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Lokales. Vou derFrankfurter Zeitung  " erhalten wir folgendes Schreiben: Unter Bezugnahme auf die in Ihrem Blatte Nr. 75, 1. Bei- lage, enthaltene Notiz erlauben wir uns darauf anfmerlsam zu machen, daß das darin angeführte Inserat: Ein junger kräftiger Mann wünscht mit einer alteren Dame bekannt zu werden." in dem Jnseratentheil derFrankfurter Zeitung  " nicht enthalten war. wie überhaupt derartige Inserate grundsätzlich von uns ab­gelehnt werden." Wir müssen also hiernach annehmen, daß der betreffende Einsender dieses Inserats, einer unserer Frankfurter   Abonnenten, sich in der Quellenangabe getäuscht hat. In derselben Notiz aber wurde noch ein anderes Inserat derFrankfurter Zeitung  " aus dem dritten Morgenblatt der Nr. 76 vom 16. März, das uns derselbe Abonnent im Ausschnitt mittheilte, erwähnt, welches folgendermaßen lautete: Heirath! Ein Herr. 34 Jahre alt. Christ, tüchtiger Kaufmann. von tadellosem Rufe, stattliche Erscheinung, in einträglicher Stellung und mit nachweislich späterem Ver- mögen, wünscht behufs Verhcirathung die Bekanntschaft einer reichen Dame zu macheu. Suchender steht nicht auf vortheilhastes Aeußere und wollen auch Damen mit körperlichen Gebrechen vertrauensvoll nicht- anonyme Briefe nebst genauer Angabe der Verhältnisse unter 8116 an die Expedition dieser Zeitung gelangen lassen. Ehrenhafte Vermittler nicht ausgeschlossen. Verschwiegen- heit zugesichert und erwartet. Dieses Inserat wird von derFrankfurter Zeitung  " nicht bestritten, und da uns zufällig die betreffende Stummer dieses Blattes noch zur Hand ist, so haben wir uns überzeugen können, daß hier ein Jrrthum des Einsenders ausgeschlossen ist. Wie die Versich erung der Expedition,daß derartige Inserate grundsätzlich von ihr abgelehnt" werden, mit dem Inhalt der vorstehenden Anzeige in Einklang zu bringen ist, das zu errathen müssen wir dem Expeditions-Weisen derFranks. Ztg." überlassen. Da aber das Inserat nicht ungedruckl gemacht werden kann und da der schamlose Inhalt bezahlt worden ist, halten wir alle Schlußfolgerungen, welche wir s. Z. in unserem ersten Artikel an die Veröffentlichung solcher Schandinserate knüpften, nach jeder Richtung hin aufrecht. Z» einer erhebende» Tranerfeier gestaltete sich am Mittwoch der vergangenen Woche die Beerdigung unseres Ge- nossen Emil Schmidt, eines wackeren Kämpfers für die Sache des Proletariats. Der Verstorbene war lange Jahre bei Herrn Kommerzienrath Pietsch thätig, der das Andenken seines Arbeiters dadurch ehrte, daß er seinen Sohn zu der Beerdigung entsandte. Di« Zahl der Leidtragenden war eine ungeheuer große, die Ver- eine, deren Mitglied der Verstorbene gewesen war, hatten ohne Ausnahme Deputationen entsandt. Der Trauerkondukt setzte sich um 4 Uhr vom Trauerhause, Eisenbahnstr. 83, unter Vorantritt einer Musikkapelle in Bewegung nnd nahm seinen Weg durch die Skalitzer- und Mariannenstraße, den Kottbuser Damm entlang nach dem Enimaus-Kirchhofe, wo der Verstorbene zur letzten Ruhe gebettet wurde. Die AbgescMdten der Vereine widmeten am Grabe ihrem unvergeßlichen Mitglieds warm empfundene Abschiedsworte und warfen Kränze mit Widmungen in das Grab, so daß der Sarg sehr bald von Kränzen bedeckt war. Die Wiltwe des Entschlafenen, die des Ernährers ihrer sechs unmündigen Kinder beraubt ist, wurde vom Schmerz derartig ergriffen, daß es der innigsten Trostesworte bedurfte, um dieselbe wenigstens etwas aufzurichte». Voll tiefen Ernstes verließ das Trauergefolge den Friedhof, auf welchem ein treuer, opferwilliger Genosse zum ewigen Schlaf gebettet worden war. Zur Tchiesiaffäre an der Kaserne des 8. Gnrde-Jnfanterie- regiments schreibt uns ein Augenzeuge des Vorfalls, uns münd- lieh die Wahrheit seines Schreibens bestätigend: Ein direkter Augenzeuge, welcher bei dem Vorkommniß in der Nacht von Freitag zu Sonnabend vor der Kaserne des dritten Garde-NegimentS anwesend war, sieht sich veranlaßt, den verschiedenen falsche» Nachrichten in der Presse gegenüber folgendes zu veröffentlichen. Der wachhabende Posten ging zur bekannten Zeit vor der Kaserne auf dem Trottoir, als zwei Personen die Straße eben- falls passtrten und anscheinend angetrunken an dem Posten vor- übergingen und an das nach vorn gehaltene Gewehr des Soldaten stießen. Derselbe äußerte darüber seinen Unwillen und so entstand der Streit. Die beiden Personen äußerten, er solle sich nur nicht gefährlich haben, sie seien auch Soldat ge- wese», und sie können auf dem Trottoir gehen, denn sie bezahlen Steuern. Darauf sagt» der Soldat, wenn sie nicht gingen, werde er sie arretiren, woraus Beide erklärten, sie ginge» mit, er solle sie arretiren, der Posten that dies jedoch nicht, sondern drehte sich um und ging dem Haupteingang zu, woraus die Beiden ihm ebenfalls einige Schritte folgten und ihre Slrretirung verlangten, und zwar wenigstens sechs Mal. Sie kehrten jedoch alsdann um, und entsernten sich schimpfend. Als die Beiden etwa zehn Schritt von dem Posten ab zurückgelegt hatten und anscheinend Alles vorüber war, wurde aus dem ersten Stock, ungefähr das sechste Fenster hinter dem Eckbau, plötzlich dem Soldaten zugerufen: Arretire sie d»ch oder schieß sie über den Haufen. Darauf rief der Soldat, der sich inzwischen auch wieder umgedreht hatte, den beiden Fort- gehenden zu:Sie sind meine Arrestanten", worauf beide zu laufen anfingen. Sofort machte der Soldat sich schußfertig und schoß auf die Laufende» in eiuer Distance von ungefähr 3v Schritt, ohne auch nur einmal Halt zu rufen. Von einer Bedrängniß mit einem Messer hat Zeuge nichts gesehen, trotzdem er von Anfang des Streits an, immer in der Nähe des Postens von ungefähr 36 Schritt war, nur hat er bemerkt, daß einer der Streitenden stets eine Hand in der Hosentasche hatte. Auch hat Zeuge dem erschienenen Polizei- Lieutenant auf die Frage, was geschehen sei, als die Antwort stammelnd von dem Posten gegeben wurde, er sei mit dem Messer angegriffen worden, sofort dieses bestritten. Der Zweitgetroffene, jener unschuldige Zimmerer Treber  , der zufällig des Weges kam, mußte eine halbe Stunde auf dem Straßendamm liegen, ehe er in die Kaserne getragen wurde. Es war schauerlich aiizusehen, wie der Verwundete in einer Blullache immerfort zuckte. Wieder- holt verlangte das umstehende erbitterte Publikum den Fort- transport des zuckenden Körpers. Zeuge hat den Eindruck, daß Gefahr für den Posten nicht vorlag, sondern daß dieser durch den Zurus angereizt worden sei. Zu« Morde in der«aiser Wilhelmstraste. Unsere Kriminalbeamten haben Dienstag morgen sämmtlich Photographien der Leiche der ermordeten Lumpensammlerin erhalte» und haben, damit versehen, in den Lumpen- und Produktenkellern Berlins  behufs Rekognoszirung der Tobten umhergefragt, doch waren alle diesbezüglichen Nachforschungen bis heute vergeblich. Die noch lebende Susanne ist gestern Vormittag nach dem Polizei- Präsidium zitirt worden, um über die Erinordete Auskunst zu geben, jedoch erklärt« die Zeugin, ihre Nainensvetterin überhaupt nicht zu kennen. Leider ist auch die von der Tobten gefertigte Photographie nicht gut getroffen, so daß Personen, welche die Ermordete im Leben gekannt, dieselbe nach dem ihnen vorgelegten Bildniß nicht wieder zu kennen vermögen. Die Todte war übrigens nicht allgemein unter dem Namen Susanne bekannt, sie muß demnach noch«inen anderen Spitznamen gehabt haben. Nach Zeugenaussagen hat die Ermordete stets ein braunes gelb- fesprenkeltes Kopstuch getragen und eine Steingutkanne, wie in olchrn in der Zentral-Martthalle gekochter Kaffee verkaust wird, sowie eine schwarze etwa 10 Zentimeter lange und 3 Zentimeter breite Schnupftabaksdose bei sich gehabt. Diese Gegenstände fehlten bei der Auffindung der Leiche und ist es nicht anzunehmen, daß die Lumpensammlerin diese ihre Habe kurz vor ihrem Tode verschenkt hat. Für die Untersuchung wäre es wichtig, zu erfahren, wohin diese Gegenstände gekommen, resp. wer sich im Besitz derselben befindet. Die Kriminalpolizei hat übrigens gestern eine Skizze des Vorkellcrs des Hauses Kaiser Wilhelmstraße 12, in welchem der Mord muthmaßlich geschehen ist, anfertigen lassen. Einblicke i» daS Leben der bemitleidenSwerthesten der Proletarier hat die Blutthat in der Kaiser Wilhelmstraße er- öffnet. Daß die Leiche der erschlagenen Frau Tage lang nicht rekognoszirt werden konnte, wäre vielleicht noch durch die eigen- artigen Verhältnisse der Großstadt zu erklären, weniger erklärlich aber ist es, daß eine Spur der oder des Thäters von der Polizei nicht ermittelt werden konnte, trotzdem dieser die Leiche geraden Wegs ins Haus getragen worden ist, denn in dem Hause Kaiser Wilhelmstraße 2S befindet sich eine Polizeiwache. Als die Polizei noch der Meinung war, die Leiche der Sakowsky vor sich zu haben, wurden den Zeitungen auch Notizen über deren Leben mitgetheilt. Wir berichteten schon, daß die Sakowsky Lumpen- sammlerin vulgo Naturforscherin ist. Die Frau war arbeits- unfähig und hatte deshalb dasRecht", die Nächte im Asyl für Obdachlose in der Danzigerstraße zuzubringen. Ein eigenthüm- liches-Recht" fürwahr. Die Frau ist arbeitsunfähig, also nicht in der Lage, sich durch ihrer Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die mitleidsvolle bürgerliche Gesellschaft hat denn auch Erbarmen mit der Armen und gewährte ihr das Recht, die Nächte im Asyl verbringen zu dürfen. Da giebt's sogar des Morgens noch einen Napf Suppe und Abends ein Stück trockenes Brot, für eine Lumpensammlerin Leckerbissen genug! Welch' ein trauriges Leben muß diese Frau geführt haben: Während des Tages einem eklen Beruf uachgehen, der gerade so viel abwirft, daß man nicht Hungers stirbt, und Nachts im Asyl kampiren. Und das Woche für Woche, Jahr für Jahr. Lohnt es sich denn überhaupt, deshalb zu leben? Die bürgerliche Presse hat natürlich anläßlich der blutigen That wieder alle Hände voll zu thun, uul ihren Lesern vor der Rohheit desobdachslosen Gesindels" graulich zu machen. Wes- halb diesesGesindel" obdachslos ist, darum kümmert sie sich weiter nicht. Es hat sich im Laufe der polizeilichen Erhebungen herausgestellt, daß in den offenen Vorkellern einiger Häuser der Kaiser Wilhelmstraßeobdachsloses Gesindel" nächtigt. In diesen Vorkellcrn liegt gewöhnlich Stroh, Papierabfall ec. und das ist demGesindel" gerade recht, uin sich eine Lagerstatt daraus zurecht zu machen. Die armen Obdachslosen buddeln sich in das Stroh, nm vor der noch immer recht empfindlichen Nachtkülte wenigstens etwas geschützt zu sein. Glaubt denn die Bourgeoisie, es sei ein Vergnügen, die Nacht in einem dumpfigen Winkel zu liegen? Dasobdachlose Gesindel  " würde sich nicht einen Augenblick besinnen, wenn es zu wählen hätte zwischen dem Aufenthalt in dem Vorkellcr oder dem in einem guten Bett. Wenn nicht die furchtbare Noth die Leute dazu zwingen würde, schlechter zu leben und schlechter zu schlafen, wie ein Ziehhund, von freien Stücken wird sicher Niemand sein Bett mit dem Stroh eines Vorkellers vertauschen. Die bürgerliche Presse braucht sich deshalb über dasGesindel" nicht bei jeder Gelegenheit so aufzuregen. Dasselbe ist ein noth- wendiges Anhängsel der kapitalistischen   Gesellschaft, die wohl oder übelGesindel" erzeuge» muß, weil sie sich ausbaut aus dem Ruin und der Auspowerung der wirthschaftlich Schwachen. Dieser Auspowerung wird aber auch eines Tages ein Ziel gesetzt sein, denn die rapid wachsende Zahl der bereits Ausgebeuteten macht dasGeschäft" immer weniger Nutzen bringend. Erfährt aber der kapitalistische Staat eine Umwandlung im Sinne der Sozialdemokratie, dann verschwindet dasobdachlose Gesindel" ganz von selbst, und es bedarf auch nicht mehr der Proklamirung einesRechtes" auf Suppe, Brot und Matratze des Asyls für Obdachlose. Ans der Charit« geht uns ein Schreiben mit 42 Unter- schriften zu, welches die in der Station für Geschlechtskranke befindlichen Patienten an uns abgesandt haben. In dem Schrift- stück wird Bezug genommen aus den Bericht über die Stadt- verordneten-Versammlung vom 24. März, in welcher der Stadt- verordnete Zadel   Beschwerde führte über die Art der BeHand- lang, welcher die in jener Station untergebrachten Kranken unterworfen würden. Herr Stadtverordneter S p i n o l a ergriff zur Erwiderung das Wort und bemerkte u. a., daß die meisten dieser Kranken ans Prostituirten und Zuhältern beständen, die gesondert zu halten die Rücksicht auf die übrigen Kranken gebiete. Gegen die AusdrückeProstiluirte und Zuhätter" wird in der erwähnten Zuschrift aus das Entschiedenste protestirt und finden wir denn auch unter den Unterschriften fast alle Berufszweige vertreten: Arbeiter, Buchhalter, Posthilfsboten, Monteure, Kellner, Bäcker, Graveure, Tischler, Schlosser u. s. w. Wie Herr Spinola somit dazu kommt, die Mehrzahl dieser Kranken mit derartig wenig liebenswürdigen Ausdrücken zu belegen, ist nicht recht er- findlich. Die Leute haben doch kein Verbrechen begangen. Sie haben sich durch Ansteckung eine geschlechtliche Krankheit zugezogen und das ist doch etwas, was schließlich Jedem passiren kann. Oder meint Herr Spinola, in den sogenanntenbesseren" Gesell- schaftsschichten komme so etwas nicht vor? Wenn jedes Bougcois- söhnlein, das gcschlechtskrank ist, zu einem Zuhälter degradirt würde, dann würde es in Berlin   sicher ebenso viel Zuhälter wie anständige Leute geben. Die Jsolirnng der Geschlechtskranken ist ja ganz selbst- verständlich, dieselbe erfolgt aber in der Charitee in einer Weise, als ob ein Sträfling in die Strafanstalt eingeliefert würde. Da grebt's ein Schlüsselrasseln und Kommandiren, denn die Ansicht des Herrn Spinola von denZuhältern" wird auch von den Unterbeamlen getheilt, wie der Herr, so der Diener! lieber die Lagerstätten führen die Kranken lebhafte Klage. Eine Bett­stelle mit Strohsack, Laken, Kopfliffen ohne Federn und eine wollene Decke erinnern wiederum au vergitterte Fenster. Nimmt man an, daß die überwiegende Mehrzahl der Kranken Tag und Nacht im Bett kampiren muß, so läßt sich leicht denken, daß sich diese Klagen sehr oft zu lauten Mißfallsäußerungen ver- dichten. Ueber die Kost zu klagen, liegt schließlich keine Ver- anlassung vor; es liegt in der Natur der Sache, daß die strengste Diät beobachtet wird. In der Charitee grenzt dieselbe an einen Hungerversuch ä 1a Cetti. An Kosten u. f. w. haben die Geschleqrskranken ebenfalls die üblichen zwei Mark pro Tag zu zahlen, für einenZuhälter" immerhin eine Summe. Im großen Ganzen hätte es sicher nichts schaden können, wenn Herr Spinola in der Wahl seiner Ausdrücke etwas vorsichtiger ge- wesen wäre. Die Firma Bär Sohn hat ein Flugblatt verbreiten lassen, das gegen die Agitalionskoinmission der Schneider Berlins ge- richtet ist. In demselben heißt es:Nachdem wir den Partei- vorstand in der Angelegenheit interpellirt hatten, hielt es das Zentralorgan der deutschen   Sozialdemokratie, derVorwärts", in Erkennung des gleichen Rechts für angebracht, unserer Recht- fertigung ihre Spalten zu öffnen". Die Firma scheint trotz der Parteigenossenschaft ihrer Inhaber noch nicht zu wissen, daß kein sozialdemokratisches Blatt erst vom Parteivorstand zur Erkennung des gleichen Rechts veranlaßt zu werden braucht, jedenfalls ist jene Ausdrucksweise so unschicklich wie möglich. Der Firma Bär Sohn ist von vornherein gleiches Recht widerfahren; nicht mehr, nicht weniger. Ju der Arbeiter- BildnngSschule fällt der Unterricht in der Nationalökonomie am 16. April der Generalversammlung wegen und am 17. April wegen des Osterfestes aus. Am 24. April beginnt der Unterricht in der Nationalökonomie in den Armin- hallen, Kommandantenstraße. Brand. Gestern Abend kurz nach 3 Uhr entstand in dem Hause Oranienburger st raße 6 im Dachraum Feuer, welchem beinahe ein Menschenleben zum Opfer gefallen wäre. Nachdem sich das Feuer ziemlich über den ganzen Dachraum ver- breitet hatte, sah man in der Dachrinne einen Mann auftauchen, welcher sichtlich nach einem Rettungsweg suchte. Kurz ent- schloffen klammerte er sich an der Dachrinne fest und wollte dm Sprung auf die Straße wagen. Doch im selben Augenblick er- schienen Leute am Fenster des Hauses Nr. 7 und reichten ihm einen Strick, welchen er sich um den Körper wandt und zogen ihn zum Fenster hinein, was von der auf der Straße stehenden Menge mit einem freudigen Bravo begleitet wurde. Wäre eine Minute später diese Hilfe gekommen, so hätte der Bedauerns- werthe den Sprung auf die Straße wagen müssen oder er wäre, vom Qualm betäubt, herunter gefallen, denn im nächsten Augen- blick stand auch diese Ecke des Gebäudes in Flammen. Erst als der Dachstuhl vollständig abgebrannt war, erschien der erste Zug der Feuerwehr aus der Linienstraße, dem bald drei Züge nach- folgten, welche nach Verlauf einer halben Stunde des Feuers Herr wurden. Polizeibericht. Am 5. d. M. Morgens wurden im Spandauer  Schifffahrls-Kanal, im Landwehr-Kanal und in der Spree   drei Leichen angeschwemmt, und zwar an der Kielerbrücke die Leiche eines unbekannten, etwa 25 jährigen Mannes, an der Freiarche die Leiche eines Arbeiters und unter der Moltkebrücke die Leiche einer unbekannten, etwa 40 Jahre alten Frauensperson. f'Zu der- selben Zeit erlitt ein Eigenthümer in seiner Wohnung, Köpnicker- straße 192, dadurch schwere Brandwunden am Oberkörper, daß er beim Füllen einer Lampe Petroleum verschüttete und seine Kleider dabei Feuer fingen. Er mußte nach dem Krankenhause Bethanien gebracht werden. Vor dem Hause Blumenstraße 49 wurde Morgens ein Arbeiter von dem Pferde eines Möbelwagens geschlagen und am Oberschenkel bedeutend verletzt. Mittags wurde ein Straßenreiniger in seiner Wohnung in der Pappel- Allee erhängt vorgefunden. Nachmittags wurde ein 8jähriger Knabe vor dem Hause Blücherstr. 18 von einem Bierwagen über- fahren und so schwer verletzt, daß er nach dem Krankenhause Am Urban   gebracht werden mußte, wo er bald darauf verstarb. An der Ecke der Gubener- und Königsbergerstraße wurde Abends eine Arbeiterin schwer erkrankt ausgefunden und nach dem Krankenhause am Friedrichshain   gebracht. Sie hatte sich mittelst Zuckersäure zu vergiften versucht. Nachmittags fanden zwei kleinere Brände statt. Gerickks-Ieikung; �Prozeß�Polke. In der heutigen dritten Sitzung, welche Landgerichtsdirektor Barschdors um 9 Uhr eröffnet, wird der ehemalige Korrespondent im Polke'schen Geschäft Max A r o n vernommen. Derselbe hat auch Artikel für das Äörsen-Journal geschrieben und weiß, daß sehr zahlreiche Anfragen bei dem Angeklagten eingingen. Er selbst hat mehrere Notizen über Faconschmiede in günstigem Sinne geschrieben, weil er selbst das Papier für ein gutes hielt. Jede briefliche Anfrage wurde zunächst brieflich beantwortet und da die meisten die Beantwortung im Briefkasten erbaten, wurde auch diesem Verlangen entsprochen. Rechtsanwalt Dr. Fried- mann legt eine große Anzahl solcher Briefe vor, welche der Zeuge erledigt hat und behält sich vor, aus diesen und zahlreichen anderen Briefen zu beweisen, daß die Anklagebehörde den An- geklagten fälschlich beschuldigt, solche Briefe fingirt zu haben und daß dieselben wirklich von Respektspersonen herrühren, daß es sich um durchaus börsenkundige und keineswegs um kritiklose Personen handelte und daß in den Briefen die Beantwortung im Brief- kästen unter einer beliebigen Chiffre verlangt wurde. Ferner bemerkt der Vertheidiger: Der Staatsanwalt habe 231 Notizen über Faconschmiede ausgestochen und behauptet, daß, nachdem der Angeklagte seinen Aktienbesitz losgeschlagen, plötzlich keine Anfragen über Faconschmiede mehr gekommen seien. Die Ver- theidigung habe nun noch ca. vo solcher Notizen herausgefunden, so daß 300 solcher Notizen vorliegen. Die Vertheidigung hoffe, daß es genüge, wenn sie nun auch 300 Originalbriese vorlege, sei aber bereit, eventuell noch mehr herauszusuchen. Alsdann tvird der Zeuge Dr. Fuchs noch einmal vor­gerufen. Derselbe bekundet, daß er Briefkasten- Notizen nicht in dem Sinnefingirt" habe, wie der Rechtsanwalt Silbergleit. Er habe sich stets die eingegangenen Briefe als Unterlage ge- nommen und seine Antworten im Briefkasten darauf ertheilt; manche Briefe haben ihm auch hier und da die Anregung gegeben, andere ähnliche Papiere zu berühren, er habe auch wohl manchmal die Form der Briefkasten- Notiz' ge­wählt, um seine Ansichten auszudrücken. Niemals aber seien von ihm solche Notizen in dem Sinnefingirt" worden, daß er etwa entstellte oder unzutreffende Thatsachen ver- breitete. Faconschmiede hat Zeuge für so gut gehalten, daß er sich selbst 600 M. Aktien kaufte. Jeden Verdacht, als ob er ent- fernt mitgewirkt hätte zur Täuschung des Publikums wenn eine solche überhaupt vorliege müsse er weit von sich weisen. Zeuge Silbergleit wiederholt, daß er nie selbständig größere Artikel über Faconschmiede geschrieben und daß über Alles, was er geschrieben, dem Angeklagten die letzte Korrektur bezw. Ergänzung zustand. Er habe allerdings Briefkasten- notizenfingirt", indem er aus anderen Zeitungen die An- regung zu solchen Stottzen entnahm, der Inhalt der Notizen sei aber nicht fingirt gewesen, sondern habe seiner wohlerwogenen Anschauung stets entsprochen. Manchmal habe ihm der An- geklagte auch Notizen diklirt, bei denen sicher keine Anfrage zu Grunde lag, er habe aber den Briefkasten für eine durchaus zu- lässige literarische Form erachtet, zumal die ganze Haltung des Blattes durchaus jede Kritik vertrug und er dem Angeklagten eine mala Ildes nirgends zur Last legen konnte. Der Zeuge er- wähnt als einen eklatanten Fall, in welchem der Angeklagte ohne vorliegende Anfrage eine Briefkastennotiz diklirt habe, den folgenden: Die Packetfahrt- Gesellschaft habe dem Angeklagten eines Tages brieflich angezeigt, daß sie ihm für ein Inserat nur 72 M. bewilligen wolle. Mit diesem Brief in der Hand habe ihm Polle eine Brieskasten-Notiz gegen die Gesellschaft diktirt. Der Angeklagte bestreitet dies. Nach der Bekundung des Zeugen hat ihm Polle auch»-iederholt Notizen in Zeitungen angestrichen, um dieselben als Briefkasten-Notizen verarbeiten zu lassen. Der Zeuge verwahrt sich gegen den Vorwurf der Vertheidigung, daß er in der Voruntersuchung etwas anderes gesagt habe, als hier bei seiner Zeugenaussage. Rechtsanwalt Dr. F r i e d m a n n de- hält sich den Beweis daiür vor, daß die von der Hand des Zeugen herrührenden Artikel doch anders zu Stande gekommen seien, als er angebe. Der Zeuge sei s.Z. sehr ängstlich gewesen, daß es ihm ebenso gehen könne, wie Polle; er habe sich infolge dessen in der Vorunter- suchung einmal beim Untersuchungsrichter melden lassen und gesagt, daß erf ängstlich geworden sei, weil ein Angestellter des Polke'schen Geschäfts bei ihin gewesen sei. Dies habe zur Folge gehabt, daß damals der Antrag Polles aus Haftenttassung wegen Gefahr der Verdunkelung abgelehnt wurde. Zeuge S i l b e r g l e i t ver- bleibt ferner bei der auch von der Anklage aufgenommenen Be- hauptung, daß der Angeklagte eines Tages von Harzburg   oder Sylt aus die Ordre ertheilt habe:Ueber Facon kein Wort mehr!" Es seien denn auch zahllose Anfragen darüber gekommen warum das Journal plötzlich so still über Facon sei. Rechts- anwalt Dr. Friedmann legt sofort«me ganze Reihe von Brieskasten-Notizen vor, welche auch nach jener Zeit in der alten Weise die Faconschmiede-Aktien empfehlen. Auf weiteres Befragen bestätigt der Zeuge, daß die Insertion von Prospekten, Bilanzen ee. keinen Einfluß auf die Süt der Besprechung der betr. Papiere