AngeN.: Ich glaube nicht, daß ich dieZ gesagt habe.— Präs.: Man h at Sie im Verdacht ge° habt, daß Sie auch Ihr eigenes Kind, welches' oer Frau Wischinsty in Pflege war. durch das Gift aus dem Wege geräumt hätten, denn auffallender Weise ist das- selbe fast zu derselben Zeit gestorben, wie das Kind Ihrer Herrschast. Die Untersuchung hat nach dieser Richtung hin aber nichts Bestimmtes ergeben. Nun sagen Sie mal. Angeklagte. wer soll denn das Fläschchen mit Arsenik genommen haben?— A n g e k l.: Die Lausburschen gingen ja in der Arbeits- stube auch ein und aus, und ebenso andere Personen.— Präs.: Was hat Sie denn nun veranlaßt, zunächst der Frau Görisch gegenüber das Geständniß abzulegen s A n g e k l.: Ich wurde ängstlich gemacht und dazu über redet.— Präs.: Wollen Sie nicht lieber Ihr Geständniß wiederholen und Ihr Gewissen dadurch erleichtern?— Angekl.: Nein, jetzt sage ich die Wahrheit, ich habe die Flasche nicht ge- habt.— Präs.: Sie sind von einer traurigen Verstocktheit. Allen ferneren Vorhaltungen des Präsidenren setzt die Angeklagte die Worte entgegen:„Ich sage jetzt die Wahrheit, ich habe die Flasche nicht gehabt." Die Beweisaufnahme beginnt mit der Vernehmung der Ehe- frau Görisch. Die Zeugin führt eine ganze Reihe von That- fachen und Aeußerungen an, wodurch die Angeklagte sich ver- dächtig gemacht. Das Fläschchen mit Arsenik wurde am folgenden Tage vermißt und alle Personen, welche Zutritt zu den Räumen hatten, wurden darnach befragt. Die Angeklagte habe auf Befragen der Zeugin erwidert, daß der Ehemann sie bereits darüber befragt habe, sie habe ihm gesagt, daß sie von einer Flasche nichts wisse. Ain Tage nach dem Tode des Kindes sei das Fläschchen ans eigen thümliche Art wieder an's Tageslicht gekommen. In der Wohn stube befand sich ein Regal, welches ein Konvcrsations-Lexikon enthielt. Es wurde bemerkt, daß der zweite Band benutzt und verkehrt wieder eingereiht worden war, der Rücken des Buches war innen gestellt. Als dasselbe herausgenommen wurde, fand man dahinter stehend das Fläschchen mit Arsenik. Der be- treffende Band enthielt den Artikel„Arsenikvergiflung". Damals schon hatte die Angeklagte sich durch ihr Benehmen verdächtig gemacht. Tie Zeugin hat die Angeklagte herein- gerufen und ihr den Artikel„Arsenikvergiftung" vorgelesen. Dabei hat die Angeklagte ein höchst unruhiges und aufgeregtes Wesen gezeigt und schließlich auf wiederholtes Befragen ein- geräumt, daß sie das Fläschchen gehabt habe. Endlich sei sie mit dem Geständniß herausgerückt, daß sie dem Kinde eine Kleinigkeit von dem Gifte eingegeben habe. Sie habe die Absicht gehabt, sich selbst zu vergiften und die Wirkung des Giftes zu- nächst an dem Rinde erproben wolle». Tie Angeklagte habe dann das Geständniß insoweit widerrufen, als sie später behauptete, die That sei ihr leid ge- worden, sie habe ihren Finger von dem Gifte wieder gereinigt, es müsse von dem Pulver aber doch etwas daran sitzen geblieben und an den Gummipsropfen gerathen sein. Der folgende Zeuge, Hauseigeulhümer Reuter, bekundet, daß die Angeklagte in seiner Gegenwart das Geständniß wiederHoll, allerdings dasselbe aber gleich darauf widerrufen habe. Die Zeugin Wischinsky. die das Kind der Angeklagten in Pflege hatte, weiß nur zu bekunden, daß die Angeklagte ihr gegen- über niemals Lebensüberdruß gezeigt oder Selbstmordgedanken geäußert hat. Gerichlschemiker Dr. Bischoff hat die Leichentheile deS verstorbene» Kindes auf Arsenik untersucht und ebenso die Milchflasche nebst Saugpfropfen. In den letzteren Gegenständen hat der Sachverständige Arsenik nicht nachweisen können. Nur im Magen deS Kindes habe sich'/wo Milligramm Arsenik befunden, eine so geringe Menge, daß von einer eigentliche»„Vergiftung" nicht die Rede sein könne.— Die medizinischen Gutachten lauten dahin, daß zweifellos Arsenik sich im Magen des Kindes befunden habe, allerdings in so geringer Menge, daß die vom Gerichtschemiker festgestellte Quantität eine tödtliche Wirkung nicht haben konnte. Es könne aber möglich sein, daß etwas Arsenik bereits durch den Urin ausgeschieden war......... Dr. Bischoff ergänzt sein Gutachten auf Anregung eines Geschworenen dahin, daß die im Magen des Kindes vorgefundene Spur von Arsenik auch aus anderem Wege wie durch die Speiseröhre in den Magen gelangen könne. Arsenik sei sehr leicht übertragbar und selbst in den allergeringsten Mengen nachzuweisen, beispielsweise wolle der Sachverständige sich anheischig machen, an den Fingern des Vorsitzenden Slrsenik nachzuweisen, weil derselbe mehrfach das fragliche Fläschchen im Laufe der Verhandlung angefaßt habe. Wenn das Kind auch nur den tausendsten Theil eines Gramms Arsenik einbekommen hätte, wurde sich weit mehr von dem Gifte haben nachweise» lassen, wie geschehen. Hiermit ist die Beweisaufnahme beendet. Auf Antrag des Staatsanwalts wird die Unterfrage gestellt, vb die Angeklagte wegen Beibringung von Gift schuldig sei. Der Staatsanwalt führte in seinem Plaidoyer aus, daß das Schuldbewußtsein der Angeklagte» deutlich aus ihrem Geständniß zu entnehmen sei, wenn sie dasselbe auch jetzt zurücknehme. Unterstützt werde diese Annahme durch alle die Verdachts- Momente, welche im Laufe der Beweisaufnahme zu Tage getreten seien. Er halte zunächst die Behauptung aufrecht, daß die Angeklagte de» Tod des Kindes beabsichtigt habe; sollten dw Ge- schworenen diese Ansicht aber nicht theilen, so müßte doch min- bestens die Frage bejaht werden, daß die Angeklagte sich der Gesundheitsschädigung des Kindes durch Beibringung von Gsst schuldig gemacht habe._.. � m Der Veriheidiger hielt daS in der Befangenhelt und Be- stürzung abgegebene Geständniß keineswegs für ausschlaggebend, um daraufhin die Angeklagte für überführt zu erachten Im Uebrigen habe die Verhandlung auch ergeben, daß noch ver- schiedene Möglichkeiten vorhanden waren, wie die nachgewiesene Spur des Giftes in den Magen des Kindes gelangen konnte. Ter Spruch der Geschworenen lautete auf Schuldig des v e r s u ch t e n M o r d e S. Der Staatsanwalt beantragte gegen die Angeklagte eine fünfjährige Zuchtshausstrase. das Urtheil lautete nach dem Antrage....„„, Die Angeklagte beruhigte sich bei dem Erkenntnisse Unter einer schwere» Beschuldigung stand gestern der llljährige Ober- Tertianer Ernst R o s e»- r vor der 123. Ab- theilung des Schöffengerichts. Der Angeklagte, der Sohn eines hiesigen Kaufmannes, befand sich im vorigeii Sommer m Be- gleitung seiner Angehörigen in Heringsdorf . Wiederholt kamen dort D,ebähle vor. die in der Weise begangen sein mußten, daß ein Unberufener sich in die Zellen Badender begeben hatte, wah- rend diese sich im Wasser befanden. Der Dieb fahndete nur auf Portemonnaies, die sich in den Kleidungsstücken befandeii. Die Badewärter befanden sich in nicht geringer Aufregung. Endlich elang es ihrer Aufmerksamkeit, den Angeklagten zu .rtappen, als dieser sich in unbekleidetem Znstande in eine fremde Zelle begab, während dessen Inhaber sich im Wasser befand. Man hielt den Verdächtigen fest, der die Ausrede gebrauchte, er wolle dort auf seinen Freund Stern warten. Es stellte sich her- au», daß ein solcher in Heringsdorf gar nicht anwesend war. Ferner wurde der Lebensweise des Verdächtigen nachgeforscht und dabei festgestellt, daß derselbe in ziemlich leichtsinniger Weise wit dem Gelde umgegangen sei. Der Vater des Angeklagten sandte damals dem die erste Untersuchung sührenden Amtsrichter zu Heringsdorf SV Mark zu wohlthätigen Zwecke» ein, die Annahme des Geldes wurde aber -»«weigert. Der Verdacht, daß der Angeklagte die Diebstähle in Hetingsdors ausgeführt, erhielt neiie Nahrung, nachdem derselbe »ach Berlin zurückgekehrt war. Am 14. Septemb« besuchte der Angeklagte.das Admiralsgarten-Bad. Ein Herr, der mit ihm denselben Ankleideraum benutzte, entdeckte, daß ihm sein Porte- monnaie mit über 40 M. Inhalt gestohlen war. Den Umständen nach konnte nur der Angeklagte der Thäter fein Es wurde ermittelt, daß derselbe gleich nach dem Vorfalle viel Geld ausgegeben, mit Vorliebe Kneipen mit Damcnbedienung besucht und bis zu 2 Mark Trinkgeld gegeben hatte. Trotz aller dieser Verdachtsmomente bestritt der Angeklagte mit Entschiedenheit, auch nur in einem der Fälle der Thäter gewesen zu sein. Er wollte die ihm nach gewiesenen Ausgaben von seinem 2 M. wöchentlich betragenden Taschengeld und von einer Anleihe bestritten haben, die er bei seiner Sparbüchse gemacht. Auf Grund der umfangreichen Beweisausnahme hielt der Gerichtshof ihn indessen für überführt und bei der Gemeingefährlichkeit seiner Handlungsweise wurde er zu einer Gesängnißstrafe von einem Monat verurtheilt. Ein aufgedeckter Justizmord. In Braunschweig ist dieser Tage ein armes Dienstmädchen, das unschuldig wegen Kindes- mordes zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war, nach- träglich freigesprochen worden. Der Sachverhalt ist nach dem „Braunschweiger Tageblatt" folgender: Am 10. August 1890 erschien die 26jährige Dienstmagd funden sei. Die zwei Tage nachher vorgenommene Sektion der kleinen Leiche ergab nach Ansicht des Sachverständigen, daß der Tod durch Erstickung herbeigeführt war, und namentlich dunkel- braune Flecke, die sich an Gesicht und anderen Theilen der Leiche fanden, dienten dazu, diese Ansicht zu befestigen, während die Angeklagte und deren Mutter die Bildung der Flecke darauf zurückzuführen suchten, daß sie den Leichnam mit warmem Wasser gewaschen hätten. Nichtsdestoweniger wurde die Niethardt am 13. August in Untersuchungshaft genommen und aus derselben am 16. April 1891 unter der schweren Anklage des Mordes dem Schwurgericht vorgeführt. Die Augeklagie betheuerte unablässig ihre Schuldlosigkeit, wurde aber auf Grund des Gutachtens der Sachverständigen, das Kind sei aller Wahrscheinlichkeit nach erdrosselt, des Todtschlags schuldig befunden und zu acht Jahren Zuchthaus verurtheilt. Von dem Moment des Schuldigspruchs bis zum Verlassen der Anklagebank betheucrte die Niethardt unter hef- tigem Weinen ihre Schuldlosigkeit, und mit dem erschütternden Ausruf:„Ich bin unschuldig verurtheilt!" verließ sie gebrochen den Schwurgerichts- Saal. Der Veriheidiger, Dr. Aronheim I, in seinem Innersten fest überzeugt von der Schuldlosigkeit seiner Klientin, setzt« unmittelbar nach der Verhandlung alle Hebel in Bewegung, um das Schicksal der Bedauernswerthen zum Guten zu wenden. Er holte Gutachten ein von de» ersten medizinifchen Autoritäten Teutschlands, so auch von dem jetzt verstorbenen Geheimrath Lima « in Berlin , und hatte die Freude, seine Bemühungen von Erfolg gekrönt zu sehen. Durch die eingeholten Gutachten wurde zweifellos festgestellt, daß die in dem Prozesse vernommenen Sachverständigen bei der Beurtheilung des Leichenbefundes Jrrthümer begangen und daß das Kind nicht auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen»st! Auf Grund dieser Gutachten veranlaßte die Staatsanwaltschaft die sofortige Hastentlassung der Nielhardt und beantragte selbst beim Landgericht Strafkammer II in dem Wiederaufnahme-Verfahren die Freisprechung der Verurtbeilten. Die Strafkammer hat jenem Antragein diesen Tagen stattgegeben, das schwurgerichtliche Urtheil aufgehoben und die offenbar unschuldig Verurtheilte jetzt freigesprochen. Es ist dies vor etwa vierzehn Tagen geschehen und uns erst durch einen Zufall(!) be- kannt geworden; denn der Freispruch ist erfolgt ohne ver- aufgegangene Beweisaufnahme und ohne öffentliche Haupt- Verhandlung. Es mag dieses Verfahren seltsam erscheinen, weil es wohl nur äußerst selten Anwendung findet, aber nach den gesetzlichen Bestimmungen ist es statthaft und vom Rechts- tandpunkt ans deshalb unanfechtbar.§ 411 der©traf-Prozeß- ordnung besagt nämlich:„Ist der Verurtheilte bereits ver- storben, so hat ohne Erneuerung der Hauptverhandlung das Gericht nach Aufnahme des etwa noch erforderlichen Beweises entweder die Freisprechung zu erkennen oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen. Auch in anderen Fällen kann das Gericht bei öffentlichen Klagen jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, den Verurtheilten sofort freisprechen, wenn dazu genügende Beweise bereits vorliegen." Aus Grund dieser Bestimmung ist denn verfahren, leider aber von der ebendaselbst angegebenen Publikationsbesugniß im„Reichs-Anzeiger" oder„auch durch andere Blätter" kein Ge- brauch gemacht worden, wie das wohl aus ethischen Rücksichten wünschenswerth gewesen wäre." Wer entschädigt das unglückliche Mädchen für die Qualen, die es unschuldig in Haft genommen, unschuldig verurtheilt im Znchthause erduldet hat! Die Nothwendigkeit der Bernsungs- instanz tritt wieder einmal klar zu Tage, die Nothwendigkeit der Enschädigung unschuldig Jnhaftirter und Verurtheilter wird an- gestchts solcher Vorkonnnnisse gleichfalls Niemand leugnen. Warum man den Schleier über die Kassation des ersten Urtheils gezogen hat, ist vom„ethischen" Standpunkt nicht zu verstehen. Sonst aber ist es sehr leicht zu begreifen.— Tie Revision im ProzeßPrager- Schweizer i st v e r w o r f e n w o r d e n. In den Urthcilsgründe» wird aus- -führt, daß das Osfizierepatent auch von Reserve-Offizieren die ..'at ralisation ersetze. Die Frageüellung sei korrekt gewesen und die Rechtsbelehrung Brausewetter's kein Revisionsgrund. VerpnmmUürgen. Eine grostc Kommnnalwähler-Versauiinlnng für den 22. Kommnnal-Wahlbezirk fand gestern Abend statt' und hatte den Saal von Hanse, Große Frankfnrterstraße, dicht gefüllt. lieber das Thema des Abends, die heute, am Mittwoch, statt- endende Stadtverordneten-Wahl in dem genannten Wahlbezirk, referirle zunächst unter reichen, Beifall an Stelle des noch chlenden Reichstags-Abgeordneten Genossen Stadthagen der Kandidat Genosse Kaufmann Robert F l a t o w. Nachdem Redner geendet, nahm Genosse Stadt Hagen das Wort in zleichem Sinne. Gegner zeigten sich trotz geschehener Auf- orderung nicht in der Diskussion. Folgende Resolution fand Annahme: „Die heutige Kominnnalwähler-Versammlung erklärt sich mit dem Referenten einverstanden. Sie verpflichtet sich, morgen für den Kandidaten der Sozialdemokratie einzutreten, um der frei- Innigen Majorität im Rothen Hause zu zeigen, daß dieselbe die Interessen der Arbeiter in keiner Weise vertritt, sondern daß nur die Sozialdemokratie im Stand« ist, unsere Interessen zu ver- treten." Ju prach am IS..„ PHPHl,-. die Fachorganisation die beste und praktischste Form der Organl fation wäre, da in derselben politische und sonstige Tagesfragen debatlirt werden können und die Agitation erfolgreicher zu be- treiben sei. Ein Zentralverband dagegen habe in den meisten st-ällen einen schwerfälligen Beamtenapparat, sei auch den Gesetzen gegenüber vielfach zu sehr gebunden. In der Diskussion sprachen sodann die Kollegen Schmidt, Köhler und E l l e n d t für die Gründung einer Fach- organisation, die Metallarbeiter Gerisch, Hart mann und B r ä» e r gegen dieselbe, worauf folgende Resolution gegen vier Stimmen angenommen wurde: „Die heutige öffentliche Versammlung der Klempner erkennt an. daß eineFachorgamsation die beste und praktischeForm der Arbeiter- bewegung ist, und verpflichtet sich, darnach zu streben, daß ein Fachverem der Klempner gegründet wird." einer öffentliche» Versammlung der Klempner i. März Genosse Keßler. Derselbe führte aus, daß Unterm Verschiedenen verlas Kollege Förster den Kassenberich der Agitationskommission. Nachdem noch der Vorsitzende beauftragt worden, unter ausgiebigsterPublikation eine Versammlungzur Grün- dung eines Fachvereins und zurWahl eines provisorischen Vorstandes einzuberufen, wurde die Versammlung mit einem Hoch auf die Bewegung der Klempner geschlossen. I« der Kürschner-Filiale Berlins sprach man sich zu dem in Sachen der Sonntagsruhe ergangenen Schreiben des Magistrats dahin aus, daß es durchaus nicht nothwendig sei, im Kürschnergewerbe an Sonn- und Festtagen zu arbeiten, und beschloß das Magistratsschreiben in diesem Sinne zu beantworten. Hierauf wurden die Anträge des Hauptvorstandes, welche der- selbe bei der Generalversammlung stellen wird, berathen, und soweit sie sich mit den Berliner Anträgen deckten, angenommen, dagegen§ 17, welcher besagt, daß drei Viertel des Einkommens der Filialen an die Hauptkasse abgeführt werden sollen, abgelehnt. Ein Antrag Frankurt a. M., die Reise-Unterstützung pro Kilometer zu berechnen und das Verbandsorgan monatlich nur einmal er- scheinen zu lassen, weil dessen Herstellung den größten Theil der Einnahmen verschlinge, fand Annahme. Die Anträge der Ham- burger Filiale wurden theils angenommen, theils zurückgestellt. Die Anträge der Zurichter in Markranstädt , Lindenau , Schkeuditz , und Rötha (Sachsen ), einen einheitlichen Lohntarif für genannte Branche aufzustellen, wurde zurückgestellt, nachdem Kollege D i tt mann die Erklärung abgegeben hatte, daß in nächster Zeit eine Versammlung der Berliner Zurichter stattfinden werde, welche zu dem Antrage der sächsischen Kollegen Stellung nehmen würde. Die übrigen Anträge wurden, da sie sich mit den schon berathenen deckten, übergangen.— Die nächste Mitgliederversammlung wird am Montag vor dem lö. April abgehalten. Die Freie Bereinigung der Bauarbeiter Berlin ? sprach sich in ihrer letzten Mitgliederversammlung nach einem Vortrage des Kollegen W. Gaßmann über den Entwurf der Hamburger Generalkommisston, für welchen in der Diskussion die Kollegen Marasas und Krüger eintraten, in einer Resolution gegen den- selben aus, indem sie es als erste Aufgabe der bestehenden Organisationen bezeichnete, die Mitglieder über ihre Klassenlage zu unterrichten. Weiter sprach die Versammlung ihr Mißfallen über die Berliner Straßenkrawalle aus, und zwar nicht allein dem sogenannten„Lumpenproletariat", sondern auch dessen Erzeugern. Jeder Arbeiter solle mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln dahin wirken, daß alle Arbeiter ihre Pflicht erkennen, Exzesse der geschilderten Art zu meiden und für die Interessen des arbei- tenden Proletariats als zielbewußte Kämpfer einzutreten. Auf Antrag des Kollegen Deretter beschloß man dann einstimmig, aus de» Gräbern der Märzgefallenen einen Kranz niederlegen zu lassen. Zum Schluß wurde ein Dankschreiben des Kollegen W. R o g g e verlesen, welcher seiner Zeit mit 20 M. unterstützt worden ist. Die nächste Mitgliederversammlung findet am 10. April statt. Der Verein der Knrbelstcpperinnen, Stepper«. beschäftigte sich in seiner letzten Versammlung mit dem bekannten Schreiben der Gewerbedeputation betreffs Ausdehnung der Sonn- tagsarbeit für Gewerbe, in welchen Waaren hergestellt werden, die zur Befriedigung täglicher Bedürfnisse nothwendig sind. Es wurde beschlossen, der Gewerbedeputation mitzutheilen, daß man eine Anwendung dieser Paragraphen der Gewerbe-Ordnung nicht für nothwendig erachte. Ferner wurde beschlossen, eine Bibliothek anzuschaffen; als erste Rate hierfür bewilligte man 20 M. Es folgte die Wahl einer aus drei Personen(Burisch, Prillwitz und Woisch) bestehenden Rechtschutz-Kommission. Aus der Mitte der Versammlung wurde dann bekannt gemacht, daß die Kolleginnen und Kollegen aus der Firma Kuschert u. Werner wegen Lohnreduklion die Arbeit niedergelegt haben. Die Firma will für Tambourarbeit statt wie bisher 7 Pf. nur S Pf. pro Gramm Seide bezahlen. Es wurde dringend ersucht, vor- läufig dort nicht in Arbeit zu treten, außerdem aber die Firma für später im Gedächtniß zu behalten. Einer Kistenmacher- Versammlung wurde das Resultat der statistischen Ausnahme vorgelegt. Danach ergab sich in den Hauptpunkten folgendes: I. Von 57 Werkstellen wird in Werkstellen mit Dampfbetrieb das Werkzeug geliefert, in Werkstellen dafür Vergütung gewährt. 2. Kündigung findet in 10 Werkstellen statt, eine Werkstatt- Ordnung ist vorhanden. Die Arbeitsräume befinden sich bei 16 Werkstellen im Keller, bei 7 im Parterre, bei 4 eine Treppe hoch, bei je 2 zwei und drei Treppen hoch. Ueber die Größe des Luftraums konnte kein Resultat gewonnen werden. S. Die Beleuchtung wurde bei 11 Werkstellen als„gut" angegeben, bei 4 als„genügend", Werkstelle wird elektrisch erleuchtet, in 2 Werkstellen Tag und Nacht Gas, in 11 des Abends Gas gebrannt; in Werkstellen wird bei Lampenlicht gearbeitet. 6. Das Durchschnittsalter beträgt 30 Jahre 11 Monate, der jüngste Kollege ist 17 Jahre, der älteste S8 Jahre alt; im Alter von 20—30 Jahren stehen 34 Kollegen, 30—40 Jahren 31 Kollegen, 40— SO Jahren 18 Kollegen, darüber alt sind vier Kollegen. 7. Die Lohnarbeiter erhalten im Minimum 24 M., als höchstes 33 M., im Akkord wird der Durchschnittslohn auf 17 M. 2Vs Pf. angegeben. 8. Der Tarif wird von sieben Fabri- kanten bezahlt. 9. Die Arbeitszeit ist in zwei Werkstellen S4 Stun- den, in sechs SS Stunden, in elf 57 Stunden, in drei S9 Stunden, in drei 60 Stunden, in einer 65 Stunden lang; in neun Wcrkestellen wird Sonntags gearbeitet. 10. Die Dauer des flottsten Geschäftsganges wird auf 4 Wochen bemessen und zwar ist dieselbe im Herbste. 11. In 19 Werkstellen wurde die Arbeit um zwei Stunden gekürzt, und zwar von Januar bis Juli; auch wurde in Werkstellen, wo sonst ganze Tage gearbeitet worden war, wegen Arbcitsmangels nur ein Viertelstag gearbeitet. 12. Beschäftigt waren in 26 Werkstellen 265 Kollegen, ün Vor- jähre 309; dem Jnteressenverein gehören 2S Kollegen an; arbeitslos sind 81 Kollegen, davon hat ein Kollege 7 Monate lang «feiert; arbeitslos ist Jeder durchschnittlich 2Wz Tag pro Jahr. ußer den Kistenmachern sind noch andere Arbeiter beschäftigt (mit dem Wegschaffen der Arbeit und dem Reinigen der Arbeits- räume); dieselben erhalten durchschnittlich 17,S3 M. Lohn. Nach Entgegennahme dieser Statistik verlas der Vorsitzende Puhl- mann das Schreiben des Magistrats betreffs der Sonntags- ruhe. Die Beantwortung wurde auf Vorschlag des Kollegen Friese dem Vorstand übertragen. In einer Versammlung der Kartoubranche sprach Genosse M e tz n e r über„Ursache und Ziele der Sozialdemokratie". I» der Diskussion erklärte Kollege D r e w s u. A. zu den Aus- lassungen des Referenten in Betreff des schwachen Besuchs der Versammlung, daß es vielfach an tüchtigen Referenten fehle, weil solche es nicht für wcrth hielten, in kleineren Versammlungen zu sprechen, wodurch die letzteren vernachlässigt würden. Unter Gewerkschaftlichem sprachen die Kollege» G r e i s e n b er g und Jahnke über die Verhältnisse verschiedener Fabriken, unter Anderem die Firma Kirstein erivähnend, wo der Werkführer häufig wechseln soll. und ...„ hielt Kollege I o st einen Vortrag über die Anfrage der Gewerbedeputation betreffend die Sonntagsruhe. Redner krilisirte das Verhalten der Regierung und des Reichstages gegenüber der vollständigen Sonntagsruhe und meinte, es wäre wohl möglich, eine vollständige Sonntagsruhe einzuführen, und zwar auch ,n unserem Gewerben Es gäbe freilich einige Branchen, wo eine vollständige Sonntags- ruhe ausgeschlossen ist, aber dafür könnte man dem Arbeiter «inen Tag in der Woche freigeben. Ebenso könnte die oaenannte Saisonarbeit in der gewöhnlichen Arbeitszeit aus- geführt werde», ohne daß man Tag und Nacht sowie noch des Sonntags arbeiten müßte. Aber es liege Haupts g- A Im Fachverein der tu Buchbindereien, der Papier- Lcderwaaren-Jndnstrie beschäftigten'Arbeiter
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