Nr. 110.
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Vorwärts
9. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
Gefreifer Tück.
Unseren Lesern ist die Schießaffäre in der Wrangelstraße noch in frischer Erinnerung. Bei der am 9. Mai vom Raiser vorgenommenen Besichtigung des 3. Garderegiments soll, nach den Meldungen bürgerlicher Blätter, der Gefreite Lück Gegenstand einer Auszeichnung geworden sein, über die wir zwei Berliner Preßorgane berichten laffen wollen:
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Mittwoch, den 11. Mai 1892.
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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.
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befriedigte eine Uebertretung, die mit einem polizeilichen hundert nicht gehört, wegen einer That, gegen welche die Strafmandat in Höhe von drei Mark gebüßt wird, hatte der Gesammtheit des Volkes auf das Energischste reagirt hat. Reichstag am 16. Februar 1892 eingehend diesen Krieg im Der Kaiser ist, so sagen seine Freunde, ein moderner Frieden behandelt und mit großer Mehrheit die von der Militär- Menfch", und er hat in der That gezeigt, daß er ein lebhafteres budget- Kommission eingebrachte Resolution angenommen: Interesse für bedeutsame Fragen hat, die unsere Zeit bewegen. „ Die verbündeten Regierungen zu ersuchen:... auf eine Auch deshalb dünkt es uns eine Unmöglichkeit, daß Wilhelm II. , thunlichste Einschränkung der Militärposten, insbesondere in der das Wort gesprochen hat:„ Wir leben im Zeichen verkehrsreichen Gegenden hinzuwirken; eine den veränderten des Verkehrs!" einer Einrichtung in solcher Weise sein Lob Berliner Zeitung :. Berliner Tageblatt: Verhältniffen entsprechende Revision der Bestimmungen über zollt, die ein Hohn auf weltstädtisches Leben und Treiben ist, die " Der Gefreite Lück von der Bei der gestrigen Bataillons- den Gebrauch der Schießwaffen seitens der Militärposten herbei sich als eine Satire auf die raftlos wogende Fluth des Verkehrs 8. Kompagnie des 3. Garde- besichtigung des dritten Garde- zuführen." darstellt. Wäre die Schießinstruktion durch die kaiserliche Aus Regiments zu Fuß, welcher vor Regiments ließ der Kaiser ReDie Affäre Lück veranlaßte die städtischen Behörden Berlins , zeichnung mit einem höheren Glanze umgeben, so wäre für abKurzem den Arbeiter Brandt gimentskolonnen formiren, rief die Betitionen an den Reichskanzler wegen des Gebrauchs der fehbare Zeiten die Sicherheit für Leib und Leben überall da, wo in der Wrangel- Straße alsdann den Grenadier Lück, erfchoß und gleichzeitig den der vor Kurzem auf Posten den Schießwaffen durch die Militärposten zu erneuern( Stadt- Wachtposten stehen und instruktionsgemäß schießen, gefährdet. Arbeiter Treber verwun- Schuß abgegeben hatte, durch verordneten- Versammlung vom 7. April). Wir kennzeichneten Ganz gleich ist es, wer sich in dem Bereich der Geschosse bewegt, dete, hat für sein instruktions- den zwei Männer schwer ge- unseren Standpunkt( Borwärts" Nr. 80 vom 3. April) wie ob Bring, General, Kommerzienrath oder Proletarier mäßiges Verhalten auf Poften troffen wurden, vor die Front mancherlei Anerkennung ein- und ernannte ein- und ernannte ihn mit den folgt: Und auch darum däucht uns die neueste Wendung der Affäre Lück geheimst. Nachdem er von seinem Worten zum Gefreiten: " In der Hand eines jungen Menschen liegt das Leben nicht unmöglich, weil die Auszeichnung dieses Soldaten ein verhängnißHauptmann, Major und Obersten freiter Lick! In Anerkennung blos Desjenigen, der mit ihm irgendwie in Konflikt geräth. Die voller Stachel für strebsame Elemente der Armee wäre, sich auch, durch Belobigungen und Geld- Deine 3 forretten Benehmens Kugel, die den Lauf verläßt, bedroht Jeden, der zufällig in ihren so oder so, seine Auszeichnung zu verdienen. Wie leicht ist ein gefchente ausgezeichnet worden auf Poften ernenne ich Dich Bereich geräth, fie bedroht nicht blos die Passanten, sondern auch war, ist ihm die höchste Ehre, zum Gefreiten. Ich hoffe, daß die Bewohner der Häuser, in deren Umkreis das fleinkalibrige Anlaß gefunden, wie zahlreich sind die Vorkommnisse, die nach welche einem Soldaten wider Du auch fernerhin Dich durch Gewehr in Attion tritt. Wer in der Wurfbahn des Geschosses berühmten Mustern zum Schießen einladen! fahren kann, durch den Kaiser Muth und Entschlossenheit aus fich bewegt, ist verloren. Schuldig oder unschuldig, die Kugel felbst zu Theil geworden. Wir zeichnen wirst, und daß Du macht teinen Unterschied. Und sie wird auch treffen, wenn des erfahren darüber das Nach- ftets dem Regiment Ehre machen Bufalls Spiel einen Minister, einen General, einen Prinzen oder gefagt: Wir erwarten eine amtliche Erklärung. stehende: Am Sonnabend Abend wirft. Darauf reiche ich Dir sonst einen Mächtigen in den Bann ihrer ballistischen Kurve traf plöglich bei dem genannten die Sand!" Nach einem fräftigen bringt.... Aber die Instruktion ist befolgt.... Mögen auch Truppentheile eine Depesche des Händedruck ließ der Kaiser Züd Menschenleben nuglos geopfert werden: Inhalts ein, daß sich der Gewegtreten. Die Nachricht, daß freite Lück sofort nach der Ka- derselbe schon am Tage nach Es ist freilich ein Verbrechen, wenn ein Trunkener die ferne des Kaiser Franz Garde- jenem Vorfall vom Regiments Schildwache hänselt, ein Verbrechen, das nur mit Strömen Blutes Grenadier - Regiments zu be- Rommandeur zum Gefreiten er- gefühnt werden kann. Das Strafgesetz freilich würde den Frevler geben habe, um sich dort bei nannt worden sei, ist falsch. mit etlichen Tagen Haft, mit einer Woche Gefängniß büßen. Berlin , den 10. Mai. dem obersten Kriegsherrn per- Lück war auch gestern zum Aber der grobe Unfug wird zum Majestätsverbrechen, wenn er Der alte Kurs. Die sozialpolitischen Geheimbdes fönlich zu melden. Der Kaiser Dienst ohne Knöpfe am Kragen, verübt wird gegen zweierlei Zuch. Die beleidigte Majestät des räthe können sich nicht genug thun, um dem Unternehmerempfing den Soldaten im Offizier das Abzeichen des Gefreiten, er- Militarismus heischt sofortige Ahndung, er ist Berlegter, Kläger , thum ihre so aufrichtige wie hingebende Liebe zu versichern. Rajino, erkannte an, daß Lück schienen."
nur im Sinne der maßgebenden Befehle gehandelt habe, und überreichte ihm schließ lich selbst sein Bildniß, welches die eigenhändige Unterschrift des Kaisers trug. Die faiserliche Huld sollte Damit aber noch nicht erschöpft fein. Als am Montag Morgen um 8 Uhr die drei Bataillone des dritten Garde- Regiments dem Raiser auf dem Tempelhofer Felde vorgeführt wurden, ließ Der Monarch nach beendigtem Ererziren die drei Bataillone ein offenes Karrée bilden, ritt in die Mitte desselben und rief mit lauter Stimme:„ Gefreiter Lück!" Als der Gerufene vorgetreten war, reichte der oberste Kriegsherr Lück die Hand und fagte:" Ich gebe Ihnen vor dem ganzen Regi-| mente für Ihre treue Bflichterfüllung hier. mit die Hand, es ist eine Ehre für das Regiment, wenn so brave Soldaten ihm angehören!" Der Kaiser ermahnte dann noch die Truppen, bei ernsten Vorfällen fich ftets ihrer Pflicht bewußt zu bleiben."
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„ Ge=
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Die Katze, die Katz' ist gerettet."
Zum Schluß wiederholen wir, was wir schon im Anfang
Politische Itebersicht.
Richter und Nachrichter in Einer Person. Er vollstreckt sein Ur- Erst kürzlich sprachen sie durch den Mund der„ Nordtheil am Delinquenten ohne Prozeß, vermittelst eines summa- deutschen Allgemeinen Zeitung" ihre Ansicht aus, es sei rischen Verfahrens, deffen blutigen Lakonismus tein Standrecht nun genug des grausamen Spiels mit der- Redensart übertrifft. Schonzeit für Wild haben wir glücklich in Deutsch - der Sozialreform von oben. Und in der neuesten Nummer land, Schonzeit für die Menschen sollte auch der des offiziösen Blattes( Nr. 218 vom 10. Mai) wird derFriedens. Wie viele Verwundete und Todte sollen noch das selbe Faden eifrig gesponnen. Die Bergwerks- Novelle giebt Blachfeld der Straße bedecken, bis dem kulturwidrigen Zu- auch hier wieder den Anlaß zu dem feierlichen Geständniß stand, der heute und zwar nur in Deutschland herrscht, ein Ende eines Verzichts auf den Versuch des Versuchs, soziale Politit gemacht wird? Schutz dem Bürger, fort mit der Schieß- zu treiben. Da heißt es: instruktion!"
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Es erscheint uns nöthig, den Sachverhalt nochmals festzustellen, obwohl oder gerade weil wir die neueste Phase in der Geschichte des Lück für ein Märchen aus Tausend und Einer Nacht halten, das sich vielleicht im asiatischen Osten leibhaftig zutragen mag, nicht aber in einem westeuropäischen Gemeinwesen, das sich ein Rechts- und Kulturstaat nennt.
Wir nehmen von der Meldung der Bourgeoisblätter nur deshalb Aft, weil wir ein sofortiges amtliches Démenti in schärfster Fassung provoziren wollen. Eine amtliche Erklärung im Reichs- Anzeiger", die zur Aufhellung der Sachlage mindestens so noththut, wie die am 9. Mai im Ab geordnetenhause verlesene Kabinetsordre ohne Datum, eine Ertlärung, die hoffentlich nicht so lange auf sich warten läßt, wie der Erlaß gegen Ententeich- und Demolirungspläne.
Daß ein Soldat seine Instruktion erfüllt, ist seine Pflicht. Tödtet er dabei einen, zwei Menschen, trifft er den Schuldigen und wie leicht ist dessen Schuld und daneben einen Un
,, Gerade Diejenigen, welche es mit dem Schuße der Ara beiter am ernftesten nehmen, müssen wünschen, daß, nachdem durch die Reichsgesehgebung auf diesem Gebiete neue und zwar weitgehende, eben erst in Kraft getretene Anordnungen getroffen find, nunmehr eine Frist gegeben werde, in welcher sich die Praxis mit den neuen ihr vorgeschriebenen Bedingungen abzu finden hat. Unsicherheit darüber, ob die getroffenen Anordnungen dauernde sein, oder vielleicht schon bald durch andere weitergehende ersetzt werden möchten, fann weder dazu dienen, ein gutes Verhältniß zwischen den Arbeitern und den Arbeitgebern zu fördern, wohl aber die Lehteren zu Zweifeln führen, ob das noch Kommende nicht die Weiterführung ihrer Betriebe unmöglich machen werde. Wer also, ohne dem Geschehenen Zeit zu lassen, sich einzuleben, auf weitere und weitgreifende Berfchärfungen der Arbeiterschutzbestimmungen hindrängt, stellt damit nicht nur das Erreichte in Frage, sondern auch den Zweck, zu welchem es geschaffen wurde. Soll der Arbeiterschuß den sozialen Frieden fördern, so muß diese Wirkung versagen, wenn daneben eine agitatorische tritt, welche dem Arbeiter fortgesetzt ins Ohr flüstert, für ihn sei noch lange nicht genug geschehen."
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, und wenn die Arbeiter schuldigen, so erhellt die Verwerflichkeit des Zwanges dieser In- aufsässig werden, wird der Kapitalist sein gewinnreiches Geschäft nicht weiter betreiben. So alt diese Drohung ist, Gin Betrunkener, der Arbeiter Brandt, hänselt es war in struktion. Geht der Posten straflos aus, der Bürgerblut inftrut so blöde ist sie auch: in England, in der Schweiz , in der Nacht vom 1. zum 2. April - den vor der Kaserne des tionsgemäß vergoffen hat, so ist das sein Recht. Ein betrübendes, Desterreich, allerorten ist sie der Widerhall der Plusmacherei 3. Garde- Regiments zu Fuß aufgestellten Posten, einen gewiffen ein mit Blut und Thränen geschriebenes Recht, aber doch immer auf die Arbeiterschutz- Bewegung. Und überall erweist sie Lück. Der Posten ladet, der Berauschte ergreift die Flucht und hin sein Recht. fich als klägliche Flause. Freilich die Industriellen zittern wird von der Schildwache über den Haufen geschossen. Ein Jedoch es erscheint unmöglich, daß diese That, die ein un- vor dem leisesten Hauch einer Reform, und für sie ist jeder bedeutendes Delikt mit dem Tode sühnt und einen Unbetheiligten Baragraph eines Arbeiterschuh- Gesezes ein ſtrafgeseßlicher wird burch bas treffsichere Geschoß des fleinkalibrigen Gewehrs zum Krüppel macht, durch den obersten Kriegsherrn, der zugleich Baragraph. So spricht die" Norddeutsche" mit Recht von gleichfalls zu Boden geworfen und schwer verwundet. Die Presse König von Preußen und deutscher Kaiser ist, in dieser Weise Süttenkönige in Rheinland und Westfalen Felsenherzen? in einer befürchteten„ Berschärfung": Haben die Grubeit und wird diesmal der Ausdruck der öffentlichen unverfälschten belobt werden könnte. Die hösischen Geschichtsschreiber des Sehen sie nicht, daß die Geheimbderäthe in der That den Meinung, welche gebieterisch eine Beseitigung jener Kultur- Breußenthums feiern die Hohenzollern deshalb, weil sie den guten alten Kurs getreulich innehalten? Es ist kein Wachtposten Grundsatz Friedrich II. verwirklicht, daß der König der erste sozialpolitischer Löwe, der Herr Geheimbderath,' 3 ist nur gestattet, Bürger im Staate sei. Akzeptirt man die hösische Auffassung der Schreiner Schnock, der schlohweiß und schlotternden Gine lebhafte und den Fridericianischen Grundfah, so erscheint schon aus diesem Gebeins Buße thut, daß er auch nur eine Minute das gekommen ist, Gesichtspunkt jene Schießprämie als eine Unmöglichkeit. Die Sicher sozialreformerische Löwenfell getragen.
widrigen Schießinstruktion heischte, die den
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Preußisches Landtags Wahlrecht. Wie die
den Gebrauch der scharfen Patronen nicht nur sondern auch gegebenen Falls aufnöthigt. fnüpfte sich in den Blättern, in Versammlungen, in den weitesten heit für Leib und Leben der Bürger zu garantiren, ist eine hervor Streifen der Bevölkerung an diesen Vorfall, der die Nothwendig ragende Aufgabe der Staatsgewalt. Und der Monarch, der in preußische Regierung sich die aus Anlaß der Steuerreform teit einer Reform finnenfällig zeigte. Schlag auf Schlag waren seinem während des Prozesses Heinze veröffentlichten Erlaß fich nothwendig gewordene Aenderung des Landtags- Wahlrechts biele tödlichen Schießübungen im tiefſten Frieden auf einander als den Schirmherrn der Gefeße ausdrücklich bezeichnet hat, wird denkt, verkündet eine offiziöse Korrespondenz, in der es heißt: gefolgt. As der Poſten vor der Reichsbruderei auf einen Bürger feinen Soldaten auch noch belobigen wegen einer That, die ge- An der Grundlage des jezigen Wahlſyſtems, bem auf be Schoß, weil er Nachts ein natürliches, Bedürfniß auf der Straße rechtfertigt ist durch eine Einrichtung, welche in unser Jahr: Besteuerung begründeten Dreiklassensystem mit indirekter