1. Beilage zum„Vorwärts" Berliner VoWIatt.Nr. 100.Freitag, den 29. April 1892.9. Jahrg.VovlnmenksveviSike.Abgeordnetenhaus.S2. Sitzung v o m 28. A p r i l, 11 N h r.Am Ministertische: Graf zu Eulenburg» vonBötticher, Herrfurth, v. Schelling. v. Berlepsch,Miquel, von Heyden, Thielen, Bosse.Der Abg. Spangenberg- Hameln(fk.) ist verstorben.DaZ HauZ ehrt sein Andenken in der üblichen Weise.Zur ersten Berathung des Nachtragsetats ergreift zu-nächst das WortFinanzminister Miqnel: Der Nachtragsetat soll die finan-ziellen Verhältnisse regeln, welche die Einsetzung eines besonderenMinisterpräsidenten nothwendig gemacht. Für den Minister-Präsidenten ist dasselbe Gehalt wie für die anderen Minister ein-gesetzt; er hat, wie alle übrigen Minister, Anspruch aus freieDienstwohnung, für welche ein fiskalisches Gebäude nicht zurVerfügung steht. Ob mit den ausgeworfenen Geldmitteln aus-zukommen sein wird, hängt von den Verhältnissen ab. Eventuellwird«ine Ueberschrritung der Forderung eintreten müssen.Abg. Rickert(dfr.): Die Situation, unter welcher die Be-rathung erfolgt, ist eine eigenthümliche. Daran ist unsereGeschäftsordnung schuld, welche mich verhinderte, da-mals dem Ministerpräsidenten sofort zu antworten, alser seine ersten Bemerkungen machte. Di« Herrenvon der Rechten haben den neuen Ministerpräfidentenmit lebhaftem Zischen begrüßt, wie ich noch niemalseinen Minister habe empfangen sehen, der doch an den Vorgängenziemlich unschuldig war. Die Herren hätten doch auch das Be-dürfniß haben müssen, ihr Zischen in gutes Deutsch zu über-tragen. Vor den Ferien wurde von Herrn Hobrecht die Ver-tagung der Debatte über den Nachtrags- Etat beantragt und eswurde nachher so dargestellt, als ob die Vertagung von denNationalliberalen oder den Freifinnigen angeregt sei. Die ersteBesprechung darüber fand statt auf Anregung der Mehrheits-Parteien; man muthcte uns zu, ohne Diskusston den Nachtrags-Etat an die Kommission zu verweisen. Herr Hobrecht warschließlich so gutmüthig, den Antrag auf Vertagung zu stellenund wurde bloßgestellt, als wenn er die Diskussion scheute. Erwird wohl in Zukunst bei solchen Verhandlungen hinter denKoulissen etwas vorsichtiger sein. Es ist jvon der rechten Seiteniemand zum Wort gemeldet(Widerspruch rechts), vorhin wardas nicht der Fall. Warum haben denn die Herren so langegewartet? Das Schulgesetz ist zurückgezogen, das erfüllt unsnicht mit Trauer, aber auch nicht mit besonderem Jubel. Wennwir im Partei- Interesse hätten Wünsche äußern können,wären es die gewesen, daß das Schulgesetz noch eineReihe von Wochen auf der Tagesordnung gestanden hätte.Das Schulgesetz hat die Schläfer im Lande aufgerüttelt und dieVertrauensseligkeit beseitigt; es hat gezeigt, daß bei uns nochElemente vorhanden sind, welche das Staatsschiff auf gefährlicheKlippen bringen können. Es hat aber auch gezeigt, daß Parteienvorhanden sind, welch« nur durch die Politik Bismarck's getrenntsind.(Aha! im Zentrum). Wir waren entschlossen, Schritt fürSchritt, bis in den Sommer hinein die Opposition gegen dasSchulgesetz zu führen. Es wäre Ihnen nicht gelungen, d,e Sacheversumpfen zu lassen; hätte die Session bis zum Herbste ge-dauert, durchgekommen wäre das Schulgesetz wohl doch nicht.Ob das Schulgesetz eine Mehrheit gefunden hätte, weiß ich über-Haupt noch nicht; ich kenne die Stimmung der Konservativennicht, denn sie haben eine bedenkliche Schwenkung gemacht, welchejede Verständigung mit ihnen aussichtslos machte. Bei allerschroffen sachlichen Opposition, die wir dem Grafen Zedlitzmachen mußten, erkennen wir seine staatsmännische Begabungan; er sah auch in dem politischen Gegner den Mann. Im Ver-kehr mit den Abgeordneten konnte der Graf Zedlitz manchemseiner früheren und....(Heiterkeit) seiner früheren Kollegenzum Muster dienen. Dies offen auszusprechen, war mir ein Be-dürfniß. Das Schulgesetz ist für die nächste Zeit beseitigt. Obdie gegenwärtige Einrichtung eines besonderen Ministerpräsidentenuns vor derartigen Schwankungen und Schwenkungen bewahrenwird, müssen wir der Zukunft anheimstellen. Aber ein« Fragesteht noch auf der Tagesordnung, welche auch die Minderheits-Parteien immer erörtert haben. Das Haus hat wenigstensdie Regelung der Dotationsfrage verlangt.(Unruhe rechts.)Die Herren von der Rechten und dem Zentrum haben auch dabeimitgewirkt. Ob bei den Konservativen die reinliche Scheidungschon staltgefunden hat, weiß ich nicht. Herr Stöcker sieht sovergnügt aus, daß ich annehme, er hofft zu siegen. Das Pro-gramm soll ja wohl jetzt beralhen werden; für die Juden» undBörsenfrage sind ja 2 Referenten bestellt. Das Hauptoraan desneuen Programms, die„Kreuz-Zeitung�, hatte die Geschmack-losigkeit, den Lehrern vorzuhalten, daß jetzt die Schuldotations-frage nicht geregelt werde.(Zustimmung recht?.) Hält man dieLehrer wnkuch für so dumm, daß sie das glauben? Wir sindbesonders erfreut darüber gewesen, daß 9 Millionen von der Ein-kommensteuer für die Schule verwendet werden sollen. Uebrigenswo sind denn die 9 Millionen, Herr Finanzminister? In Ihremneuen Steuerplan find sie verduftet.(Heiterkeit.) Jetzt könnteallerdings der Ingrimm der Herren vom Zentrum und rechtszur Ablehnung eines Dotationsgesetzes führen. Aber ich hoffe,daß der Ingrimm nicht allzu lange dauern wird. Das Haus istengagirt durch mehrfache Beschlüsse für den baldigen Erlaß einesSchuldotations-Gesetzes. Ob die neue Organisation uns vor denSchwankungen bewahren wird, wissen wir noch nicht. Wennman im Auslande befürchtet, daß die auswärtig« Politik be-einflußt werden könnte, so weiß in Deutschland Jedermann, daßdie Friedenspolitik des Reichskanzlers Grafen Caprivi vonallen Parteien gebilligt wird, trotzdem die Trennung.t'.....-x-.— dem Mlnisterprasidiumwird. Die Erfahrungenim Herrenhause sprachnur um eine Ueber-das Schulgesetz vonwelches auch dendes Reichskanzler- Amtes vonallseitig nicht günstig beurtheiltvon 1872 sprechen dagegen undman auch davon, daß es sichleitung handelt. Wie war es möglich, daßdemselben Ministerium eingebratv RRHR_________|t wurde,Goßler'schen Entwurf eingebracht hat! Ich will annehmen, daßdie Minister bei der großen Arbeit in ihrem eigenen Ressortnicht im Stande waren, die Tragweite der einzelnen Vorschriftenzu beurthetlen. Ich kann mir nicht denken, daß ein Minister-Präsident ohne besonderes Ressort genügende Beschäftigung hatDaß wir über diese Organisationsfrage mitzureden haben, folgtaus unserm Bewilligungsrecht; das ist auch von der Regierunganerkannt worden. Ob Graf Caprivi oder Graf Eulenburg demMinisterium präsidirt ist, nebensächlich Es handelt sich nur darum,ob Gras Caprivi seinen Einfluß im Interesse Deutschlands wirdgeltend machen können. Wir haben jetzt von 11 Mitgliedernvier ohne eigentliches Ressort. Den Präsidenten, den Vize-Präsidenten, den Kriegsminister, und den Minister drs Aus-wärtigen. Die Einrichtung eines besonderen Ministerpräsidiumsneben dem Reichskanzleramt wurde in den siebziger Jahren baldwieder aufgehoben; Fürst Bismarck übernahm das Präsidiumwieder und der Finanzminister wurde Vizepräsident. AlsCamphausen ging, wurde dem Hause erst ein Etat vorgelegt, derlebhafte Debatten hervorrief und dann wurde Gras Stolbergerst ernannt. Wie steht der neue Ministerpräsident zu dendeutschen Einrichtungen? Wird der Ministerpräsident MitgliedKampfe, in welchemdas erzwingen will.reichen konnte. Jetztdie Vorkämpfer fürdeZ BnndeSrathes werden, wird er die Stimme des Reichs»kanzlers und auswärtigen Ministers im Bundesrath« beeinflussendurch das Gewicht der Stimme des preußischen Ministeriums?Fürst Bismarck war der Meinung, daß er als preußischerMinister des Auswärtigen den Reichskanzler instruiren könnte,ohne erst mit dem Ministerium zu berathen; er setzte aber immerdabei voraus, daß er mit dem Ministerium übereinstimmte. Indieser Beziehung muß volle Klarheit geschaffen werden, auchwenn man von der Anficht ausgeht, daß es sich nur um eineprovisorische Einrichtung handelt. Ob das Entlassungsgesuch desHerrn von Bötticher mit diesen Kompetenzfragen zusammenhängt,weiß ich nicht. Ich nehme an, daß er der Stellvertreter desReichskanzlers bleibt und in dem Bundesrath den Vorsitz führt.Wir sind danach bereit, die etalniäßigen Konsequenzen zu ziehenaus der Ernennung eines besonderen Ministerpräsidenten. Wirwerden in Ruhe abwarten, wie sich die Dinge jetzt entwickeln.Das Schulgesetz ist allerdings jetzt zurückgezogen. Es wäre abereine große Thorheit, wenn die Leute im Lande sich der Illusionhingeben wollten, daß die Gefahr nun auch beseitigt ist. Siewird erst beseitigt sein, wenn hinter der bisherigen Minorität sichein starkes Volk befindet. Wir können mit Ruhe der Zukunftentgegensehen, trotzdem die kirchliche Reaktion sich rüstet zumsie auf dem Wege der Verwaltungwas sie durch das Gesetz nicht er-ist der Zeitpunkt gekommen, wodie freiheitliche Entwickelung desdeutschen Volkes' sich fest zusammenschaaren müssen.Dann wird die Parteikombination, welche jetzt das Haus be-herrscht, als der letzte Niederschlag der Bismarck'schen Politikverschwinden.(Lachen rechts.) Es ist die Pflicht Derjenigen,welche eine freiheitliche Entwickelung wollen, ernstlich die Streit-zu begraben und zum gemeinsamen Handeln vorzugehen.eifall links. Widerspruch rechts.)Abg. v. Rauchhaupt(k.): Meine Frmnde können sich nichtbefreunden mit der Einrichtung, daß das Reichskanzleramt unddas Ministerprästdium, wenn auch nur provisorisch, getrenntwerden soll. Im Hinblick aber auf die bereits erfolgte Er-nennung des Ministerpräsidenten können sie sich der Bewilligungnicht entziehen und bitten um Verweisung an die Budgetkommission,wo sich die Form der Bewilligung wird finden lassen. Ich mußdabei unser Bedauern darüber a»ssprechen, daß man uns beimSchulgesetze nicht Zeit gelassen, diejenigen Gegensätze, welche sichgegenüberstanden, zu uberwinden(Lachen links) und eine Ver-ständigung herbeizuführen, welche ein befriedigendes Ergebnißhätten erwarten lassen.(Heiterkeit links.) Ich bin von meinenFreunden einstimmig beaustragt worden, diese Erklärung ab»zugeben.Abg. v. Huene(Z.).: So kurz können wir die Sache dochnicht abmachen. In Bezug auf die Vorgeschichte will ichbemerken, daß die erste Anregung, vor Osten» den Nach-tragsetat nicht zu beralhen, von Herrn von Kardorff ausging.Alle Parteien waren schließlich damit einverstanden, daß die Be-rathung vertagt würde und ich bedauerte, daß durch Mißver-ständniss« Herr Hobrecht iu die Lag« kam, von seinen Freundenverleugnet zu werden. Herr Rickert jubelt nicht, er empfindetauch keine Trauer. Wenn er abwartet, dann wird er sehen, daßer sich auf dem falschen Wege befindet; er wird nicht siegen,denn wenn die Prinzipien der Liberalen in der Gesetzgebung zurGeltung kommen, dann wird das Vaterland«nteraehen und daSwird das Volk nicht dulden. Auf die liberale Gesetzgebung undaus den Kulturkamps brauchen die Herren nicht besonders stolzzu sein.(Widerspruch links.) Das Schulgesetz hat immerhin dieBedeutung, daß es ein Bollwerk gewesen wäre zum Schutze derchristlichen Anschauungen im Volke, in der Gesellschaft und imStaate.(Zustimmung rechts.) Deshalb bedauern wir, daß esnicht errichtet ist. Wenn ich dem abgetretenen Herrn Ministerden Ausdruck unseres Vertrauens nachgerufen habe, so soll mandaraus nicht schließen, daß wir den neuen Ministern Mißtrauenentgegenbringen. Der neue Kultusminister hat bereits im Herren-hause seinen Standpunkt charakterisirt. Die Anerkennung, dir erim Herrenhause gesunden, ist ihm in weiten Kreisen im Landezu theil geworden. Seine Worte haben wirklich beruhigend ge-wirkt bei allen Freunden des Schulgesetzes.(Zustimmung rechts.)Der Ministerpräsident hat keine Gelegenheit genommen, sich überdas Schulgesetz zu äußern. Er hat sich blos negativ bei unseingeführt. Ich möchte aber indirekt das Vertrauen, was i>auch ihm entgegenbringen möchte, rechtfertigen dadurch, daß imir sage: Die beiden Herren, der Kultusminister und derMinisterpräsident sind zusammen in das Ministerium eingetreten.Das wäre nicht möglich, wenn sie nicht in ihren Ansichten über-einstimmten. Der Ministerpräsident hat von den Gegensätzenwelche im Lande sich bemerkbar gemacht hätten!aubt man die Gegensätze zu beseitigen durch die Zurückziehungeiner Vorlag«? Glaubt man dieS in dem jetzigen Augenblicke, woder Unglaube, die sogenannte Kultur(Lachen links) sich breitmacht? Kampf gegen den Unglauben muß der Staat führen,wenn er sich nicht selbst aufgeben will.(Zustimmung rechtS.äuruf links: Lösen Sie doch auf!) Ich habe nicht auszulösen.tir kommen wieder, was aber rechts und links wiederkommt,daS wissen wir nicht. Die Kommission soll nicht zur Ver-ständigung geführt haben.(Zuruf links: Sehr richtig!) Sehrunrichtig! Was gehört zur Verständigung? Eine Ve oder Ve Mehrheit? Die Landgemeinde-Ordnung ist gegen die Stimmen derKonservativen angenommen worden mit einer nicht erheblichenMehrheit. Auch das Einkommensteuergesetz ist in vielen Be-siimmungen mit geringer Mehrheit angenommen. Man bekommteben den Eindruck, daß es bei manchen Vorlagen heißt: Wennich nur überhaupt die Mehrheit habe, bei anderen Vorlagen aber:Ich muß eine gewisse Mehrheit haben... mit den Mittel-Parteien, nicht wahr?(Heiterkeit.) Wer uns die Verständigungmit den Mittelparteien zumuthet, muthet uns zu, unsere eigenenGrundsätze aufzugeben. Bezüglich der Zustimmung deSZentrums war man sonst nicht so schwierig. Die Land-gemeinde-Ordnung, die Handelsverträge sind nur durchdaS Zentrum zur Annahme gebracht.(Zustimmung rechts.)Trotz mancher Bedenken war daS Zentrum bereit, alles zuthun, um das Schulgesetz zu Stande zu bringen; und die Konser-vativen hatten wohl dieselbe Absicht.(Widerspruch bei den Frei-konservativen.) Ich hätte allerdings die Erklärung des Herrnv. Rauchhaupt etwas schärfer gewünscht. Das Bedenken bezüg-lich der Privatschulen härten wir wohl zu beseitigen vermocht;auch an den neun Millionen wäre das Gefetz nicht gescheitert.Die einzige Differenz war bezüglich der Dissidentenkinder, wodie Konservativen von der Vorlage abwichen; das kann dochaber nicht der Grund der Nichtverständigung sein. Wenn manlediglich dahin trachtet, daß den Kindern nur möglichst wenigReligion beigebracht wird, dann ist allerdings eine Verständigungnicht möglich. Ohne Religion ist keine Kultur möglich. DieVorgänge in Paris sind die höchste Unkultur, Was der Minister-Präsident gesagt hat, steht also mit de» Thatsachen in vollstemWiderspruch. Wir werden das Recht auf den religiösen Unter-richt in der Schule immer weiter verlangen im Interesse deskatholischen Volkes.(Zustimmung im Zentrum.)Ministerprüsident Gras Enlcnburg: Ich wollte dem Kultus-minister in Bezug auf das Schulgesetz nicht vorgreifen: die ebengehörte Rede nöthigt mich, darauf zurückzukommen. Als derKultusminister und ich ins Amt traten, war das Schiilgesetz1?in ein« Lag« grrakhrn, daß wn«wer»eNere» Brrukhungdesselben kaum mehr die Red« fem konnte.(Widerspruchim Zentrum und rechts.) Sie können nicht erwarten, daß irgendein Kultusminister, und wenn er dem Grafen Zedlitz noch sonahe stand in allen seinen Ansichten, auf die Berathung sich ein-ließ. Wir zogen also nur das Fazit aus den Thatsachen.(Zu»stimmung bei den Freikonservativen.) Bei großen Gesetze» wirddie Frage, ob ein« Verständigung erzielt ist, nur durch Adstim-mung erzielt. Es giebt aber Fälle, wo man sich die Frag« vor-legen muß, od ein Ergebniß erzielt wird, mit dem man zufriedensein kann. Die Memungsverschiedenhetten im Lande werdendurch Abstimmungen nicht beseitigt. Der Kampf mrd weitergeführt werden müssen, so lange ein politisches Leben besteht.Aber es ist etwaS anderes, ob ein Gesetz eingeführt wird, mitdem auch der unterliegende Theil sich wenigstens zur Zeit zu-frieden geben kann. Unsere größten Gesetze sind auf diese Weisezu Stande gekommen.(Widerspruch im Zentrum.) Sie könnenda? bestreiten, aber Sie können mir meine Ansicht darüber nichtnehmen. Es war die Befürchtung, daß wir auf dem Bodendes gerade vorliegenden Entwurfes nicht zu einem Ergebnißkommen würden, welches m diesem Sinn« ein befriedigendesgenannt werden konnte. Das ist ein Fall, der jederParteigruppirung gegenüber angewendet werden kann. Wirwerden ohne Hast, aber auch ohne Rast die Vorberathungweiterführen. Eine materielle Bemängelung des Nachtragsetatsist kaum ausgesprochen; ich glaube deshalb nichts weiteresdarüber sagen zu sollen. Von der Ansicht möchte ich abzugehenbitten, daß die neue Organisation eine nur provisorische seinwird; die Einrichtung trägt nicht den Keim in sich, eine besondersvorübergehende zu sein, sie trägt die Voraussetzung der Dauer insich. Es wurde immer darüber geklagt, daß alle Einrichtungendes Reiches und Preußens aus den Fürsten Bismarck zugeschnittenseien. Diese Klagen hatten in der That ihre Berechtigung. Siekönnen nicht erstaunen, wenn, sobald ein Anlaß zur Erörterung dieserFrage vorliegt, die Entscheidung dahin fällt, daß eine Trennungder Aemter des Reichskanzlers und des Ministerpräsidenten vor-enommen wird. Es ist allerdings zum Theil eine Personen-age. Aber ich glaube, der Zustimmung sicher zu sein. DieZahl der Personen, welche beide Aemter zusammen übernehmenwollen, ist nicht groß. Es liegt ferner der Wunsch nahe, daßin der Person des Reichskanzlers kein allzu häufigerWechsel eintritt. Um das Verbleiben des Herrn Reichs-kanzlers zu erleichtern, habe ich mein Amt übernommen.Der Reichskanzler und sein Stellvertreter sind und bleiben Mit-glieder des preußischen Staatsministeriums; das ist auch nicht zuunterschätzen. Ich halte es für ausgeschlossen, daß eine Politikgetrieben werden könnte im Reich, welche den Interessen einesEinzelstaates widerspricht. Wenn man überzeugt ist. daß ersprieß-liehe Ergebnisse nur aus einem vertrauensvollen Zusammenwirkenhervorgehen, dann wird man die Hoffnung nicht aufgeben, daßein solches Zusammenwirken möglich und gedeihlich sein wird.Wenn eine Differenz eintreten sollte, so braucht nicht der Reich?-kanzler und der Ministerpräsident, sondern nur einer von beidenzu«eichen. Ueber die Vertretung Preußens im Bundesrath de»stehen keine Reglements. Die preußischen Stimme« werde«mstrutrt durch de« auswärtigen Minister; als solcher fungirtder Reichskanzler auch heute noch. In allen wichtigen Ang«-legenheite« hält sich der Reichskanzler natürlich in Uederem-stimmung mit dem preußischen CtaatSministermm. Daß derMinisterpräsident kein Ressort hat. ist eine Ziveckmäßigteitsfrage.Kultusminister Bosse: Zwischen dem Ministerpräsidentenund mir besteht über die Frage des Schulgesetzes die voll-kommenste Uebereinstimmung. Auch ohne die ausdrückliche Auf-forderung aus dem Hause hätte ich mich im Allgemeinen überdie Gedanken ausgelassen, welche mich beim Eintritt ins Mini-sterium geleitet haben. Programmatisch« Erklärungen über dieEinzelheiren der Ressortverwaltung werden Sie schwerlich er-warten. WaS würden solche Erklärungen auch der Landes-Vertretung nützen. Wenn ich mich auf Grund der ersten flüchtigenEindrücke zu Erklärungen hinreißen lassen würde, könnten siemir später parlamentarisch unbequem werden, aber der Landes-Vertretung würde damit auch nicht gedient sein; ich könnte dannheute nur meine ersten falschen Ansichten korrigiren. Etwasanderes ist es aber, wenn der Wunsch besteht, daß die Unterrichts-Verwaltung ihre nächsten Aufgaben kundgiebt. Die Vorlegungeines neuen Schulgesetz- Entwurfes kann von mir in diesemAugenblicke und zunächst nicht erwartet werden. Wir kommeneben aus einem erregten Kampf, der wichtige Fragen unentschiedenzurückgelassen hat. Jeder Unterrichtsminister wird auf denWunsch zurückkommen müssen, gewisse wichtige Zweifel ,n sderUnterrichtsverwaltung durch eine klare gesetzliche Ausgestaltunggelöst zu sehen. Indessen, das wird mir jeder zugeben müssen,daß es nach einer Verwaltung von wenigen Wochen unmöglichist, über diese entscheidenden Fragen die Information zu ge-winnen, welche gerade auf diesem Gebiet, nothwendig ist. Solch«Vorlagen lassen sich nicht in wenige» Tagen zusammenstoppeln.Ein Dotationsgesetz, wenn eS feinen Zweck erfüllen soll, wennes einen geebneten Weg für die Verwaltung schaffen soll, mußdie Frage entscheiden, wer soll in Zukunft der Träger der Schul-unterhaltungslast sein, welchen Einfluß soll er haben auf dieVerwaltung des SchulvermögenS und der Externa der Schule.Damit kommen wir mit einem Schritt wieder in den Bannknisdes Gegensatzes, der zu heftigen Kämpfen Anlaß gegeben hat.Es liegt auf der Hand, daß die Frage der Dotation der Schule.mag man sie so eng oder so weit fassen, wie man sie will, inengem Zusammenhang steht mit dem voraussichtlich für die nächsteSession des Landtages bevorstehendem Abschlüsse unserer Steuer-reform. Erst daraus werden sich die Voraussetzungen für dasSchuldotations-Gesetz ergeben. Es bleibt mir nur übrig bezüglichde, Frage, wie und wann die Staatsregierung in der Lag« seinwird, ein Schuldotattons-Gesetz vorzulegen, der Regierung voll-ständig freie Hand vorzubehalten. Ich verkenne nicht die großenoas noch eine Zeit lang möglich fein wird. Die Unterrichts-Verwaltung wird auch ferner auf dem Verwaltungswege die Be-verbessern suchen. Wir werden suchen.die Beschlußbehörden wieder vorzuspannen und ich hoffe, daß esohne neues Gesetz möglich sein wird, manches zu erreichen.Dieser Weg ist allerdings der bescheidener«, aber ich scheue michNicht, diesen Weg zu gehen, wenn es durch die Umstände ge-boten ist und wenn die Aussicht ist, vorwärts zu kommen.So hoffe ich. die zukünftige Gesetzgebung vorbereiten zu können.An der von mir im Herrenhause gegebenen Erklärung habe ichnichts zu ändern, nichts zurückzunehmen und nichts hinzllzusctzen.Sie entspricht der Wirklichkeit. Ich bin mir meiner Verantmort-lichkeit wohl bewußt. Ich weiß, es sind die idealsten Interessendes Volkes, welche die Unterrichtsverwaltung zu wahren hat.Hat die bisherige Verwaltung es verstanden, weitherzig undgerecht auch den konfessionellen Interessen gerecht zu werden,dann werden Sie auch in dieser Beziehung die Kontinuität mitder bisherigen Verwaliung nicht vermissen. Gewissenszwang istdas letzte, was ich wünsche, ich glaube auch nicht, daß irgendeine Partei Gewissenszwang fühlt. Er führt nicht zu brauch-baren Ergebnissen.Abg. Hobrecht(ntl.): Bezüglich der Vorgänge vor OsternHab« ich zu bemerken, daß meine Lage damals nur pein»