2. Beilage zum„Vorwärts" Berliner Voltsblatt.Nr. 73.Sonnabeud. den 26. Marz'1892.9. JalM.Die Konzentration der Industrie.In der Natur der kapitalistischen Wirthschaft liegt es, daßdie Großen die Kleinen auffressen, bis sie schließlich selber vonnoch, Größeren aufgefressen werden. Tie Aufsaugung der kleinenBetriebe durch die großen ist eine ebenso regelmäßige Erscheinung,wie die Aussaugung der kleinen Vermögen durch die großen.Und dieser Prozeß geht in der neuen Welt ebenso gut vor sichwie in der alten. In Amerika ist der Kapitalismus zwar nochziemlich jung, aber er hat sich so rasch entwickelt, daß er bereitsalle europäischen Untugenden an sich hat, und zum Theil sogarin verstärktem Maße.Ueber die rapide Konzentration der Industrie in den Vereinigten Staaten schreibt das«Philadelphia Tageblatt":Mehr als ein Jahr ist seit der Aufnahme des Industrie-zensus verflossen und noch liegt kein Bericht vor. SuperintendentPorter prahlte, er würde, auch was Fixigkeit in der Zusammen-stellung anbelangt, zeigen, wie nian einen Zensus macht, soweitaber hat er gegen seinen Vorgänger Walker auch nichts voraus.Die seither erschienenen Bulletins über einzelne Industrienweisen fast ausnahmslos eine gemeinsame Erscheinung nach.Tie Masse der Produkte ist in dem Jahrzehnt 1380—90 enormgestiegen, aber die Zahl der Etablissements hat nicht verhältniß-mäßig zugenommen, ist zum Theil stationär geblieben, ja hatsich sogar absolut verringert. Mit anderen Worten, die Kon-zentration der Industrie schreitet riesig vorwärts.Dies zeigt schlagend der Ausweis über die WollenwaarenIndustrie. Er umfaßt die Produktion von Wollen-, Kammgarn, Filzwaaren, Wollenhüten, Teppichen, Strumpf- undWirkwaaren. Im Jahre 1830 gab es 2689 Fabrikendieser Art, im Jahre 1890 nur noch 2503, während das inihnen angelegte Kapital von 1S9 auf 814 Millionen Dollars, alsoum nahezu 100 pCt., stieg. Dabei fand eine starke Zunahme(von 359 auf 307) in den Etablissements statt, welche auch Cotton(Baumwolle) verarbeiten, so daß die Konzentration hauptsächlichdie eigentliche Wollenwaaren-Jnvustrie betrifft. In dieser ist sieaber, wie folgende Zahlen zeigen, enorm. Es gab: 1870 2891Fabriken, 1830 war die Zahl auf 1990 und 1390 sogar auf 1312gesunken. Im Zeitraum von 20 Jahren ist somit mehr als dieHälfte vom Schauplatz verschwunden. Dabei stieg das Anlage-Kapital von 96 auf 133 Millionen. Im Jahre 1330 entflel aufeine Fabrik 43 000 Dollars, im Jahre 1390 aber 106 000 DollarsAnlagekapital.In der Wollenwaaren- Industrie giebt es also bei einerBevölkerung von über 60 Millionen Mensch.n nur noch1312 Unternehmer, Individuen od.r Aktien- GesellschaftenDem Gang der Entwickelung entsprechend werden imJahre 1900 vielleicht nur 600 sein, während die Bevölke-rung 80 bis 90 Millionen zählen wird. Es ist auch gar nichtso unwahrscheinlich, daß bis dahin die Form der Trusts er-reicht und somit auch diese Industrie für die Sozialisirung reifsein wird.Es möge im Anschluß daran erwähnt werden, was die«Wcekly Financial Review",«in Wall Street(Börsen-) Blatt, inihrer letzten Ausgabe über eine ähnliche Erscheinung auf demGeldmarkt sagt:„Ter Markt ist fast völlig unter der Herrschafteiner geringen Anzahl Personen, deren Operationen den Werthvon taufenden von Millionen von Aktien und Bonds beeinflussenmüssen. Niemals in der Geschichte von Wall Street war derWerth einer so«normen Masse von Papieren so absolutunter Kontrolle eines so kleinen Kreises wie jetzt.Ein solcher Zustand kann nicht als befriedigend er-achtet werden. Einige dieser Kombinationen mögen ja wohlam Ende für alle Betheiligten gute Resultate habe», aber in demVerhältniß, wie sie dem Kapital größere Profite sichern, ohne denMassen entsprechende Vortheile zu gewähren, werden sie Feind-schaft unter ihnen hervorrufen. Derartige kapitalistische Vorstößehaben sicher Gegenstöße von den Arbeitern zur Folge. Derpolitische Demagoge wünscht kein besseres Material für seinAntiinonopol-Geschrei als solche Kombinationen, welche den Mit-bewerb einschränken, und der Arbeiter-Agitator finde lgsein bestesArgument für einen Streik in der Zunahine des Profits desKapitals."Des Lebens ungemischte Freude wird, wie man sieht, nichteinmal dem Klientel der„Financial Review" zu Theil. DieAnhäufung ungezählter Reichthümer wäre ja so schön, wennnicht der„Demagoge" und„Arbeiter-Agitator" im Hintergrundstünden.VevsemmrlmLgezr.In einer öffentlichen Versammlung der Manrer undPutzer erstattete am Sonntag Genosse Eckstein aus ZwlckauBericht über den Halberstädter Gewerkschaftskongreß. ZumSchluß seines mit großem Beifall aufgenommenen Referats—das wir in Rücksicht auf die schon im„Vorwärts" erfolgteBerichterstattung übergehen können— forderte der Referent auf,die gefaßten Beschlüsse hochzuhalten und durchzuführen. DemZiele der Gemeinsamkeit sei mau näher gekommen und die Hoff-nung berechtigt, daß der nächste Gewerkschaftskongreß das Idealaller fortgeschrittenen Arbeiter: die Schaffung einer einzigen, alleBerufe umsaffenden Organisation, verwirklichen werde. GenosseD e h n e r- Berlin, ebenfalls Delegirter vom Gewerkschafts-kongreß, ging ausführlich auf die Haltung und das Vorgehender Anhänger der Lokalorganisation aus dem Kongreß ein. Diesehätten die ihnen gebotene Hand zur Verständigung zurück-gewiesen, und namentlich wären es Vertreter des Baugewerbesgewesen, welche sich der anzustrebenden Einigkeit widersetzten.Von den übrigen Verlreteni der Lokalorganisation habe er dieMeinung, daß sie sich allmälig dem großen Ganzen nähern undschließlich darin aufgehen würden. Im Baugewerbe dagegenwürde der Kampf um die Form der Vereinigung von neuemheftig beginnen, und speziell in Berlin sei eine Eini-gung in absehbarer Zeit leider kaum zu erwarten.Die Anhänger der Zentralorganisation hätten ihre Kräftezu verdoppeln, um die Versechter der Lokalorganisation imSchach zu halten. Genosse Grübler tadelte die Wortführerder Lokalorganisation sehr scharf unterm Beifall der Versamm-lung, des Ausspruches eines derselben erwähnend:„Und wenndie ganze Maurerbewegung zu Grunde geht, so lasse ich von derBekämpfung der Zentralisation nicht ab", und forderte zu opser-williger Agitation für die Zentralorganisation auf. GenosseDietrich sprach sich in demselben Sinne aus, während GenosseSilberschniidt besonders die Thätigkeil der Generalkom-Mission lobend anerkannte: denn sie wollte die deutlich hervor-getretene Schwäche der Arbeiterorganisationen gegenüber demkoalirten Unlernehmerthum durch den Zusammenschluß aller Ver-einigungen beseitigen,«in Bestreben. in dem sie leidervon den Zentralorganisationen nicht genügend unterstützt undvon de» Anhängern der Lokalorgan, sationen aus das Heftigsteangegriffen würde. Hofmann, Töpfer, vertheidigte das Vor-gehe» der Vertreter der Lokalorganisationen ans dem Kongresse;»hm wurde von D e h n e r und E ck st e i n unter dem Beifall derAnwesenden entgegnet. Dann gelangte folgende Resolution ein-stimmig zur Annahme:„Die heutige öffentliche Versammlung der Maurer undPutzer erklärt sich mit den Beschlüssen des Gewerkschafts-kongresses einverstanden und beschließt: 1. in Erwägung, daßdurch die heutigen schlechten wirthschaftlichen Verhältnisse unddie damit verbundenen Arbeitslosigkeit die Maurer und PutzerBerlins und Umgegend der Willkür des Unternehmerthums aus-gesetzt sind und infolge ihrer eigenen Uneinigkeit mit gebundenenHänden als Ausbeutungsobiekt sich dem Unternehmerthum selbstnberliesern müssen, erklärt die heutige Versammlung in Zukunftallen Zwietracht bei Seite zu lassen mit der Devise:„Uns bindetdie Liebe, uns bindet die Roth", Mann für Mann dem Zentral-verband der Maurer und verwandten Berufsgenossen Deutsch-lands beizutreten, um den zentral-organisirten Unternehmerthumentgegentreten zu können, 2. verpflichten sich sämmtliche an-wesenden Kollegen, die freiwilligen Sammlungen auf den Bautenfür den Generalfonds der Maurer Deutschlands vorzunehmen."Unter„Verschiedenem" theilte der Vorsitzende mit, daß inden nächsten Tagen Versammlungen in Ripdorf, Friedenau undWeißensee stattfinden, ferner, daß die freiwillig gesammeltenGelder der Maurer und Putzer alle Sonnabende von 3—10 UhrAbends an folgenden Stellen abgeliefert werden können:Für den Süden: H. Klingenberg, im Restaurant beiGrube, Mariendorferstraße 10.Für den Westen: Karl Franke, bei Kitzing Bülow-straße 52.FürFürFürstraße 61.Fürden Norden: Scholz, Restaurant Zukunftsstaat.den O st e n: Gröppler, bei Henze, Krautsstraße 42.den Südosten: Mischke, bei Hoffmann, Waldemar-Moabit: W. Ferkel, bei Viel, Birkenstraße 24.Die Schäden und Miststände im Lchrlingswesen deSMusikerbcrufö beschäftigte» eine vom Verein Berliner Musikerzum 20. März einberufene öffentliche Berufsmnsiker-Versammlung, welche von mehr als 500 Personen besuchtwar. Besonders eingeladen waren zu dieser Versammlung dieEltern und Vormünder, welche ihre Söhne resp. Mündel in eineMusikerlehre geben wollen oder schon gegeben haben. Der ersteReferent, Herr Dachs, schilderte als Muster einer Musiklehre,wie sie nicht sein soll, die seines Sohnes. Er hatte den-selben, wie er ausführte, mit Zahlung von 150 M. Lehrgeldeinem auswärtigen Musikdirektor in die Lehre gegeben.Für dieses Lehrgeld wurde der Knabe seitens desDirektor garnicht, seitens der Gehilfen fast nicht unterrichtet.Nach mehreren vergeblichen Versuchen, den Direktor zu einemwirklichen Unterricht seines Sohnes zu bewegen, wandte HerrDachs sich mit einer Klage um Aufhebung des Kontraktes andas zuständige Gericht. Durch die Gerichtsverhandlung sei nunFolgendes zu Tage gefördert worden: Der Direktor hatte dieAusbildung von 30 Lehrlingen übernommen, deren äußerstmanqelhaster Unterricht durch ganze zwei bei ihm beschäftigteGehilfen erfolgte. Der Sohn des Herrn Dachs erhielt auf Baßund Tuba von demselben Gehilsen Unterricht, der ihn auf derVioline und dem Es-Kornet unterrichtet hatte. Um ihm dieBaßgriffe beizubringen, hat der Gehilse erst die Baß-Schuleseines Schülers zu Hilfe nehmen müssen. Der Direktor bekümmertesich um seine Lehrlinge nur bei den sogenannten Proben. Die30 jungen Leute waren in 4 Dachkannnern untergebracht, dieweder Thüren noch Oefen hatten. Das Fachwerk derselben wardurchbrochen, um Luft und Licht einzulassen, welches außerdemnoch durch zwei Lücken eindrang. Ein Arzt, welcher diese Räumlichkeiten untersucht hat, erklärte das Schlafen von 30 Personenin denselben im Winter für nicht der Gesundheit schädlich, giebtaber zu, daß es im Sommer schädlich sein könne und meinteendlich, daß der Aufenthalt in ihnen, wenn er auch des Tagsüber stattfinde, allerdings gesundheitsschädlich wirke. Indiesen Kammern schliefen, wohnten und übten die Lehrlinge. Bestimmt und bei jeder Temperatur mußten siesich von Morgens u», 3 bis Mittags um 11 Uhr und Nach-mittags von 2 bis 5 Uhr in ihnen aushalten. Sie verließen sienur, um sich die Finger zu erwärmen. Herr Dachs wurdeübrigens in erster und zweiter Instanz mit seiner Klage ab-gewiesen. Auf die Gründe hierfür kann nicht näher eingegangenwerden. Bemerkt sei aber noch, daß der als Sachverständigervom Gericht vernommene Stadtmusikus bezüglich der Klagen desHerrn Dachs den Mangel genügenden Unterrichts seines Sohnesnnttheilte, ein Stadtmusiker werde für gewöhnlich nur auf ziveiInstrumenten in der niederen Musik ausgebildet. Die Lehrttngewürden nur handwerksmäßig herangebildet. Eine Musikschulesei ein solches Lehrverhältniß nicht. Der zweite Referent, HerrRechtsanwalt B o n k führte aus: Er könne aus seiner Praxissich über die Mißstände im Lehrlingswesen des Musikerberufesdahin äußer», daß in Berlin die Verhältnisse noch schlechterseien, als auswärts. Die„Ausbildung" der Lehrlinge sei hiernicht einmal eine handwerksmäßige, sondern mit der Fabrik-arbeit zu vergleichen. Die Ausnutzung der jungen Leute in dengroßen Berliner Instituten, in denen 40 bis 70 Lehrlinge„ausgebildet" würden, sei eine schwer zu beschreibende.Wer von den Zöglingen nicht Fabrikarbeiter der Musikwerden wolle, müsse bei einem Musiklehrer Extrastunden nehmen.Beim„Meister" lerne er nichts. Der Sonntag bleibe dem Lehr-ling auch nicht frei, da er dann, und zwar bis zum nächstenMorgen hinein, konzertiren oder zum Tanz aufspielen müsse. Essei sogar vorgekommen, daß die übermüdeten Lehrlinge einesMeisters des Morgens von Tegel, wo sie gespielt hatten, zu Fußnach Berlin zurückkehren mußten. Aber nicht nur körperlich,auch sittlich nähmen die jungen Leute Schaden. Vielfach müßtensie zum Tanz in Lokalen aufspielen, in denen notorifch Prostituirteverkehren. Mit diese» Damen würden sie in den Pausen be-kannt, erhielten Bier von ihnen und ließen sich, obwohl sie oftnoch nicht 15 Jahre alt sind, von ihnen mitschleppe». Eine dererwähnten Prostituirten habe bei den sechs jungen Lehrlingeneines Musikdirektors die Nacht zugebracht. Von alledem wüßtendie Meister nichts, obgleich sie von der Gewerbe-Ordnung alsDiejenigen bezeichnet werden, deren Fürsorge die Lehrlinge auchin sittlicher Beziehung anvertraut sind. Di« Schlafräume seienoft miserabel. Redakteur Lackowitz trat energisch dafür ein,daß vor Allem die Vernichtung der Berliner Musikerinnung erstrebtwerden müsse. Herr Bu m ke, PräsidentdesAllgem. deutschen Musiker-Verbandes, führte aus, entgegen den Behauptungen der BerlinerLehrlingszüchter nähmen die Dirigenten der Militärkapellen keineZöglinge der ersteren mehr in ihre Kapellen auf, da diese absolutnichts könnten. Redner führt weiter ans, die Lehrlings-„Ausbilder" hätten in und um Berlin das Geschäft a» sich ge-rissen. Wo früher eine kleinere Anzahl von Musikern nochsechzig Mark sur die Musik bekommen hätte, da spielten jetztdreißig Lehrlinge, wofür deren Herr nnd Meister 25 Mark be-komme. Die Musik derselben sei denn auch so, daß der Geschmackdes Publikums verdorben werde. Es sprachen dann nochdie Herren G u t t m a n n, Heine. Behrens(Nauen).S i e g m a n n, Will und K e w i t s ch. Herr W i l k, Mitgliedder Freien Vereinigung der Berufsmusiker, schloß sich den Ausführungen seiner Vorredner bezüglich der Mißstände an, nurwar er der Meinung, daß man sich an die Vertreter der ar-bettenden Bevölkerung, an die Sozialdemokratie im Reichstagewenden müsse. Der sonst ruhige Verlauf der Versammlungwurde durch stürmische Mißfallsbezeugungen unterbrochen, alsderselbe zwei unbelegte Butterstullen mit dem Bemerken präsentirtwurden, daß dies die Nahrung sei, welche Musikdirektor A.Görner in Charlottenburg(beschäftigt zwei bis drei Gehilfenund einige sechszig Lehrlinge) seinen Lehrlingen des Sonntagsfür die Zeit von 12 Uhr Mittags bis 2 Uhr Nachts verabreichenlasse. Zum Schluß nahm die Versammlung folgende Resolutioneinstimmig an:„Die heutige Versammlung der Berufsmusiker Berlins siehtin der Annahme von Musik- Lehrlingen in unbeschränkter Zahlseitens sogenannter Musikdirektoren in Berlin und dessen nächstenVororten den Hauptgrund für den allgemeinen Niedergang desMusikerstandes. Es ist Thatsache, daß hier Lehrlings- Kapellenvon 70 Lehrlingen existiren, für die nur 2 Gehilfen als Lehrervorhanden sind. Durch solche massenhafte Annahme von Lehr-lingen werden nicht allein die guten Musiklehren aufs Empfind-lichste geschädigt, sondern es können auch nur Pfuscher ausgebildetwerden. Der Verein Berliner Musiker wird daher beaustragt,bei der Verwaltungsbehörde und dem Bundesrathe dahin vor-stellig zu werden:1. daß auf je 3 Lehrlinge 1 Gehilfe gehalten»verden muß,um eine erfolgreiche Ausbildung»» ermöglichen;2. daß Lehrlinge unter 16 Jahren Nachts und in öffentlichenTanzlokalen nicht beschäftigt werden dürfen;8. daß bei Regelung der Lehrlrngsfrage seitens der zuständigenBehörden, namentlich auch bei den Musiker-Jnnungen vor-stehende Grundsätze, die ja bei allen übrigen InnungenGiltigkeit haben, zur Geltung gebracht werden."Ju einer Mitglieder- Versammlung der Orts-Krankenkasse der Sattler, welche auf der Tages-ordnung: Beschlußfassung über die Einführung der freien Wahlder Aerzte hatte, sprach Kollegs Tannhausen in längererRede sich dahin aus, daß es bei einer kleinen Erhöhung derBeiträge sehr gut möglich wäre, die freie Aerztewahl einzuführen,und widerlegte die von einigen Mitgliedern gegen die Durch-kührbarkeit der freien Aerztewahl vorgebrachten Zweifel. Nach-dem noch Kollege L i ß in demselben Sinne sich ausgesprochenund betont hatte, daß die Mitglieder der freien Hilfskasse, nachdem siein die Ortskasse eingetreten wären, sofort für die freie Wahl eintretenwürden, falls die Generalversammlung die Anträge der heutigenVersammlung ablehnen sollte, wurde eine Resolution mit großerMajorität angenommen, laut welcher sich die Versammlung ichmit den Ausführungen des Referenten Tannhausen vollständigeinverstanden erklärte und ihre Delegirten zur nächsten General-Versammlung verpflichtete, mit allen ihnen zu Gebote stehendengesetzlichen Mitteln für die Einführung der freien Wahl derAerzte zu wirken. Zum Schluß wurde noch darauf hingewiesen,daß der Vorstand, bestehend aus 12 Mitgliedern, nur von dreiMitgliedern vertreten war, daß man also von denselben nichtszu erwarten hätte.Der Lese- und Diskutirklub„Südost" hielt am 13. Märzin dem Lokale von Tolksdorf, Görlitzerstr. 53, eine außerordentlichgut besuchte Versammlung ab. In dem mit einer drei Meterlangen rothen Fahne, welche die Inschrift„Freiheit, Gleichheit,Brüderlichkeit" trug, geschmückten Versammlungszimmer drängtensich zirka 100 Personen, welche mit gespannter Aufmerksamkeiteinem Vortrag des Genossen Dr. Pinn, Lehrers an der Ar-beiter-Bildungsschule, über die Entwickelung der Menschenrechtelauschten und dem Redner am Schlüsse seiner Ausführungennicht endenwollenden Beifall spendeten. Um die Wirkung desReferats nicht abzuschwächen, wurde von einer Diskussion Ab-stand genommen. Nachdem man sich zu Ehren der März-gefallenen von den Plätzen erhoben hatte, forderte der Vorsitzendedie Versammelten auf, unentwegt festzustehen in den Reihen desProletariats. Wenn alle in diesem Sinne ihre Schuldigkeit er-füllten, sei es wohl möglich, daß auch wir die Verwirklichungunserer Ziele noch erlebten. Mit einem begeisternden Hoch aufdie Sozialdemokratie ging man auseinander.Eine öffentliche Bildhauer-Versammlung nahm am20. d. M. den Bericht des Kollegen Heine aus Hamburg überden Gewerkschaftskongreß in Halberstadt entgegen. In anschau-licher Weise vergegenwärtigte der Redner die Verhandlungen desKongresses und stand völlig auf dem Boden der vom Kongressegefaßten Beschlüsse. Dem Referenten zollte die Versammlunglebhaften Beifall. In der folgende» Diskussion wurde die viel-seitige Materie sachgemäß erörtert. Widerspruch seitens desKollegen Roßberg fand der Beschluß des Kongresses, Lokal-organisationen nicht als vollberechtigt anzuerkennen; auch hegtederselbe Bedenken gegen Kartellverbindungen und ein einhettlichesGewerkschaftsorgan, während Kollege Dup ont aus den inter-nationalen Beziehungen eine gewisse Gefahr für die Gewerkschaften befürchtete, sich auch nicht für ein gewerkschaftlichesZentralblatt zu erwärmen vermochte. Kollege Heine hobschließlich ausdrücklich hervor, daß die Kongreßbeschlüsse dieRichtschnur sein sollen für die zukünftigen Entschließungen unddaß es noch einer großen Klärung bedürfen werde, che an diepraktische Verwirklichung derselben gedacht werden könne. DieKonnnisston hat es diesmal unterlassen, einen Kranz auf denGräbern der Märzgefallenen niederzulegen, da nicht, wie infrüheren Jahren, freiwillige Sammlungen zu diesem Zwecke ver-anstaltet werden konnten, die Kommission sich aber nicht zu enl-schließen vermochte, aus ihrem Fonds Gelder zu bewilligen. Fürdie Zukunft soll wieder für einen Kranz Sorge getragen werden.Rixdorf. Am 20. März hielten die Bau- nnd gewcrb-l i ch e n H i l.f s a r b e i t e r von Rixdorf und Umgegend in ihremVerejnslokal.eine gut besuchte Monarsversammlung ab, in welcherGenosse S t e i n m a r sehr eingehend über die doppelte Bedentungdes 18. März sprach. Stach Schluß des Vortrages ehrten dieAnwesenden das Andenken der 1S43cr Gefallenen durch Erhebenvon den Sitzen. Hierauf beschloß man, gemäß dem Antrage desKollegen Lüben, den Beitrag für die drei Wiuterinonate zustunden, ferner die nächste Generalversammlung auf Sonntag,den 24. April cr. zu verlegen und den 1. Mai m drei Lokalen,bei Barta, Nisegk und Hosfmaun zu feiern und für recht zahl-reichen Besuch dieser Festlichkeiten zu agitiren.Britz. Eine öffentliche Volksversammlung, die am 6. Märzd. I. in Güldner's Salon stattfand und in welcher Genosse FritzZubeil aus Berlin über die neue Landgemeinde-Ordnungreferirte, wurde beim Schlußworte desselben aufgelöst. Da nachAnsicht der Anwesenden zur Auflösung kein Grund vorlag, indemsich der Referent ganz sachlich hielt, ferner eine Diskussion garnicht stattfand, so ist gegen den überwachenden Beamten Be-schwerde beim Landrathsamt eingereicht worden.— Der„Volks-bildungsverein für Britz und Umgegend" hieltam 7. März eine Mitmiederversammlung ab, in welcher GenosseR e tz e r a u über das Thenia:„Der Mensch, was er ist nnd waser sein soll" referirte. Der interessante Bortrag wurde nritgrobem Beifall aufgenommen. Unter Vereinsangelegcnheitenehrten die Anwesenden das Andenken nnseres opfermuthigcn undmeloerfolgten Genossen Reimer aus Hamburg durch Erhebenvon den Plätzen. Nachdem ein Antrag des Genossen M ö ß angenommen war, die nächste Versammlung in Gebr. Walter'sRosensee-Terrasse abzuhalten, erfolgte unter begeistertem Hoch aufdie Sozialdemokratie Schluß der Versammlung.