jb. 92. 20. Z-WG 1. Stilllge iltS Dtllilltl öolblihtt. Si-M,. A. m MZ. Das Qlahlfcld der Sociatdemohratie. IVb. 11 Wahlkreise, in denen die Socialdemokratie 1898 bezw. bei Nachwahlen zur Stichwahl mit einer der freisinnigen Parteien gelangte. Die Reihenfolge ist angeordnet nach der Stimmenzahl, um die unsre Partei in der Stichwahl hinter dem Freisinn zurückblieb. Der Freisinn siegte in diesen Kreisen mit Hilfe der Nationalliberalen und der äußersten Rechten. Va. Die Tabellen Va und b umfassen diejenigen Wahlkreise, in welchen 1893 die Socialdemokratie noch nicht in die Stichwahl gelangte, in denen aber gleichwohl unsre- Partei eine zum Teil erhebliche Siegesaussicht hat. Tabelle Va verzeichnet diejenigen Itt Wahlkreise, in denen wir bei der Hauptwahl nicht sehr hinter den freisinnigen Parteien zurück- geblieben sind. Bei der bevorstehenden Wahl besteht in diesen Kreisen zunächst die Aussicht, in die Stichwahl, sei es mit den Rechtsparteien sei es mit den Liberalen, zu gelangen. Die Reihenfolge der Kreise ist angeordnet nach der Stimmenziffer, um die wir bei der Haupt- Wahl hinter dem in die Stichwahl gelangenden Freisinn zurückblieben. Vb. 10 Wahlkreise, die 1898, bezw. in einer Nachlvahl, ohne Stichwahl in die Hände der Rechtsparteien fielen, in denen aber für die Social- dcmokratie Aussicht besteht, im ersten Wahlgange die Stimmen- niehrheit zu erringen bezw. in günstige Stichwahl zu gelangen. Dritte Generalversammlung des Seemanus-Derbandes. Die Generalversammlung, welche am 20. April in Hamburg zusammentrat, ist von 17 Delegierten besucht; die Generalkommisfion ,st durch Legien, der internationale Transportarbeitcr-Verband durch Mr. Tom Chambers-London vertreten. In seiner Begrüßungsrede sagte der Verbandsleiter Paul Müller, die Er- folge der Organisation seien minimal, aber erfreulich. Der See- mann, ehemals als geduldiger Sklave ohne Energie und Selbst- bcwußtsein jeder AuSbeüterlvrllkür preisgegeben, habe die Solidarität, die Organisation kennen und schätzen gelernt. Aus dem Geschäftsbericht für 1902 ist hervorzuheben: Die Schiff- fahrt stand, ebenso wie Handel und Industrie, im Zeichen der Krise. Die deutsche Reederei hat eine wahnsimnge Ueberproduktion betrieben, sie hat Deutschland mit Schiffsräumen überhäuft. 1891 zählte die deutsche Handelsmarine 3653 Schiffe mit 1 433 416 N.-R.-T. Raumgehalt, 1902 dagegen 3959 Schiffe mit 2 093 007 N.-R.-T. Raumgehalt. Die Folgen waren: verminderte Frachtgelegenheit und Sinken der Frachtraten. Unter den Einwirkungen der Krise hatte die Agitation schwer zu leiden; nach den Hafenorten strömten viele unbefahrene Elemente aus den, Binnenlande, die das Angebot ver- mehrten. Viele befahrene Seeleute, die in der AgitationS- arbeit hervorragend thätig waren, flüchteten unter englische Flagge. Dadurch wurde die Agitation erschwert. Ueber „Streiks und Tarifbewegungen" wird berichtet, daß man ans den schon geschilderten Ursache» von Angriffsstreiks abgesehen habe, denn daS Hauptgewicht mutzte auf die Verteidigung der errungenen Positionen gelegt werden. Zur Zeit sind alle 1902 verlängerten Tarifvereinbarungen abgelaufen, tn allen Hafcnorten herrscht die tariflose Zeit. Wir glauben, es liegt im Jntereffe beider Parteien, Ivenn alle Fragen von gemeinsamem Interesse auf geineinsamem Wege in Forin eines für beide Teile bindenden Tarifs ihre Lösung finden. Die Hauptftage der nächsten Zukunft, die durch tariflichen Abschluß gelöst werden kann, ist die Heiler- und Ueberstundcnftage. Die Organisation ihrerseits wird übertriebene Forderungen ver- hindern, aber mit Energie wird sie für die Anerkennuiig der von ihr als gerechtfertigt anerkannten Forderungen eintreten. Auch in der Nachgiebigkeit giebt es eine Grenze. Unter keinen Umständen werden wir ohne den erbittertsten Kanipf eine Reducierung der Heuern und Ueberstundenarbeit über unS ergehen lassen. Aus einer tabellarischen Uebersicht geht hervor, daß die Heuern der Matrosen sich zwischen 65 und 70 Mark, die der Heizer zwischen 66 und 96 M. bewegen; für Ueberstunden werden 30 bis 40 Pf. gezahlt. Am höchsten stehen die Heuern in Hainburg , am niedrigsten in Menrel. Zu Beginn des Jahres be- standen 22 Mitgliedschaften mit 30 Zahlstellen bezw. ZahUokalen; Filialen wurden in Antwerpen , Rotterdam und Hoboken eröffnet. Die Zahl der eingeschriebenen Mitglieder beträgt 8261 gegen 2840 in 1893 und 7809 in 1901, doch ist die Zahl der Beiträge entrichtenden Mitglieder gegen 1901 um 400 zurückgegangen— eine Folge der Krise. — Das Verbandsvermögen betrug am Schlüsse des Berichtsjahres in der Hauptkaffe 40 235 M.. in den Mitgliedschaften 19 781 M. Die Gesamt-Einnahme beträgt 60 279 M. gegen rund 65 000 M. in 1901, der Ueberschuß 13 949 M. gegen 16 436 M. Die Gesnmt-Auflage des„Seemann " belief sich ans 131 000. Neunter Interuattoualer Kongreß gegen den Bremen , 13. April. Die abgebrochene Besprechung über das Gothenburger Systemunddie Ga st Hausreform wurde heute fortgesetzt, ohne Neues zu Tage zu fördern. Den folgenden Gegenstand bildete das Thema:„Erziehung und Schule im Kampfe gegen den A l k oh o l i s m u s." Lehrer Anton Don- Rotterdam führte aus: Es sei notwendig, daß jeder Erzieher gegen den Alkohol Stellung nimmt. Die Schule bietet dazu recht oft die Gelegenheit und sie darf sich daher dieser Pflicht deii Kindern gegenüber nicht entziehen. Als sicherster Weg durchs Lebe«— jetzt und später— soll dem Kinde die Totalenthaltsamkeit vorgehalten werden. Lehren, denen nicht das Beispiel des Erziehers Kraft und Leben einflößt, nützen nur wenig. Der Alkohol bekämpfende Erzieher sei daher Totalabstincut. Auch außerhalb der Schule können die Er- zieher entweder individuell oder vereint in alkoholgegnerischen Ver- bänden viel Gutes wirken. Dieser hervorragenden patriotischen Ar- beit zum Schutze der Jugend sollte der Staat seine Mithilfe bieten. (Stürmischer Beifall.) Ein Zwischenfall. Der Vorsitzende, Direktor Dr. Delbrück- Bremen, verlas danach folgende Erklärung: „Die Delegierten der katholischen Mätzigkeits- und Ent- haltsamkcitsvercine von Oestreich-Ungarn , Holland , Luxemburg und Deutschland bedauern lebhaft die während der Kongreß-Ver- Handlungen zu Tage getretenen Acußerungen gegen die christliche Weltanschauung." Pastor I. N e u m a n n. Delegierter des westdeutschen Mäßigkeitsausschuffes, deS Charitas- Verbandes, des katholischen Kreuzbündnisses und des Priester- AbstinentenbundeS. (Beifall und Widerspruch.) Professor Dr. F or e l- Lausanne: Diese Beschwerde richtet sich gegen mich; darauf habe ich kurz zu erwidern, daß es mir zwar leid thut, wenn ich dem religiösen Gefühl des einen oder des andern wehe gethan habe, daß aber die Evolutionslchre der Wissenschaft und nicht der Religion angehört. Der Kongreß hat weder die Mission noch das Recht, das Aussprechen der Er- gebnisse der Wissenschaft zu verbieten. Letztere erkennt jetzt aber durchweg an, daß sämtliche Tierarten mit Ein- schluß des Menschen stammverwandt sind. Die christliche Weltanschauung hat sich seiner Zeit der That- fache anbequemen müssen, daß die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt. Dadurch hat die christliche Moral der Nächstenliebe keinen Schaden erlitten. Ebenso wenig wird es mit der Evolutionstheorie der Fall sein.(Stürmischer Beifall.) Vorsitzender Dr. De lb r ü ck- Bremen: Ich bin gewiß ent- fernt, die religiösen Gefühle irgend eines Kongreßmitgliedes ver- letzen zu lassen. Ich war aber nicht in der Lage, Herrn Professor Forel zu unterbrechen. Es freut mich, daß alle Richtungen hier zu gemeinsamer Arbeit zusammengekommen sind. Ich halte es daher für selbstverständlich, daß sich alle Redner befleißigen/ alles zu ver- meiden, was die religiösen Gefühle oder die politischen Anschauungen des einzelnen verletzen könnte. Ich richte aber auch an die geehrten Zuhörer das dringende Ersuchen, nicht gar zu empfindlich zu sein und nicht jede Aeußerung zu einem casus belli zu machen. (Stürmischer Beifall.) Pastor Fi scher-Essen a. d. Ruhr: Im Namen des Evan- gelischen Blauen Kreuz-Bündnisses schließe ich mich dem verlesenen Protest an, daß hier Hpothesen ausgesprochen werden, die Wissenschaft- lich durchaus noch nicht bewiesen, aber geeignet sind, die religiösen Gefühle zu verletzen.(Stürmischer Beifall und heftiger Wider- spruch.) Die Besprechung über Erziehung und Schule im Kampfe gegen den Alkoholismus fördert Besonderes nicht zu Tage. Den folgenden Gegenstand bildete: Die Aufgaben der Frau im Kampfe gegen den Alkoholismus . Fräulein Mathilde Lammers - Bremen bezeichnete eS als notwendig, die Mädchen zu tüchtigen Hausftauen hermizubilden, damit sie in der Lage seien, dem Maime ein trautes Heim und auch schmackhaftes Essen zu bereiten. Dies werde am allerehesten dazu beitragen, den Mann von dem Wirtshausbesuch und auch von dem Alkoholgcnutz abzuhalten. Außerdem seien die Mütter in erster Reihe berufen, ihre Kinder vor dem Alkoholgenuß zu bewahren. In der Besprechung über diesen Vortrag teilte Lehrerin Fräuleiw L isch n e w s k a- Spandau mit: Sie sei zu dem 80. Geburtstage des Fürsten Bismarck in Friedrichsruh gewesen. Es hatten sich zu demselben auch zahlreiche Studenten eingefunden. Diese haben sich nach beendeter Feier gründlich betrunken und seier alsdann nach Hamburg gefahren. Dort haben sie weiter gekneipt uud wie ihr mit- geteilt worden, in Freudenhäusern die ärgsten Orgien gefeiert. Es sei das um so mehr zu verdammen, da diese jungen Leute berufen seien, dereinst die höchsten Staatsstellungen zu bekleiden. Wenn ein gesundes Geschlecht und ein gutes Familienleben hergestellt werden solle, dann müssen die Mütter ihre Söhne zu tugendhaften, enthalt- samen Menschen erziehen. Nur dann werde es gelingen, den Al- koholismus auszurotten und den jungen Männern die erforderliche Achtung vor dem weiblichen Geschlecht anzuerziehen.(Lebhafter Beifall.) Privatgelehrter Georg D av id s oh n- Berlin tadelte cS eben- falls, daß die akademische Jugend, aber auch vielfach das Militär bei patriotischen Festen sich betrinke und alsdann die schlimmsten Orgien feiere. Hiergegen müsse im Interesse der Volksgesmrdheit aufs ent- schicdenste angekämpft werden.(Lebhafter Beifall.) In der Schlußsitzung am Sonntagvormittag beschäftigte sich der Kongreß mit: Alkoholismus und Bier. Dr. med. Kefcrstcin- Berlin führte aus: Die Herzkrankheit des Bier- trinkers führt zu Leber- und Nierenveränderungen. Eine bestimmte Form der Nierenentzündung soll nur dem Bier seinen Ursprung ver- danken. Die Erfahrungen an verschiedenen Orten machen es aber wahrscheinlich, daß auch hier weniger eine spccifische Bierwirkung als vielmehr eine Alkoholwirkung die Ursache ist. Krankhafte Fett- leibigkeit steht oft in leicht erkennbarer Beziehung zum Biertrinken. Für die Zuckerkrankheit hat das Bier ohne Zweifel Bedeutung: sie wird durch Bier verschlimmert und kann in bestimmten Fällen durch Abstinenz verschwinden. Die Annahme, daß äelinum tremens bei Biertrinkern nicht vorkäme, ist schon längst durch die Erfahrung widerlegt. Die Größe des Elends, das der Bieralkoholismus im allgemeinen erzeugt, läßt sich zahlenmäßig nicht angeben. Von 149 in einer Privat- Trinkerheilanstalt Norddeutschlands behandelten Kranken verdankten 41 ihren Lllkoholismus vorzugsweise dem Schnaps, 30 dem Wein und 78, also mehr als die Hälfte, dem Bier. Das Bier muh daher ebenso beurteilt werden wie die andern be- rauschenden Getränke. Schließlich wurde beschlossen: den nächsten internationalen Kon- greß gegen den Alkoholismus im Jahre 1905 in B u d a p e st abzu- halten, Hierauf wurde der Kongreß mit den üblichen Dankesreden ge- schloffen. Professor Dr. Forel ersucht mitzuteilen, daß er seine gestrige Rede betreffs der Entmündig ungsfrage folgendermaßen verstanden wissen wollte:„Ich halte jeden Menschen so lange für geisteskrank, als er betrunken ist. Wenn aber ein Mensch sich ge- wohnheitsmähig betrinkt oder sich, ohne sich gerade zu betrinken. chronisch alkoholisiert, so daß sich sein Wesen chronisch ändert, dann ist er auch chronisch geisteskrank.�
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