9«*«. Die Kugel drang durch den Unterleib und verletzte noch einen Mann an der Hüfte. Dieser, wie der schwerverletzte Brandt, wurden nach Anlegung von Nothverbänden auf der Sanitätswache im Görlitzer Bahnhof nach dem Krankenhause Bethanien gebracht.— Am 1. d. M. und in der darauffolgeiiden Nacht fanden fünf Brände statt. Theetkev. ThomaL-Theater. Am Freitag gelangte zur ersten Auf- fuhrung der vieraktige Schwant von M. Schumann:„Das neue Bad"; er ist rechts harmloser Natur. Die Handlung spielt in Mecklenburg und führt uns in dem Gutsherrn Damerow eine Spezies von meckleliburgischem Dickkopf vor, der als eine schwache Nachahmung von Fritz Reuter's Onkel Bräsig erscheint. DaS neue Bad, welches seiner Besitzung gegenüber errichtet ivurde, inacht ihm vielen Aerger und die Kunvgebunaen desselben führen zu allerlei Wirren, Mißverständnissen»md Mystifikationen. Der Schwank wurde von dem anwesenden Publikum günstig auf- genommen. Jeder Aktschluß wurde applaudirt und nach dem zweiten Akte erschien auch der Autor mit den betreffenden Dar- stellern an der Rampe. Die Darstellung war im Allgemeinen eine befriedigende, wenn auch hier und da der mecklenburgische Dialekt manches zu wünschen ließ. Recht charakteristisch stellte Herr Wirth den mecklenburgischen Gutsherr» Damerow dar. Gbenso verdienen lobend hervorgehoben zu werden die Herren Kaiser , der als Gast auftretende Herr Stöcke!, sowie die Herren Guthery und Walden und die Damen Wagener, Koernig und Schlüter. Köpenicker Raubmord-Prozeß. Der Zuhörerraum ist bis aus den letzten Platz gefüllt. Das Erscheinen des Verbrecher- paares erregt bedeutende Sensation. Ruttke wird gefesselt vorgeführt, eine fingerdicke, etwa ein Fuß lange Eisenstange, die um beide Handgelenke befestigt ist, zwingt ihn, die Arme fast un- beweglich zu halten, ein Gewaltakt seitens des mit herkulischen Kräften ausgestatteten Verbrechers ist nicht möglich. Zur größeren Borsicht wird er auf beiden Seiten von je einem Schutz- mann flankirt. Während der Raubmörder Wetzel einen harmlosen Eindruck machte. zeigt Ruttke eine wahre Verbrecher- Physiognomie, mit verbiffener Miene blickt er dreist im Saale umher. Seine Mitangeklagte, die unverehelichte C h r i st i a n e S ch ü t t, macht dagegen den Eindruck der Nieder- geschlagenheit. Ten Vorsitz führt Landrichter Meyer, die Anklagebehörde vertritt der Erste Staatsanwalt Lademann. Es sind 32 Zeugen und 4 Sachverständige zu vernehmen. Bei Beginn der Verhandlung werden dem Angeklagten Ruttke die Fesseln abgenommen. Aus der Vernehmung de? Ruttke über seine Vergangenheit ist zu bemerken, daß er schon in seinem 12. Jahre wegen Hehlerei in Züllichau bestraft wurde und einerBesserungsanstalt übergeben werden sollte. Dieser Beschluß ist indessen wieder zurückgenommen worden. Er hat bis zum 14. Lebensjahre die Volksschule in Züllichau besucht, hat sich dann seinen linterhalt verdienen müssen und erst bei den Maurern als Handlanger, dann als Steinträger gearbeitet. Er ist fünfmal wegen Diebstahls und dreimal wegen Widerstands und Körperverletzung vorbestraft. Die letzte Be- strasung wegen Diebstahls betrug vier Jahre Zuchthaus und Ruttke stand noch unter Polizei- Aussicht, als das Ver- brechen begangen wurde, dessen er jetzt beschuldigt ist. Die Mitangeklagte Schütt hat, bevor sie nach Köpenick zog, in ihrer Heimath Maren, in Hamburg und in Rostock gedient. Sie ist noch unbestraft. Nachdem der Anklagebeschluß zur Verlesung gelangt ist, be- antragt der Erste Staatsanwalt, die Oeffentlichkeit wahrend der Vernehmung des Angeklagten auszuschließen, da Dinge zur Sprache kämen, durch welche die gute Sitte gefährdet werden könne. Ter Gerichtshof beschloß nach diesem Antrage, woraus das Publikum den Saal zu verlosten hatte. Als die Oeffentlichkeit wieder hergestellt wird, wird die An- geklagte Schütt vernommen. Ihre Vernehmung ist bis zu dem Punkts gediehen, wo die Thal geplant wurde. Ruttke sei am Nachmittag des 30. Dezember in ihrer Wohnung gewesen und hätte die Anregung dazu gegeben, den Mord atiszusühren. Sie hätten davon gesprochen, daß sie gern Heirathen möchten, wenn sie nur die nöthigen Mittel dazu hätten und da habe Ruttke ge- sagt:„Wir werden den alten Bieste um die Ecke bringen, der hat Geld, dann können wir Heirathen." Sie habe Anfangs Be- denken geäußert,„daß es herauskommen könnte." Ruttke habe sie aber überredet, dem Plane zuzustimmen. ES wurde verabredet, daß sie sich gemeinsam am Abende nach der Biefte'schen Wohnung begeben wollte, Ruttke sollte das Beil, womit die That begangen werden sollte, verborgen unter dem Rocke tragen. Nachdem der Plan verabredet worden war, habe sie sich ewige Stunden lang mit Nähen beschäftigt, während Ruttke in einem Buche las. Um VelO Uhr hatten sie sich beide auf den Weg nach dem Laden des Bieste gemacht, Ruttke, wie verabredet war, niit dem Beile unter dem Rocke. Unterwegs habe Ruttke noch eine Restauration besucht, sei aber nur »venige Minuten in dem Lakale gewesen. Dann hätten sie ihren Weg fortgesetzt. Als sie über die lange Brücke sei es»//«lO Uhr gewesen. Gegen 10 Uhr seien sie bei dem Zieste'fchen Laden angelangt. Bieste habe vor der Thür ge« standen. Ruttke sei etwas zurückgeblieben, so daß er von Bieste nicht bemertl werden konnte. Sie habe mit dem Letzteren so viele Worte gewechselt. wie nöthig waren, um zu verabreden, daß sie ihn später, um halb II Uhr besuchen sollte. Dann sei sie wieder fortgegangen, habe Ruttke wieder getroffen und ge- wartet, bis die bestinintte Zeit herangerückt war. Dann sei sie allein wieder nach dem Biefte'schen Hanse gegangen, habe sich vom Wächter die Thür öffnen lassen und sei hineingeschlüpft. Die nächste halbe Stunde habe sie allein mit Bieste in dessen Schlafstube zugebracht. Dann habe sie gesagt, daß sie genöthigt sei, einen gewissen Ort auszusuchen und deshalb das Haus für wenige Minuten verlassen muffe. Bieste habe sie auf eine Ein- richtung verwiesen, die sich auf dem Korridor befand. Sie sei hinausgegangen und nach wenigen Minuten zurückgekehrt. In der Zwischenzeit habe sie leise die Hausthür geöffnet, der draußen harrende Ruttke, der das Beil in einem Sacke trug, sei hinein- getreten. Sie habe sich wieder zu Bieste begeben und gewartet, bis derselbe eingeschlafen war. Endlich hätten ihr die tiefen Athemzüge des Bieste angezeigt, daß derselbe fest schlief.— Präs.: Was geschah nun wetter?— Angekl.: Wenn er schlief, sollte ich Ruttke ein Zeichen geben. Er stand dicht hinter dem Schrank, der neben der Thür stand, und ich winkte ihm mit den Augen. Ta trat er an das Bett und schlug mit der stumpfen Seite des Beiles ans seinen Kopf. — Präs.: Hat er mehrere Male zugeschlagen?— Angekl,: Ja.— Präs.: Was geschah nun, als der Mann todt war?— Angekl.: Ich nahm den Sekretärschlüssel und wir gingen hin und suchten nach Geld. — Präs.: Was fanden Sie?— Angekl.: Etwa 86 M. in Gold und etwas Kupfer. Wir wickelten das Geld in unsere Taschentücher und nahmen auch die Biefte'sche Uhr mit.— Präs.: Was ist sonst unter Ihnen gesprochen worden— Angekl.: Er war böse, daß wir so wenig ge- sunden hatten»mV »neinte, daß er um das Bischen den Mann nicht todt geschlagen haben ivürde.— Präs.: Was thaten Sie tsam'i— Angekl.: Wir packten etwa 3 Kisten Zigarren in den Sack,«hens o Bittualten, mehrere Stücke Butter und Mktualien.— Sie sind- dann bis nach 4 Uhr, also noch 3 Stunden in der Wohnung gewesen. Was haben Sie da gemacht?— Angekl.: Wir haben uns etwas erzählt.— Präs.: Da kam ja wohl Ruttke auf den Gedanken, daß doch wohl noch»nehr Geld vorhanden sein müsse.— Angekl.: Ja, »vir suchten noch einmal und fanden auch glücklich die 500 M., welche wir mitnahmen.— Präs.: Was geschah mun nach 4 Uhr?— Angekl.: Da hörten wir, daß der Wächter das Haus schloß und da gingen wir heraus.— Präs. Sind Sie sehr blutig gewesen?— Angekl.: Ja, Ruttke war blutig und auch meine Hand war blutig.— Präs.: Unterwegs hat Ruttke das Beil in die Dahme geworfen.— Angekl.: Ja. Ruttke war unterwegs gefallen und hatte sich die Beinkleider aufgerissen, welche ich»hm am nächsten Tage ausbessern sollte. Es war trübe an jenem Morgen und»venn uns Jemand begegnete, mußte ich immer auf die andere Seite gehen.— Präs.: Wann kamen Sie in Ihrem Hause an?— Angekl.: Gegen halb fünf. Da haben wir uns aeioaschen und uns über die letzte Nacht unterhalten. Wir aßen etwas Wurst und Fleisch und dann nahm sich Ruttke mehrere Kisten Zigarren mit, die 500 M. aber versteckten»vir in der Maschine, iveil er fürchtete, daß das Geld bei seiner Wirthin, Frau Grävenitz, verschwinden könnte.— Präs.: Am nächsten Morgen haben Sie dann einige Einkäufe gemacht, haben sich ein Plüschjaquet gekauft, Ruttke hat Sie nach dem Bahnhofe gebracht lind Sie sind»ach Berlin und dann nach Waren gefahren?— Angekl.: Ja.— Präs.: Was haben Sie Ihrem Vater mit- gebracht?— Angekl.: Die Uhr und Zigarren. Ich sagte, das schenke»hnen Ruttke.— Präs.: Sie haben dann auch noch durch die Post eine Kiste mit Viktualien an ihre Eltern geschickt?— Angekl.: Ja.— Präs.: Was haben Sie am Abend Ihrer Ankunft in Waren gethan?— Angekl.: Ich bin zum Tanzen gegaiigen.— Präs.: Sie haben auch einen alten Bekannten NamenS Wienecke getroffen, und dem ist es so vorgekommen, als ob Sie ganz besonders vergnügt gewesen sind.— Angekl.: Das»var nur äußerlich.— Präs.: Sie sind dann, als Sie nach Berlin »vieder zurückkehrten, verhaftet»vorden und haben zuerst ganz falsche An- gäbe:» gemacht. Ist das richtig?— Angekl.: Ja, ich glaubte mich dadurch retten zu können.— Präsident: Als Sie in Köpenick im Gefängniß saßen, haben Sie einmal mit einer Haarnadel in die Thür Ihrer Zelle folgende Worte gekritzelt:„Die Schande ist unerträglich. Herzliche Grüße an alle meine Verwandte. Ade! Ade! aus Nimmerwiedersehen! Herzlichen Gruß auch an meinen lieben Ernst. Gott weiß es, daß er unschuldig ist und ich weiß es auch!" Sie haben dann noch an einer anderen Stelle eingekritzelt: „Ernst Ruttke ist unschuldig, ich bin die Mörderin. C. Schütt." — Sie wollten damit wohl nur den Ruttke entlasten?— Angekl.: Ja wohl.— Präs.: Ist das nun aber auch Alles wahr,»vas Sie uns heute gesagt habe», daß der ganze Plan von Ruttke ausgeheckt»vorden, daß er den Schlag geführt»c.?— Angekl.: Ja, es ist Alles wahr! Präs.: Angeklagter Ruttke, ich konime nun zu Ihrer Per- nehmung. Sie haben gehört, was die Schütt gestanden hat, jetzt sagen Sie endlich einmal die Wahrheit.— Angekl.: Ich sage die Wahrheit und muß dabei bleiben, was ich früher gesagt habe. Nicht ich bin es getvesen, sondern die Schütt hat den Mord be- gangen.— Präs.: Also Sie bleiben bei dieser unwahrschein- lichen Behauptung? Könnten Sie sich nicht entschließen, endlich die Wahrheit zu sagen?— Angekl.: Jawohl, ich habe die Wahrheit gesagt.— Präs.: Während der ersten Zeit Ihrer Untersuchungshaft haben Sie jede Antwort verweigert undhaben dem Untersuchungsrichter gesagt:„Sie können fragen, was Sie»vollen, ich sage nichts." Am 20. Januar haben Sie sich dann endlich zu dem Geständniß bequemt, welches Sie jetzt aufrecht erhalten zu wollen scheinen. Wann sind Sie zu der Schütt gekommen?— Angekl.: Am Nachmittage des 30. Dezember. — Präs.: Was machten Sie bei ihr?— Angekl.: Ich machte ihr Vor- würfe, daß sie»nich früher hinausgeschmissen hatte. Sie sagte mir. das solle nicht wieder vorkommen, ich solle nur bei ihr bleiben.— Präs.: Gut, Sie blieben bei ihr. Wie kamen Sie nun auf den Bieste zu sprechen?— A n g e k l.: Die Schütt erzählte»nir, daß sie ihn mehrmals besucht habe. Bieste habe viel Geld, sie habe einmal fünf bis sechs Stück tundert- Markscheioe bei ihm gesehen.— Präs.: Nun? rzählen Sie weiter.— Angekl.: Ja, und dann meinte die Schütt, daß sie schon längere Zeit mit dem Plane umgehe. den Bieste zu erschlagen und zu be- rauben. Es sei dies leicht möglich, da Biests allein»n der Wohnung sei, seine Frau sei schon seit 5 oder 3 Monaten von ihm fort. Die Schütt sagte mir auch, daß sie schon früher ein- mal die That habe aussühren»vollen, sie habe auch ein Beil versteckt»nit in die Bieste'sche Wohnung genommen, aber sich damals nicht getraut, den Mord zu begehen.— Präs.: Wo ist denn das Beil geblieben?— Angekl.: Das habe sie in der Bieste'sche» Wohnung gelassen.— Präs.: Das ist ganz neu. Die Bieste'sche Wohnung ist ja nur sehr klein, da müßte Bieste das fremde Beil doch gesunden haben.— Angekl.: Die Schütt sagte, sie hätte es unter den» Bett versteckt.— Präs.: Wer brachte denn nun die Unterredung darauf, daß die That an dem- selben Abend geschehen sollte?— Angekl.: Das that die Schütt. Sie sagte mir. es sei gut, daß ich gekommen sei, nun könne ich den Bieste todlschlagen. Ich sagte zu ihr, daß ich mir das nicht getralie, es könnte mir den Kopf kosten. Sie sagte: Ach»vas, wenn es herauskommt, nehme ich Alles auf mich und dann hänge ich inir auf. Endlich brachte sie mich dazu, daß ich versprach, ich»volle»nit ihr gehen. Sie»vollte die Schläge gegen den Kopf des Bieste führen und ich sollte in der Nähe, auf dem Korridor bleiben»»nd hinzuspringen,»venn sie ihn nicht gut traf und we>»n er ihr über»verde»» sollte.— Präs.: Das klingt Alles sehr unwahrscheinlich. Wann begaben Sie sich dann nach der Bicste'schen Wohnung?— A n g e k l.: Es muß gegen halb zehn Uhr geivesen sein.— Präs.: Nun erzählen Sie mal, was sich bei Bieste ereignete.— Angekl.: Als die Schütt hinein- gegangen»var, blieb ich draußen und hielt mich hinter einem Zaun versteckt, bis die Schütt mir ein Zeichen dllrch Klopfen gegen die Thür gegeben hatte. Als dies geschehen»var, ging ich hin. Die Schütt faßte»nich um und zog mich hinein auf den buuklen Korridor. Sie drückte mir das Beil in die Hand und flüsterte niir zu:„So nun geh hinein und thue es." Ich sagte:„Nein, nein, ich kann es nicht." Sie»vollte mir noch einmal das Beil in die Hand drücken, ich»veigerte mich aber und da sagte sie: Sei nllr rilhig, bleib nur hier. Du brauchst nichts zu machen." Ich blieb auf den, dunklen Korridor stehen und sie ging wieder in die Stube hinein und steckte die Lampe an. Gleich darauf hörte ich mehrere Schläge fallen. Dann kam die Schütt»ind winkte mir, worauf ich in die Stube ging. Bieste lag in» Bette mit einer großen Kopfwunde, auch die Schütt»var voll Blut. — Präs.: War Bieste todt?— Angekl.: Zuerst glaubte ich es, dann sah ich aber, daß er noch schiver athmete und röchelte. Die Schütt sagte, ich sollte ihn vollständig mit den, Messer todtstechen, aber ich konnte es nicht. Die Schütt zeigte mir dann, wie sie gestanden und»vie sie geschlagen hatte. Die Angekl. Schütt bestreitet, daß sie ein Mester gehabt und damit geschlagen habe. Was die Schütt über die nächsten Vorgänge nach der That erzählt hat, giebt Ruttke im Allgemeine» als richtig zu. Das Geld habe er bei der Schütt gelassen,»veil dieselbe gesagt hatte:„Da können wir ja 3 Monate von leben, wenn wir ve»heirathet sind."— Präs.: Was haben Sie für sich»nitgenommen?—'Angekl.: Ein paar Kisten Zigarren, etwa? Butter und Pökelfleisch.— Präs.: Wo ist denn nun eigentlich die Uhrkette geblieben?— Angekl.: Die habe ich ver- loren, die Uhr habe ich aber der Schütt gegeben, damit sie dieselbe ihren Stiefvater schenken solle.— Präs.: Als die Schütt nun ab- gereist war, sind Sie erst nach einem Lokal gegangen, dann sind Sie in angetrunkenem Zustande in»„Goldenen Hirsch" gesehen»vorden.— Angekl.: Aber getanzt habe ich nicht, ich war nicht dazu auf- gelegt.— Präs.: An demselben Tage sind Sie dann auch noch wieder in den Besitz Ihrer eigenen Uhr gekommen, welche ver- setzt war, und welche Sie mit 10 M. aus dem Biefte'schen Geld« einlösten.-Angekl.: Ja.- P r ä s.: Sie behaupten, daß Sie beim Verlassen des„Goldenen Hirsch" hingeschlagen seien und sich eine Verletzung zugezogen hätten?— A n g k l.: Ja, ich weiß nicht, was da m,t mir passtrt»st.— Präs.: Am nächsten Tage find Sie dann den ganzen Tag bei Britz gewesen und sind erst Nachts nach Hause gekommen. Wie erklären Sie nun die Blutflecke, die an der Innenseite der Weste vorgefunden sind?— Angekl.: Das waren sehr alte Flecke.-Präs.: Ueber die Blutflecke an den Hosen, am Rock u. s. w. haben Sie auch die aller- verschiedensten Angaben gemacht, Sie haben von Hundeschlachten, Schweineschlachten bei Ihrem Schwager und anderen Ver- anlassungen gesprochen.— Angekl.: Ich kann nicht»mffen, wo die Blutflecke herkoinmen; es mag ja auch sein, daß sie von der Verletzung stammen, die ich beim Hinfallen erhalten hatte.— Präs.: Wollen Sie noch die Behauptung aufrecht erhalten, daß Sie von der Schütt aufgeredet worden seien und diese Jhnm immer zugerufen habe:„Ernstchen. sei nur nicht ängstlich. Fasse nur Muth, wenn'? schief geht, nehme ich Alles auf mich."— Angekl.: Das hat sie gesagt.— Präs.: Sie hatten auch behauptet, daß das Hemd der Schütt über und über mit Blut besudelt worden sei, als sie den Mord verübt habe. DaS Hemd ist nun aber keinesivegs so stark besudelt.— Angekl.: ES ist möglich, daß ich jhre blutigen Hände gesehen und mich getäuscht habe. Damit ist die Vernehmung der beiden Angeklagten beendigt und es folgt die Beweisaufnahme. Zunächst»vird der Polizei-Jnspektor Jäckel auS Köpenick ver- nommen, welcher feine Wahrnehmungen über den lokalen Befund mittheilt. Der folgende Zeuge, Engel, ist Eigenthümer deS HauseS.»»» welchem Bieste wohnte. Der Letztere sei ein sehr zurückhaltender und vorsichtiger Mann gewesen, der sich einige tausend Mark er- spart hatte. Auch der Angeklagte Ruttke sei ihm bekannt, da derselbe vor etwa zwei Jahren bei der Aufführung seines Hauses, in dem die Mordthat geschehen, geholfen habe. Ruttke mußte deshalb die Bieste'sche Wohnung genau kennen. Als der Zeuge zuerst mit dem Polizei-Jnspektor Jäckel die Bieftestche Schlafstube betreten habe, sei er anfänglich der Mei- nung gewesen, daß das Bett leer se», erst beim Nähertreten habe er die Leiche in der unteren Hälfte desselben bemerkt.____ Profestor Falk begutachtet, daß die tödtlichen Schläge m»t der stumpfen Seite des Beiles geführt sind. Der Sachverständige hat ebenfalls die Angeklagte Schütt auf ihren Geisteszustand unterslicht, aber keine Veranlassung gehabt, zu der Annahme zu gelangen, daß ihr Geist getrübt sein könne. Gerichtschemiker Dr. Bein hielt einen längeren Vortrag über die Verschiedenheit der Blutkörperchen, den er durcd Zeich- »ungen deutlicher zu inachen sich bemühte. Seine Ausführungen gipfelten dahin, daß das an den Kleidern des Ruttke gefundene Blut mit größter Wahrscheinlichkeit Menschenblul sei und aus nächster Nähe auf die Kleider gespritzt sei», müsse. Amtsrichter Dr. Riedel aus Köpenick , der die erst« Ver- nehmung der Angeklagten vorgenommen hat, hat«in anderes Geständniß nicht erzielen können, wie es Ruttke auch in der Verhandlung abgelegt hat. Es»verde»» verschiedene Zeugen vernommen, welche die An- geklagten am Abend des 30. Dezember auf dem Wege zur Biefte'schen Wohnung gesehen haben, dieselben haben nicht de- merkt, daß Ruttke etivas in der Hand getragen hat, dagegen habe» einige Personen bemerkt, daß er den Rock zugeknöpft trug. Wie bereits erivähnt, hat der Angeklagte behauptet, daß die an seinen Kleider» gefundenen Blutslecke» von einer Schlägerei herrühren könnten, in welche er am Sylvesterabende verwickelt worden sei und bei der er eine Wunde davongetragen habe. Vo» den hierüber vernommenen Zeugen bekunden«»mge, daß sie an jenem Abende »vohl an dem Angeklagten eine Beule oberhalb des AugeS, aber keine blutend« Wunde»vahrgenonnnen haben, während andere Zeugen bestätigen, daß Rüttle blutete. Da der Angeklagte ferner behauptet, daß er kurz vor der That einen H»tnd geschlachtet hat, so»verde» auch hierüber emige Zeugen vernommen,»velche die Angaben des Angeklaaten bestattgen. Auch wird von einem Zeugen bestättgt, daß Ruttke ihm kurz vor Weihnachten beim Schiveineschlachten geholfen hat, seine Thätig- keit habe sich aber darauf beschränkt, Wurst zu essen.(Heiterkeit.) Es»vird auf die Vernehmung aller übrigen Zeugen verzichtet und die Beweisaufnahme geschlossen. Die Fragen gehen dahin, ob jeder der Angeklagten des Mordes und des qualifizirten Raubes schuldig s«. Die Ver- theidiger stellen den Antrag, für jeden der Angeklagten die Unterfrage zu stellen, ob nicht nur Beihilfe durch Rath und That vorliege. Der erste Staatsanwalt Lademann führt an der Hand der Betveisaufnahme aus, daß es für die Gcschivorenen darauf ankomme, zu entscheiden, welchem von den beiden Ge- ständnissen der Vorzug zu geben sei. Er seinerseits sei der Ueberzeugung, daß beide Angeklagt« die That aus die An- regung des Ruttke gemeinsam geplant und gemeinsam ausgeführt hätten. Wenn man die Persönlichkeiten der beiden Angeklagten und deren Vergangenheit ins Auge fasse, so rönne »vohl kein Zweifel darüber sein, daß das Bekenntmß der Schütt der Wahrheit am nächsten komme und daß Ruttte die tödtlichen Schläge führte, während die Schütt dabeistand. Er bitte die Ge- schworenen, beide Angeklagten»nit gleichem Maße zu messen und dementsprechend ihren Wahlspruch abzugeben. Die beiden Verlheidiger sind der Natur der Sache nach dar- auf angeivicsen, jeder für sich dem Klienten des andern die eigentliche Mordthat znzuschieben und den eigenen Klienten als den eigentlich glaubivürdigen darzustellen, der nur die Bei- Hilfe geleistet. Stach 6 Uhr ziehen sich die Geschworenen zur Berathung zurück. Die Berathung der Geschworenen dauerte dreiviertel Stunden. Durch den Wahrspruch werden beide Angeklagte des gemeinschaft- lichen Raubmordes für schuldig erklärt. Der Gerichtshof erkennt demgemäß gegen beide Angeklagte auf die einzig zu- lässige Todes st rafe nebst Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. — Beide Angeklagte nehmen das Urtheil ohne irgend welche Er- regung entgegen. Die Frage des Vorsitzenden, ob sie noch»rgend etivas zur Entlastung ihres Geiviffens»»zuführen haben, verneinen beide Angeklagte. Unmittelbar nach Schluß der Verhandlung treten zwei Brüder des Ruttke an die Anklagebank, um mit thränenden Augen Abschied von deinselben zu nehmen. Der Aeltere macht»hin mit laut tönender Stimme lebhafte Vorwürfe über die Schande, die er über die ganze Familie gebracht habe und ruft ihin wiederholt zu:„Das kommt blos von dein Frauen« ziinmer her! Ich habe Dir immer gerathen. Dich zu verheirathen, hättest Du es doch gethan." Erst jetzt fing auch Ruttte zu schluchzen an, dann wurde ihm wieder das Eisen um die Haiiv- gelenle gelegt und er wanderte in feine Zelle zurück. Eine Anklage wegen Vergehens gegen die öffentlich« Ordnung gelangte heule vor der zweite» Strafkammer des Landgerichts l gegen den Malergehilfen Viktor Buhr zur Verhandlung. Ain 3. Januar d. I. fand in einen» hiesigen Lokale«ine össent- liche Versammlung statt,»velche von Personen beiderlei Geschlechts und auch von K»uder>i besucht war. Den Vortrag hielt der Drechsler Sündermann über das Thema„Das Arbeiterelend und der Kampf ums Dasein". Dir Ausführungen des Vorwagenden gaben dem überwachende», Polizei- Lieutenant keine Ver- anlassung zu irgend einer Anzeige. Anders war es dagegen, als der Angeklagte das Wort ergriff. Er be- zeichnete die Ausführungen des Vortragenden als viel z» zahm und empfahl stärkere Mittel, um dem Arbeiter zu einem menschenivürdigen Dasein zu verhelfen. Nur Gewalt müsse ent- scheiden und nach dem Straßenkampfe fei der Streik daS wi�
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