T. Mm auf einem Spaziergang von der Zugehörigkeit Marx zum Judenthum Kenatniß erhalten, habe d-es Gerücht erst nicht geglaubt, habe dann am 9. und zc. gelegentlich mit den Redakteuren Dr. L e v y und Dr. Schlenther darüber gesprochen, am 19. Mai habe dann f'«. 05 chmmfagt, daß er von einem verwandten Rabbiner erfahren daß Marx in der That Jude sei. Mit dem Geheimen �ustizrath Lesslng, der bekanntlich ausgesagt hat, daß er mit Stephany nicht ein Wort über die jüdische Abstammung und »onfesnon des Herrn Marx gesprochen, eine Diskusston vielmehr abgelehnt habe, habe er den jüdischen Glauben des Marx nur ganz beiläufig berührt, und zwar nur in der Form, daß Geh. Justizrath Lessing ihn lächelnd fragte» ob er denn von der Thatsache nichts gewußt habe und daß er doch in dem ausliegenden, für die Personalia der Redakteure bestimmten Buch können.(Geh. Rath Lessing hatte in dieser Beziehuna bekundet, daß dieses Buch nur dazu bestimmt I«. gewissermaßen als ein Album der bei dem Institut der „Vossischen Zeitung" beschäftigten Redakteure zu gelte». Er habe stch� niemals darum bekümmert, ob in jenem Buche auch Notizen über die Konfession der Redakteure enthalten seien.) Zeuge Stephany bestreitet verschiedene Punkte der Darstellung, welche Marx über seine mit ihm gepflogene Unterhaltung ge> �, en. Richtig sei es, daß er bei dieser Unterredung davon gesprochen habe, daß es alte Gepflogenheit bei der.Vossischen Zeitung� sei, daß der verantwortliche Redakteur auch den kirch- lichen Standpunkt, welchen die„Vossische Zeitung" vertrete, den protestantenvereinlichen, zu decken habe. Er habe dabei aber nur den Gedankengang des Redakteurs Mohr kennzeichnen wollen, da er von der irribümlichen Voraussetzung ausging, daß Mohr dem Geh. Rath Lessing vielleicht Mittheilung davon gemacht, daß Marx Jude sei und deshalb doch unmöglich die Stellvertretung übernehmen könne. Er selbst gebe zu, daß, wenn er gewußt hätte, daß Marx Jude sei, er nicht den Gedanken gefaßt haben würde, denselben zu seinem Stellvertreter auszuwählen, denn er stehe au> dem Standpunkt, daß der verantwortliche Redakteur auch in kirch- licher Beziehung die Zeitung zu vertreten habe. Zeuge bestreitet noch- mals, daß der jüdische Glaube des Klägers Einfluß auf seine Ent- lassung gehabt habe. Ju der„Voss. Zeitung" seien mehrere jüdische Redakteure angestellt gewesen, z.B. der Redakteur Liepmanssohn, der Redakteur Brahm ic. Rechtsanwalt Dr. Bernstein stellt nunmehr folgende Behauptung auf: Ende September habe der Redakteur Mohr dem Zeugen Stephany bei einem Gespräch ge- sagt, er wisse ganz genau, daß Marx wegen seines Judenthums habe gehen müssen, und daß derselbe sehr tüchtig war. Vor der erstinstanzlichen Verhandlung habe Stephany dem Mohr den Vorschlag gemacht, sich krank zu melden, damit er nicht ver- nommen zu werden brauche, oder er werde es so einrichten, daß er nicht Zeugniß abzulegen habe u. f. w.— Zeuge Stephany erklärt jedes Wort in dieser Behauptung für erfunden. — Rechtsanwalt Dr. B e r n st e i n behauptet ferner, Zeuge Stephany habe dem Reichstags- Abgeordneten Alexander Meyer und dem Schriftsteller Paul Lindenberg gegen- über geäußert:„Ich weiß schon, was ich in dieser Sache zu thun habe, wie sich aber Geh. Rath Lessing herauswinden will, weiß ,ch nicht."— Zeuge Stephany erklärt, daß er sich einer solchen Aeußerung nicht entsinnen könne; er könnte aber vielleicht einmal eine Aeußerung dahin gethan haben, daß in der Erklärung des Geh. Raths Lesstng sich ein thatsächlicher Jrrthum befinde. Rechtsanwalt B e r n st e i n stellt ferner fest, es sei in der Redaktion der„Bossischen Zeitung" keineswegs bekannt, daß der Stellvertreter des Chefredakteurs auf dem Boden des Protestantenvereins stehen müsse. Thatsächlich sei der verstorbene Redakteur Dumas, der viele Jahre als Stellvertreter gezeichnet, ein ausgesprochener Atheist gewesen. Dumas sei aus der Landeskirche ausgetreten, sei Mitglied der freireligiösen Gemeinde gewesen, habe, um nickt thwören zu müssen, nicht als Geschworener fungirt. Dumas sei enn auch auf dem Friedhof der freireligiösen Gemeinde, dessen Thor die Inschrift trage:„Kein Jenseits giebt's, kein Wiedersehen" beerdigt worden, und Stephany habe dem Begräbniß bei- gewohnt. Zeuge Stephany erwidert, daß Dumas von Hause aus evangelischer Theologe gewesen sei, welcher aber von der Dogmen- wirthschaft nichts wissen wollte. Er sei aber ein„guter Christ" gewesen, der die Lehren Jesu Christi in seiner Gemeinde habe verwirklichen wollen. Richtig sei es, daß derselbe auf dem Kirch- Hofe der freireligiösen Gemeinde beerdigt sei.— Auf Antrag des Rechtsanwalts B e r n st e i n wird die Aeußerung des Redakteurs Stephany. daß M i t a r b e i t e r wie Dr. Ärahm und Liep- mannsohn als„Redakteure" gelten, zu Protokoll genommen. Es wird nicht blos in Journalistenkrecsen überraschen, daß Herr Stephany. der, irren wir nicht, ungefähr vierzig Jahre in der Journalistik thätig ist, erklärte: Liepmansohn, dem der Reporterdienst über die Stadtverordneten-Versannnlung oblag, war Redakteur— für die Stadtverordneten-Versammlungs- berichte, und des Weiteren: Als Redakteur ist derjenige zu be- trachten, dessen Einkommen fixirt ist. Der Vorsitzende macht nochmals Vergleichsvorschläge. Der Gerichtshof sei der Meinung, daß der Kläger nach der mit dem Chefredakteur Stephany gepflogenen Unterhaltung den Eindruck gewonnen haben kann, daß bei seiner Entlassung nicht blos die behauptete Unfähigkeit, sondern auch seine Konfession maßgebend gewesen ist.— Rechtsanwalt Träger verwies seinerseits darauf, daß von vielen Seiten mit großer Geflisientlichkeit nach dem Antisemitismus im Lager des Liberalismus gesucht werde. Wenn nun ein Mann wie Richter, der Führer einer großen Partei,. in dieser die Oeffentlichkeit berührenden Frage sich an den Geheimrath Lessing um Auskunft wenvet und diese Auskunft ihm ertheilt wird, so werde er wohl das Recht haben, von dieser Auskunft in einer Briefkasten-Notiz Mittheilnng zu machen.— Zeuge Stephany erklärte nochmals entschieden, daß die Entlassung nicht wegen der Konfession des Klägers stattgefunden habe, er gab aber zu, daß Marx aus der mit ihm geführten Unterhaltung vielleicht den entgegengesetzten Eindruck gewonnen haben könnte. Wenn er den Kläger so ge- kannt hätte, wie er ihn jetzt kenne, würde er klüger gewesen sein, die konfessionelle Frage in jenem Gespräch gar nicht zu streifen. Die hierauf folgenden, etwa eine Stunde währenden Ver- gleichsverhandlungen scheitern schließlich. Rechtsanwalt Dr. Bernstein fragt, ob der Zeuge Stephany nicht vor zehn Jahren, zur Zeit der Hochflulh des Antisemitismus öffentlich er- klärt habe, daß in der„Vossischen Zeitung" keine Juden sitzen. Der Zeuge erklärt, daß er von jeher ein energischer Gegner des Antisemitismus war und vor zehn Jahren einmal der„Ger- marna" gegenüber betont habe, daß der Kampf der „Vossischen Zeitung" gegen den Antisemitismus, um so mehr ins Gewicht falle, weil die„Bossische Zeitung" eine durch und durch christliche Zeitung sei. Zeuge be- streitet die Behauptung des Rechtsanwalts Bernstein , daß er einem früheren Redakteur Dr. Bodeck und dem Schriftsteller Schön- hoff(?). wegen ihres jüdischen Glaubens entlassen habe. Bei letzterem sei die Zugehörigkeit zur„Freien Bühne' maßgebend gewesen. Die gegen ihn inszenirten Gehässigkeiten gehen nur von den Mitgliedern der„Freien Bühne" aus, welche ein förmliches Komplott geschlossen zu haben scheinen, weil ihnen die Spalten der„Bossischen Zeitung" verschlossen blieben.— Rechtsanwalt B e r n st e i n behauptet weiter, daß der Zeuge Stephany, als es es sich um einen Ersatz des Marx handelte, und ein ge- wisser Bachmann in Vorschlag gebracht war, erklärt habe: Der Name klinge auch verdächtig, da müsse er sich »orsehen.— Der Zeuge erwidert, daß es sich dabei nur um die etivaige Stellvertretungösrage gehandelt haben könne. Die Mög- lichkeit der Aeußerung:„Er möchte nicht gern, daß die„Vossische Zeitung" verknoblaucht werde", will der Zeuge nicht be- streiten, meint aber, daß er diese Aeußerung, wenn sie überhaupt gefallen, nur gegen seizjen Kollegen Dr. Levy gemacht haben dürfte.— Zeuge Dr. Schlenther hält den Kläger für ein hervorragendes Talent auf dem Gebiete des politischen Feuilletons. Marx habe ihm über seine Unterredung mit Stephany genau dieselben Angaben gemacht, die er später publizirte, auch Herr Stephany habe ihn bald nach der Unterredung ganz ähnliche Mittheilungen über dieselbe gemacht. Später habe er sich der Autorität der Herren Stephany und Lessing gebeugt, welche ihm übereinstimmend ver- sicherten, daß der Glaube des Herrn Marx bei der Entlassung nicht mitgesprochen habe. Bei einem gelegentlichen Gespräch habe Herr Stephany ihn, geäußert: Die„Vossische Zeitung" sei ein christliches Blatt, und ein Jude könne dieselbe nicht veranlwort- lich zeichnen. Bei einer anderen Gelegenheit habe Stephany zu ihm gesagt, daß Marx in der ganzen Angelegenheit gentlemanlike und nobel gehandelt habe. Stephany habe dte Fähigkeit des Marx mehrfach lobend anerkannt, wenn er auch hier und da manches tadelte. R.-A. Bernstein fragt den Zeugen weiter, ob ihm bekannt sei, daß einem zur Lessingfeier geschriebenen Artikel eine antisemitische Bemerkung hinzugefügt werden sollte, welche nur auf Rath des Herrn Theodor Fontane gestrichen worden fei. Der Zeuge erklärt, daß seines Wissens wegen einer Fußnote zu dem Lessing - Artikel Berhandlungen zwischen dem Geh. Rath..Lessing und Fontane stattgefunden haben. Der Zeuge erklärt schließlich, daß ihm der Protestanten- vereinlerische Standpunkt der„Vossischen Zeitung" bis dahin nicht bekannt war.— Zeuge Dr. L e v y erklärt, daß er seit 4 Jahren für die„Vossische Zeitung" arbeite, sich als Mit- redakteur derselben seit 2 Jahren betrachte und auch eine redaktionelle Thätigkeit entwickle. Seit etwa 3/e Jahren sei sein Verhällniß kontrakllich genau fixirt worden.— Redakteur Mohr: Er habe gegen Marx durchaus nicht intriguirt, aller- Vings aber habe er, als er merkte, daß Marx Stellvertreter werden sollte, zu Kollegen sich geäußert:„Ich bin überzeugt, Stephany weiß gar nicht, daß Marx Jude ist." Später habe ihm Geh. Rath Lessing die Stellvertretung wiederum übertragen. Er habe den Kläger Marx nie als einen unfähigen und unbrauch- baren Menschen kennen gelernt. Zeuge erklärt weiter, daß nach seiner Ueberzeugung unter Hrn. Stephany's Regime der Name eines Juden schwerlich an die Spitze des Blattes kommen konnte; deshalb habe er verm thet, daß St. keine Kenutniß von der Konfession des Marx gehabt habe. Marx mußte auch wissen, daß der Name eines Juden nicht an die Spitze des Blattes kommen könne.— Kläger Marx läßt sich durch den Zeugen Doktor Schlenther bestätigen, daß er sein Judenthum nie verleugnet und denselben gefragt habe, ob er glaube, daß Stephany seine Zu- geHörigkeit zum Judenthum kenne. Dr. Schlenther hat geglaubt, dies bejahen zu dürfen und er habe sich dabei beruhigt, da die „Vossische Zettung" ja eine freisinnige Zeitung sei.— Zeuge Mohr bestreitet, daß Stephany t» der vom Ver- theidiger angedeuteten Weise ihm nahe gelegt habe, sich bei der erstinstanzlichen Verhandlung nicht vernehmen zu lassen. — Aus Befragen des Rechtsanwalt Bernstein erklärt Zeuge Mohr, daß Doubletten sehr häufig vorkommen; Zeuge Stephany meint aber, es komme auf die Art der Doubletten an.— Redakteur Schütze erklärt, daß er von einer Unfähigkeit des Marx nie etwas gehört habe. Zeuge N e u m a n n- So f e r entsinnt sich, daß, als es sich um ein Engagement des christstellers Schönhoff handelte, Stephany gesagt habe, derselbe habe persönlich nicht gefallen und außerdem sei derselbe auch ude. Stephany bestreitet dies und der Angeklagte undet erklärt, daß Herr Schönhoff überhaupt kein Jude, sondern Katholik sei.— Als Sachverständiger erklärt N e u m a n n- H o f e r, daß Doubletten häufig vorkommen, wenn auch nickt gerade bei einer und derselben Person innerhalb einer halben Stunde. Er habe von dem Kläger Marx sehr brauchbare Artikel für das Magazin für die Literatur ausgenommen. Er selbst sei Theater-Referent für das„Tageblatt", betrachte sich aber keineswegs als Redakteur. Die Beweisaufnahme wird hierauf geschlossen. Der Vertreter des Klägers, Rechtsauwalt Benistein, hält es durch die Beweisaufnahme für erwiesen, daß die Behauptung der„Freisinnigen Zeitung", der Kläger sei wegen Unfähigkeit entlassen, keineswegs der Wahrheit entspreche, trotzdem der Zeuge Stephany jene Behauptung bestätige. Schon der Umstand, daß Marx drei Jahre lang seine Stellung bei der„Vossischen Zeitung" innegehabt, spreche dafür, daß von einer Unfähigkeil, diese Stellung zu bekleiden, nickt die Rede sein könne, denn Herr Stephany müßte ein schlechter Chefredakteur sein, wenn derselbe nickt die Qualifikation eines Untergebenen innerhalb so langer Zeit durchschaut haben sollte. An der Hand aller Einzeln- heiten, wie sie sich in dieser Angelegenheit in chronologischer Reihenfolge abgespielt habe», führt Rechtsanwalt Bernstein ans, daß nur die Konsession des Klägers bei dessen Entlassung aus- schlaggebend gewesen sein könne. Herr Stephany habe nur keine Lust, öffentlich Farbe zu bekennen. D,e„Freisinnige Zeitung" habe gar keine Veranlassung gehabt, die Partei der„Vossische» Zeitung" zu nehmen, wie sie es in der schroffsten Weise gethan, indem sie dem Gerücht von der Entlassung des Herrn Marx aus konfessionellen Rücksichten widersprach und hinzufügte„Herr Marx ist wegen Unfähigkeit entlassen worden."— Er bitte, den Beklagten wegen der ehrverletzenden Nachrede in eine Strafe zu nehmen, deren Höbe er dem Gerichtshofe überlasse. Rechtsanwalt Träger, als Vertheidiger des Beklagten, be- ginnt mit der Erklärung, daß es der„Freisinnigen Zeitung" vollständig fern gelegen habe, den Kläger zu beleidigen. Der Vertreter des Klägers habe aber dunkle Anspielungen gemacht, um das Motiv zu der Handlungsweise der„Freisinnigen Zeitung" zu erkläre», und diese Anspielmiaen hätten darauf hingezielt, daß eigennützige, pekuniäre Interessen dabei obgewaltet hätten. Wer Eugen Richter , den geistigen Leiter der„Freisinnigen Zeitung", kenne, aus den könne eine derartige Andeutung nur eine erheiternde Wirkung haben. Die„Freisinnige Zeitung' habe ivohl ein Interesse daran gehabt, die Behauptung des Herrn Marx, daß er aus konfessionellen Gründen entlassen sei. als unrichtig hinzustellen, nachdem ihr auf Anfrage an maßgebender Stelle, bei dem Besitzer und dem Chefredakteur der„Bossischen Zeitung", eine Bestätigung von der Unrichtigkeit der Marx'schen Behauptung geworden war. Es sei eine bekannte Geschichte, daß alle liberalfeindlichen Blätter sofort riefen:„Seht Ihr? so seid Ihr, Ihr spielt Euch als liberal ans und seid im Herzen doch Antisemiten, wie der Fall Marx zeigt". Hiergegen durfte sich die„Freisinnige Zeitung" wohl verwahren. Nun liege aber in dem Vorwurf, daß Jemand zu irgend emem Berufe nicht die nölhige Befähigung habe. gar nichts Ehrverletzendes. Man könne ein ganz dummer Mensch, aber ein höchst ehren- werther Mensch sein. Der Redakteur und Schriftsteller stehe in der Qeffentlichkeit und müsse sich eine Kritik gefallen lassen, wie beispielsweise auch ein Abgeordneter dies müsse. Wie häufig müsse ein solcher öffentlich und unverblümt sich sagen lassen, daß er ein schlechter Redner sei. Etwas Ehrenkränkendes habe der Vorwurf der Unfähigkeit, eine Redaktionsstelle bei der Vosstschen Zeitung zu bekleiden, für den Kläger keineswegs. Er glaube ge- lesen zu haben, daß sogar Minister wegen Unfähigkeit entlassen worden seien, ohne daß diese Behauptung bis jetzt viel Staub aufgewirbelt habe. Der Vertheidiger schließt mit der Bitte, daß die Berufungsinstanz sich dem Vorderrichter anschließen möge. Der Gerichtshof verkündete nach fast achtstündiger VerHand- lung das Urtheil dahin, daß der Beklagte unter Aushebung des ersten Urtheils der Beleidigung für schuldig zu erachten und des- halb mit einer Geldstrafe von 50 M. zu bestrasen sei. Dem Kläger sei die Publikationsbefugniß in der„Freisinnigen Zeitung" zuzusprechen. Die Behauptung der„Freisinnigen Zeitung", daß der Kläger von seinen Vorgesetzten für unfähig gehalten worden sei, müsse als beleidigend angesehen werden.'Außerdem habe der Gerichts- Hof aus der Beweisaufnahme die Ueberzeugung gewonnen, daß die Entlassung des Klägers zum Theil auch aus dessen Konfession zurückzuführen sei. Ei« Seitenstiia zu dem kürzlich stattgehabte« Prozeß gegen die Gistmischerin Wilhelmine Loa bildete die Verhandlung, welche gestern vor der III. Strafkammer des Landgerichts 1 gegen dte 17jährige Dienstmagd Sidonie Schweinsburg ver- handelt wurde. Dieselbe war beschuldigt, eine ganze Familie durch Beibringung von Gift an der Gesundheit beschädigt zu haben. Am Sonnabend den 21. November vorigen Jahres kaufte die Frau Schlächtermeister Straube in der Markthalle einige Hühner. Es wurde am Soimtag Suppe davon gekocht und die ganze Familie genoß hiervon wie von dem Fleische, ohne irgend welche Beschwerden darnach zu bekommen. Da ein Theil der Suppe übrig blieb, so wurde diese am folgenden Tage aufgewärmt und den beiden drei und achtjährigen Kindern der Straube'schen Ehe- leute als Mittagsspeise vorgesetzt. Die Kinder aßen nur die Hälfte der Suppe, weshalb der Ehemann Straube den Rest der- selben zu sich nahm. Drei andere Familienmitglieder hatten ein anderes Mittagessen. Die beiden Kinder klagten bald nach dem Genüsse über Uebelkeit, Kopf« und Magenschmerzen und auch terr Straube wurde von Unwohlsein ergriffen. Er hielt das eiden für vorübergehend und versprach sich Besserung in der frischen Luft. Er begab sich nach dem Viehhofe um seinen Ge- schäften nachzugeben, mußte aber»ach einigen Stunden schleunigst wieder nach Hause zurückkehren, da sein Uebelbefinden zunahm. Als er mit Mühe seine Wohnung erreicht hatte, vermochte er sich kaum mehr auf den Beinen zu halten, er wurde von Erbrechen und Durchfall befallen und bekam Krämpfe in den Armen und Beinen. Inzwischen hatte sich auch der Zustand der beiden Kinder verschlimmert, es traten bei ihnen dieschben Krank- heitserscheinungen auf, wie bei dem Vater. Der herbeigerufene Arzt äußerte sofort den Verdacht, der bis dahin noch nicht auf- gekommen war, daß hier eine Vergiftung vorliege und zwar mußte die Suppe die schädliche Wirkung hervorgebracht haben; da nur diejenigen, welche davon gegessen hatten, erkrankt waren. Eine ganze Reihe von Umständen sprach dafür, daß die Angeklagte die Suppe vergiftet hatte. Dieselbe hatte ihrer Dienstherrin vielfach Veranlassung zu klagen gegeben und war am Dienstag-Morgei/ gekündigt worden, weil sie Tags zuvor, an ihrem Ausgehetac�e, erst uin Mitternacht»ach Hause gekommen war. Nach ansang- lichem Leugnen legte die Angeklagte auch vor der Polizei ein Geständniß ab. welches sie vor dem Untersuchungsrichter wieder- holte. Sie gab an, daß sie an dem Montag-Morge», als Frau Straube in der Küche die Suppe wärmte, unbemerkt eine halbe Handvoll Putzpulver, welches sie für giftig hielt, in den Topf ge- morsen, in der sich die Suppe befand. Sie habe geglaubt, daß ihre Dienstherrin die Suppe genießen wollte l»ld um sich an derselben wegen der Kündigung und der Schelte zu rächen, habe sie die That begangen. Wie die Loa, wider- rief auch diese Angeklagte im Verhandlungstermine ihr früheres Geständniß. Es sei ihr nie eingefallen, etwalj in die Suppe zu thun und sie könne keinen anderen Grund für ihr früheres Zu- geständniß anaeben, als den, daß sie doch etwas habe sagen müssen. Der Dr. med. Busch, der die Erkrankten behandelt hat, hielt es für zweifellos, daß eine Vergiftung durch die Suppe stattgefunden. Putzpulver könne die schädliche Wirkung seiner Ansicht nach aber nicht herbeigeführt haben; daffelbe würde die Suppe auch getrübt haben und durch den Geschmack verralhen worden sein. Er halte eher eine Arsenik- Vergiftung für vorliegend. Leider seien alle Reste der Speise bereits beseitigt und die dazu benutzten Gefäße sämmtlich gereinigt gewesen, als er hinzu anrufen worden, ei» Nachweis des Giftes fei daher nicht zu erbringen gewesen. Durch die Beiveisaufnahnie wurde noch festgestellt, daß die. Angeklagte hier einen Verwandten hat, welcher die Porzellan- malerei betreibt, am Tage vor der That hat sie denselben besucht und Dr. Busch nimmt an, daß sie bei diesem Besuche Gelegenheit gefunden hat, sich heimlich eine giftige Farbe anzueignen. Auch der Sanitälsralh Dr. Long vezeichnele es als kaum möglich, daß das Puypulver, welches im Straube'schen Haushalte gebraucht wurde, die Krankheitserscheinungen hervorrufen konnte. Aller- dings finde er auch keinen bestimmten Anhalt dafür, daß das Gift, welches zweisellos in der Suppe gewesen, Arsenik gewesen sei.— Staatsanwalt Rietze! hielt die Angeklagte auf Grund des früheren Geständnisses und der übrigen Belastungsmomente für hinreichend überführt. Er beantragte gegen dieselbe eine Ge- fängnißstrafe von anderthalb Jahren. Der Gerichtshof erkannte nach diesem Antrage. Der endlich durch den eigenen Vater zu Grabe getragenen Verordnung der königlichen Regierung zu Potsdam vom 7. Januar 1891(betreffend das Verbot von Tellerfamm- lungen) wurde gestern seitens der Strafkammer des Land- gerichts Berlin II ein Nachruf zu Theil. Genosse Arnold aus All-Landsberg war vom Schöffengericht zu Alt- LandSberg mit 30 M. Strafe belegt, weil er ein Entree ohne polizeiliche Ge- nehmigung zu Gunsten der Unkostendeckung einer Volksversammlung angeordnet und geduldet hatte. Die beiden Tellersammler wurden mit 20 M. Geldstrafe belegt. Die hiergegen ein- gelegte Berufung, i» der Rechtsanwalt Stadthagen die Angeklagten vertrat, hatte den Erfolg, daß nicht nur die Angeklagten frei- gesprochen und die Kosten der Staatskasse auserlegt, sondern daß auch die A u s l a g e n der Angeklagten einschließlich der Ver- their igungskosten der Staatskasse auferlegt wurden.— Wir heben bei dieser Gelegenheit hervor, daß die Genossen, um nicht von der Scylla nngiltiger Regierungspräsidial- Anfordnungen in die Charybdis für giltig erachteter Oberpräsidial-Verordnungen wegen Tellersammelns zu gerathen, gut thun, stets ein festes Eintrittsgeld(10 Pf. oder dergl.) zu erheben. Vevsmmnlungen. Der sozialdemokratische Wahlverei« für de« L. Wahl« kreis hielt am 29. März in Bielefeld's Salon„Zum Spreewald", Hasenhaide k2, eine Versammlung ab, in der Genosse Th. Metzner über„die Ziele der Sozialdemokratie" sprach. Redner verwies aus die Ausbeutung, unter der das Gros der Menschheit heute seufzt, und zeigte, wie die ganze Entwickeluiijj des Kapitalismus darauf hindrängt, an die Stelle der gegenwärtigen von keinen» anderen Gesichtspunkte aus als dem der Uebervortheilung statt- findenden Produktion eine geordnete gesellschaftliche Produktion einzuführen und damit die Wurzel aller Ungleichheit und alles Unrechts zu beseitigen. Lebhafter Beifall folgte den interessanten Ausführungen, nach welchen, da von einer Diskusston Abstand genommen wurde, der Vorsitzende nur noch Mittheilung von der am 2. Osterfeiertag stattfindenden Matinee machte, um alsdann die Bersaminlung zu schließen. Der sozialdemokratische Wahlverei« für den fünfte« Berliner ReichstagS-WahlkreiS versammelte sich am 29. März im Saale der Bötzoiv'schen Brauerei. Den Vortrag des Abends bielt an Stelle des durch Krankheit verhinderten Genossen Auer Genosse Dreesbach, Mitglied des Reichstages. Derselbe sprach über Großbetrieb und Handiverl und veranschaulichte tu trefflicher Weise den vergeblichen Existenzkampf, welchen das Handwerk gegen den Großbetrieb führt. Nicht im Kampfe gegen die Großindustrie, sondern im Anschluß an die Sozialdemokratie, und nicht in der Beseitigung des Großbetriebes, vielmehr in der immer weiteren Entfaltung desselben, natürlich nicht nur zum Vortheile Einzelner, sondern zun» Nutzen der Ge- sammtheit liege die Lösung der„Handwerkerfrage". So würde auch ohne Handwerk ein„goldenes Zeitalter " geschaffen»verde« können. Die Versammlung bekundete ihre vollste Uebereinstim- mung mit den Darlegungen des Vortragenden durch reichen Bei- fall. Eine Diskusston knüpfte sich an den Vortrag nicht. Nach«
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