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Nr. 125.

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Telegramm Aoreffe: ,, Socialdemokrat Berlin".

Centralorgan der socialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Sonntag, den 31. Mai 1903.

Pfingstlied.

Wachet auf, der Geist ist kommen! Er hat, wie einst den Weg genommen Durch Frühlingswehn in Flammenglut; Er spricht wie einst mit Feuerzungen Und kündet, daß ein Bau gelungen, Der fest in seinen Pfeilern ruht! Die ihr noch zagend fragt: Der Freiheit Tempel ragt

In Herrlichkeit!

Mit scharfem Schwert

Hat euch bewehrt

Der Geist: Macht euch zum Kampf bereit!

Denn kein selig sanftes Wallen

Führt dich, o Volt, in ihre Hallen;

Die Freiheit will erobert sein!

Gleich dem Weib im Jsenlande

Löst Der ihr nur des Gürtels Bande,

Der über alle stark und rein.

Und wenn Gewalt und Hohn

Der Alben dich bedrohn

In Lug vereint,

Auf deinem Gang

Den Schlachtgefang

Kennst du:" Nicht zählen wir den Feind!"

Alte und neue Pfingsten.

11019

06

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt IV. Mr. 1984.

Sei des höchsten Glücks Bezwinger, Doch sei dir selbst der Balmungschwinger, Kein Siegfried, der für andre ficht! Brunhild ward aus Glut geboren Für dich, dir bleibt sie unverloren, für König Gunter taugt sie nicht! Und daß du sie erkennst,

Dir selbst sie eigen nennst, Drum kam der Geist,

Der sehend macht

Und aus der Nacht

Der Blindheit dich zur Schönheit weist!

Daß zum Ruhme des Geringsten Dir so des Geistes voll ein Pfingsten

Erfüllet ist, erkenn' es bald! frage nicht, was soll das werden? Genug, o Volk, daß auf der Erden Dein ist der Freiheit Hochgestalt.

Ein Brausen füllt das Haus: Von ihrem Tempel aus Erstehen soll

Dem Erdenrund

Ein Völkerbund

Der Freiheit und des Geistes voll!

-

Der Gott der Apostel war ein allumfassender Menschheitsgott, Cannä schlugen und die bei Thermopylä standen, die auf dem Del­der erste Menschheitsgott, der sich über die Nationalgötter der alten berg predigten oder lehrend und leidend durch alle Länder zogen, Welt erhob. Der Gott der Pfarrer und Pastoren aber ist ein mögen wohl aller Ehre würdig sein aber wehe dem Geschlecht, Nationalgott, wie er der jüdische Jehovah gewesen ist, und das Bolt, in dessen Staat sie angestellt sind ist ihm das auserwählte. Der Gott der Apostel war ein Gott der Armen, der Gott der Pfarrer und Pastoren ist ein Gott der Reichen. Zu ihm beten sie vor der männermordenden Schlacht, wie vor dem Brotwucher- Feldzug wider das eigne arme Volt.

das ihr Beispiel als ein Verlorenes, nie wieder Erreichbares empfinden wollte und dessen Hoffnung allein über Wolkenhöhen ruhte. Unfre Zuversicht flammert sich mit starken Armen an die Erde und an die Zukunft des Kommenden.

In diesem Geiste werden die Arbeiter Deutschlands im Jahre eintausendneunhundertunddrei ihre Pfingsten feiern. Zwei freie Tage knapp vor der großen Heerschau sind eine kostbare Zeit, deren jede Stunde gebraucht werden muß. Jeder Mann ein Held seiner Ueber­zeugung, jeder ein Apostel einer großen neuen Wahrheit!

Man mag das Pfingstwunder, das in dem zweiten Kapitel der Apostelgeschichte erzählt wird, gläubtg als schlichten Bericht über eine wunderbare Thatsache nehmen, man mag in ihm die Durch­bringung jüdischer Mystik mit Platos gedankenklarer Philosophie er­kennen oder sie als die symbolische Zusammenfassung eines welt­geschichtlichen Ereignisses betrachten auf alle Fälle bleibt das Bild schön: jene einfachen Leute aus Galiläa, die plötzlich, von Wo ist das Pfingstwunder geblieben? Wo der heilige Geist und einer Eingebung des heiligen Geistes erfüllt, sie mit feurigen Bungen die feurigen Zungen? Geistliche kämpfen in dem Wahlkampfe, den in allen Sprachen der Welt zu predigen begannen. Die verachtete wir eben führen, auf Seite der Volksaushungerer und Boltsentrechter. Sette einer verachteten Religion und eines verachteten Stammes ist Sie werden nicht lässig sein, wenn es gilt, in ihrer Art Pfingsten Und wenn uns diese Tage, die uns freiwillige Arbeitstage über Nacht zu einer internationalen Geistesmacht geworden! Nichts zu feiern; feien auch wir nicht läffig, da es gilt, in unsrer Weise sind, gleichzeitig auch Fest tage sein sollen, dann wollen wir auch ist weniger wunderbar in der Weltgeschichte, als die Thatsache, daß das Fest zu begehen. an ihnen nicht vergessen, um welchen Preis in den Kämpfen unsrer ein scheinbar so unmögliches, aller bisherigen Erfahrung wider- Man mag von dem Pfingstfeste so hoch wie immer denken: es Beit gerungen wird. Man mag von Militarismus und Volts­sprechendes Geschehnis anders als durch ein Wunder erklärt werden ist keine Entheiligung, wenn uns Socialdemokraten auch an diesen bewaffnung, von Schutzzoll und Freihandel, von Scharfmachertum und mochte. Tagen der Mund übergeht von dem, des das Herz voll ist. Nur Koalitionsfreiheit reden bergeshoch über diesen drückenden Fragen Damals stand ein kleines verfolgtes Häuflein gegen die er- der Unflat des bürgerlichen Wahlkampfes, eines Kampfes mitunwürdigen des Tages liegt das große Problem des Jahrhunderts: Knechtschaft drückende Uebermacht einer kosmopolitischen zusammengewürfelten Gegnern, drückt unsrer Zeit den Stempel der Kleinlichkeit und Un- oder Freiheit! Kapitalismus oder Socialismus! Mehrheit. Ihre Religion, die die Göttlichkeit der römischen Cäsaren würdigkeit auf. Aber berichtet uns nicht die Apostelgeschichte, daß Ueber den Kämpfen um den Reichstag steht der Kampf um eine nicht anerkennen wollte, galt als ein System des frechen Umsturzes auch an jenem ersten Pfingsten ein fatter Geistespöbel seine schalen neue Gesellschaftsordnung, in der die Sittenlehre der Apostel nicht und der Majestätsbeleidigung an sich. Ihre Begriffe von Majestät Späße trieb? Wo in aller Welt, wenn eine große und erhabene nur gepredigt, sondern auch geübt werden kann. Wohl kämpfen wir und Vaterland gehörten nicht dieser Welt an. Das Bewußtsein ihrer Idee auftauchte, haben die gefehlt, die über den Weltverbefferer nicht um das Christentum allein, sondern um die Freiheit jeder Ausnahmestellung, die Verfolgungen, denen sie ausgefegt waren, faule Wize rissen, die jede Neuerung als einen Eindringling in ihr leberzeugung aber das sollten auch die Gläubigsten des Pfingst­verliehen ihrem Geiste Schwingen, die ihn über alles Vergangene, behagliches Stillleben erkannten und darum als den gewaltthätigen festes bedenken, daß ohne unsern Sieg wohl die starren Formen Niedrige und Alltägliche erhoben. Feind aller Ordnung betrachteten? einer herrschenden Kirche bewahrt werden mögen, nie aber der Geist in wirksame Erscheinung treten kann, der sich am Tage der ersten Pfingsten auf die Vorkämpfer ihrer Lehre hernieder senkte.

Als die christliche Kirche zur Staatskirche geworden war, machte fie Pfingsten zu ihrem Feste; ein Fest sind sie bis zu dem heutigen Tage geblieben.

Auch die Spötter der ersten Pfingsten haben über Gottes­lästerung gezetert, weil die Apostel ihre eigne Zeit mit dem Helden zeitalter des Judentums in unmittelbare Verbindung zu bringen

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Auch wir leben in einem Heldenzeitalter, in einem Zeitalter Aus der freisinnigen Heldenzeit.

Zur Erinnerung an die

Preß- Ordonnana".

Die Prediger, die heute auf allen Kanzeln stehen und sich für wagten. die berufenen Nachfolger der berufenen Zwölf ausgeben, sind zwar nicht des heiligen Geistes voll, dafür sind sie desto nachdrücklicher der Weltenwende, da eine neue Lehre ihren Siegeslauf auf dem vor allen Verhöhnungen geschützt, denen die Apostel ausgesetzt Erdball unternimmt. Und wenn wir mit der legendarischen Ueber­gewesen sind. Aber wie sehr haben sie sich auch gebessert! redungskraft der Apostel auch die unsre keineswegs vergleichen Der verendende Freifinn ächzt noch in seinem Todesröcheln Jene tämpften lange Zeit vergeblich um die Duldung ihrer mögen, so reden doch auch wir zu allen Völkern der Erde mit das alte Klagelied Richterscher Herkunft, was das wackere Bürgertum Lehre. Man darf ohne weiteres annehmen, daß die Urchristen, feurigen Zungen. Auch wir sind von der Ueberzeugung durchdrungen, alles errungen haben würde, wenn ihm nicht die socialdemokratischen wenn sie auch nicht die Ursocialisten gewesen sind, den Grundsay eine Sache zu vertreten, so heilig, wie nur je eine auf Erden Heber in den Rücken gefallen wären; was es noch erringen würde, unfres Erfurter Programms Religion ist Privatsache" mit gewesen ist. wenn es nicht, durch die Socialdemokratie mit Erdrosselung bedroht, großem Vergnügen anerkannt hätten. Heute schwärmen orthodore Unfre bürgerlichen Gegner schelten folche Vergleiche als Ver- in der Notwehr des Selbsterhaltungstriebes der Reaktion Nothelfer= Pastoren und eifervolle Centrumspfarrer für das Verbot anti- messenheit. Weil sie selbst einer sinkenden Schicht angehören, erscheint dienste leisten müßte, anstatt ihr mit ungeteilter Kraft entgegen­chriftlicher oder antitheistischer Lehren. Die Gottheit der ihnen die ganze Entwicklung des Menschengeschlechts als eine Ge- zutreten. Unglücklicherweise nur ist die Lösung des Problems, wie die Apostel gab sich mit ihrer überirdischen Majestät zufrieden und schichte des Verfalls. All ihre Liebe ist bei der Vergangenheit, all' Dinge fich in freisinniger Meinkultur ohne störende Einwirkung des wollte niemand durch weltliche Mittel zwingen, vor ihr das ihre Sorge bei der Gegenwart, all' ihre Angst bei der Zukunft. socialistischen Bacillus gestalten würden, bereits vor recht langer Zeit Knie zu beugen, wie vor dem Bilde des Kaisers Caligula . Den In den aufsteigenden Schichten der menschlichen Gesellschaft aber erfolgt. Schon vor vierzig Jahren hat sich definitiv herausgestellt. Gott des neuen Christentums zu ehren, ist Pflicht des Schülers, des lebt das stolze Bewußtsein, daß die größten Zeiten der Weltgeschichte was der biedere Freifinn alias Fortschritt in socialistenfreier Atmo­Soldaten, des Staatsbeamten. keineswegs in den fernsten Jahrtausenden zu suchen sind. Die beil sphäre zu leisten vermöge. Der 1. Juni des Jahres 1863 stellt