zeit" gethan hat. In der Budgetbewilligungsfrage stehe ich auf dem Standpunkt der Genossin Luxemburg  , ich verurteile die Motivierung FeudrichS. das Wort von der Gleichberechtigung hätte er unterlassen sollen. Aber wer von uns hat nicht schon eine gute Sache mit schlechten Gründen und in dummer Weise vertreten I Wenn ich nicht die Gabe habe, in geist- reicher Weise meinen Standpunkt zu vertreten, mich gleich als Trottel zu bezeichnen das kann man dem Gegner überlassen, dazu ist die Neue Zeit" nicht da(Sehr richtig I). dafür geben wir für sie nicht Tausende von Mark aus. Fendrich hat sich im Ausdruck vergriffen, aber deswegen mit der ganzen Kunst der Rabulisterei, wie sie vielleicht ein Erbteil ihrer Rasse ist, über ihn herzuziehen, das geht doch nicht an. Singer macht Fischer darauf aufmerksam, daß seine Redezeit abgelaufeir ist. Fischer: In zehn Minuten kann man eine Forderung an- schneiden; aber man kann wenigstens die Forderung stellen, daß es so nicht weiter gehen darf, daß von der Partei Rcmedur geschaffen werden muß.(Lebhafter Beifall.) Kautsky  : Auf die schweren Anklagen, die gegen mich erhoben sind, kann ich in den zehn Minuten nicht eingehen, ich will mich auf einige wenige Punkte beschränken. Vor allem nehme ich keinen Anstand, zu erklären, daß ich die letzten Artikel von Parvus, die nicht unter meiner Redaktion veröffentlicht find, mißbillige und daß ich sie nicht auf- genommen hätte. Aber man darf auch nicht übertreiben und jene Artikel als unerhört hinstellen. Gewiß, der Ton ist unpassend, aber hat man nicht gegen Parvus und Luxemburg   einen ähnlichen Ton in Süddeutschen Blättern angeschlagen? Hat man da nicht diese Ge- nassen in einer unerhörten Weise beleidigt? Dagegen habe ich in dem Artikel über Buer nicht das geringste Beleidigende gefunden.(Widerspruch.) Die Absicht der Beleidigung selbst lag nicht vor, und Parvus hat mir brieflich erklärt, daß er vor Auer die größte Hochachtung besitze, sowohl als Menschen wie als Partei genössen. Sie finden in dem Artikel nur eine Kritik der politischen Thätigkeit Auers, die vielfach nicht zutreffend, aber doch keine persöw liche Herabsetzung ist. Allerdings hat Parvus auch eine Geschmack� lofigkeit über das Germanentum von Auer verbrochen, aber ich muß als Milderungsgrund anführen, daß er da nicht originell war, sondern die Schalkhaftigkeit von Auer nachahmen wollte. Sehr un- geschickt, denn um Schalk zu sein, muß man Grazie haben, und worin sich Auer und Parvus unterscheiden, das ist die Grazie, die dereinebesitzt, der andere nicht.(Heiterkeit.) Aber abgesehen von diesen Artikeln ist doch das, was hier gesagt ist, furchtbar übertrieben. Es ist gesagt, Parvus und Luxemburg   nehmen ja den ganzen Raum derNeuen Zeit" eilt. Nun, was' haben sie denn in den letzten Jahren ver- öffentlicht? Parvus hat über die Finanznot in Rußland   und über die laiidwirtsckiaftlichen Zölle äußerst instruktive und höchst lehrreiche Artikel geschrieben. Erst in jenen letzten Artikeln, auf die man fort während herumreitet, ist der Anstoß erregende Ton an geschlagen. Und was hat Luxemburg  Artikel über den Fall Millerand  , in höchst instruktiver Thatsachen mitgeteilt von höchstem Wert waren; einen Artikel Accordmaurer, der ganz sachlich und unbefangen war und auch wert- volles Material bot. Soll ich alle diese Artikel ablehnen, bloß weil sie von Leuten herstammen, die manchem mißliebig sind? Ich glaube, das wollen die Getwssen selbst nicht. Nun wirft nian mir ein. es handelt sich nicht um die Artikel, sondern um den darin angeschlagenen Ton. Dieser Ton vertrete ein System; und dieses System bestehe darin, daß jeder, der nicht meiner Ansicht ist, niedergeknüttelt wird. Das sei aber nicht Auf- gäbe derNeuen Zeit", sie solle Probleme diskutieren und nicht ein- fach die Diskussion ersticken. Ja, sind denn nicht in derNeuen Zeit" eine Unmenge Probleme diskutiert? Ist nicht die Bernstein-Frage in derNeuen Zeit" aufgerollt worden? Man könnte mir eher vorwerfen, daß ich dieser Debatte zn spät als zu früh ein Ende ge- macht habe. Wir haben Diskussionen gehabt über die Konsumvereine, die Jugendlitteratur, die Verstaatlichung der Bergwerke und andre Fragen, man kann also nicht sagen, daß dieNene Zeit" kein Dis- kussionsorgan ist. Aber, sagt man. dieNeue Zeit" solle über den Kämpfen stehen. Ja, wenn Sie das von mir verlangen, dann ver- langen Sie etivas, was über meine Kräfte geht. Wenn Sie ver- langen, daß dieNeue Zeit" eine Art wiffenschaftliches Ueberbrettl sein soll, eine Art höherer Warte, die von Uebergenoffen redigiert wird, dann werden Sie keinen Redacteur finden. Ich bin mir nicht bewußt, daß ich, wenn ich in die Arena des Kampfes hinabgestiegen bin, meine Pflicht den Genoffen gegenüber vernachlässigt habe. Quarck hat neulich gemeint, daß bei ims eine gewisse Nervosität über die Bernstein-Frage herrscht. Ich gebe das zu, diese Frage hat uns alle nervös gemacht. Hüben wie drüben ist man geneigt, jedes scharfe Wort als unerhörte Beleidigung aufzufassen. Auch der Ton ist ein unpaffender genannt. Man vergißt dabei eins. Wenn man mit einem Gegner polemisiert, so will man zeigen, ivohin die Konsequenzen seines Thuns führen. Damit sagt man aber nicht, daß der Gegner sich dieser Konsequenzen bewußk ist und ihnen absichtlich zustimmt. Daß Bernstein   nicht die Absicht hatte, die Partei auf- znlösen, ist doch selbstverständlich; es ist mir auch niemals eingefallen, die bau» tidos der Genoffen von der andren Richtung anzuzivcifeln, noch ist das irgend einem meiner Mitarbeiter eingefallen; es sind nur die Konseqnenzen gezogen und gesagt, diese führen in den Sumpf. Aber man hat nicht gesagt, ihr wollt uns in den Sumpf führen. Das ist etwas ganz andres. Das eine kann man mit allem Nachdruck bekäinpfen, es ist aber nichts Beleidigendes, sondern nur etwas Schmerzliches. Allerdings kann ich nicht für alles, was in derNeuen Zeit" steht, die Verantivortung übernehmen, in dem Sinne, daß ich jedes Wort unterschreibe. Sie verlangen doch. daß wir Selbstkritik üben, aber das können wir nur, wenn wir Toleranz üben. Auf der einen Seite nennt man mich den Großinquisitor, auf der andern Seite sagt man, ich sei viel zu tolerant. Ja, es fällt mir allerdings schwer, der Censor meiner Genossen zn sein und meine Mitarbeiter zu kastrieren. Es ist möglich, daß ich da zu weit gehe, aber einer Schuld bin ich mir nicht bewußt. Im übrigen hoffe ich, daß diese veröffentlicht? Einen dem sie eine Reihe hat, die für alle über die Frage der ganzen Klagen über dieNeue Zeit" beendet sind, denn sie sind doch nichts als ein Nachklang der Bernstein-Debatte. Das gebe ich gern zn: Die Bernstein-Debatte hat niemand mehr geschädigt, als die Neue Zeit", und niemand in eine schwierigere Situation gebracht als den Redacteur derNeuen Zeit". Ob der Redacteur derNeuen Zeit" daran schuld ist, das ist eine andre Frage, die ich jetzt nicht auftolleu will, da ja die Bernstein-Debatten für immer beendet sein sollen. Und weil ich glaube, daß die Bernstein-Frage begraben ist und daß wir uns jetzt zusammenfinden werden zu gemeinsamem, einmütigem Arbeiten, darum glaube ich, ist auch alles, was Sie gegen dieNeue Zeit" vorgebracht haben, ein Dinq der Vergangenheit. Wir werden jetzt wieder einmütig kämpfen und stcqen. (Lebhafter Beifall.) Heine-Berlin: Stadthagen   hat uns heute empfohlen, uns in der Polemik einer recht milden, wenig gehässigen und anständigen Form zu bedienen. Hoffentlich wird er das in Zukunft selbst bethätigen. Heute hat man davon noch nicht viel bemerkt, den» das Gebot der Berücksichtigung anständiger Formen gilt doch auch unsren Gegnern gegenüber. Ich muß Protest dagegen erheben, daß Stadthagen   den Schriftsteller von Gerlach, von dem ich vorher gesagt habe, daß er ein guter Bekannter von mir sei, ohne jeden Anlaß als einen Schmutzfinken bezeichnet. Eine solche Ausdrucksweise entspricht meiner Auffassung von der Würde dieser Tagung nicht.(Sehr wahr!) Ebenso wenig halte ich es für angemessen, daß die Luxemburg  ohne' jeden Anlaß von den hier anwesenden Bericht erstattern als von Schmölen gesprochen hat. Nun, der Vater der Schmöke war ein polnischer Jude, und ich wüßte nicht, welche Ursache die Luxemburg   hat, diesen Ausdruck zu gebrauchen. Der Ton in unsrer Presse ist vielfach ein sehr unangebrachter. Mir liegt hier ein Artikel derMünchener Post" vor, in dem in einem ganz unglaublichen Ton gegen die Mitarbeiter an denSocialistischen Monatsheften" hergezogen wird. Das Komische daran ist nur, daß der Haupt-Mitarbeiter, Vollmar, der Vertreter für München   ist. Ueber Grunwald nur ein paar Worte: Er hat Bernstein   gegenüber das Wort Goethes über Dilettantentum gebraucht. Als Goethe das schrieb, war er 76 Jahre alt. Nun sollen wir ja, wie Stadthagen   meint, niemand seine Jugend vor- halten, aber Stadthagen   selbst hat uns Mitarbeitern an denMonats heften" vorgehalten, daß wir eigentlich noch junge Leute sind, die erst etivas lernen müssen. Ja, wenn Vollmar, Auer und ich junge Leute sind, so sind Sie, Genosse Grunwald, ein Embryo gegen uns.(Stadthagen  : Wer hat denn das gesagt?) Und in Ivelcher Weise hat Parvus Vollmar mitgespielt? Es ist besonder» abscheulich, daß er ihm vorhält, er halte gute Be- ziehnngen zur Regiening. Ich weiß nicht, ob er sie hält, aber wenn er sie hielte, dann könnte ich schlußfolgern, daß Parvus ohne diese guten Beziehungen Vollmars garnicht in München   sein würde und daß er sich also nicht geniert hätte, diese Beziehungen auszunutzen. (Lebhafte Pfuirufe!) Ich erwarte, daß das Pfui dem Menschen gilt, der solche Geschenke annähme und dem, der sie gemacht hätte, ins Gesicht spuckte.(Rufe: Nein, Ihnen gilt's I) Sie haben die Artikel von Parvus gcmißbilligt, und die Art, wie Auer ihn gestern abgefertigt hat, war ja sehr hübsch, humoristisch und nett, aber sie genügt denn doch nicht vollkommen. Ich habe in meinem Wahlkreise den Kampf gegen die Antisemiten zu führen, und ich kann es nicht für angemessen halten, daß Parvus in der Weise,>vie er es zweifellos durch jene Stelle in seinem Artikel thut Propaganda für den Antisemitismus niacht. Denn das ist das Resultat seiner ungezogenen Bemerkung über die deutsche Nation, die eine Nation sei, die nicht schlau sein könne. Kautsky   sagt, ParvuS habe ihm geschrieben, das sei nicht so schlimm gemeint. Ja. das ist uns gleich. Gesagt ist gesagt. und ausgenutzt ist es vom ersten Tage ab. Es ist wirklich nicht an- genehm, daß die Gegner jetzt kommen und sagen:Das habt ihr von euerem Internationalismus." Wenn einer, so bin ich gegen den antisemitischen Gedanken gefeit, und es ist eine unglaubliche Thor- heit, uns so etwas zu sagen, denn unser Internationalismus hat damit nichts zn thun. Unser Internationalismus bedeutet, daß jede Nation die andre achtet, und ich habe keine Miß achtung gegen die russischen und polnischen Juden, aber wenn jemand als Gast zu unS kommt und uns in die Stube spuckt, so Iverden wir uns das nicht gefallen lassen und werden mit oller Energie, wenn auch mit der uns angeborenen Höflichkeit, dagegen Protest erheben.(Zubeil ruft: Sie waren ja selbst Antisemit, Sie waren Vorsitzender des antisernitischen Vereins deutscher Studenten). Der diesen Zuruf macht, war derselbe Herr, der sich vorhin erlaubte. Pfui zu rufen. Daraus, daß ich Antisemit war, habe ich kein Hehl gemacht, das hat jeder gewußt. Nun noch einS: Kautsky   hat darauf hingewiesen, wie schwer eS ist, daß dieNeue Zeit" zugleich ein Kampforgan und ein wissenschaftliches Organ sein soll. Ich gebe zu, daß das sehr schwierig ist; z. B. dürfte man dann nicht die Abgeordneten der Partei so angreifen, wie das geschieht. Ich glaube, daß der ein- geschlagene Weg nicht immer der richtige war, und ich hätte nur ge- wünscht, daß Kautsky   ebenso wie Bernstein   erklärt hätte, daß er den Beschluß des Parteitages acceptiert. Wenn nur auch Kautsky  so wäre, aber dafür habe ich leider keine Hoffnung. Ledebour hat vorhin in höchst höhnischer Weise sich über die Erklärung Bernsteins ausgesprochen, über die wir uns alle so gefreut haben; er hat gesagt: Bernstein   stellt sich hin und sagt: Ich kann auch anders I... Singer: Es ist nicht angebracht, Privatgespräche in die öffent- liche Diskussion zu ziehen. Ich bin selbstverständlich bereit, volle Redefreiheit zu gewähren, aber das geht nicht, daß Privatgespräche hier öffentlich erörtert werden. Heine(fortfahrend): Dann benutze ich die Gelegenheit, um zu erklären, daß ich die Handlungsweise von Bernstein   für höchst mutig und ehrenvoll gehalten habe, daß niemand ein Recht hat, ihm daraus einen Vorwurf zn machen und daß diejenigen, die �das nicht an­erkennen, Leute sind, die zeigen, daß sie den Frieden nicht wollen. (Beifall und Widerspruch.) Stückle»- Altenburg  : Die Parteipresse hat nicht die Aufgabe, Parteigenossen anzu- greifen. Wir in Thüringen   haben uns ganz gut vertragen, bis Ge- nasse Grunwald als neue Leuchte nach Erfurt   kam und alsChef- redacteur" die vier Seiten starke ErfurterTribüne" zu leiten be- gann. Nun gut! Aber was uns nicht gefällt, das ist die Anreißerei (Sehr wahr!), die Sucht, ja in der Oeffentlichkeit besprochen zu iverden, was man dann mit allen Mitteln zu erreichen sucht. Als die Anti« Bernstein  - Bandwürmer an die bürgerliche Presse versandt waren, da schrieb diese, die Thüringer   Soeialdemokratie steht unter dem Einfluß des Dr. Grunwald zu demChefredacteur" wurde noch derDr." angefügt. Es wurde ihm damit eine Wichtig- keit beigemessen, die wir ganz entschieden bestreiten müssen. Ver- chiedene Parteigenossen haben das mit Recht kritisiert und in welcher Weise hat Grunwald sie dann angerempelt I Z. B. den Genossen Thiele I DenVorwärts" rempelte er an. weil dieser seine langen Artikel nicht in die Welt hinausposaunen half; dazu ist unser Centralorgan wahr- haftig nicht da. Wie soll denn das erst werden, wenn die Papier  - preise fallen und dieErfurter Tribüne" vielleicht sechs Seiten stark erscheint!(Heiterkeit.) Der Parteivorstand hätte Grunwald schon längst sagen sollen, diese Anrcmpeleien müßten eine Grenze haben, er solle sich nicht so viel Kraut herausnehmen, es seien noch andre Leute da.(Sehr wahr!) Es läßt sich gar nicht leugnen, daß in den Kreisen der Genossen eine sehr starke Mißstimmung gegen die Akademiker in der Partei herrscht. Ich teile diese Mißstimmung in der Weise nicht; wenn das aber in der Weise weiter geht, dann begreift man sie(Sehr wahr!) um so mehr, wenn die Parteithätigkeit dieser Leute noch sehr jungen Datums ist. Jeder hat das Recht, seine Meinung zu sagen, aber gewisse Grenzen und Formen muß er innehalten; auf keinen Fall aber darf er in hochnäsiger und prätentiöser Weise auftreten. Dieses Auftreten war bisher ein Vorrecht der Genossin Luxemburg  . Wenn ich unhöflich sein wollte, dann würde ich sagen: der" Genosse Grunwald scheint mir eine mißlungene männliche Ausgabe der Ge- nossin Luxemburg   zu sein.(Stürmische Heiterkeit.) König-Bochum: Wir haben kein polnisches Blatt im Kreise. Nun hat der Vor- stand seine Beziehungen zurGazetta Robotnicza" gebrochen. Welches Blatt sollen wir nur unsren polnischen Genoffen im Kreise empfehlen? Redner empfiehlt den Antrag 136. Wir im Buchhandel empfinden es schmerzlich, daß dieN. Zt." keine Fortschritte macht, während die Sor. Monatsh." durch baruumhafte Reklame von Tag zu Tag neue Leser gewinnt. Ulrich-Offenbach: Die Preßkommissionen sind ein Kind der Parteiverhältnisse an den einzelnen Orten. Hätten diese Orte einen auskömmlichen Redaktionsetat, dann hätten die Prätentionen j gewisser Re- dactcure ihre Berechtigung. An einzelnen Orten aber befinden sich die Parteiblätter in äußerster Not und das Sparen" am Redaktionsetat ist die Hauptaufgabe der Prcßkommifsionen. Bis zu einem gewissen Grade war Calwer be« rechtigt, darüber zu klagen, daß in der Preßkommission Genossen sitzen, die von der Journalistik nichts verstehen. Durch das Reden darüber wird aber nicht Wandel geschafft, das ist nur möglich, wenn die Genossen es sich zum Gesetz machen, nur dann an die Gründung von Blättern zu gehen und an die Bestellung von Redacteuren, wenn sie die materielle Grundlage haben und einen Redaktions- Etat ausstellen können.(Beifall.) Run will ich über den Ton meine Meinung sagen. Der ersten Mahnung Heines will ich gern folgen, aber seinen weiteren Ausführungen kann ich nicht folgen. Wenn wir uns befleißigensollen, einen vernünftigen Ton anzuschlagen, dann dürfen wir nicht so losgehen wie Heine.(Lcbh. Zustimninng.) Der größte Teil meiner Ausführungen ist abgeschlagen durch die Erklärungen KautSkyS. Ich habe die Zuversicht, daß dieNeue Zeit" in der Folge andere Bahnen folgen wird. So kann es nicht fortgehen, wie in der letzten Zeit, wenn sie nicht jeden Einfluß im Parteileben verlieren will. Sie hat die Stellung verloren, die ihr eigentlich gebühren sollte, und zwar, als sie in der Debatte über die Agrarfrage Töne anschlug, die ihre Mitarbeiter, die andrer Meinung waren, heranSgegrault hat. (Sehr richtig!) Es fehlt leider einem großen Teil unsrer Journalisten das proletarische Klafsenbewußtsein, das sie in erster Linie unter ich bethätigen sollten. Wie kommt das? Es erklärt sich daraus, daß die lautesten Rufer im Streit in der That die Fühlung mit den eignen Parteigenossen verloren haben. Deshalb schlagen sie gegen Ihresgleichen einen bedenklichen Ton an.(Sehr wahr!) Unsre Gegner können uns oft nicht besser bekämpfen, als durch die Veröffentlichung von Aeußerungen von Parteigenossen egen einander, die sie noch besonders ausmünzen. Der größte Dehler, den wir zu beklagen haben, ist der: unsre eignen Organe rnd oft nicht mehr Kampforgane gegen unsre Feinde, sondern Kampf- organe gegen uns selbst. Sollten die heutigen Verhandlungen dazu führen, dieses Uebel zu beseitigen, dann hätten sie großen Wert.(Bei- fall.) Kautsky   sagt, es sei unmöglich, daß die Redaktion derNeuen Zeit" über den Wassern schwebt. Bis zu einem gewissen Göade aber hat er, der leitende Redacteur einer solchen Zeitschrift, an der Hand, alle Richtungen zu Wort kommen zu lassen. Keine sollte geächtet werden. Dazu mußte er allerdings die eigne Meinung möglichst zurückstellen und persönliche Angriffe unterlassen. Nicht ein wissenschaftliches Ueberbrettl wünschen wir, wohl aber, daß die Formen beachtet werden, unter denen man sich selber behandelt wissen will. Calwer: Diese Debatten machen immer den Eindruck: Wo Verstim« mungen herrschen, gilt die Moral immer nur für den andren Teil, deshalb will ich auf dieNeue Zeit" nicht eingehen; ich fühle mich da als Partei. Ehrhardt hat sich mit meinem Artikel in denSocialistischen Monatsheften" beschäftigt. Ich muß voraus- chicken, daß bei dieser Frage höchstens über einen Punkt Einstimmig- keit bei unS herrscht, darüber nämlich, daß unsere Preßverhältnisse unbefriedigend sind. Ueber die Gründe streiten wir uns und über die Mittel, wie dem abzuhelfen ist. Ich fürchte, diese Mißstände werden zunehmen, je größer der Stab unsrer Journalisten wird, und zwar unsrer Berufsjournalisten, die bloß Journalisten find und es bleiben wollen. Je größer ihr Kreis wird, desto mehr müsse» ich diese Gegensätze herausbilden. Der frühere Idealismus ist nicht mehr vorhanden, jedenfalls dürfen wir uns auf ihn nicht verlassen. Von den Handarbeitern verlangen wir ihn ja auch nicht. Sie werden nach den Sätzen ihrer Organisation bezahlt. Verlangen Sie ihn also auch nicht bei den geistigen Arbeitern. Auch ihre Ansprüche sollten befriedigt werden, sonst ist die Folge unbefriedigende Leistung in der Presse. Getadelt habe ich besonders den Mangel durchgehender Berichterstattung über den Wirtschafts- markt. Wir sind da ganz auf die gegnerische Presse angewiesen, und die Arbeitgeber, Banken, Aktiengesellschaften schildern die Lage so wie ihnen paßt, nicht wie sie ist. Die Arbeiter- oraanisationen könnten sehr gut Material zur Beurteilung der Lage beschaffen. Hätten sie es gethan, so würden viele von unS nicht von der herannahenden Krise überrascht worden sein. Mein ungünstiges Urteil über die Parteipresse kann ich in keiner Weise modifizieren. Auf der einen Seite stehen die Schrifssteller; ihren beredhtigten Forderungen sollte die Gegenseite entgegenkommen; nur so ist ein Ausgleich möglich. Grimpe beantragt Schluß der Debatte. Ledebour: Ich persönlich bin in unerhörtester Weise angegriffen worden von Heine. Wir müssen darauf antworten können. Der Schlußantrag wird abgelehnt. Dr. Gradnauer: Es ist hier außerordentlich viel über den guten Ton in der Partei- presse gesprochen worden. Wie schwer es ist. die richtige Grenze zu finden, das hat sich bei einzeln Rednern gezeigt, die sich selbst über den schlechten Ton beschwert haben.(Sehr richtig!) Heine hat sich über den üblen Ton von Rosa Luxemburg   und Parvus beschwert. Ich stimme darin mit ihm überein; dann aber ist es um so bedauerlicher, daß er die Unziemlichkeiten von jener Seite mit eben so groben Unziemlichkeiten von seiner Seite beantwortet hat.(Sehr gut! Ruf: übertroffen hat!) DerVorwärts" ist seither bemüht, in Parteiangelegenheiten einen Ton innezuhalten, der nicht angeklagt werden kann. Ehrhardt hätte den Vorwurf ans einem einzelnen Fall nicht ver- allgemeinern sollen. Ehrhardt hat dabei eine einzigartige Auffassung über den persönlichen Verkehr der Genoffen. Es ist eine seltsame Zumutung an mich und andre Genossen, wir sollten nicht über die Straße gehen mit Genossen, mit denen wir uns in fach- lichem Gegensatz befinden. Ich stimme mit Rosa Luxemburg   in sehr vielen Dingen nicht überein, aber ich halte sie persönlilh für eine sehr interessante und kluge Frau.(Sehr richtig!) Wir würden in eine lächerliche und thörichte Cliquenwirtschaft verfallen, wenn wir Genossen wegen sachlicher Meinungsverschiedenheiten nicht die Hand reichen sollten.(Sehr richtig I) Calwer hat mich nicht davon überzeugt, daß er eine fruchtbare Kritik an der Parteipresse geübt hat. Ja, wenn er nur den Mangel guter wirtschaftlicher Uebersichten getadelt hätte. Aber er hat ganz allgemeine Bemerkungen über die Parteipresse gemacht, gewiß in guter Absicht. aber ohne Berücksichtigung der'Verhältnisje der kleinen Parteipresse. Ich habe überhaupt den Eindruck, als wenn dieSocialistischen Monats- hefte" in einer der Redaktion selbst nicht angenehmen, aber in den Verhältnissen liegenden Sucht der Kritik derartige Artikel bringen.(Sehr richtig.) Es lohnte sich nicht, dieses Pronunciainento gegen die Parteipresse zu veröffentlichen. Statt dieser Kritik sollte