vebergang von der Hochbahn zum Dampfer. Es legen dort sämtliche von der Jannowitzbriicke nach der Oberspree abfahrenden und von der Obersprce zurückkehrenden Dampfer an. Die Fahrt zwischen den beiden Berliner Anlegestellen Jannowitzbrücke und Schlesisches Thor beträgt zu Berg und zu Thal 15 Minuten. Die Dampfer fahren also vom Schlesischen Thor nach der Oberspree 15 Minuten später als von der Jannowitzbrücke ab und legen am Schlesischen Thor, von der Oberspree kommend, 15 Minuten früher an. Der Rnbatt-Sparvcrcin Königsthor hielt an, 22. d. M. in Schneiders Festsälen, Belforterstr. 15, eine außerordentliche General Versammlung ab, in Ivelcher einstimmig die Auslösung de Vereins beschlossen wurde. Als Liquidationskommission wurde der Gesamtvorstand mit der Bestimmung bestellt, daß die Schluß rechnung im„Vorwärts" und der„Berliner Morgenpost " veröfsent licht wird. Im Verlauf der Verhandlung gelangten verschiedene ordnungsgemäß eingegangene Anträge zur Abstimmung, deren hauptsächlichster war, daß die übrigbleibenden Gelder einer im allgemeinen Interesse der arbeitenden Stände liegenden Institution(Wahlverein! überwiesen werden sollen. Die Abstimmung ergab die Annahme gegen eine Stimme. Unter merkwürdigen Umständen erkrankte vorgestern der Kausinann Schachmann, Brunnenstr. 137. Herr Sch. benutzte vorgestern abend einen Straßenbahnwagen der Linie 35 zur Fahrt nach seinem schäftslokal und hatte im Wageninnern Platz genommen. In der Nähe der Jnvalidenstraße brannte die Bleisicherung, die sich außer halb des Wagenkastens zwischen den Achsen befindet, durch. Bei dem Kurzschluß entstand ein Knall, durch welchen Sch. derartig erschreckt wurde, daß er vorübergehend die Besinnung verlor. Auch nachdem sich der Kaufmann wieder erholt hatte, vermochte er nicht zu gehen und mußte nach seinem Geschästslokal gebracht werden. Ein sofort hinzugezogener Arzt stellte fest, daß Herr Sch. infolge des Schreckens eine Gemütserschütterung erlitten hatte. Selbstmord in der Werkstatt beging vorgestern, Freitag, der 35 Jahre alte Tischlergeselle Max Herrmann aus der Weinstr. 23 Der Mann arbeitete seit Montag in einer Tischlerei in der Andreas- straße, nachdem er auch bis dahin an verschiedenen Stellen lohnende Beschäftigung gehabt hatte. Seinen Mitarbeitern schien er von An fang an tiefsinnig zu sein. Am Donnerstag gebahr ihm seine Frau das fünfte Kind, während das älteste acht Jahre zählt. Als Herr- mann, der ein sehr geschickter Arbeiter war, vorgestern morgen nach der Werkstatt kam, zeigte er sein gewöhnliches Wesen. Nach dem Frühstück ergriff er plötzlich ein Fournicrmesser und schnitt sich den Hals durch. Auf die teilnehmende Frage seiner Arbeitsgenossen, warum er denn das gcthan habe, konnte er noch antworten:„Aus Not." Dann verlor er das Bewußtsein und sollte mit einem Lückschen Rettungswagen nach dem Krankcnhause an, Friedrichshain gebracht werden, starb aber schon unterwegs. Der Mann scheint geistesgestört gewesen zu sein. Denn er litt keine Not und hatte auch keine Schulden. Zur gerichtsärztlichen Oeffnung beschlagnahmt wurde die Leiche des 62 Jahre alten Arbeiters Rudolf Preuß aus der Lübbenerstr. 9. Prcuß soll nach seiner Darstellung das Opfer einer Körperverletzung geworden sein. Er arbeitete früher 16 Jahre lang in einer kleinen Essigfabrik in der Reichenbergerstraße. Am 29. Oktober v. I. kam er nach Hause und erzählte seiner Frau, daß er von seinem Arbeitgeber geschlagen worden sei, weil er am Tage vor- her dessen Frau beleidigt habe. Diese habe sich stets in die Fabrik- angelegenheiten eingemischt, obwohl sie nichts davon verstehe, und ihm in Abwesenheit ihres Mannes vorgeworfen, daß er seine Arbeiten schlecht ausgeführt habe. Hierüber seien sie in einen Wortwechsel geraten. An, nächsten Tage, nach der an- geblichen Mißhandlung, erhielt Prenß seine Kündigung. Seit dem behauptete er, daß er fortwährend an Schmerzen leide, die von inneren Verletzungen durch Stöße in die Seite herrühren müßten. Er machte auch wegen Körperverletzung Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, wurde aber damit abgewiesen. Sein Arbeitgeber bestreitet, ihn geschlagen oder gestoßen zu haben, und behauptet, daß Preuß, der ein leicht erregbarer Mensch gewesen sei, sich verstellt habe. Er habe ihn wegen der Beleidigung seiner Frau nur zur Rede gestellt und dann entlassen. Vorgestern abend besuchte Frau Prenß eine verheiratete Tochter in der Skalitzerstraße. Als sie um 9 llhr zurückkehrte, fand sie ihren Mann tot auf dem Fußboden liegen. Der Arzt, den sie rief, konnte die Todesursache nicht fest- stellen. Erst die Leichenöffnung wird ausklären können, ob der Tod wirklich auf innere Verletzungen, wie sie behauptet worden, zurück- zuführen ist. In diesem Falle würde wohl nachträglich ein Straf- verfahren eingeleitet werden. Eine mit großer Lebensgefahr ausgeführte Rettung verursachte tn der Nacht zum Sonnabend einen großen Menschenauflauf an der Friedrichsbrücke. Gegen Mitternacht war dort ein junger Mann angeblich in selbstmörderischer Absicht in die Spree gesprungen. Das kalte Bad hatte den Mann aber bald ernüchtert. Jämmerlich schrie der Lebensmüde nun um Hilfe. Alle Versuche, ihm einen Rettungs ball zuzuwerfen, mißglückten. Schon war der Mann dem Ertrinken nahe, als der bekannte Spielwarenfabrikant Bernhard Keilich(Große Hambnrgerstraßen-Ecke) erschien und sich an die Rettung des Sinkenden machte. Mit Hilfe eines jungen Mannes wurde ein Kahn losgemacht und der Lebensmüde in dem Moment erfaßt, als er wieder an die Oberfläche des Wassers kam. Dann wurde der Bewußtlose ans Ufer gebracht, wobei Keilich ins Wasser stürzte und insolge der Ueber- anstrengung und weil er mit einem schweren Paletot bekleidet, selbst in große Lebensgefahr geriet. Zum Glück erfaßte der Retter eine Ankerkette, an der er sich dann emporarbeiten konnte. Vollständig erschöpft und triefend gelangte er gerade als es 12 Uhr schlug wieder aufs Trockene,>vo man ihn nicht nur zur Rettung des jungen Mannes, sondern auch zu seiner eigenen und zu seinem eben begmnenden Geburtstage gratulierte. Schutzleute brachten dann den Geretteten nach dem Katholischen Krankenhause, wo er sich noch befindet. Arbeiter-Bildnngsschulr Berlin . Montag, den 1. Juni(2. Pfingst - feiertags: Ausflug»ach Friedrichshagen - Grünau . Absahrt: Alexanderplatz 8,54, Schlesischer Bahnhof 9,1. Ankunft Friedrichs- Hagen 9,34. Treffpunkt für Nachzügler von 12 Uhr mittags ab Restaurant Marienlust, am besten von Grünau aus zu erreichen. Zahlreiche Beteiligung der Mitglieder und Freunde der Schule wird erwartet. Im Zoologischen Garten findet am heutigen Sonntagnachmittag von 4 Uhr ab großes Promenaden-Konzert statt, loelches von drei Garde-Kapellen in Uniform ausgeführt wird. Der Eintrittspreis beträgt 5V Pf. für Erwachsene und 25 Pf. für Kinder unter 19 Jahren. Im Berliner Aquarium wird der Besucher und Naturfreund wieder verschiedene neue und merkwürdige Erscheinungen beobachten können. Das höchste Interesse erregt der kürzlich angekommene echte Tintenfisch ans dem Mittelmeer , der nun, nachdem er die Krisis der Transportkrankhcit hinter sich hat. sich in dem für seltenere Meerespolypen bestimmten Becken des unteren Grottenganges sehr wohl fühlt und durch seine absonderliche Gestalt und das eigen- artige, große blauschwarze Auge, sowie durch die niit Hilfe der unteren vier Arme ausgeführten Schwimmbewegungen die Auf- merksamkeit des Beschauers fesselt, ferner durch die eigentümlichen Fangstellungen, wobei er sich wagerecht im Wasser schwebend erhält und dann die Beute durch hervorschleudern der Fangarme ergreist. Derartige biologische Beobachtungen lassen sich erst jetzt anstelle», nachdem die Direktion an der Hand der gesammelten Erfahrungen für die Ueberführung und Eingewöhnung derartiger seitencr Tiere besondere Maßnahmen treffen kann. Ebenso erzielt sie immer mehr zufriedenstellende Erfolge in dem Transport andrer Meeresbewohner, z. B. des sonst so„gemeinen" Herings. Im Sportpark Friedenau findet an Stelle des angekündigten Matchs Bonhonrs- Görnemann am Sonntagabend 7 llhr ein Dreier-Match Bonhours-Görnemann-Denrke über eine Stunde statt, nachdem der Franzose Bouhours die Herausforderung Demkes acceptiert hat. Demke hatte bekanntlich dem Franzosen Cornet, den Sieger des kleinen Goldenen Rades, ein Match angetragen, das dieser wegen anderweit eingegangener Wer- pflichtungen nicht annehmen konnte. Feuerbericht. Die letzten 24 Stunden brachten wieder über ein Dutzend Alarmierungen. Freitagabend wurde die Wehr nach der Chansseestr. 17/18 gerufen, weil hier durch Unvorsichtigkeit in einer Wohnung Möbel und Decken in Brand geraten waren. Auch in der Pallisadenstr. 193 und in der Urbanstr. 87 mußten Wohnungsbrände abgelöscht werden. Kleidungsstücke, Gardinen ec. wurden in der Hauptsache beschädigt. In der Mühlenftr. 166 war etivas später auf dem Boden Feuer ausgekommen. Allerlei Gerumpel, Kisten und Ver- packungsmaterial standen in Flammen. Alarmierungcn, die außer- dem im Laufe des Freitags nach der Brunnenstr. 3, Usedomstr. Ruugestr. 15, nach der Schönhauser Allee und noch nach einigen andren Stellen erfolgten, betrafen nur ganz unbedeutende Brände. Huö den Nachbarorten. Lichtenberg G em e i n d e v e r t r e te r aber nicht Steuer zahlerl„Die Besucher der Arbeitslosen-Versammlungen sind Montagsbnmmler," donnerte Herr Göhlsdorf bekanntlich in der Debatte über die Maßnahmen, die gegen die Arbeitslosigkeit ergriffen werden sollten.„Ich bin vom„Bürgerverein" als Kandidat aus- gestellt und dürfte auch von diesem gewählt sein und lehne es daher ab, in einer öffentlichen Versammlung Bericht über meine Thätigkeit als Gemeindeverordneter zu erstatten," antlvortete Herr Göhlsdorf dem s ocialdemokratischen Wahlkomitee, um sich dann sofort in die zweite Wählerklasse zu flüchten und als„Bürgervereinler" die Gemeinde Vertretung zu— zieren. Nun hat unser Kommunalfteisinn. die Gruppe, der Herr Göhlsdorf angehört, eine— Zeitung zu ihrer Versügung. Unparteiische Berichte aus den Gemeindeverttetungen zu bringen, soll eine ihrer Aufgaben sein l Von der öffentlich vor- getragenen Thaffache, daß Herr Göhlsdorf seit 1991 keine Steuern bezahlt, auch keine von ihm beizutreiben sind, trotzdem er Besitzer großer Grundstücke ist, bringt die„Ortszeitung" kei Wort! Unsre Genossen haben recht: man schämt sich seiner! Herr Göhlsdorf stimmte auch gegen den Anttag unsrer Genossen, den preußischen Landtag aufzufordern, für die Gemeindelvahlen das Reichstags-Wahlrecht einzuführen und das Wahlrecht auf die Frauen auszudehnen. Herr Göhlsdorf gab den Ausschlag, daß die Haus- besitzer unsrer Genossen als„Scheinbesitzer" erklärt wurden. Run hat auch ihn sein Schicksal erreicht. Reinickendorf . Das Gesuch des socialdemokrattschen Wahlkomitees an den hiesigen Gemeindevorstand um Zustellung der Abschrift der Wählerlisten gegen Erstattting der Kosten wurde abgelehnt, weil dem Gemeindevorftand Arbeitskräfte zur Anfertigung der Listen nicht zur Verfügung stehen. Als daraufhin ein Genosse die Abschrist während der öffentlichen Auslegung derselben selbst vornehmen wollte, wurde dies mit dem Bemerken verweigert, daß nur Aus züge gemacht werden dürsten und es nicht angängig sei, die ganze Liste abzuschreiben, da kein Platz dazu vorhanden sei. Eine elegraphische Beschwerde an den Landrat scheint ein größeres Ent- gegenkommen verursacht zu haben, denn jetzt dürfen Auszüge oder Abschriften, wie man's zu nennen beliebt, gemacht werden. Die Zahl der Wahlbezirke und somit auch der Wahllokale beträgt 19. Wähler sind 4194 vorhanden. Die Wahlbewegung am Orte wird bis jetzt nur von unfern Genossen geführt. Von gegnerischen Parteien, Versammlungen oder Flugblätter merkt man nichts. Hoffnungslos scheinen sie sich ihren: Schicksal zu ergeben. Krank und siech die Gegner, dagegen bei unfern Genossen erhöhte Arbeits reudigkeit. Das bewies die letzte Flugblattverbreitung, wo es zum erstennml möglich war, ohne fremde Hilfe in den zehn Orten des Bezirks gleichzeitig unter Mitwirkung der Radfahrer die Verbreitung exakt vorzunehmen. Zehlendorf . Wie uns von unterrichteter Seite nachträglich mit geteilt wird, hatten die Rcakttonäre Zehlendorfs die Absicht, uns durch das Kaiserhoch in Verlegenheit zu bringen. Sie nahmen an. daß wir sitzen blieben, worauf man uns dann aus dein Saal weisen wollte. Dadurch, daß wir ruhig aufstanden, ohne Hoch zu rufen— oweit geht der Dolus der Majestätsbeleidignng noch nicht, daß man uns zwingen kann, Hoch zu rufen— ist die edle Absicht ins Wasser gefallen. Daher denn auch das ganz unmotivierte Betragen des Herrn Professor Althaus erklärlich, der sich ein Verdienst um die Monarchie zu erwerben gedachte. Die Zahl der wähl b e r e ch t i g t e n E i n w o h n e r ist von 833 im Jahre 1899 au 2399 gestiegen. Rowawes. Eine ungeheure Menschenmenge— wir schätzten ie auf mindestens 699 Personen— hatte sich am Nachmittage des Himmelfahrtstages auf dem Friedhofe versammelt, um der Beeröi- gung des Sohnes des Eisenbahnarbeiters Schloericke, der, wie der Vorwärts" bereits mitteilte, unter eigenartigen Umständen ver- torben ist, beizuwohnen. Der die Grabrede haltende Ober Pfarrer Koller führte aus. daß der Tod des Knaben durch einen u n- lücklichen Zufall herbeigeführt sei. Da der Familie des Verstorbenen das Sektionsprotokoll noch nicht zugestellt ist, können wir nicht darüber urteilen, ob der Tod des Knaben mit der Züchtigung durch den Lehrer in Verbindung steht. Jedenfalls ist es merk- würdig, daß, wie man uns mif das bestimmteste mitgeteilt hat, der Lehrer die Eltern gebeten hat, ihn nicht unglücklich zu machen und ihnen pekuniäre Unterstützung in Aussicht stellte. Da die Entrüstung über den Fall eine außer- ordentlich große und Klarstellung des Falles dringend geboten ist. haben die socialdemokrattschen Gemeindcvertretcr beim Gemeinde- Vorsteher beantragt, folgende Interpellation auf die Tagesordnung der nächsten Gemeindevertreter-Vcrsammlnng zu setzen: Ist dem Herrn Gemeindevorsteher bekannt, daß der Tod eines Volksschülers durch eine körperliche Züchtigung seines Turnlehrers erfolgt ist und was gedenkt der Gemeindevorstand im Interesse der Schule in dieser Sache zu thun? Wir hoffen, daß durch diese Interpellation die Schulbehörde sich veranlaßt fühlen wird, den Lehrer bis zur Klar- -tellung des Falles von seinem Amte zu suspendieren, denn man kann doch niemand zumuten, seine Kinder von einem Lehrer unterrichten zu lassen, der unter dem Verdacht steht, durch Ucberschreitung seines Züchtigungsrechts den Tod eines Kindes herbeigeführt zu haben. Potsdam . Zu 19 Wochen Festung verurteilt wurde vom Ober- Kriegsgericht der Fahnenträger des Garde-Jägerbataillons zu Pots- dam, Oberjäger Jacob, wegen schwerer Körperverletzung mittels seines Seitengewehrs. Jacob hatte vor einigen Monaten init noch einem Oberjäger ein Haus in der Mittclstraße, woselbst eine Dirne wohnte, aufgesucht. Als dieselbe die beiden angetrunkenen Mars- -öhne nicht in ihre Wohnung lassen wollte, machten dieselben Krach. Jacob zog dabei sein Seitengewehr und brachte dem Dachdecker Eis- mann eine schwere Körperverletzung bei, als dieser die beiden Oberjäger ausforderte, das Haus zu verlassen. D a s K r i e g s- ericht hatte nur auf 72 Mark Geld st rase er- k a n n t, während das Ober-Kricgsgericht auf oben angeführte Strafe erkannte. (ZericKts-TeiUiug. Gewissenszwang in Preußen. Der Kaufmann S., der schon seit vielen Jahren Dissident ist, hatte geglaubt, von der verfassungsmäßig gewährleisteten Religions- und Gewissensfreiheit dadurch Gebrauch machen zu können, daß er seine Tochter vom Religionsunterricht in einer Berliner Volksschule fernhielt. Schulbehördcn und Staatsanwaltschaft waren aber andrer Meinung und wollten ihm dies fühlen lassen. Das Schöffen- gericht sprach ihn frei, das Landgericht Berlin verurteilte ihn jedoch zu einer Geldstrafe wegen nicht genügend entschuldigter Schul- Versäumnis seiner Tochter. In der llrteilsbcgründnng wurde unter andcnn gesagt: Wer sein Kind in die Volksschule schicke, müsse es auch an dem schulplanmäßigcn Religionsunterricht teilnehmen lassen. und sei hiervon nach Z 11 II 12 Allgemeinen Landrechts nur dann befreit, wenn das Kind„in einer andren Religion nach ven Tesetze» des Staats" erzogen werde. Daß dies der Fall sei, habe der An- geklagte nicht einmal behauptet. Jene Auslegung widerspreche auch nicht dem Artikel 12 der preußischen Verfassung, der die Freiheit des religiösen Bekenntnisses gewährleiste, denn der Artikel 12 besttmme auch, daß durch die Ausübung der Religionsfreiheit den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten kein Abbruch geschehen dürfe. Zu den staatsbürgerlichen Pflichten gehöre aber nach Artikel 21 der Ver- fassung auch die Pflicht der Eltern, ihre Kinder nicht ohne den Unter- richt zu lassen, der für die öffentlichen Volksschulen vorgeschrieben sei. so daß sich auch daraus wieder die Pflicht für die Eltern ergebe, mangels des Nachweises eines andren gleichwertigen Religions- Unterrichts ihr Kind an dem Religionsunterricht der Volksschule teilnehmen zu lassen.— Dann ging das Gericht noch auf die ethische Seite der Angelegenheit ein und meinte, ein Kind, das gar keinen Religionsunterricht genieße, würde verwildern und moralisch ver- kümmern. Der Angeklagte thäte gut, sein Kind nicht zu beunruhigen. Wenn das Mädchen herangewachsen fei, dann könnte er es in die Thesen der von ihm als richtig anerkannten Lehre einweihen und es der Tochter überlassen, zwischen dieser und der in der Schule kennen gelernten zu wählen. Der Angeklagte legte Revision beim Kammergericht ein, wo sie vom Rechtsanwalt Dr. H. Siloerstein vertreten wurde. Unter andcrm wurde in der Revision betont, daß der Vater das in der Gesetzgebung ausdrücklich anerkannte Recht habe, zu bestimmen, daß sein Kind in der Religion erzogen werde, zu der er selbst sich bt- kennt. Da er religionslos fei, so könne er sie vom Religionsunter- richt überhaupt fernhalten, denn so sei§ 11 II 12 Allgemeinen Landrechts nicht auszulegen, wie es der Borderrichter gethan habe. In„einer andren Religion nach den Gesetzen des Staates" erzogen werden, solle nicht heißen, daß die andre Religion eine Religion nach den Gesetzen des Staates, eine staatlich anerkannte Religion sein müsse. Die Heranziehung der Gesetze des Staates habe vielmehr nur den Sinn, daß die Bestimmung über die Wahl der Religion den Gesetzen des Staates zu entsprechen habe. Der§ 11 II 12 wolle— im Gegensatz zu obiger Auslegung des Landgerichts— nur bestimmen, daß Kinder am allgemeinen religiösen Unterricht nicht teilzunehmen haben, wenn sie anderweit religiös erzogen werden sollen. Ueber die Anordnung dieser anderweiten re- ligiösen Erziehung treffe er keine Bestimmung. Wenn gesagt sei. die staatsbürgerlichen Pflichten dürften nicht verletzt werden, und wenn Artikel 22 der Verfassung dazu auch den Schulzwang zähle, so dürfe nicht vergessen werden, daß eben der Schulzwang in Bezug auf Religion nach§ 11 II 12 Allgemeinen Landrechts beschränkt sei und auch nach der Verfassung beschränkt sein solle, weil seine An- Wendung in diesem Fall zum Glaubenszwange aus- arten würde. Der Vater müsse es als einen ihm zugefügte« Glaubenszwang schlimmster Gattung empfinden, wenn sein Kind Wider seinen Willen in den fundamentalsten Grundanschauungen über Welt und Leben— und das würden die religiösen doch wohl sein— Belehrungen empfange, die er für unrichtig und verderblich halte, und für deren Richtigkeit ihm die Staatsgewalt keine Gewähr leisten könne.— Der Angeklagte legte selber noch dar, daß er durch den Gedanken an die religiöse Erziehung seines Kindes auf das empfindlichste gequält werde. Das Kammergericht unter dem Vorsitz des Herrn Lindenberg verwarf indessen die Revision und billigte die Vorentscheidung aus den vom Landgericht angeführten Gründen. Herr Lindenberg meinte noch, das Kind komme in keinen Gewissenszwang durch den Religionsunterricht, und der Vater auch nicht dadurch, daß er ihn dulden müsse. Peinliche Fragen gebe es bei allen Meinungs- Verschiedenheiten in der Familie. Das Wesen der Fahrlässigkeit beim Falscheide. Leipzig . 19. Mai. Das Landgericht Pr enzlau hat am 29. November vorigen Jahres den Landwirt Julius S t a b e l wegen fahrlässigen Falscheidcs in. zwei Fällen zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte hatte auf einer Auktion Bretter gekauft und sie fort- gefahren. Unterwegs trat ein gewisser M. an ihn heran und be- hauptete, das seien seine Bretter. Beide gerieten in Streit und prügelten sich, wobei Stabel den kürzeren zog und im Gesicht blutig verwundet wurde. Stabel schwor vor dem Schöffengericht und später vor der Strafkammer, er habe keinerlei Werkzeug zum Schlagen in der Hand gehabt, höchstens seine Peitsche. Durch Zeugen ist aber er- wiesen, daß der Angeklagte, als er sich am Brunnen das Blut abwusch und M. wieder auf ihn zukam, rasch hinter den Brunnen sprang, einen großen Knüppel ergriff und damit dem M. eine leichte Kopfverletzung beibrachte. Das Gericht hat deshalb Fahrlässigkeit bei der Eides- leistung angenommen und ausgeführt: Ter Angeklagte mag durch Alkoholgenutz in der klaren Beurteilung der Sachlage beeinträchtigt gewesen sein, aber aus der Verhandlung mußte er entnehmen, daß seine Zeugenaussage sehr unwahrscheinlich sei. Er hätte daraufhin sein Gedächtnis anstrengen müssen und wäre sich dann zweifellos klar darüber geworden, daß er mit dem Knüppel geschlagen hatte.— Die Revision des Angeklagten kam heute vor dem Reichsgericht zur Verhandlung und wurde vom Reichsanwalt für begründet erklärt. Er führte folgendes aus: Beim Falschcide sind vier verschiedene Arten möglich: 1. der Schwörende lveiß, daß das, was er beschwört. falch ist; das ist Meineid: 2. er zweifelt an der Richtigkeit, schwört aber auf die bewußte Gefahr hin, daß es falsch ist: das ist Meineid mit dem dolus eventualis; 3. er zweifelt, hofft aber leichtfertig, daß eine Aussage doch richtig sein könne; das ist fahrlässiger Falscheid: 4. er hat Anlaß zu zweifeln, zweifelt aber doch nicht; dies würde ein trafloser Falscheid sein, wenn sich nicht nähere Umstände feststellen lassen, welche ihn zum Zweifeln veranlassen mußten. Dieser Fall liegt hier vor. Es ist aber nicht genügend nachgewiesen, daß dem Angeklagten Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage aussteigen mußten. Er konnte vielleicht von der Richtigkeit seiner Aussage über- zeugt sein.— Das Reichsgericht hob das Urteil wegen Verkennung der Fahrlässigkeit a u f und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Der verschönerte M-pvel.„Et is eene Schande for der janzen vieljerühmten preußischen Justiz, det een unbescholtener Mann, der nur seinen beleidijten Schönheitsjefühl Jcnujthuung verschaffen wollte, dafor uff der Anklagebank jeschleppt wird! Ick protestiere im Namen eener idealistischen Weltuffassung jejen..."— Vors.: „Schweigen Sie, bis Sie gefragt werden. Sic stehen hier unter der Anklage der Sachbeschädigung und Tierquälerei. Bekennen Sie sich 'chuldig?"— Angekl.:„Ick denke jar nich dran. Wat ick jcthan habe, war een Verschönerungsversnch. weiter nischt."— Vors: Dann erzählen Sie uns doch mal diese merkwürdige Sache."— Angekl.:„Fräulein Amanda Demuth. wat die Denunciantin in diesem Prozeß is. wohnt eene Treppe unter mich. Ihre Wohnung hat eenen Balkon, während meine Fenster jerade über den Balkon liejcn. Außerdem besitzt Fräulein Amanda eenen Moppel, eenen Moppcl, sage ick Ihnen, der so dick wie lang is, der an Herzverfettung, Asthma und Fettleibigkeet leidet und den janzen Dag uff den Balkon liejt wie een jemästetet Schwein und sich von die Sonne det Fett unter die Pelle schmoren läßt..."— Vors.:„Kommen Sie endlich zur Sache."— Angekl.:„Ick bin schon mitten mang. Bcsajter Moppel hat uff die rechte Hälfte eenes nich näher zu bezeichnenden Korperteils eenen schmutzigweißen Fleck, während seine janzc übrige Pelle braun wie Kaffeejrund is. Dieser Fleck war for mir een Jejen- stand det Anstoßes. Er störte mir, sobald ick bei det jetzige schecne Wetter den Kopp zum Fenster raussteckte, denn der jenau unter mich ljcjcnde Moppel hatte die leidije Anjewohnheit. immer uff die andre Seite zu liejcn und mich demonstrativ die jefleckte Seite seines nich erwähnten Körperteils zuzukehren. Meine janze ästhetische Ent- ustung wurde jewcckt durch dieser unharmonischen Farüenzusammen- tcllung. Wenn ick rauskiekte— ob ick wollte oder nich. ick mußte wie von eenen Majnct anjczogen immer wieder uff den mißjefärbten Moppel sehen. Diesen unhaltbaren Zustand beschloß ick een Ende zu machen. Mit Farbe anstreichen konnte ick den Moppel nich. weil er jehütet wurde wie een klecnet Kind; ick mußte et also anders machen: Ick koofte mich een scharfes Brcnnjlas, und eenes juten Tages, als die Sonne so recht schccn schien, da zielte ick jenau uff den Moppel seinen weißen Fleck und ließ et eene Weile brennen, um die schenierliche Blöße for immer braun zu sengen, wie det übrige Fell.
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