Mr. 75. 20. Jahrgang.
Das Blumenmedium vor Gericht.
Sechster Tag.
Nach Eröffnung der Sizung durch Landgerichtsdirektor Garb teilt Staatsanwalt Friedheim mit, daß der von ihm geladene außerordentliche Professor der philosophischen Fakultät, Dr. Dessoir, erschienen sei. Ferner teilt der Staatsanwalt mit, daß eine ihm zugegangene Nummer der" Täglichen Rundschau" die Notiz enthalte, daß die neulich mitgeteilte Trancerede, die Frau Rothe in der Charité gehalten, aus dem Werte Le corps astral bon Dr. Papus" stamme. Rechtsanwalt Dr. Thiele: Es würde damit doch nur bewiesen sein, daß vielleicht ein in dem Buche enthaltener Vergleich auch in der Trancerede wiederkehrte; daß Frau Rothe die Rede auswendig gelernt haben könnte, ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Henneberg nicht anzunehmen.
Es wird dann die Zeugin Bingenheimer( nicht Binswanger) noch einmal vorgerufen. Sie bestreitet die Behauptung der Angeklagten, daß ihr nach der Entlarvungs- Sigung der ominöse Unterrod erst auf dem Polizeipräsidium abgenommen worden sei. Die Zeugin bleibt dabei, daß der Unterrod schürzenartig um den Leib gethan, also nicht angezogen gewesen. Alsdann ergänzt der Zeuge Walter Rose seine gestrige Ausfage noch in einigen Punkten.
Themata.
Sächselnde und lallende Geister.
Taschenspielertrids.
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T
zeigt hat.
Sonntag, 29. März 1903.
Sachverständiger Dr. Puppe:
feffor Dr. Sellin nochmals vor, um in einem langen Vortrage Nach dem Gutachten der Sachverständigen tritt der Zeuge Prodie wunderbarsten Manifestationen der Frau Rothe zu bezeugen und
beginnen die Plaidoyers. Die Beweis aufnahme ist hiermit geschlossen und wollen, 2 Jahre 6 Monate Gefängnis unter Anrechnung von sechs Staatsanwalt Friedheim beantragt, wie wir kurz mitteilen Monaten Untersuchungshaft und 500 M. Geldstrafe. Die Rede des Staatsanwalts.
fommen, sich eingehend beschäftigt und nicht nur die spiritistische was in ihrem ganzen Wesen Schauspielerei, Betrug. Selbsttäuschung Litteratur cifrig studiert, sondern auch über hundert spiritistischen ist. Ihre strafbare Zurechnungsfähigkeit ist herabgesetzt, da aber Sigungen beigeivohnt habe. Es mangele hier vor allen Dingen das Strafgesetz diesen Begriff, nicht fennt, muß gesagt werden, daß an einer zureichenden Beobachtung. Zu einer solchen§ 51 nicht anzuivenden ist. gehörte, daß die Beobachter sich um das zu beobachtende Objekt systematisch hätten verteilen müssen: der eine zur Beobachtung der linken Hand und linken Seite links, der andre zur Die Probleme der Apporte seien die durchsichtigsten, ihnen stehe Beobachtung der rechten Seite und des rechten Armes rechts, die er sehr ffeptisch gegenüber, im übrigen müsse er sagen, daß solche andern hätten dies und jenes genau in Obacht nehmen müssen usw. fomplizierte Manipulationen, wie sie bei den Apporten gemacht Bei dem katastrophischen Charakter dieser Vorgänge werden mußten, nicht im Trance gemacht seien. Bei den Zeugen wäre sonst eine zuverlässige Beobachtung nicht mög- müsse man drei Gruppen unterscheiden: 1. die indifferenten, 2. die lich. Aus vielfachen Erfahrungen wisse er, daß oft in der unbe Berrogenen, 3. diejenigen, die auf Frau Rothe schwören. Leztere greiflichsten Weise Thatsachen von Zuschauern sind von den übersinnlichen Kräften derselben feft überzeugt. Dabei ent stellt werden, nicht aus bösem Willen, sondern infolge muß man aber sich vergegenwärtigen, daß sie zu den Teilnehmern von Anregungen und Einwirkungen, die in der Umgebung der be- etwa in dem Verhältnis stand wie der Hypnotiseur zu den Hypnotis treffenden Personen liegen. sierten. Man hat wohl manchmal gefragt: Warum ist Frau Rothe Ein Taschenspieler kann es auch. nicht Taschenspielerin geworden? Nun, als Taschenspielerin würde Ein Taschenspieler, der Liebhaber der Taschenspielerei ihre Tricks sind plump und ihre Fähigkeit, das Publikum ju täuschen, fie nach dem Zeugnis des Dr. Dessoir nicht recht reussiert haben, denn war, habe einmal mediumistische Experimente nachzeigt sich nur in dem eigentümlichen spiritistischen Milieu, wo die ge a hit, ohne den Zuschauern etwas davon zu sagen, daß es sich Sizungen mit Gebeten eröffnet wurden, wo man sich" Bruder" und nur um Nachahmungen handelte. Auf seinen Wunsch haben dann Schwester nannte und andre derartige Dinge vorkamen, die auf die Teilnehmer Berichte abgestattet über das, was sie ge- empfängliche Gemüter wirken. Der Trancezustand der Frau Rothe fehen haben. Die Berichte sind dann auch in spiritistischen erscheint nicht echt, da er sehr schnell kam und sehr schnell wieder 3eitschriften abgedruckt worden und man konnte daraus vorüberging. Was die medizinische Seite betrifft, so muß hervors ersehen, wie die einfachsten Taschenspielerkunst st üď c Manche Momente ſeien sehr auffällig gewesen. Wenn ein Geiſt berartiger Dinge feien auch gewisse technische kenntnisse findet, aber in der ganzen Zeit keinen abnormen Geisteszustand gezu Phänomenen geworden waren. Zu einer genaueren Beobachtung gehoben werden, daß Frau Rothe, die sich seit März v. J. in Haft bewie Flemming mir" und" mich" verwechselt, so sei das doch sehr notwendig. Wer nicht weiß, wie die Apporte fünstlich hergestellt sonderbar, ganz abgesehen davon, daß im echten erzgebirgisch werden können, ist nicht im stande, ein Urteil zu fällen. Der Zeuge sächsischen Dialekt gesprochen wurde. Ebenso sonderbar waren die hat mehreren Sizungen mit der Rothe beigewohnt, und er kann nur Manifestationen des vielgenannten" Friedchen". Das Kind sollte sagen, daß das, ivas er gesehen, ein Schwindel war, und zwar 10-11 Jhare alt sein und es war auffallend, daß Friedchen ganz ein in ganz tläglicher Weise ausgeführter Schwindel. Jeder zu befunden, daß die Gutachten der Sachverständigen fehlerhaft seien. im Säuglings Jargon sprach. statt" ja, ja"" sa, sa" Taschenspieler würde sich schämen, in so wenig ausreichender Weise es fagte, von„ Dein Medibumfel" redete usw. Andrerseits brachte zu arbeiten. Der Tisch war verhängt, der Stuhl, auf welchem sie Friedchen wieder Sachen vor, die über den Horizont eines so jungen faß, war so gestellt, daß im Zimmer eine Art dunkles Dreieck entKindes hinausgingen. Er, der Zeuge, habe sehr genaue und sorg- stand. Diese Dunkelkammer benutte sie, um von dort aus ihre fältige Beobachtungen gemacht, fönne aber gegen Frau Rothe per- Apporte zu bringen. Die Kleideruntersuchung war eine farce. sönlich nichts vorbringen, er habe nicht beobachten können, wo der sie dauerte eine Minute. Zu einer vollkommenen Untersuchung ge Schwindel eigentlich size. Die Manifestationen seien glänzend, eraft, hörte, daß sich Frau Rothe splitternacht hätte ausziehen und auch ficher. Seine Einwendungen gingen nur nach der psychologi- einer gynäkologischen Untersuchung hätte unterwerfen müssen. Sie Darauf nimmt Staatsanwalt Friedheim das Wort: Meine fchen Seite hin, insbesondere gegenüber Jentsch, der ihm ganz un hat in ziemlich plumper Weise die ganze Aufmerksamkeit der Teil- Herren Richter! Es handelt sich nicht darum, an dieser Stelle Fragen geeignet schien für ethische und religiöse Fragen. Der Zeuge wendet nehmer auf ihre rechte Hand gelenkt und mit der linken gearbeitet. zu entscheiden, welche einen breiten Rahmen in der Verhandlung einfich schließlich dagegen, daß er in den Berichten Magnetiseur" ge- Jede Pause benutte sie, um in geschickter Weise das Kommende vorgenommen haben und aufs eingehendste erörtert worden find. Es nannt werde. Das sei er durchaus nicht. Er sei der Vorsitzende zubereiten. Ihre technischen Fähigkeiten sind gar nicht sehr ist Sache der Theologen, zu prüfen, was und wie viel von dem eines großen Verbandes und halte Vorträge über psychologische groß, aber sie hat die sehr große Fähigkeit, die Auf- Spiritismus zu halten ist. Für uns handelt es sich nur um die Frage, merksamkeit abzulenten und die Schwäche der Anwesenden ob die Angeklagte strafbare Handlungen begangen hat und ob sie auszunuben. Sie macht sonst unter sehr minderwertigen Be- dafür verantwortlich zu machen ist. Um zu prüfen, ob die Handdingungen ihre Tricks. Es ist immerhin möglich, daß sie unter ver- lungsweise der Angeklagten sich als vollendeter und beränderten Bewußtseinszuständen, nicht mit reinem und ungetrübtem feit derselben in Betracht ziehen. Es ist richtig, daß sie aus einsuchter Betrug kennzeichnet, muß man zunächst die Persönlich= Bewußtsein ihrer betrügerischen Maßnahmen handelt, gewissermaßen einen heiligen Betrug" verübt, daß sie glaubt, eine höhere fachen Verhältnissen hervorgegangen ist, aber es wäre doch nicht Mission zu erfüllen und einer heiligen, guten Sache zu dienen. Sie richtig, fie deshalb als eine einfache Frau zu bezeichnen. Ihr ist nicht durchaus und schlechtweg eine einfache Betrügerin, sie ist ge- Mann war nur ein Kesselschmied, er spielte aber nur eine unterwiß von ihren Fähigkeiten überzeugt. Außerdem hat fie die Kunst, über ihrem Kreise. Dann ist sie früh auf die Bahn gelenkt worden, geordnete Rolle. Frau Rothe stand vermöge ihres Jntellekts weit großes Vertrauen zu erwecken. Bräs.: Würden Sie über einzelnes, was hier berichtet worden ist. Aufklärung geben können? die sie schließlich auf die Anklagebant gebracht hat. Wir haben ge= Sachverständiger Dr. Dessoir: Nein," Berichte" einzelner Per- hört, daß fie schon in einer Gastwirtschaft in Crimmitschau Kartens sonen können nicht erklärt werden, denn ein einzelner Mensch kann funststücke gemacht hat. Dann will sie ihre Begabung als Hellseherin vielerlei auf Täuschung beruhende Dinge als Thatsachen hinstellen. entdeckt haben. Sie unternahm Reisen, zunächst in Sachsen , bann Der Sachverständige erinnert an das bekannte Taschenspielerstückchen, durch ganz Deutschland und ins Ausland. Nun kann man doch nicht wo der Taschenspieler eine Apfelfine 6 bis 8 mal in höheren Ab- länger von einer Sesselschmiedsfrau sprechen. Sie hatte durch ihren ständen in die Luft wirft und jedesmal mit der Hand tiefer hinay- Umgang mit hochgebildeten Personen nicht nur Schliff erhalten, geht. Der letzte angebliche Wurf geht mit der ganz tief herab- sondern auch etwas Bildung, und die Zeugen, welche meinten, daß hängenden Hand von statten, der Taschenspieler legt die Apfel- die Angeklagte sich in ihren Trancereden in Ausdrücken bewegte, die fine aber auf seinen Schoß und thut nur so, als ob er sie über ihrem Bildungsgrade standen, find in einem Irrtum befangen. in die Luft werfe. Alle Zuschauer find aber überzeugt, daß Man darf nicht fibersehen, daß die Angeklagte durch das Leben ge= fie in der Luft verschwunden ist. Das sei ein Beispiel, bildet wurde. In den sechs Verhandlungstagen hat sie auch große wie durch die Vorbereitung, durch Erregung der Erwartung Selbstbeherrschung an den Tag gelegt, anscheinend teilnahmslos hat Täuschungen hervorgerufen werden können. Staatsanwalt sie zugehört, was Zeugen für und gegen sie vorbrachten, aber trotzdem Friedheim: Hat der Herr Sachverständige eine Erklärung dafür, hat sich gezeigt, daß sie alle Phafen des Prozesses genau und mit Aufdaß die Blumen unversehrt und„ thaufrisch" zum Vorschein kommen? merksamkeit verfolgte. Aber zweimal hat sie sich doch vergessen und Der Sachverständige giebt die Möglichkeit zu, daß dies mit Hilfe ihre Selbstbeherrschung berloren, das war im Falle Binzwanger und eines naisen Wachsteinwandbeutels geschehen sein im Falle Gerling. Im letteren Falle vergaß sie sich so weit, zu be= fönnte. Dr. Henneberg: Wenn Frau Rothe voraussah, daß haupten, daß Gerling selbst den Blumen haltenden Bindfaden unterfie längere Zeit brauchte, um zu apportieren, fann sie dieselben durch geschoben haben könne, der zu ihrer Entlarbung diente. In selbstEis konserviert haben. Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Kann der bewußter, fluger und sicherer Weise hat sie die Sizungen mit ihrem Sachverständige sich das Impresario Jentsch vorbereitet. Vorher wurden die Näume und alles, was dazu gehörte, aufs forgfältigste einer Revue unterzogen Hellsehen vom philosophischen Standpunkte und Aerzte und Leute, die Naturwissenschaft studiert hatten, wurden erklären? Sachverständiger Dr. Dessoir: Solche Täuschungen so viel wie möglich von den Sizungen ausgeschlossen. Durch die kommen auch bei ganz normalen Personen vor und in vielen Fällen ganze Sizung, die mit Gesang und Gebet eröffnet wurde, ging ein handelt es sich nicht um hallucinationen, sondern um frommer Bug. Die ganze Produktion war aufs genaueste geplant llusionen, daß sie beispielsweise einen Vorhang für eine Ge- und vorbereitet. Wenn behauptet wird, daß es in einem Falle etwas stalt ansehen usw. Dr. Schwindt: Sie nehmen dann also wohl Unerklärliches gab und dies dann für alle Fälle maßgebend sein an, daß es reiner Zufall ist, wenn die Beschreibungen, die Frau müsse, so ist dies ein Trugschluß, ich behaupte nämlich, daß, wenn Rothe von manchen Personen gegeben, richtig waren? Dr. in einem Falle ein Betrug nachgewiesen wurde, so muß man daraus Dessoir: Jal Dr. Schwindt: Hat Ihre Wissenschaft sich schließen, daß auch in den übrigen Fällen Betrug im schon mit dem Spiritismus beschäftigt? Sachverständiger Dr. Spiele war. Und abgesehen von dem Falle, in dem sie von der Dessoir: Jawohl. Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Es ist doch Polizei überführt wurde, ist sie noch in vielen andern Fällen merkwürdig, daß diese Probleme und Apporte in der Oeffentlichkeit überführt worden. Ihre Trancereden bestanden zumeist aus wissenschaftlich noch nicht widerlegt worden sind. Sachverständiger religiösen Bemerkungen, die sich sehr leicht auswendig lernen laffen. Dr. Dessoir: Man müßte ja dann unsre ganze Jahrtausende alte Sie benutte dazu ein altes Gefangbuch aus dem Jahre 1839. Es wissenschaftliche Erfahrung, die ganze wissenschaftliche Feststellung ist auch nicht richtig, daß sie sich während der Trancereden in einem von dem Wesen der Materie über den Haufen werfen. Die Bebewußtlosen Zustande befand, man muß vielmehr annehmen, daß soweis last liegt auf der andern Seite! Es muß ein ganz wohl die Trancereden wie die späteren Apporte wohl vorbereitet strenger, ganz objektiver und stritter Beweis geführt werden, der waren. Möge ihr Bewußtsein auch etwas getrübt gewesen sein und nicht von der Beobachtungsfähigkeit des Einzelnen abhängig ist. Sachverständiger Dr. Henneberg bemerkt zu der
Der gestern vernommene Magnetiseur Geist hat seine Ausfage noch in einigen Punkten zu ergänzen. Er giebt an, daß Jentsch mit außerordentlicher Vorsicht vorging. Die Untersuchung der Frau Rothe sei auch keineswegs eine besonders ein gehende gewesen. Sie wurde von Damen vorgenommen, welche äußerst decent vorgingen. Es wurden lediglich die Vorderröde bis zum Knie emporgehoben. Der Zeuge meint, daß an dem Körper der Frau Rethe noch viel Plak übrig blieb, to sie Blumen versteckt halten konnte, es sei ihm auch aufgefallen, daß sie sich immer vorsichtig auf die äußerste Stuhl= tante fette. Es müsse auch ein Einverständnis zwischen Jentsch und der Rothe bestanden haben, denn es sei ihm aufgefallen, daß Jentsch immer seine Erklärungen anfing und dadurch die Aufmert samkeit der Anwesenden auf sich lenkte, wenn Frau Rothe Blumen hinter sich hatte und gleich darauf ein Apport erfolgen sollte. Ganz besonders sei ihm aufgefallen, daß Frau Rothe geſtern genau ge wußt habe, was sie im Trancezustande gesagt, während sie doch behauptet, nichts von dem zu wissen, was sie im Trance gethan oder gesprochen. Gleich nachdem ihm in einer Sigung Frau Rothe Mitteilungen über seine Verhältnisse gemacht habe, die fie seiner Ansicht nach unmöglich wissen konnte, habe er dies im Zustande hoher Erregung einem Freunde telephonisch mitgeteilt. Dieser habe fühl erwidert, daß es durchaus nicht merkwürdig sei, denn am Tage zuvor sei Frau Rothe bei ihrem gemeinsamen Freunde Gerding gewesen und habe über den Beugen Erkundigungen eingezogen.
Visionen.
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Kaufmann Paul Krüger, der folgende Zeuge, weiß über eine Anzahl merkwürdiger Erlebnisse zu berichten, die ihm begegnet sind. In einer Sizung, an der vornehme Damen, u. a. die Gräfin Moltke und die Frau Generalin v. Moltke teilnahmen, habe die Angeklagte die herrlichsten Blumen apportiert. Bald darauf habe eine zweite Sigung in der Niederwallstraße stattgefunden. Er sei so spät aus Chemnitz zurückgekommen, daß er erst erschien, als die Sigung bei nahe zu Ende war. Er sei zur Frau Rothe in das Nebenzimmer gegangen und habe ihr beide Hände zur Begrüßung gereicht. Frau Rothe habe ihm auch ihre beiden Hände gegeben und während sie sich nun gegenseitig festhielten, sei plößlich ein förmlicher Blumenregen auf sie beide herniedergefallen. Es sei ganz unmöglich, daß Frau Rothe ihre Hände oder eine derselben hierbei gebrauchen konnte. Bald darauf habe Frau Rothe einen schnellen Griff in die Luft gethan und eine Apfelsine hervorgeholt. Eine ganz sonderbare Geschichte sei ihm im November 1891 passiert. Er hatte im Westen Berlins eine Anzahl Geschäftsbesuche erledigt, befand sich auf dem Nüdwege in der Nähe der Wohnung der Frau Rothe und stattete ihr einen Besuch ab. Frau Rothe hatte Besuch von einer Dame. Beim Betreten der Wohnung habe er bemerkt, daß er seinen Regenschirm in irgend einem der Geschäfte hatte stehen lassen. Lassen Sie nur den Schirm sein und kommen Sie herein" habe Frau Rothe erwidert. Sie feien in die Wohnstube gegangen, wo er neben Frau Rothe auf dem Sofa Plaz genommen habe. Frau Rothe habe Strümpfe gestopft. Da habe er deutlich gesehen, wie Frau Rothe plötzlich mit der ausgestreckten Hand nach der Fensterecke griff und seinen Schirm hervorholte. Im nächsten Augenblick sei die Vision verschwunden gewesen. Er sei noch etwa zehn Minuten dort geblieben, dann habe er sich auf die Suche nach seinem Regenschirm begeben. Schon im zweiten Laden sagte man mir:" Jawohl, hier ist Ihr Schirm." In demselben Augenblick sei plöblich eine Dame einge treten und habe gejagt: Wem gehört wohl der Schirm?" Im Nu var sie wieder verschwunden. Der Zeuge hält es für zweifellos, daß der Astralförper aus dem Medium herausgetreten ivar und mit Hilfe von Geistesen den Schirm geholt habe. Staatsanw.: kam der Schirm durch's offene oder durch das geschlossene Fenster? 8euge: Das Fenster war zu. Staatsanw.: Und die Scheiben gingen nicht entzwei? Zeuge: Nein. Das Blechkreuz im Wohnkuchen. In einem andern Falle erzählt der Zeuge, hatten wir nach einer stattgehabten Sizung noch ein Lotal am BelleallianceBlab besucht. Kaum hatten wir uns hingesezt, als ich sagte, ich wundere mich eigentlich, daß ich noch keinen Apport erhalten hätte. Da griff Frau Rothe mit der Rechten in die Höhe und in eine Base hinein, die auf dem Sims stand. Sie brachte einen Mohnkuchen zum Vorschein, brach ihn durch und es fiel ein kleines Kreuz heraus, das sie mir mit den Worten überreichte: Hier, lieber Bruder, hast Du Deines.". Präf.: War das Kreuz von Blech?-Beuge: Ja, es war Blech."( Heiterkeit.)
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Frage der Hellfeherei
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Hierauf tritt der Zeuge Gerling nochmals vor und bekundet, daß der Impresario Jentsch es verstanden habe, Familien mit glieder auszuhorchen. Die von ihm ausgehorchten Dinge wurden dann später von Frau Rothe vorgebracht. Es habe sich dies gang deutlich in einer Sigung gezeigt, wo man ihr eine Falle gestellt hatte, so daß sie direkt auf falsche Angaben hineingefallen war.
Der Staatsanwalt kommt
sie sich in einem Zustande von Halbtraum befunden haben, ihre Willenskraft war keineswegs ausgeschlossen, denn mit vollem Bewußts sein hat sie den Zuhörern vorgespiegelt: ich kann Euch Grüße von den aus seinen mit der Angeklagten in der Charité gemachten Er- so sehr bei Bewußtsein, daß sie die Taschenspielerstückchen mit Geschick Geistern in Form von Blumen, Apfelsinen usiv. bringen. Sie war fahrungen, daß die Angeklagte zuerst ganz diffuse Beschreibungen ausführen konnte. Die Verhandlung hat ergeben, daß die Angevon Personen gab, und daß dann unter der Mitwirkung der flagte mit ihrem Impresario Jentsch, der ja leider flüchtig geworden betreffenden Zuschauer selbst, aus deren unbewußten ist. Hand in Hand ging und dadurch ist auch der gemeinschaftliche Zwischenbemerkungen ihre Bemerkungen immer specieller und ein Betrug eriviesen. Daß es der Angeklagten darauf anfam, rechtsgehender wurden. Präs.: Ist das, was wir von der Hellscherei widrige Vermögensvorteile zu erringen, ist außer allem Zweifel, denn gehört haben, eine pathologische Erscheinung? Es ist eine pathologische Erscheinung, die aber nicht als Geistes- ein besseres Leben zu führen, eine größere Wohnung zu halten und Sachverst.: durch die Erhebung von Eintrittsgeld wurde sie in den Stand gesetzt, frankheit aufzufassen ist. weite Reifen zu machen. Geschädigt wurden diejenigen, welche Opfer brachten in der Erwartung, daß sie nicht einer Schwindlerin in die Sände gefallen feien. Es liegen also alle Thatbestands= merkmale des Betrugs vor. zu dem Schluß, daß die Angeklagte in 59 Fällen schuldig zu sprechen fei. Bei der Strafabmessung müsse man berücksichtigen, daß es fich doch um ein gemeingefährliches Verhalten handele. Sie habe mit ihrem Betriebe auf die heiligsten Gefühle der Menschen spekuliert, sie habe ihre Künste unter der religiösen Maske infceniert, die Gefühle der Liebe des Publikums zu ihren Verstorbenen ausge= Frau Rothe ist nicht geisteskrank und nicht schwachsinnig, fondern beutet. Ihr Treiben fei auch deshalb gefährlich, weil sie Gemüter, erfreut sich einer großen geistigen Regsamkeit und ungewöhnlichen die vielleicht schon ins Schwanken gekommen waren, noch mehr aus Beobachtungsgabe; fie zeigt aber andrerseits Symptome der Hysterie. dem Gleichgewicht brachte. Es lag sehr wohl die Gefahr vor, daß Bei dem völligen Mangel objektiver Kriterien über den echten Trance- bei prädisponierten Gemütern Geistesfrankheiten erzeugt zustand kann man nur sagen, daß, wenn es sich um echten, tiefen und die Gesundheit geschädigt werden konnte. Beim Trance handelt, die Frage der Anwendbarkeit des§ 51 sehr zu dis- Strafmaß, dürfe man nicht sentimental werden. Sie habe nicht gefutieren ist. Ein solcher tiefer Trance liegt aber bei der Ange- handelt wie einst der heilige Crispin, der das Leder stahl, um Armen flagten nicht vor. Bei den Apporten ist ein Trancezustand ausge: Stiefel zu verschaffen, sondern sie habe aus eigensüchtigen Motiven schlossen, und wenn darin ein Betrug zu erblicken ist, so kommt§ 51 gehandelt. Deshalb beantrage er 2 Jahre 6 Monate Ges nicht in Frage. Sie ist in gewissem Sinne eine pathologische Schwindfängnis unter Anrechnung von sechs Monaten, auf die Unterlerin, aber sie ist hysterisch beeinflußt und von den Spiritisten selbst fuchungshaft und 500 M. Geldstrafe event. noch 50 Tage Gefängnis. drangfaliert. So hat beispielsweise die Fürstin Karatka die Ange Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schwindt lagte schon morgens aus dem Bett geholt und zu Sibungen mitgenommen. Man müsse daran denken, daß ihre ganze Carriere als erinnert bei Beginn feiner Nede daran, daß die Vorgängerin der Medium mit ihrer hysterischen Konstitution in Verbindung steht. Es Angeklagten, das frühere Medium Valeska Töpfer, derzeit nur zu handelt sich also nicht um eine ganz gewöhnliche fechs Monaten Gefängnis verurteilt worden sei. Er febe Hierauf giebt Professor Dr. Dessoir sein Gutachten ab. Er Schwindlerin, sondern um eine pathologische Benicht ein, weshalb die Angeklagte fo viel schärfer angefehen werden erwähnt einleitend, daß er mit den Dingen, die hier zur Sprache ge- trügerin, die sich nicht jederzeit Klar vor Augen führen kann, solle. Mit rauher Hand habe die Polizei in das Treiben eines
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Ein hellsehender Postbote.
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Zeuge Postbote Böhme: Er fei hellsehend, wenn er sich in fpiritistischen Cirkeln befinde oder wenn er über Spiritismus fich unterhalten habe. Er sehe dann plötzlich eine Wolke kommen, jehe Gestalten im Zimmer, die ihm gänzlich unbekannt sind, die ihm oft schon ihre Sterbe- oder Geburtsdaten sagten und dann verschwanden. Das Gutachten Profeffor Dessoirs.
Sachverständiger Dr. Henneberg: