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Nr. 73. 20. Iahrgaug. 2. Mge drs Jotmirts" Sttliiift Jolblilult frtitig, 27.»ütj 1903. Das Blnmcnmedii»» vor Gericht. Vierter Tag. Nach Eröffnung der Sitzung durch Landaerichts-Direktor G a r tz bittet Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d t, der Angeklagten Gelegenheit 5U geben, darzulegen, das; sie schon früher vor der Bekanntschaft mit Jentsch spiritislische Manifestationen produziert und niemals Entgelt dafür verlangt hat. Der Vorsitzende erklärt, daß dies zur Sache unerheblich erscheine. Hierauf wird die Zeugenvernehmung fortgesetzt. Ein Forscher des OccultismuS. Ziegeleibesitzer Karl B o l k e w i tz hat als Occultist, der auf dein Standpunkte des Forschers steht, mehreren Sitzungen gegen Bezahlung beigewohnt. Er hat niemals etwas bemerkt, was aus Schwindel hindeuten könnte. Der Inhalt der Trancereden ging weit_ über das Bildungsniveau der Angeklagten hinaus. V e r t.: Sind Sie nun vielleicht durch die Ihnen bekannt gewordene Thaffache, daß Kriminalkommissar v. Kracht Blumen aus dem Unterrock der Angeklagten hat hervorholen lassen, zweifel­haft gegenüber der Echtheit der Manifestationen geworden?- Zeuge: Aus der Litteratur ist bekannt, daß selbst hervorragende Medien. bei denen unzweifelhaft occultrstische Beweise vorlagen, mitunter doch zu Ueber- griffen übergegangen sind. Der Zeuge Rechtsanwahlt Lehmkuhl er hat zwei Sitzungen mitgemacht. Am 17. �mii 1900 hatte er seinem Bekannten Bolkewitz zu Liebe eine solche Sitzung in seiner eigenen Wohnung veranstaltet, die zweite fand am 2. September 1900 bei dem verstorbenen Thoroii statt. Als die Rothe aus Chemnitz ankam, habe ich den Raum cm- gcwiescn. In meinen Räumen konnten irgend welche Vorbereitungen seitens der Rothe nicht getroffen werden, sie war auch nicht allein. Eine Untersuchung hat allerdings nicht statt- gefunden. Präs.: Haben Sie denn an die Echtheit dieser Manifestationen geglaubt? Z e u g e: Ich kann lediglich sagen ich konnte und kann mir nicht erklären, wie sie produziert worden sind. Ich habe mich vorher nicht mit solchen Dingen befaßt und kann kein Urteil abgeben. Präs.: Welchen Inhalt hatten die Trancereden? Zeuge: Auf den Inhalt kann ich mich nicht mehr besinnen. Die Möglichkeit, daß sie auswendig gelernt sein können, muß ich zugeben. Ncbelerscheimmgen. Frau Gleiße, eine korpulente, gesundheitstrotzende Frau, ist Mitglied der christlich-theosophischen Gesellschaft und bekundet, daß bei den Sitzungen alles ohne Betrug zugegangen sei. Sie sei voll und ganz davon überzeugt. Besonders charakteristisch war beispiels- weise folgender Borfall: Alle Teilnehmer, so sagt die Zeugin, hatten schon Apporte erhalten, bloß ich nicht. Ich war etwas betrübt darüber. Als tvir schon die betreffende Sitzung beendet hatten und nian sich zum Aufbruch rüstete, manisestierte sich mir noch mein kleiner verstorbener Sohn. Sie legte dabei ihre Hand auf meinen Kopf und gleich darauf fielen eine Rose und zwei Fuchsien von meinem Kopf hcriuiter. Bei einer zweiten Sitzung hoffte ich wieder mein kleines Söhnchen sprechen zu können, da manifestierte sich aber eine Intelligenz, die meine selige Mutter war. Sie sagte mir Sachen, die Frau Rothe absolut nicht wissen konnte, ebenso wenig>vle die andren. Die Intelligenz sagte mir den Vornamen der Mutter, ihren Geburtsort, ihren Sterbetag ze. Nachher hielt mir Frau Rothe noch eine religiöse Ansprache; sie nahm dabei ein Rosenblatt, das sie zerdrückte, man bemerkte, daß ein harter Gegenstand daraus ivurdc, und Frau Rothe überreichte mir ein Berloque. Ich habe wiederholt gesehen, daß eine nebelhafte Bildung auf Frau Rothe zukam, und wenn sie hineingriff, waren die Blumen da. Manchmal gingen die Nebelwolken auch bei Frau Rothe nieder, so daß sie sich bücken mußte, um die Blumen zu greifen. Daraus mag>vohl der Verdacht entstanden sein, daß fie die Blumen unttw dem Tisch hervorhole. Präs.: Sie sind ja wohl auch hellsehend? Zeugin: Ja, ich sehe manches, was andre nicht sehen können. Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Schon Ihre äußere Erscheinung zeigt, daß Sie eine gesunde Dame sind. Sie sind doch nicht nervenleidend, oder sonstwie krank? Zeugin: Nein, ich bin nie trank gewesen. Eine falsche Prophezeiung. Die nächste Zeugin, eine Frau S c i f f e r t. ist eine überzeugte Spiritistin und hat im Verein mit ihrem Ehemann verschiedene Sitzungen in ihrer Wohnung abgeüalteu. Ihr Ehemann hat genaue Protokolle über geführt Auch sie erzählt Wunderdinge aus diesen Sitzungen, hat alle Manifestationen für echt gehalten und hält auch heute noch die Rothe für ein echtes Medium. Unter anderm behauptet sie, die Siothe habe Blumen apportiert, während sie strickte, also keine Hand frei hatte. Ihr Zeugnis ist nach allen Richtungen hin der Angeklagten günstig. Kriminallonimissar v. K r ach t: Bei der ersten Ver- »ehmung ist diese Zeugin viel aggressiver gegen die Angeklagte vor- gegangen und hat ihrer Entrüstung über solchen Schwindel Ausdruck gegeben. Unter anderm hatte sie mir empört mitgeteilt, daß ihr die Rothe prophezeit hätte: Der Ehemann der Zeugin würde kaum noch ein Jahr leben, wenn er diese geheiratet haben iv e r d e. Ich hebe das besonders hervor, um die G e- Meingefährlichkeit des Treibens zu zeigen. Ein Ei im Selterwasser. Die Zeugin bleibt dabei, daß sie die Manifestationen ent­schieden für echt halte und erwähnt noch: Frau v. Moltke, eine über- zeugte Spiritistin, war bei jeder Sitzung zugegen: ihre älteste Tochter soll' selbst ein Schreibmedium sein. Ich erinnere mich noch, daß Frau v. Moltke gern einen Apport haben wollte, es kam aber keiner für sie. Als wir dann in einem Restaurant zusammen saßen und Frau Rothe ein voll gefülltes Glas Selterwasser vor sich hatte, geriet sie plötzlich in einen Halb-Trance, das Wasser bewegte sich, ohne über- zulaufe» und wir sahen deutlich, daß sich etwas im Wasser, welches langsam verschwand bildete. Es war ein Glasei. Kriminal­kommissar v. Kracht: Ich hatte die Seiffert zunächst für Komplizen der Rothe gehalten, als ich aber die Protokollbücher in die Hand nahm, ersah ich, daß sie keinerlei Vorteile gehabt haben. Ich finde, daß diese Zeugin und eine ganze Anzahl andrer in einer Weise ab» flauen, die ganz erstaunlich ist. Diese Frau hat mir ihre E n t- r ü st u n g über deninfamen Schwindel" deutlich ausgedrückt und bedauert, daß sie ihre Räume dazu hergegeben. Spiritistische Excellenzen. Rechtsanwalt Dr. Schwindt(zur Zeugin): Ist die Frau v. Moltke die Exzellenz v. Moltke in Potsdam ? Zeugin: Ja wohl, sie wohnt jetzt am KönigSplatz. Bert.: Diese Dame war öfter da? Zeugin: Sie fehlte fast bei keiner Sitzung. Bert.: Auch diese Dame hat die Angeklagte S ch w c st e r Anna" genannt und sie bei der B e g r ü ß u n g und beim Abschied geküßt? Zeugin: Ja wohl, wie alle Damen. Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Kann uns die Zeugin noch Personen aus der Aristokratie nennen, die den Sitzungen bei- »vohntcn? Zeugin: Eine Prinzeß K a r a s ch k e. mit der die Gräfin Aioltke.in lebhaftem brieflichen Verkehr steht, der General von Zastrow, Baronin G r ü n h o f, ein Pastor, dessen Namen ich nicht weiß, einmal auch Hofprediger S t ö ck e r, Gräfin W a ch t m e i st e r, dann die Mutter der Gräfin Moltke u. a. Es folgen noch mehrere Zeuginnen, die nichts Wesentliches be- künden können. Die bösen Skeptiker. Der siebzigjährige Heilgehilfe und Magnetiseur Hugo S p e r- l i n g behauptet, daß. wenn die Harmonie nicht gestört war. die Mamfestationen der Frau Rothe brillant von statten gingen.--- Präs.: WaS gehört denn zur Herstellung der Harmonie? Zeuge: E s d a r f kein verbissener Skeptiker dabei sein. Präs.: Es ist doch wunderbar, daß in der Sitzung, in der die Entlarvung stattfand, trotz der Anwesenheit der Skeptiker dieHarmonie" hergestellt war. Zeuge: Einmal in einer Sitzung habe ein anwesender Mediziner seine Hand auf ein leeres Stück Papier legen müssen, Frau Rothe habe ihre Hand darauf gelegt und alsbald habe man einKritzeln gehört. Die Frau Gräfin Moltke habe dann auf dem Papier die Schrift ihres ver- st o r b e n e n Sohnes erblickt. Ein zweites Mal fehlt es an Papier, es kam aber dann ganz langsam ein Stück Papier an geflogen. Diesmal zeigten sich auf demselben 6 Charakterköpfe, wie eingraviert. Sie sind in der ZeitungPsychische Studien" wieder- gegeben. Ich habe, so schließt der Zeuge, in diesen Dingen Erfahrung: ich bin kein Kind, ich habe jahrelang geprüft und ge- forscht. Eine Frau Göricke hat zwei Sitzungen beigewohnt und schon in der ersten Sitzung einige Zlveifel gehabt. Jetzt glaubt sie nicht mehr an die Echtheit der Manifestationen. Ihr Ehemann, der auf Wunsch seiner Frau auch einer Sitzung beigewohnt, hat deutlich gesehen, daß Frau Rothe die Apport en aus ihrem Kleide holte und in die Höhe warf. (Pause). Eine Muster-Trance-Rrde. Nach Wiederaufnahme der Sitzung äußert sich Oberarzt Dr. Henneberg über die Trance-Reden der Angeklagten an der Hand eines Stenogramms, das in der Charit« aufgenommen ist. Nach der Wahrnehmung des Sachverständigen waren die Trance- R e d e n g l e i ch m ä ß i g und einförmig und es fiel auf, daß Frau Rothe immer sehr schnell in Trance verfiel. Wenn alle bei- sammen waren, dann ging'S sofort los. Der Sachverständige verliest eine dieser Trance-Redeu, die etwa so beginnt:Der Mensch ist gleichsam wie das Leben. Es gleicht einem Wagen; die Gemüts- vewegungcn sind die Pferde, die Vernunft ist der Fuhrmafin. Wenn nun dann einmal der Fuhrmann die Zügel verliert, wehe dann Wagen und Pferden! Dann sind oft die mutigsten die gefährlichsten. Die ganze Welt, worunter ich die Erdenkinder meine, sind trotz ihrer Welt- Weisheit und Bücherweisheit immer noch dieselben geblieben, als sie vor Jahrhunderten waren. Sie wollen Zeiche» und Wunder sehen und es ist da, das Wunder, nur glauben sie es nicht. Gleichviel aber, wo kommt denn aller Zwist auf Eurer Erde her, alle lln- gerechtigkeit, alle Zweifel und alle Vergehen? Nur aus dem Mangel der Liebe? Ich meine nicht die Liebe, lo wie der Körper den Körper liebt: das ist nicht die selige Liebe. Sondern Ihr sollt Euch lieben, Ihr Erdcukinder, so wie der Herr Euch liebt. Aus Liebe zu Euch läßt er immer von neuem seine Welt aufgehen. Dürste ich doch einmal die Gerichtsposaune sein und Euch zurufen: Kehret um, Ihr seid auf falschen Pfaden! Kehret um und suchet die Spur, die da führet zum ewigen Leben, zum ewigen Heil, zum ewigen Licht!" Nach der weiteren Bekundung des Sachverständigen hat dann auch ein Geist gesprochen, der sich alsFriedrich" ankündigte. Es wurde gefragt, ob es vielleichtFriedchen" sei? Der Geist antwortete: Mein Name ist Friedrich. Wenn ich Euch mehr sagen würde. Ihr Erdenbürger, würdet Ihr mich verlachen und verhöhnen. Auf die Frage, ob noch mehr Geister sprechen würden, erfolgte die Antwort: Das weiß ich nicht! Dann fiel plötzlich ein Stein an der Seite der Rothe nieder. Sie sagte sofort: einer der Herren muß den Stein geworfen haben! Man hatte aber den Eindruck, als ob ihr der Stein aus der Tasche gefalle» sei. Auch Tisch - rücken wurde vorgenommen; es ergaben sich dabei aber sehr mäßige Resultate. Dann versliel die Rothe wieder in Trance und es meldete sich der Geist Friedchen. Dieser sagte:Lache nicht iiber die Oenkel in de» weißen Röcken(solche werden in der Charitb gettagen. D. R. ); ich bin ein Kind, Ihr sollt immer Kinder sein". Frieda wurde animiert, Apporte zu bringen, wie sie ja sonst schon oft gebracht habe. Aber Frieda sagte: Ich habe nie etwas mitgebracht, sondern nur kontrolliert, daß nicht die, die so schlimm sind, stören! Plötzlich öffnete die Rothe eine Hand, es zeigte sich ein Stein, den sie einem Herrn überreichte; er sollte dazu dienen, seine kranke Frau wieder gesund zu machen. Dann sprach wieder Frieda: Ich möchte Euch etwas andres geben als Blumen. Ich möchte Euch Blümchen ins Herz pflanzen. Die Rothe sagt dann, daß sie mit Hilfe ihresMedibumsels" auch schreiben könne. Frieda wurde ver- abschiedet, als man keine Frage mehr an sie hatte und sehr prompt wurde die Rothe wach. Das Erwachen war stark theatralisch. Rechtsanwalt Dr. Thiele wünscht die Ansicht des Sachverständigen über die Tranceredcn. Der Sachverständige über den Trance-Znstaud. Der Sachverständige hält es für absolut ausgeschlossen, daß diese Reden auswendig gelernt sind. Sie sind ganz wertlose Produktionen, der Inhalt ist diffuser Natur, häufig ist er auch direkt konfus. Derartige Reden wagen ganz den Charakter solcher, die in religiöser Erregung von Leuten aus dem Volk oft genug gehalten werden. Solche wurden in der christlich» thcosophischen Gesellschaft des Mittwochsabends gehalten, man kann sie in der Heilsarmee hören und auch in der Apostolischen Gemeinde von Leuten aus dem Volk. Daß sie solche Reden halten kann, ist nicht gar so erstaunlich. Man muß dabei bedenken, daß sie keine gewöhnliche Frau ist. Sie macht Taschenspielerkimststücke, die auch nicht leicht jemand kann, sie hat eine poetische Ader, reimt aus dem Stegreif ec. Die Trancezustände der Angeklagten brauchen nicht Simulation gewesen sein, aber eS steht fest, daß Frau Rothe den Trance sehr in der Hand hatte. Bei der An- geklagten herrscht jedenfalls ein gewisser abnormer Zustand, wenn sie solche Reden hält, es ist dies eine Konzenwation der Gedanken, wie sie sich bei Hysterischen findet, so daß man von einem in ge- wissem Grade eingeschränkten Bewußtsein sprechen kann. Bei der umfangreichen Hebung, die Frau Rothe erlangt hat, dürste es der Augeklagten möglich sein, solche Reden auch ohne Trancen zu halten. Es handelt sich offenbar um Stegreifproduktionen, und es ist wahr- scheinlich, daß sie diese häufig im Zustand eingeschränkten Bewußtseins gehalten hat, dies ist aber keineswegs gleichbedeutend mit Geistes- störung. Rechtsanwalt Dr. Thiele: Hält es der Herr Sach- verständige für auffällig, daß die Angeklagte hier während der Verhandlung nicht in Trance fällt, oder ist es möglich, daß sie mitunter eine Macht dazu zwingen will, in Trance zu verfallen, und daß sie sich mit Energie dagegen wehrt? Dr. Henneberg: Man kann annehmen, daß sie in Trance verfallen kann, wenn sie will. Vert.: Meint der Herr Sachverständige nicht, daß die Angeklagte im Besitze mediumistischer Kräfte ist? S a ch v e r st.: Es ftagt sich Ivas man unter den mediumistischen Kräften versteht. Versteht man darunter, daß sie von e i st ern beeinflußt werde, so muß ich es verneinen, weil es keine Geister giebt, die beeinflussen können. Dagegen muß ich die Frage, ob die Angeklagte der S u g g e st i o n und Auto- s u g g e st i o n m erhöhtem Maße zugänglich ist, bejahen. Rechtsanwalt Dr. Thiele: Hält es der Sachverständige möglich, daß die Angeklagte Geistererscheinungen sieht und sprechen hört? Der Sachverständige erklärt, daß es möglich ist. daß sie unter gewissen Verhältnissen plastische Visionen hat. Bert.: Hält es der Herr Sachverständige für möglich, daß die Angeklagte m der Entlarvungssitzung thatsächlich den verstorbenen Vater des Herrn v. Kracht gesehen hat? Dr. Henne b er g: Eine wissenschaftliche Beantwortung dieser Frage ist im Einzelfalle nicht möglich. Daß solche Personen solche Visionen haben können, ist nicht abzuleugnen, bei Frau Rothe gehörten sie aber gewisser- maßen zu ihrem Programm. Rechtsanwalt Dr. Thiele: Ist eS notwendig, immer Simulation anzunehmen? Dr. H e n n e b e r g: Ich bin nicht in der Lage, dies bejahend zu beantworten. Rechtsanwalt Dr. Thiele: Halten Sie die Frage des TischrückenS überhaupt für diskutabel? Dr. Hennebera: Beim Tischrücken waltet gar ni-chtS Mysteriöses ob, es erklärt sich einfach daraus, daß ganz bestimmte Vor« stellungen unbewußt auf unsre Bewegungenein« wirken. Jemand kann Tischrückcn hervorrufen, ohne daß er es lv e i tz. Die Rothe hat aber nicht Tischrücken hervorgerufen, sondern den Tisch bewegt, ihn durch Knte oder Fuß ge» hoben. Allerhand Schwindelmanöver. Der nächste Zeuge ist der auS der spirittstischen Bewegung be­kannte Redakteur Gerling, der semer Zeit in der Versammlung in der Tonhalle dem Prediger Riemann und dem Rechtsanwalt B o h n zu Gunsten der Rothe entgegengetreten ist. Er sei aber bald stutzig geworden, denn bei einer Sitzung, die in seinem Hause in seiner Abwesenheit stattgefunden, seien Dinge vorgekommen, die Miß« trauen erregen mußten. Frau Roche war einmal hinaus» gegangen, und man hatte beobachtet, daß sie von einem auf einer Freitreppe stehenden Lebensbaum einen Zweig abbrach, den sie nachher apportiert e. Der Zweig patzte ganz genau auf die Bruchstelle. Ferner hat sie ans einem Album das Bild einer Frau genommen, welches sie 14 Tage später dieser Frau apportierte. Bei einer andren Sitzung, die bei mir stattfand so fährt der Zeuge fort, hatte ich mir vorgenommen, bei den Apporten sehr genau aufzupassen. Aber sowie ich hinsehen wollte, wurde ich abgelenkt. Ueberhaupt pflegte die Rothe, wenn sie Blumen aus der Lust griff, die Aufmerksamkeit zunächst dadurch ab- zulenken, daß sie die Hand demonstrativ in die Luft hob. Wenn dann alles gespannt nach dieser Hand sah, warf sie, wie ich genau gesehen habe, mit der andren Hand die Blumen niit einer erstaunlichen Geschicklichkeit in die Luft und fing sie mit ausgestreckter Hand wieder auf. Ich habe ihr von meinen Beobachtungen nichts gesagt, war im Gegenteil außer« ordentlich freundlich zu ihr, denn ich hatte gar nicht die Absicht, sie zuentlarven", sondern wollte mich nur selbst über den Zusanuneu- hang der Dinge aufklären. Eine solche Entlarvung ist ja überhaupt sehr schwer und sehr undankbar, insbesondere in Berliner spirittstischen Kreisen, denn diese glauben alles und jeder, der ihnen sagen will, daß fie einem Schwindel zum Opfer gefallen, wird von ihnen selbst als Schwindler gebrand» markt und zwar nicht in den sanftesten Ausdrücken. Bei einer zweiten Sitzung passierte der Rothe daS Malheur, daß aus ihren Röcken eine Apfelsine fiel und unter das Sofa rollte. Ein Herr wollte sich danach büdfen, da sprang aber Jentsch hinzu und sagte:Um Gotteswillen, lassen Sie das, daS Medium darf nicht gestört werden." In der letzten Sitzung fand die Entlarvung des Mediums statt. Die'Spiritisten behaupten. daß ein Medium Teste" nicht hervorbringen kann, sobald es von Gegnern beein- flußt wird. Frau Rothe brachte sich zu den Sitzungen inuner Leute zur Deckung mit, die ich gar nicht eingeladen hatte. So hatte sich zur dritten Sitzung telegraphisch eine Frau Stadtrat Winter aus Dresden mit ihrer Tochter aus Hamburg an- gemeldet, sie nahmen beide an der Sitzung teil und wurden dicht neben Frau Rothe placiert. Eine Entlarvung. Einer mir bekannten Dame, Frau Wagner, gelang es, möglichst nahe an Frau Rothe heranzukommen und sie beobachtete nun, daß hinter dem Rücken der beiden Damen die Blumen bereit gelegt waren. Da sprang Plötzlich Frau Wagner auf und rief:Jetzt sehe ich, wo die Blumen herkommen l Sie betrügen!" Run stürzte Jentsch. ein kleiner, verwachsener Herr, der ganz rot vor Wut geworden war, wie ein Tiger aus sie loS und hätte sie wohl am liebsten gewürgt. UebrigenS kam in dem Augenblick, als Frau Rothe sah, daß Frau Wagner auf sie los kam, ein ganzer Blumenrcgen herab, es war klar, daß sich Frau Rothe rasch der Blumen entledigte, die sie bei sich hatte. Ich bat sie. die Sitzung nach dem Fortgange der Frau Wagner fort- zusetzen, sie bekam aber einen hysterischen Weinkrampf und erklärte, daß sie zu sehr alteriert sei, um die Sitzung fortsetzen zu können. Ich geleitete dann Frau Rothe nach ihrem Zimmer hinauf. Jentsch folgte ihr. Frau Rothe drehte sich aber um und herrschte ihn an:Du gehst sofort hinunter und hörst, was die andern sagen!" Schließlich gelang es, die Rothe zu bewegen, doch noch einmal zur Seance zu kommen, und da kamen wieder die Apporte, obgleich nach spirittstischer Methode gar keine geeignete Um- aebung mehr vorhanden war. Auch das brachte mir den Beweis. baß es sich um Schwindel handelte, um so mehr, als die apportterten, angeblichtaufrischen" Blumen zwar feucht, mite» an den Schnittflächen aber vertrocknet und somit künstlichtaufrisch" gemacht worden waren. Ich war darüber aigriert, daß man diese ganze Sache unter Miß« brauch der Religion bettieb. Meine bei Gärtnern angestellten Ermittelungen haben ergeben, daß sich Blumen frisch erhalten, indem man E i s st ü ck ch e n hin einbindet. Nach meiner festen Ueber- zeugung war Jentsch die Seele des ganzen Unternehmen». Zwischen Jentsch und der Rothe waltete eine Art mnent»« technischer Verbind ilng ob, Jentsch war der Leiter der ganzen Sache. Sie muß ihre Trancereden in einer Art Halb- Hypnose gehalten haben. Was sie sprach, war einstudiertes Zeug, sie gebrauchte Redewendungen, die dem Jentsch eigen« tümlich waren. Nach meiner Ansicht hat ihr Jentsch in der Hypnose die Suggestion gegeben und was sie sprach, war ihr suggeriert. Einmal apportierte sie die Glieder einer Kette, die angeblich aus den egyptischen Königsgräbern stammten, eS war aber eine Kette, die man in einem Bazar in derLeipzigerstraße für 50 Pf. kaufen kann.(Heiterkeit.) Ich habe genau gesehen, Wie sie das Ding mit den Fingern auf den Tisch geschnellt hat. Einmal wollte ich ein halberivachsenes Mädchen neben sie plazieren, Jentsch sagte aber, das gehe nicht an, denn dem Medium iviirde zu viel Kraft verloren gehen. Statt dessen wurde meine Schlvieger- mutter hingesetzt, eine herzlich gute, aber korpulente und kurzsichtige Frau, die eine vortreffliche Deckung abgab, denn mau konnte nun von der einen Seite nicht beobachten, was die Rothe trieb.(Heiterkeit.) Medien sind eitel und so wollte die Rothe nicht nur ein Blumen-, sondern auch ein Schreib-Medium sein. Sie ließ einen Geist auf ein Blatt schreiben: Lieber Bruder, känwfe für unö l" d. h. also, ich sollte für sie Reklame machen. Die Schrift zeigte deutlich, daß sie von der Rothe selbst unter dem Tisch geschrieben sein mußte. Die Blumen hatte die Rothe nach meiner Ansicht an einem Bindfaden in den Unterkleidern uni den Leib gebunden, die Bluinen waren mit Zwirnsfaden an dem Bindfaden befestigt und Frau Rothe brachte sie zum Vorschein, indem sie durch einen Schlitz zn den Unterkleidern hineingriff. Ich selbst habe ja auch einmal eine derartige Strippe, die Frau Rothe verloren hatte und die naß war, gesunden. Sie befindet sich bei den Akten. Gegen die Darstellung dieses Zeugen erhebt Frau Rothe in flammenden Worten Protest. Es sei nicht wahr, daß sie dem J?nffch gesagt habe, er solle unten hören, was die andern sagen; sie will nur gesagt haben, er solle aufpassen, dannt ihr nicht irgend etwas fälschlich untergeschoben werde. Wenn Herr Gerling behauptet, er habe einen Bindfaden gefunden, der von mir herrührt, so erkläre ich: das hat er dann selbst gemacht! Vors.: Nun wird es ja immer toller! Zu Iveit dürfen Sie nun doch nicht gehen! Zeuge Gerling versichert, daß er keines- wegS die Absicht habe, ver Angeklagten irgendwie zu nahe zu treten; er müsse aber doch unter seiuein Eide die Wahr« heit sagen. Rechtsanwalt Dr. S ch w i n d t bezweifelt die Richttg«