»« Mord in der Kaiser Wilhelmstraße. DaS HausKaiser WUhelmstr. 25 an der Ecke der Neuen' Friedrichstraße,einer der neuen an Stelle der allen Königsinauer von der Bau-gcsellschaft Kaiser Wilhelmstraße errichteten modernen Bauten,hat von jeder der Straßen einen Eingang. Nach der NeuenFricdrichstraße zu befindet sich Bureau und Wache des 14. Polizei-revicrs, dessen Vorstand, Polizeilieutenant Wolffsheim, in derzweiten Etage wohnt. In dem Hauseingang von der KaiserWilhelmstraße aus bildet die Treppe»ine tiefe, nicht abgeschlosseneNische, welche durch ein kleines Fenster in der zum Hof sichren.de» Thür nur spärliches Licht erhält. Noch gestern Morgen um6 Uhr hatte der R-staurateur Hörschlein, der in dem Hauseeiner Schanlwirthschaft betreibt, in diese Nische gesehen, dieselbewar leer.Als kurz nach 7 Uhr der Hausverwalter Franz Wegener, derTags zuvor seine Hochzeit gefeiert hatte, die Nische unter derTreppe segen wollte, fand er den wie ein Bündel zusammen-geschnürten, fast nackten Leichnam. Er rief sofort einigeSchutzleute herbei, und der Schutzmann Beyer stellte, wie das„Kl. Journ." berichtet, fest, daß die Leiche noch warm sei, so daßder Tod erst kurz zuvor eingetreten sein konnte. Der Todtcn wareine Zuckerschnnr um den HalS geschlungen, diese dann unter denArmen durchgeführt, dreimal um die Beine gewunden und dannstraff gezogen worden, so daß die Knie fast die Schultern be-rührten. Beyer durchschnitt die Schnüre und streckte de» Körperder Ermordeten, Wiederbelebungsversuche blieben fruchtlos. DieLeiche war nur mit einem schniutzigen Hemd bekleidet, welchesdas- Zeichen A. R. S trug. Neben ihr lagen halb eingeschlaae»in ein Zeitungsblatt vom Sonnabend ein Frauenrock von lilaFarbe, ein fleischfarbener und ein schwarzer Strumpf, beidezerrissen, sowie eine Frauenhose: Schuhe und Kopfbedeckungfehlten. Alsbald erschien, mit dem Grafen Pückler an derSpitze, die benachrichtigte Kriminalpolizei, welche fest-stellt«, daß eine lange Strangulationsmark« am Halse,tiefe Einschnitte von der Schnur am Körper und eineBeule am Kopfe sichtbar waren. Hiernach mußte ein Mordals vorliegend angenommen werden, der aber nicht am Fund-orte der Leiche verübt worden ist. Unzweifelhaft hat ei» Kampfdes MörderS mit seinem Opfer stattgefunden, worauf Kratz.wunden am Körper der Getödteren, sowie daS völlig aufgelösteHaar hinweisen.Große Schwierigkeiten bereitet« die Feststellung der Per-sönlichkeit der Emoroeten. Zunächst nahm man an, daß es sichum eine Prostituirte handelte; eS wurden deshalb Dirnen undZuhälter herbeigeholt, die in der Tobten eine Person zu erkennenglaubten, welche sie in der Gegend der Linienstraße oft gesehenhatten, deren Namen sie aber nicht wußten. Endlich fanden sichPersonen ein, welche die Ermordete als eine gewisse Adcle'mitdem Beinamen„Suff-Amalie" rekognoSzirtcn; sie fei Lumpen-sammlerin, setze ihre Maaren in einem Geschäfte der Koblankstraßeab, wäre arbeitsunfähig und hätte daher daS Recht, allnächtlichdas Asyl für Obdachlose in der Danzigerstraße aufzusuchen. DieRclogmtion wurde durch die Aufseherin des Asyls, Frau Schütl,bestätigt, und in der Tobten die am 31. Oktober ISdg in Ucker»münde geborene unverehelichte Anna Antonie Adelheid Sackowskafestgestellt. Frau Schlitt erklärte, daß die Sackowska, die jedeNacht im Asyl zubringe, auch am Sonnabend zwischen 7 undS Uhr dort Ausnahme gefunden und am Sonntag früh um 6 Uhrdas Asyl verlassen hätte. Es wird der Ermordeten daS Zeugnißausgestellt, daß sie, obwohl lange obdachlos und wegen Arbeits-scheu mehrfach bestraft, keinen liederlichen Lebenswandel geführt,Zudringlichkeiten von Männern stets energisch zurückgewiesenhabe; auch hätte sie den Beinamen„Suff-Amalie" zu Unrechtgeführt, da sie nicht dem Trünke ergeben war. Dem„Kl. Journ."zufolge soll die Sackowska die Tochter eines polnischen Guts-besitzers gewesen und in einem Berliner Pensionat erzogenworden fein. Eine unglückliche Liebe habe sie veranlaßt,alle HeirathZanträae zurückzuweisen und, alz sie Ig Jahrealt war, in das Elternhaus, wo sie bis zu dem vor etwa sechs-zehn Jahren erfolgten Tod der Eltern blieb, zurückzukehren. Wasin der Familie vorgegangen ist, darüber habe sie sich nie aus-gesprochen. Im städtischen Asyl hat sie öfters erzählt, sie sei umdie ganze Erbschaft betrogen worden. Thatsächlich kam sie alsetwa 24 jährige Person wieder nach Berlin zurück; gänzlichmittellos, suchte sie hier ihr Brot als Erzieherin dann wurde sieSchauspielerin, mußte jedoch, als sie keine Stellung sand, um ihrLeben zu fristen, mit Blumen handeln. Schnell ging cS dannmit der Unglücklichen bergab, bis sie endlich vor sechs Jahre»vollständig mittellos zu den, Erwerb dcS Lumpensammelns griffund sich damit kümmerlich, aber ehrlich ernährte. Der Inspektordes Asyls für Obdachlose bezeichnet die Sackowska als eine deranständigsten Besucherinncn des AsylS, welche stets allein von derAnstalt fortging nnd auch stets allein zurückkehrte. Sie bettelte nie,nahm auch freiwillig gebotene Almosen nicht an; auf der Straßeschlick sie an den Häusern nnd Zäunen entlang, in der Be-fürchtung, von einer Person, die sie in besseren Tagen gekannt,gesehen zu werden. Eine hier lebende Schwester der Ermordeten,welche reich sein und in der Friedrichstrahe wohnen soll, war mitder Unglücklichen verfeindet.Trotz der bestimmten Erklärung der Aufseherin im städtischenAsyl für Obdachlose, Frau Schuhe, daß die Ermordete dieSackowska sei, ist diese Anuahme völlig hinfällig geworden. AmSonntag Abend um 3 Uhr saß der Inspektor des städtischenObdachs, Herr Bandemer, in seinem Bureau, als leise die Thürgeöffnet wurde und die Sackowska vor ihm stand. Der Be-nmte, welcher sich nicht so leicht aus seiner Ruhe bringenläßt, war völlig verdutzt nnd konnte seiner Empfindung nurdurch die Worte Ausdruck geben:„Armes Mädchen, bistDu denn nicht todt„Wie Sie sehen, nein," lautete dieAntwort. D.-r Inspektor benachrichtigte nun sofort die Kriminal-Polizei und die Kouunissarien Höst und Grrltzmacher kamen sofortzu ihm. Die Sackowska in Gemeinschaft mit den sogenanntenSchaalschiveftcrn(Lumpensammlerinnen) Krüger und Forkel glaubennach der ihnen gewordenen Beschreibung in der Ermordeten diesogenannte„Suff-Anna" vermuthen zu sollen. Die Leiche wirdihnen heute noch gezeigt werden.In einem Säulenanschlag giebt die Polizei folgende Be-schreibung der Ermordeten: Alter etwa 30 Jahre, mittelgroß,schmächtig, starkes dunkelbraunes Haar, braune Auge», breite zu-sammengedruckte Nase. Die Leiche' werde von einigen Personenals die der„L u m p e n h ä n d l e r i n Susanne" bezeichnet.Wie ein Berichterstatter mittheilt, verkaufte die„Susanne"ihre Lumpen in dem Geschäft von Sch. in der Mendelssohnstraßeschon seit mehreren Jahren und kam dort auch häufig mit derFrau Forkel, der„schwarzen Liese" und der„Lumpen-Schmidten"zusammen. Diese wurden heute ausfindig gemacht und nach demPolizeipräsidium zitirt, wo die Forkel nur anzugeben vermochte,daß die Ermordete mit tem Vornamen Albertine heiße, derFamilienname ihr aber nicht bekannt sei. Die Getödtete sowohl,wie auch verschiedene andere Lumpensammlerinnen, hätten bar-über geklagt, daß sie oft von dem„Schutzniann-Hermann", einemfrüheren Polizei-Agenten, sowie dein„kleinen Robert", zweiarbeitsscheuen Individuen, so lange mißhandelt wurden,bis sie die wenigen Groschen, die sie verdient, an dieErpresser hinausgebcn mußten! Die Albertine sei eineder niedrigsten Klasse Menschen angehörige Person gewesen,deren schmutziges Aussehen bei den Passanten sehr oft Aergernißerregt hat.Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die That in einemoffenen Vorkellcr des Grundstücks Kaiser Wilhelmstr. 12, wo sichfast in jeder Nacht obdachloses Gesindel aufzuhalten pflegt, aus-geführt worden ist, denn dort ist in einem dunklen Winkel gesterndas alte mit Pelz besetzte Frauenjacket durch die Kriminalpolizeigefunden worden, das eine Frau Schulz, die es lange besessen,mit vollster Bestimmtheit als das Jackct wieder erkannt hat,welches sie vor einiger Zeit der ihr von Person genau bekanntenLumpcnhändlerin Susanne geschenkt hat. Gestern Morgen wurdein demselben Keller noch eine graue Socke gefunden, welche genauzu der grauen Socke paßt, mit welcher der rechte Fuß der Tobtenbekleidet war. Der Hausdiener Mattik hat nach seiner Angabeam Sonntag Morgens»m 6 Uhr zwei Männer und eine Frauens-person, welche in dem Keller genächtigt hatten, ausgewiesen. DieErmittelung dieser Personen ist für die weiteren Nachforschungenvon der größten Wichtigkeit.Die Leichenschau der ermordeten Lumpen-sammlerin hat am gestrigen Nachmittag eine ganz gewaltigeMenschenmenge nach der Morgu« geführt; wohl nicht ei» Prozentder Anwesenden aber war in der Absicht in dem Leichen-Schau-hause erschienen, nur die Ermordete zu rekognosziren, sondern fastlediglich war es die Neugierde, welche den regen Besuch derTodlenkammer veranlaßte. Nebermiegend groß war der Prozentsahder Besucher an„Frauen", welche selbst in Equipagen(!!) vor-gefahren kamen. Die Leiche der Lumpensammlerin, welche miteinem im Wasser aufgefundenen tobten Mann in einer Abtheilungzusammenliegt, sieht jetzt weit besser aus als gestern. DieAermste trägt ihr blaues Kleid und ein wollenes Hemd«, dieSchrammen im Gesicht sind jetzt noch kaum mehr wahrnehmbar,desto schärfer aber tritt die Strangulationsmarke an der rechtenSeite des Halses hervor, welche sich in einem schwarzrothenStreifen von etwa Vi Zentimeter Breite von der Todtenblässeder Haut grell abhebt. An der linken Seite des Halses sind inrothbläulichen Flecken die Fingerabdrücke des Mörders deutlichwahrnehmbar.Der vom Militürposten angeschoffene Arbeiter Brandt istbereits am Sonnabend Nachmittag seiner Schußwunde erlegen.Der bei dem Borfall gänzlich unbetheiltgte und gleichfalls an-geschossene Zimmermann Drebber liegt noch so schwer verletztdarnieder, baß seine Vernehmung bisher unmöglich war. Einjunger Arbeiter, der wegen eines geringfügigen UebermulhS todtgeschossen wird, ein Familienvater, der lebensgefährlich ver-wundet wird nnd vielleicht in diesem Augenblicke auch schon eineLeiche ist, und der weiter nichts verbrochen hat, als harmlosseines Weges auf der öffentlichen Straße zu gehen, das sindVorfälle, ivürdig der Hauptstadt eines„an der Spitz« derZivilisation" gehenden Staates. Der Posten aber hat, wie dieBourgeoisblätter mit Genugthuung hinstellen, v o l l st ä n d i gkorrekt gehandelt.Eisenbahnunfall. Vom Königlichen Eisenbahn-BetriebsamtBerlin(Direktionsbezirk Erfurt) Anhalter Bahnhof, wird mit-gelheilt: Heut« Montag, den 4. April früh b Uhr 3S Minute»entgleiste infolge Radrcifenbruches der Postwagen des in Berlinum 7 Uhr 17 Minuten früh fälligen Frankfurter Schnellzugeszwischen Bitterfeld und Burg- Chemnitz. Nach Umlegung desCarpenterbremihebels wurde der Zug in zirka einer halben Btinutezum Stillstand gebracht. Bon Bitrerfeld wurde sofort«in Hilfszugzur Aufnahme der Reisenden abgeschickt, welche mit einer Ver-spätung von 1 Stunde 41 Minuten weiterfuhren. In Berlinkam der Zug mit 1 Stunde 83 Minute» Verspätung an. VonPassagieren und Beamten ist nach Mittheilung deS ZugführersNiemand verletzt. Beschädigungen an Maschine, Wagen undMaterial sind nur geringfügige.Geisteskranker. Am Sonnabend sprach in der Ritterftraßeein etwa 3S jähriger Mann mehrcre Passanten mit wirren Rede»an, wie: man hätte ihn ermorden wollen, er sei dcS MordeSder N i t f ch e angeklagt und doch völlig unschuldig u. s. w.Dem Unglücklichen schien sogar das Selbstbewußtsein, dasWissen um seine Identität abhanden gekommen zu sein,denn er äußerte weiter: Der Thäter sei aus Breslau, erwisse nun nicht mehr, ob er der Bctreffeude sei, und wolle,um dicS zu erfahren, nach Breslau reise». Es wurde Polizeigeholt, nm ihr den BedauernSwerthrn zu übergeben. Ein Bei-trag zu der Wirkung der Morde aus krankhaft veranlagte Ge-Hirne!Wegen deS Straßenkrawalls wurde am 13. Mär, einDroschkenkutscher Glatz zu einem Jahre Gefängniß verurtheilt.Di« Droschkenkutscher Wilhelm Glatz, Bandclstr. 23, und LudwigGlatz, Stephanstraße S1, sowie der Schmied Hermann Glatz,Stephanstraße 33. und der Stellmacher August Glatz, Reinicken-dorferstraße 28, ersuchen unS, um nicht mit dem Verurthelltenverwechselt zu werden, um die Mittheilung, daß sie mit diesemnicht identisch sind.Berliner Slsylverein für Obdachlose. Im verfioffenenMonat März 1832 nächtigte» im Männrrasyl 328S Personen,davon badeten 2353 Personen, im Frauenasyl IbvS Personen,davon badeten 124 Personen.Zum Inkrafttreten deS Rrbeiter-SchntzgesetzeS hat derPolizeipräsident von Berit», Freiherr von Richt hosen, unterdem 28. Mär) eine Bekanntmachung erlassen, welche auf die mitdem 1. April in Kraft getretenen Aenderungen der Reichö-Gewerbe-Ordnung hinweist. Sie bezieht sich auf die Arbeitsbücher derminderjährigen gewerblichen Arbeiter, von denen die für weib-liche Arbeiter einen brannen, die für männliche einen blauenUmschlag haben sollen; ferner auf die Einstellung von Kindern.auf die Lohnzahlungen, auf dw Einführung von Arbeits-Ordnungen, auf die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugend-lichen Arbeitern, Anlegung von Verzeichnissen der jugendlichenArbeiter u. s. w. Die Arbeits-Ordnung ist an geeigneter, allenbctheiligten Arbeitern zugänglichen Stelle auszuhängen. Der Ans-hang muß stets in lesbarem Zustande erhalten werden. Die Ar-beits-Ordnung ist jedem Arbetter bei seinem Eintritt in die Be-schäftigung zu behändigen.Solle» Arbeiterinnen und jugendlicheArbeiterin Fabriken beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor demBeginn der Beschäftigung dem Polizeirevier, in dessen Bereichdie Betriebsstätte gelegen ist, eine schriftliche Anzeige zn machen.Von Fabriken oder diesen gleichgestellten Anlagen, ivelche erst amoder nach dem 1. April dieses Jahres mit der Beschäftigung vonArbeiterinnen(gleichgiltig ob sie über 13 Jahre oderdarunter sind) oder von jugendlichen Arbeitern beginnen, mußdie Anzeige alsbald geschehe»; solchen Fabriken, welche bereitsvor dem 1. April 1892 Arbeiterinnen über 13 Jahre beschäftigthaben, wird zur Erstattung der Anzeige Frist bis zum 16. April1832 gewährt. Die Anzeige muß ersehen lassen, ob in demBetriebe Kinder unter 14 Jahren, junge Leute zwischen 14 und13 Jahren und Arbeiterinnen über 13 Jahr«, oder welche dieserdrei Arbeiterklassen beschäftigt werden solle». In der Anzeige sinddie Fabrik, dieWochentage, andenendieBeschästigung stattfinden soll.Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen, sowie die Art derBeschäftigung anzugeben. Eine Aenderung hierin darf regelmäßignicht erfolgen, bevor eine entsprechende weitere Anzeige an das Polizei-Präsidium gemacht ist. I» jeder Fabrik hat der Arbeilgeberdafür zu sorgen, daß in den Fabrikräumen, in welchem jugend-liche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallendenStelle ein Verzeich»iß der jugendlichen Arbeiterunter Angabe ihrer Arbeitstage, sowie des Beginnes und Endesihrer Arbeitszeit und der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat erdafür zu sorge», daß in den betreffenden Räumen eine Tafelausgehängt ist, ivelche in der von dem Herrn Minister für Handelund Gewerbe bestimmten Fassung und m deutlicher Schrift einenAuszug aus den Bestimimingen über die Beschäftigung von Ar-bciterinnen und jugendlichen Arbeitern«»thält. Den Fabrik-besitzern, welche derartige Personen bisher beschäftigt haben.werden Muster dieser Drucksachen zugehen, weiter erforderlichwerdende Formulare haben sie selbst zu beschaffen. Dieselbenmüssen in Papier, Druck und Ausstattung genau mit den Musternübereinstimmen, welche jederzeit bei den Polizeirevieren eingesehenwerden können.Polizelbericht. Am 2. d. M. Bormittags wurde ein Dienst-mädchen vor der Wohnung seiner Herrschaft in der Ritterftr. 37krank ausgefunden und sollte, da es über heftige Schmerzen klagte,nach dem St. Hedwigs- Kranlenhause gebracht werden, verstarbaber bereit? auf dem Wege dorthin.— Am Görlitzer Nfer 58—43wurde zu derselben Zeit die stark in Verwesung übergegangeneLeiche eines unbekannten, etwa 3S Jahre alten Mannes aus demKanal gezogen. Zu derselben Zeit fiel der Holzarbeiter Röschkein der Holzbereitungs- Werkstatt von Müller u. Ko., Friedrich-slraße 77, beim unvorsichtigen Oeffnen der Einfriedigung einesFahrstuhls durch denselben vom vierten Stock bis in das Erd-geschoß hinab und erlitt schwere innere Verletzungen. Er wurdenach der königlichen Klinik gebracht.— Aus dem städtischen Kies-platz am Planufer wurde zu derselben Zeit die Leiche eines obdach-losen Arbeiters aufgefunden.— Nachmittags fiel ein Kutscherbeim Besteigen des von ihm geführten Sprengwagens vor demHause Blumenstr. 2—3 rücklings auf den Slraßendamm herab underlitt am Hinterkopfe eine so erhebliche Verletzung, daß er be-wußtlos nach dem Krankenhaus« Bethanien gebracht werdenmußte.— Zu derselben Zeit stürzte ein Malergehilfe von einemvor dem Hause Oranienstraße 163 ausgestellten Bockgerüste in-folge eines Fehltritts auf den Büca ersteig herab nud erlitt einebedeutende Gehirnerschütterung. Er wurde nach der elterlichenWohnung gebracht.— Vor dem Hause Linienstraße 244a wurdeNachmittags ein obdachloser Drechsler von einer Droschke über-fahren und erlitt einen Bruch der rechten Kniescheibe, so daß«rnach dem Krankenhaufe am Friedrichshain gebracht werden mußte.— Zu derselben Zeit wurde vor dem Hause Heinersdorferstraße 12eine unbekannte, etwa 4öjährige Frauensperson aus einer Kops-wunde stark blutend und bewußtlos aufgefunden. Sie wurdenach der königlichen Klinik gebracht.— Abends sprangnahe der Sandkrugbrücke eine unbekannt«, etwa SOjährigeFrauensperson in selbstmörderischer Absicht in den Kanal, wurdejedoch noch lebend, aber bewußtlos aus dem Waffer gezogenjund nach der Charitee gebracht.— Am 3. d. M. Morgens wurdeunter der Treppe des HauseS Kaiser Wilhelmstr. 25 eine etwa18 b!S 20 Jahre alte unbekannte Frauensperson todt aufgefunden.Dieselbe war fast ganz entkleidet, und als sie gefunden wurde,noch warm. Die Nachforschungen haben bisher in Betreff desTodes und des Thäters ein Ergebniß nicht gehabt.— Zu der-selben Zeit wurde ein Fuhrherr in seinem Pferdestall in derKolonieflraße und Abends ein Kaufmann in seiner Wohnung inder Eulmstraße erhängt vorgefunden.— Vormittags wurde ei»Bauwächter im Keller des Hauses Leipzigerstr. l3 bewußtlos aus-gefunden; anscheinend ist er durch Aethergas», welche sich ausdort aufbewahrten Lampen entwickelt hatten, betäubt worden.—Auf dem Treppenflur des Hauses Ritterstr. 22 vor der Woh-nung feiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau erschoß sichNachmittags ein Arbeiter mittelst Revolvers.— Im Lust-garten wurde zu derselben Zeit«ine siebzigjährige Frau voneiner Kutsch« überfahren und so bedeutend verletzt, daß fie nachder Charitee gebracht werden mußte.— Oberhalb der Freiarchen-brück» fiel Nachmittags ein fünfjähriger Knabe beim Spielen inden Fluthgraben, wurde jedoch noch lebend aus dem Wasser ge-zogen und seinem Vater übergeben.— Abends fiel dein 7öjährigenTischlermeister Dankert vor dem Haus« Friedrichstr. 150 einetwa zwei Pfand schweres Stück einer an diesem Haus, an-gebrachten elektrischen Lampe auf den Kopf, so daß er eine be-deutende Verletzung erlitt.— Im Thiergarten, nahe dem NeuenSee, brachte sich zu derselben Zeit«in außerhalb Berlins wohnen-der Beamter mittelst Revolvers drei Schüsse in die Brust undzwei in die Schläfe bei. Er wurde noch lebend nach der Chariteegebracht.— Vor dem Hause Königgrätzerstr. IIS fiel AbendS einBäcker beim Abspringen von einem in der Fahrt befindlichenPferdebahnwagen zur Erde und erlitt eine so bedeutende Ver-letzung am Fuß, daß er im Krankenhaus« Moabit Aufnahmesuchen muhte.— Am 2. d. M. fanden 7 klein« Brände statt.Thraker.ThomaS» Theater. Sonntag Abend fand eine Wieder»aufnahm« der Kneisel'schen Posse„Papageno" statt. DaS Theaterwar leider nur schwach besucht, aver dessenungeachtet hat daSPublikum diese Wiedervorführung des Kneisel'schen Stückes sehrfreundlich aufgenommen. Kneisel ist ein alter Bühnenroutinier,der die Mache kennt und sein Publikum zu nehmen weiß.„Papageno" zählt zu den besseren Arbeiten dieses Genres undamttsirt, das Publikum lebhast, was den gleichfalls anwesendenAutor jedenfalls angenehm berührt». Di« Aufführung war einedurchaus gelungene. Vortrefflich wurden dargestellt: Bollwitz,Tineke und Wurzel; die Herren: Wirth. Kaiser und Walde».Ferner: Karolin«, Bertha und Minna— M. Körnig, Fräul.Mayen und Schlüter. Auch die übrigen Mitwirkenden thatenvollauf ihre Schuldigkeit. Zum Zugstück wird es wohl schwerlichwerden, denn dazu fehlt ihm der Reiz der Neuheit und diepackende Wirkung.Gerickks-Äekkung;Prozeß Polle.Die Verhandlungen in der Anklagefache gegen den BankietPaul Polle, welcher sich genau ein Jahr in Uiitersuchungshaftbefindet, begannen heute Vormittag vor der dritten Straffammerhiesigen Landgerichts l, und wenn sich die Prophezeihung bewahr-heilen sollte, daß die Verhandlungen sich mehrere Wochen hin-ziehen, dann dürfte dieser Prozeß ein Seitenstück zu dem erstenZentralstraßen-Prozeß unrühmlichen Angedenkens darstellen.Der Angeklagte wird des Betruges in 32 Fällenbeschuldigt und was in der einjährigen Untersuchung gegen ihnzusammengetragen worden ist. füllt einen dicken Anklageband.Trotzdem ist der Thatbestand, der durch die mehrere HundertSeiten lange Anklage illustrirt wird, ein ziemlich einfacher.Der Angeklagte, welcher seit 22 Jahren im Bankfach thätigist und vom Jahre 1885 an Mitinhaber der Firma Bär. Polleund Ko. war. begründete im Jahre 1888 Hierselbst ein eigenesBankgeschäft mit einem Kapital von 100 000 M. Bald nach derEröffnung desselben gab er unentgeltlich«ine Wochenschrist unterdem Titel„Börsen-Zirkular" heraus, dl« vom Februar 1383 biszum 17. August 1830 unter dem Titel„Berliner Börsen-irkular" in vergrößertem Umfang« zunächst gegen«in jährlichesbonnement von 3 M. und vom 1. April 1883zu einem jährlichen Abonnement von 10 M. erschien.Alsdann wandelte sich daS Zirkular in„Berliner Börsen-journal" um und wurde zweimal wöchentlich von dem BruderdeS Angeklagten, Huao Polle, herausgegeben, nach der Meinungder Anklagedehörde soll jedoch der Angeklagte den allein maß-gebenden Einstuß auf das Blatt ausgeübt haben. Das Pro-gramm, welches das Blatt feiner eigenen Versicherung nach be-folgte, war für das große Publikum höchst bestechend, denn eswurde dahin erläutert: durch sachgemäße Ralhschläge das derBörse fernstehende Publikum vor Verlusten zu schützen, diegenauesten, aus besten Quellen geschöpften Informationen überdie an der Börse gehandelten Werth« zu geben und speziell ineinem Brieskasten, dem besondere Aufmerksamkeit geschenktwurde, die an das Blatt gerichteten Anfragen über Werthpapierezum Nutzen aller Polke'schen Kunden und aller Jntereffeuten zubeantworten.Die Anklage behauptet nun, daß der Angeklagte sich seinenLesern gegenüber fälschlich den Anschein gegeben hat, als steheer mit einer großen Reihe von anoesehe en Persönlichkeiten inVerbindung und als habe er vielen Personen Ralhschläge ertheilt.durch welche er ihre Anerkennung erworben hat. Er soll zunächstdurch die Antworten, die er auf die angeblich von Offizieren,Exellenzen, Geistliche», Professoren, Gutsbesttzern:c. eingegangenenAnfragen ertheilte, sich nach und«ach das volle Vertrauen des