Nr. 65.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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Redaktion: Beuth- Straße 2.
Das monarchische Bewußtsein.
Donnerstag, den 17. März 1892.
Expedition: Beuth- Straße 3.
popular ſein, ohne es nöthig zu haben, für ſeine Popu- allerunterthänigsten Gegenpetitionen auf den Kampfplat
Aber das echte Königthum von Gottes Gnaden will dern Kollege Dubois Reymond in vollem Ernste gab) mit Es gelingt nichts mehr! Vor ein paar Jahren, als larität etwas zu thun. Friedrich Wilhelm I. pflegte Bürger, rückte. das Bismarck 'sche Regime mitten im besten Abwirthschaften die aus Angst auf der Straße vor ihm davon liefen, mit Der Spektakel hat keine große unmittelbare war und ein kompromittirender Standal den anderen jagte dem Krückstock zu bearbeiten, denn: Ihr sollt mich nicht politische Bedeutung, das ist wahr; denn der liberale da ging dieses Wort, welches die Situation so treffend fürchten, ihr sollt mich lieben, ihr Rackers. Die Regierung Mannesmuth vor Königsthronen steht bekanntlich im tennzeichnete, durch die ganze Presse. Es gelang wirklich behandelte schroff, hielt die Getreidezölle aufrecht, sie brüskirte umgekehrten Verhältniß zu den Entfernungen vom Königsnichts mehr, und das monarchische Bewußtsein, welches unter im Parlament, kein Mensch wußte warum, die Freifinnigen, thron. Ein Erfahrungssatz, der durch die Bewilligung der dem Eindruck glücklich geführter Kriege und einer rapiden und schien es überhaupt für ihre Pflicht zu halten, Stärke 10 Millionen für den vom Kaiser gewünschten Dombau Be ökonomischen Fortentwickelung in der gesammten Bourgeoisie dadurch zu beweisen, daß sie gegen den Strom schwamm, stätigung findet. Also die liberalen Herren im Abgeordnetenmächtig gesteigert war, als dessen Prophet und ritterlicher wie Herr von Caprivi so schön sagte. Ihr bis jetzt statt- haus tapituliren schon munter darauf los um sich nicht Vorkämpfer sich der damals noch regierende Kanzler aus lichstes Monument hat sie sich in dem famosen Volksschul- zu kompromittiren, während draußen im Lande, wo leicht begreiflichen Gründen im Parlamente aufzuspielen Gesezentwurf errichtet. Der Theolog Paul Göhre in seinem weit vom Schuffe ist, noch starke„ Entrüstung" herrscht. liebte, dies preußische staatserhaltende Bewußtsein empfing Drei Monate als Fabritarbeiter" läuft gewiß ideologischen Unmittelbar, wie gesagt, hat die Regierung davon nichts zu einen Nackenschlag nach dem andern. Die Kaiser Wilhelm - Trugbildern nach, wenn er durch eine Milderung des dog- fürchten, aber die mittelbaren Folgen dürften denn doch Legende, die diesen Fürsten zu dem weitausschauenden Ver- matischen Konfessionalismus auf der Volksschule die etwas gespürt werden. Unzweifelhaft wird eine geistige wirklicher des deutschen „ Einheitstraumes" gestempelt hatte, Armeen der Sozialdemokratie für das Christenthum( freilich Prädisposition geschaffen, die sehr wenig Aehnlichkeit brach durch Geffchen's Veröffentlichung des Kronprinzlichen Tage ein aufgeklärteres) zurückzugewinnen hofft; aber wie mit dem monarchischen Bewußtsein früherer Jahre hat, und buchs in sich zusammen. Es half fein Sträuben, dem Kaiser unendlich hoch steht er dabei über einer Richtung, starke Massen in das Lager der einzigen prinzipiellen war seine volksthümliche Rolle ganz äußerlich durch den Gang welche eben durch Ausbildung dieses Konfessionalismus, Oppositionspartei der gefürchteten Sozialdemokratie der Ereignisse aufgezwungen worden. Wilhelm I. hatte dessen Bande heute selbst für die schwächsten Köpfe zu eng treiben wird. brandenburgische Hausmachts-, aber durchaus keine deutschen sind, die christliche Gesinnung zu propagiren und mit ihr In diese Stimmung schlug die letzte Kaiserrede hinein, Freiheitsideale verfolgt. Die List der Geschichte" war es, den Sozialismus auszutreiben vermeint! welche die Nörgler" auffordert, den Staub von ihren die ihn zum deutschen Einheitsgründer wider Willen aus- Beim Volksschul Gefeßentwurf ging der Spektakel auf Bartoffeln zu schütteln und auszuwandern, welche, jede ersehen. Das schwere Leiden und der frühe Tod seines der ganzen liberalen Linie los. Der früher mehr zurück Spur von Beweisführung stolz verschmähend, feierlich Erben erregten in sehr weiten Kreisen menschliches Mit gehaltene Groll einzelner Kreise über Bismarc's Entlassung, versichert, des Kaisers Kurs sei der richtige und gefühl, aber auch hier wurde die Legendenbildung, des über die Handelsverträge und manches andere hatte eine werde weiter gesteuert, welche das päpstliche Uns Glaubens liebstes Kind", durch die Erinnerungen, welche vortreffliche Gelegenheit gefunden, sich Luft zu machen. fehlbarkeitsdogma ins weltlich Monarchische übersetzt, den der äußerst wohlgesinnte Gustav Freytag veröffentlichte, in Jedoch sicherlich wäre es verkehrt, wollte man die großen Alliirten von Roßbach" für den„ neuen Kurs" höchst empfindlicher Weise gestört. Brachtliebe und ganze Opposition hierauf zurückführen. Prinzipiell steht engagirt und das alles in Wendungen und Vergleichen, Phantasie schienen Friedrich III. für das patriotische Ge- ja, wie unsere Presse oft genug betont hat, die deutsche die in der modernen Welt sehr schwer auf Verständniß müth gar zu stark beeinflußt zu haben. Bourgeoisie dem neuen Gefeßentwurf durchaus nicht feind- rechnen können! Die Herren Staatsanwälte sorgen dafür,
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in den
Doch wer hätte gedacht, daß der Bersetzungsprozeß des lich gegenüber. Der Muth der Freidenkerei ist ihr längst daß auf derartige temperamentvolle Reden in der Presse monarchischen Bewußtseins in dieser reißend schnellen Weise jammervoll abhanden gekommen, wie die liberale Ent- nur sehr temperamentlos geantwortet werden kann. Aber vor sich gehen würde, wie es in der letzten Zeit geschehen! rüstungsmeierei beweist, als Caprivi seinen Froschmäuse- trotz aller Fußangeln des Gesetzes- die tiefe Erregung, Als der jezige Kaiser Bismarek entließ und das Sozialistengesetz frieg als den Kampf zwischen Christenthum und Atheis- der erbitterte Unmuth, der, wie es scheint, fast das gesammte aufhob, da glaubten sehr Biele wirklich an den neuen Kurs, mus bezeichnete. Aber troß der unglaublichen Heuchelei, politisch aktive Bürgerthum ergriffen hat, wurde immerund die gelegentlichen Reden, in denen der Fürst seinen zu welcher sich unsere Besitzenden und Gebildeten" hin für deutsche Verhältnisse klar genug radikalen Gegensatz zu allem, was sich irgendwie moderne in Sachen der Religion heranerzogen haben, ein gewisser Blättern angedeutet. Wenn die Zeitungen so schreiben, Weltanschauung nennen kann, mit wünschenswerthester Rest halbdunkler kezerischer Gedanken spukt noch in ihrer kann man sich einen Begriff machen, wie ihre Leser denken. Schärfe betonte, wurden von großen Massen mit Sanftmuth Seele fort. Sie bilden sich nicht wenig darauf ein, thurm- Daß, während der Kaiser sich das Recht vorbehält, tommentirt. Man hielt sich an die Werke und nicht an hoch über den lutherischen und katholischen Orthodoxen zu seinen Gegnern in den schärfsten Redewendungen entgegendie Worte, und die Werke machten auf ein Geschlecht, daß stehen, doch soll ihnen dies Bewußtsein- ebenso wie der zutreten, jede Antwort dieser Gegner, sobald sie eine Spur direkt aus der Schule Bismarck 'scher Kasernen-, Schutzzoll- Gesammtvorrath ihrer sonstigen fortgeschrittenen Ueber- von Temperament verräth, als Majestätsbeleidigung vor und Gefängnißpolitik kam, den Eindruck eines relativen zeugungen möglichst wenig fosten. Und nun war die die Gerichte geschleppt wird, bleibt natürlich auch nicht ohne Liberalismus. Es wäre der Regierung offenbar leicht ge- Regierung in ihrem Uebereifer, den Sozialismus, diese Wirkung.
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wesen, ohne irgend welche erhebliche Opfer in den Kreisen, modernste Bewegung, mit den allerältesten und abgestumpf- Das monarchische Bewußtsein ist ebensowenig wie das die überhaupt monarchischen Gefühlen zugänglich find,( die testen Waffen zu bekämpfen, taktlos genug, eine Vorlage religiöse eine abstrakte Ueberzeugung, als welche sie konstärkste Partei Deutschlands rechnet bekanntlich nicht dazu), einzubringen, bei der das Bürgerthum nothwendig Farbe stitutioneller und kirchlicher Liberalismus hinstellen möchte. große Popularität zu erlangen. Natürlich hätte mit einzelnen bekennen mußte! Sie annehmen, war ein eklatanter Bruch Setzt sich der Monarch in thatkräftigen Gegensatz zu den Kliquen energisch gebrochen werden müssen. Aber man denke, mit jenem heimlichen idyllischen Ueberzeugungsvorrath, ein monarchisch denkenden Massen, so wird- unter den heutigen welchen Eindruck hätte bei dem herrschenden furchtbaren offenbares Zusammenknicken vor dem kaudinischen Joch der Verhältnissen nothwendig- auch das monarchiſche Denken Nothstande eine Aufhebung oder auch nur eine Suspension Orthodoxie. Kein Wunder, daß der helle Unwille auf dieser erschüttert werden müssen. Unwiderbringlich so der Getreidezölle, wie sie allgemein gefordert wurde, hervor allen Seiten hervorbrach und sogar das allerloyalste etwa schrieb ein Freikonservativer, ein Freikonservativer, Herr Delbrück gebracht! Welcher Lorbeer wäre leichter zu erreichen, welcher Professorenthum, die„ Leibgarde der Hohenzollern "( ein ist wiederum ein Stück der alten Traditionen hinweg geein populärerer Schmuck gewesen? Titel, den ihm übrigens kein boshafter Satiriker, son schwemmt.
Nachdruck verboten.)
Feuilleton.
Am Webstuhl der Zeit.
Beitgenössischer Roman in 3 Büchern
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" Das Beste wär's allerdings, wenn ich nur die Zeit Beim neuen Volksblatt?" riefen hier mehrere Stimmen dazu hätte. Solche Sachen fänien dann ganz gewiß nicht zu gleicher Zeit. Es ist eine wahre Schande, wenn man den Leuten sein Vertrauen schenkt und wird so enttäuscht."
vor.
Ja, beim neuen Volksblatt, an das ich mich sogleich wenden werde; ich habe an diesem liberalen Blatte die " Nun, da schlag' doch das Donnerwetter drein, Herr Liberalität und den Liberalismus gründlich kennen gelernt, Wehrhahn; denken Sie denn, wir sind Esel und Ochsen, und will einmal sehen, wie es Herrn Wehrhahn, der sich's, die von Ihnen Weisheit zu lernen haben? Sie können wie es scheinen wollte, zum Vergnügen machte, mich zu hofja teine fünf Beilen ordentlich schreiben, ohne gram- meistern, gefallen wird, wenn er einmal von mir zersch- mettert matikalische Schnizer zu machen, und wollen uns Tehren, wird." Wehrhahn kämpfte sichtlicher Weise einen schweren
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Ich möchte Sie doch sehr bitten, Herr Wehrhahn, wie wir zu schreiben haben? Sie sind aufgebläht vor Hochfich Ihrer eigenen Worte beffer zu erinnern. Gie sagten muth, weil andere Leute Ihre Zeitung in die Höhe gebracht Kampf zwischen verlegter Gitelkeit und geschäftlicher Bedamals zu mir die denkwürdigen Worte:„ Herr Dr. Beißer", haben und es Ihnen mit dem Redaktionswechsel so ziem- forgniß, aber die erstere Eigenschaft mußte unter so vielen fagten Sie, es ist nöthig, daß wir den Umtrieben jener lich geglückt ist. Wir hören anstandshalber Ihre Gfelei Beugen, welche mit großer Spannung auf den Schluß dieser Revolutionäre ein Ende machen; zersch- mettern Sie mir an, das ist alles, was Sie verlangen können, und nun eigenthümlichen Szene blickten, die Oberhand behalten diese Leute ein für alle Mal!" und ich habe mich hingesetzt wollen Sie uns gar noch hofmeistern? Der Teufel soll da und sie zersch- mettert."
Mitarbeiter an so einem Blatte sein."
schwieg.
Dr. Raffmaus aber, welcher immerdar nur das Geder Szene beigewohnt hatte, rief: schäft im Auge behielt und welcher mit großem Verdrusse
" Zum Teufel, Herr Wehrhahn, Sie wollen doch nicht gar mit Gewalt und aus bloßem Aerger dem Gegner unsere besten Leute in den Rachen jagen?"
Sie können ja gehen, Sie können ja gehen," höhnte " Sie sind, wie immer viel zu schroff gewesen." Entschuldigen Sie, Herr Wehrhahn, ich habe Ihnen Wehrhahn in höchster Wuth, es hält Sie doch Niemand den betreffenden Artikel vorher vorgelesen und Sie haben bei diesem faulen Geschäft zurück, Herr Dr. Beißer?" mir Ihre höchste Befriedigung darüber ausgedrückt." Nicht, daß ich wüßte; und übrigens müssen Sie Sorte von Prinzipalen, zumal wenn sie wissen, daß den „ Gehen? ja, gehen, das ist immer das letzte Wort dieser selbst wissen, was Sie zu thun haben, dafür halte ich sachder Schuh in Geldsachen drückt. Aber Sie Zeitung ist mein," erwiderte der Buchdruckereibesitzer, burch verständige Leute in meinem Geschäfte, die selber wissen sollen es mir zum letzten Male gesagt haben, ich werde diese neue Burechtweisung auf's Aeußerste ergrimmt. müssen, was sie zu thun und zu lassen haben."
Sie reden uns aber in Alles hinein."
gehen."
" Ich mache in meinem Geschäfte, was ich will; die
Wo es nöthig ist, selbstverständlich; denn es ist mein Geſchäft, und da muß ich selbst zusehen, sonst ginge Alles wie möglich, aber zahlen Sie mir vorher Ihren Vorschuß wollen, bann braucht die liberale Partei, die bis jetzt Ihr oen Herren Literaten bäckt man Schliff." aus Rand und Band. Ich habe das längst gesehen; mit zurück."
Nun, dann würde ich meine Zeitung an Ihrer Stelle allein beforgen," rief Dr. Beißer ergrimmt.
" Sie machen was Sie wollen, Herr Wehrhahn? Gut, ,, Es ist mir lieb, Herr Beißer; gehen Sie so schnell thun Sie das, ich denke, da werden wir auch machen, was wir Organ benutzt hat, ein neues; das werden wir zu beschaffen " Ich habe jetzt kein Geld; Sie können mich verklagen, wiffen. Sie mögen dann zusehen, wie Sie zwischen unserem ich werde beim neuen Boltsblatt hoffentlich so viel verdienen, liberalen Parteiorgan und dem neuen Voltsblatt Ihrer um Sie befriedigen zu können." Allgemeinen Zeitung " das Leben fristen."