Bern oder eine abgeschlossene Wahlzelle) und dort muß er seinen Zettel(aller nur einen!), geschützt vor jeder Beobachtung, in das Couvert stecken. Dann erst kann er abstimmen, indem er das den Stimmzettel enthaltende Couvert dem Wahlvorsteher übcrgiebt. Jede andre Art der Abstimmung ist gesetzlich verboten. Die Couverts sind vollständig undurchsichtig, so daß eZ von außen auf leine Weise zu bemerken ist, welcher Zettel in dem Couvert steckt. Es hat daher jetzt kein Wähler mehr die Entschuldigung, daß er aus Furcht vor Schaden nicht socialdemokratisch wählen kann, Furchtlos kann jeder Wähler den socialdemokratischen Zettel abgeben. Wähler, die aus irgend einem Grunde von der Wahl zurück' gewiesen werden, wollen sich sofort bei dem socialdemokratischen Wahlkontrolleur melden, der die Zurückweisung notieren wird. Stimmzettel. Wir haben mehrfach die Beobachtung gemacht, daß Stimmzettel den Vorschriften des neuen Wahlreglements nicht entsprechen. Es ist im Gegensatz zu früher jetzt ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Stimmzettel von mittelstarkem weißen Schreibpapier und S X tS Centimeter groß sein müssen Wir machen daher auf diese Neuerung noch besonders aus mcrksam. Die Konservativen im ersten Berliner Wahlkreise, die seit mehreren Wahlen schon nicht mehr in die Stichwahl gekommen sind, tragen sich mit der stolzen Hoffnung, diesmal den Kreis zu erobern. Dazu fehlt ihnen nichts weiter wie— die nötigen Stimmen und— das nötige Geld. Zwar ihren Anhängern wird es trotz ihrer geringen Anzahl nicht am Gelde fehlen, aber fiir Wahlzwecke haben sie keins. Ihr Wahlausschuß versandte vor einigen Tagen ein Cirkular, in dem es heißt: „Dank der Spenden zahlreicher, hochherziger Geber konnte bis her eine so lebhafte Thätigkeit entfaltet werden, wie sie innerhalb der konservativen Partei im gleichen Wahlkreise vorher niemals statt gefunden hat. In vier bisher abgehaltenen, überftillten Versammlungen, die auch von zahlreichen Anhängern andrer Parteien besucht waren, haben vortreffliche Redner gesprochen, deren Darlegungen nicht wirkungslos geblieben sind. Nun aber sind die Geldmittel erschöpft, und doch muß das Interesse bis zum Tage der Wahl rege erhalten, es müssen noch drei oder vier Versammlungen veranstaltet und weitere Drucksachen aus- gegeben werden. Nach Lage der Verhältnisse dürfen wir einen Sieg der konser - vativcn Partei im ersten Reichstags-Wahlkrrise erhoffen und er- warte»! Dazu bedarf es aber noch reger Arbeit! Im Hinblick auf das verlockende Ziel, den 1. Berliner Reichstags- Wahlkreis durch einen konservativen Abgeordneten vertreten zu sehen, bitten um Mithilfe! Euer Hochtvohlgeboren werden daher herzlichst gebeten, unsre Sache durch Zeichnung eines Geldbeitrages gütigst fördern zu wollen, da wir berechtigte Aussicht haben, in dieser Campagne zu siegen. Hochachtungsvoll Der Wahlausschuß im 1. Berliner Reichstags-Wahlkreise i. A.: Steinmetz . Die Konservativen hätten es schon dazu, für den Schwieger' söhn eines Hertzog einige Wahlgroschen aufzuwenden, aber sie werden sich wohl sagen, es nützt ja doch nichts; ein Konservativer wird in Berlin nie und nimmer gewählt. Ein agrarisches Flugblatt. Einen Haupttrick spielt das Jntelligenzblatt des Bundes der Landwirte, die„Deutsche Tageszeitung" aus. Sie veröffentlicht unter dem Titel„Sind die Getreidezölle Brotwucher?" ein Flugblatt mit einer graphischen Darstellung, in welcher die Bewegung des Brotgetreidepreiscs seit 1871 der Steigerung der Löhne verschiedener Arbeiterkategorien gegenübergestellt wird. Das Flugblatt soll be- sonders zu den Stichwahlen verbreitet werden. Wie immer bei derartigen rechnerischen Leistungen der konser - vativen Macher geht es auch diesmal ohne allerlei kleine Mätzchen nicht ab. So werden zum Beispiel nicht die Getreidepreise für ganz Preußen oder Deutschland zum Vergleich herangezogen, sondern nur die Börsenpreise für Berlin und Frankfurt , und zwar nicht getrennt für Weizen und Roggen. Außer dieser Herausfuchung der ftir die agrarische Beweisführung günstigsten Zahlen sind aber auch sonst noch allerlei kleine„Korrekturen" mit unterlaufen; so wird zum Beispiel als Durchschnittspreis für Brotgetreide in Berlin während der Jahre 1898/gS in der graphischen Tabelle ein Satz von circa 148 M. pro Tonne angegeben. In Wirklichkeit standen dagegen in diesen beiden Jahren der Roggen in Berlin auf 146,3 und 146 M., der Weizen auf 165,6 und 155,3 Mark, im Durchschnitt also beträchtlich höher, als die Darstellung zeigt. Andrerseits sind z. B. bei den Jahreslöhnen der Berg- und Hüttenarbeiter die Löhne für Ueberschichten und Ueber- stunden mit eingestellt und die seit dem Hereinbruch der Krise ein- getretenen Lohnreduktionen völlig unberücksichtigt geblieben. Aber das ist Nebensache. Im ganzen kann ruhig zugegeben werden, daß während die Getreidepreise ftit 1371 gesunken sind, die Löhne im allgemeinen in die Höhe gegangen sind. Was folgt daraus? Nach der Ansicht der„Deutschen Tageszeitung", wie es scheint, daß die Getreidepreise entsprechend den Lohnsteigerungen erhöht werden müssen. Genau mit demselben Recht könnten aber auch alle andern Produzenten landwirtschaftlicher wie industrieller Waren fordern, daß ihre Preise künstlich parallel den Lohnerhöhungen gesteigert werden müssen; denn auch die Preise mancher Industriewaren find feit 1871 gefallen. Allerdings nur ein Teil, manche Waren sind noch weit mehr gestiegen als die Löhne; vor allem sind z. B. die Miets- preise in den Großstädten durchweg viel höher emporgeschnellt. Sollen, wie es in ihrer kuriosen volkswirtschaftlichen Verbohrtheit die „Deutsche Tageszeitung" verlangt, die Preise der Lebensbedürfnisse den Löhnen parallel gestaltet Ivcrden, dann müssen unbedingt alle die Preise, die seit 1371 schneller gestiegen find, als die Löhne, auch dementsprechend reduciert werden, denn andernfalls würde die ganze Preisregulierung einfach auf eine Schmälerung der Arbeitslöhne, eine gemeine Betrügerei hinauslaufen. Indes ist diese ganze Theorie von einer Anpassung der Preise im die Löhne nichts als eine Absurdität. Schon deshalb, weil sich die Produktionsbedingungen,-Kosten und-Erträge seit 1371 überall verschoben und geändert haben. Auch in der Landwirtschaft. Zum Beispiel wurden in Deutschland im Jahre 1878 nur 14,4 Doppel- ccntner Weizen, 11,7 Doppelcentner Roggen pro Hektar geerntet, 1399 dagegen 19,1 bezw. 14,8 Doppelcentner. Zudem aber würde eine solche Preisregelung ein jegliches Auf- steigen der Arbeiterklasse hemmen, sie würde eine künstliche Zurück- Haltung der Lebensführung der Arbeiter auf niedrigster Stufe be- deuten und damit eine Verhinderung aller Kulturentwicklung. Die freisinnige„Intelligenz" war's also, die der im f ü n f t e n Wahlkreis für den Freisinn um das Reichstagsmandat werbende Herr Zwick nieinte, als er in einer seiner Bersamnilungen es als notwendig bezeichnete, daß die Freisinnigen eine ihren Lei st un gen entsprechende Vertretung imReichstag erhielten— nur die Intelligenz war's und gar nichts andres. Man hat ihm nachgesagt, er habe auch auf die S t e u e r k r a s t des freisinnigen Bürgertums hingewiesen; man hat ihm das so ausgelegt, als sei eine Aenderung des Reichstags- Wahlrechts, eine Abstufung nach dem Besitz ihm und seinen Freunden nicht unerwünscht— aber das alles ist nicht wahr. Am Montag hat der unverstandene Mann in einer Ver- sammlung freisinniger Wähler noch einmal wiederholt, was er da- mals gesagt haben möchte: Nicht die gewaltthätige, rohe Faust dürfe in der Gesetzgebung den Ausschlag geben, sondern die Intelligenz des Bürgertums. Was man darunter zu verstehen hat, daß'„die gewaltthätig rohe Faust in der Gesetzgebung den Ausschlag glebt", das fft zwar noch immer nicht klar. Aber wir müssen de» Versuch aufgeben, den Zwickschen Phrasenschwall in ein verständliches und unzweideutiges Deutsch zu übertragen. Nur das wollen wir festhalten, daß Herr Zwick, der Unverstandene, diesmal nicht auch auf die Steuer kraft hingewiesen, aber auch nicht ausdrücklich in Abred g e st e l l t hat, daß er damals mit von ihr gesprochen habe. Und auch das verdient Beachtung, daß Herr Zwick mit dieser seiner neuesten Erklärung Herrn Eugen Nichter, seinen„großen Führer als dessen„Epigonen" er sich selber eingeschätzt hat, treulos preis- giebt. Die„Freisinnige Zeitung" hatte in ihrem Bemühen, jener Zwickschen Aenßerung möglichst alles ihn Koinpromittierende zu nehmen, zuletzt noch eine ganz neue Lesart aufgebracht. Das Wort von der rohen Faust, so schrieb sie vier Wochen nach jener ärgerlichen Eni- gleisung des Richter-Epigonen, habe dem Verhalten der Social- Demokraten in freisinnigen Versammlungen gegolten. Herr Zwick hat am Montag diese polizeiwidrig dumme Lüge nicht mit- gemacht. Neben dem„intelligenten" Berliner Freisinnsspießer will der freisinnige Zwick nur noch einen einzigen Nebenbuhler dulden, der mitherrschen darf: das Hohenzollernhaus.„In Berlin ", so schloß er pathetisch seine Rede,„sollen herrschen die Hohenzollern und die Berliner Jntelligen z." Diese amüsante Nebeneinander- stellung hat ihren guten Grund. Die freifinnige„Intelligenz" spekuliert diemal stark auf die„M i t t e l st a n d s k r e i s e", denen man bekanntlich „königstreu" kommen muß, wenn man Eindruck auf sie machen will, Der Freisinn greift übrigens ebenso unbedenklich auch zu den andern Agitationsmitteln, mit denen bisher nur Konservative und Anti- senuten den Mittelstand zu kö d Srn suchten. Der freisinnige Zwick seine gewundenen Ausführungen über die einzustreuen, die Socialdenio- um den um die scheute sich nicht, Warenhäuser m, die Bemerkung kratie begünstige die Entlvicklung"der Warenhäuser, Mittelstand zu vernichten! Zu dieser kläglichen Bettelei Mittelstandsstinunen fügte er das. Bedanern darüber, daß Konser- vative und Antisemiten durch ihren Kampf gegen den Freisinn nur zu Schrittniachern der Socialdcmokratie würden. Sein„nationaler" Konkurrent im ftüfften Wahlkreise, Herr Bruhn, hat offen erklärt (und die„Freis. Ztg." hat es damals schmunzelnd registriert), ersehe die Unmöglichkeit ein, selber durchzukommen, aber er wolle helfen, der Socialdeinokratie das Mandat zu entreißen. Hiernach wäre also der Antisemiten Häuptling Bruhn ein„Schritt- macher" des. Freisinns— wenn nicht i socialdemokratischen die Liebesmüh' Wähler des fünften Kreises dafür sorgen, des edlen Brüderpaares Zwick und Bruhn verloren ist. Nach Zwick sprachen noch ein Malermeister R e t t i g und der die Versammlung leitende Stadtverordnete Cassel. Diskussion war nicht geplant, aber da man diesmal fast unter sich zu sein glaubte, wollte man zwei Disiusfionslustige, die sich gemeldet, zulassen. Der.erste knüpfte an das an, was der freisinnige Malenneister über„social- demokratische Verhetzung der Arbeitneh m e r" ge- sagt hatte, und zeigte unter überraschend starkem Beifall eines be einem einzelnen Beispiel, Als weder Cassels trächtlichen Teiles der Versammlung an wie freisinnige„Arbeiterfrenndlichkeit" aussieht. Unterbrechungen, noch der Lärm der Versammlungsmehrheit den Redner ans der Fassung brachten» machte sich der Stadverordnete Witkowski von hinten an ihn heran»nd schob ihn von der Tribüne hinab. Die freisimüge„rohe Faust" vertrug nicht die Intelligenz eines schlichte» Arbeiters. Der ängstlich gewordene Cassel zog es nun vor, dem andren Diskussionslustigen gar nicht erst das Wort zu geben, und die Versammlung fand dann ein baldiges Ende. Freisinnige Juden. Zu dieser Notiz in der Sonntagsniimmer de?„Vorwärts" wird uns geschrieben: Gerade im Znsammenhang mit Ihren Mitteilungen über die„von Geburt an christliche Konfession� des Herrn Dr. Arthur Bernstein, freisinnigen Kandidaten fiir Torgau - Liebenwerda wird die Geschichte einer andren freisinnigen Kandidatur interessieren. Für den zweiten Berliner Reichstags-Wahlkreis war ursprünglich als Kandidat der Arzt Dr. Otto Mugdan-Berlin aus- ersehen. Herr Dr. Mugdan ist ein gewandter Redner, rühriger Agitator, im Kreise wohlbekannt,— seme Kandidatur erschien aber den maßgebenden Kreisen seiner Partei wohl namentlich aus einem andren Grunde empfehlenswert. Herr Dr. Mugdan hatte nämlich einige Jahre zuvor seine„von Geburt an jüdische Konfession" aufgegeben und war aus nicht recht ersichtlichen Gründen zum Protestantismus übergetreten. Unter diesen Umständen glaubte man freisinnigerseits. für ihn eher als ftir manchen andren Kandidaten, auf die konservativ- antisemitische Stichwahlhilfe rechnen zu dürfen; hatte doch außerdem Herr Dr. Mugdan 1893 als reisinniger Kandidat in Spandau - Osthavelland vor der Stichwahl erklärt, er könne seinen Wähler» die Wahl des Socialdemokraten nicht empfehlen— womit der Sieg des Konservativen Pauli in diesem Kreise besiegelt war! Leider war die schöne Rechnung aber ohne d i e reisinnigen Wähler jüdischer Konfession gemacht, welche noch an ihrem Glauben festhalten, oder doch, wenn auch religiös-fteigesinnt, doch namentlich in heutiger Zeit den Abtrünnigen keineswegs freund- liche Gefühle entgegenbringen. Socialdemokraten werden ja diesen Standpunkt durchaus verstehen. Diese jüdischen Wähler also er- klärten, sie würden eher für Fischer, als ftir den getauften Juden ftimmen— und damit war das Schicksal der Kandidatur Mugdan im zweiten Wahlkreis besiegelt. Herr Dr. Rkugdan aber wurde bald darauf im Kreise Görlitz -Läuban aufgestellt, wo der bisherige Ab- geordnete verzichtete, und wo man von freisinniger Seite den im Kreise eingesessene» Führer seines jüdischen Glaubens wegen nicht aufstellen wollte. Das Bestteben der Freifimngen Bolkspartei, sich mit den Anti- emiten im Hinblick aus die Sttchwahlen gur zu stellen, dürste übrigens auch iin dritten Berliner Reichstags-Wahlkreise nicht ohne Einfluß auf die Kaudidatenwahl gewesen sein. Seit Jahren konnte man hier von Freisinnigen, die in der Parteibewegung eine Rolle spielen, hören, daß bei einer denmächst eintretenden Vakanz im dritten Reichstags-Wahlkreise als Kandidat aufgestellt werden würde der Stadtverordnete Leopold Rosenow , der Leiter der .reisiimigeN Wahlagitation in diesem Kreise. ES hat ja sogar eine Zeittingskorrespondenz, die allen Blättern zugeht, in einer Notiz über die Kandidatenaufftellung in den Berliner Kreisen vor einigen Wochen Herrn Rosenow als fteisinnigen Kandidaten ini dritten Kreise auf- geführt, und selbst freisinnige Zeittmgen— z. B. die„Bossische"— haben diese Nottz glatt abgedruckt. Herr Rosenow ist aber Jude, Herr Rosenow hat sich außerdem sehr lebhaft an der Agitation gegen die Warenhaussteucr beteiligt,— die Stimmen der anttsemittschen Mittelstandsretter wären ihm also nicht zugefallen, und deswegen wurde nicht Rosenow , sondern Herr Jäger als freisinniger Kandidat im dritten Kreise aufgestellt, ein Mann, der auch in freisinnigen Kreisen sich der weitgehendsten Unbekanntheit erfteute. Gerade solche Leute sind ja häufig als Mischmasch-Kandidaten die geeignetsten. Man sieht, welche sonderbaren Blüten die freisinnige„Stichwahl- Taktik" treibt, die man mit einem unhöflichen, aber deutlicheren Ausdruck wohl besser als, Wahlmogelei" bezeichnen würde. Mordslügen. Die unverschämten Verleumdungen, mit denen unsre Partei- genossen allenthalben überschüttet werden wegen ihres Verhaltens in gegnerischen Versammlungen oder bei der Agitattonsarbeit,'reißen nicht ab. Täglich werden neue Lügen in die Welt gesetzt; von unsren Richtigstellungen nimmt man nicht Nottz. Wir sind heut abermals in der Lage, eine solche Verleumdung, die ärgste, die bis jetzt vorgekommen, aufzudecken. Die angebliche socialdemokrattsche Mordthat, die sich in dem pommerschen Dorfe B o l k o w im Wahl- kreise Belgard -Schievelbein zugcttagen haben soll, ist ein ganz recher Schwindel. Wir haben sofort durch unsre Vertrauensleute Ermittelungen darüber anstellen lassen und können danach heute 'olgendes feststellen: Der Maurer Mielke hatte in dem Dorfe Bolkow Flugblätter verteilt. Nachdem er seine Arbeit gethan. ging er mit einem Be- l kannten aus dem Dorfe in den Gasthof, um ein GlaS Bier z« winken. Das Bier war nach seiner Meinung nicht sauber und als er eine Bemerkung darüber machte, geriet er mit dem Wirt in einen Wortstreit. der dazu führte, daß der Wirt, der als gewaltthättger Mensch bekannt ist, dem Melke das Bier ins Gesicht goß und ihn vor die Brust stieß, daß er taumelte. Darauf schlug Melke in Abwehr des Angriffes mit dem Stock nach dem Wirt und traf ihn an den Kopf. Während Mielke sich jetzt entfernte, lief ihm der Wirt nach, faßte ihn noch einmal und dabei erhielt er aber- mals von dem in der Abwehr begriffenen Melke einen Stockschlag. Der Wirt hat sich zwar den Kopf verbunden, ist aber keinen Augenblick an der weiteren Ausübung seiner Thätigkeit verhindert worden. Es liegt also nichts weiter vor, wie eine gewöhnliche Prügelei, veranlaßt durch die Roheit des Wirtes. Ein Messer ist in dem Streite nicht angewendet worden, von schweren oder gar lebensgefährlichen Verletzungen keine Spur und ebensowenig von einer Gerichtskommission, die sich an Ort und Stelle begeben hätte. Alles ist rein aus den Fingern ge« sogen. Eine von der„Freisinnigen Zeitung" jüngst gebrachte Meldung über socialdemokratischen Terrorismus in L a b i a u(Ostpreußen ) wird von unserm Königsberger Parteiblatte als Schwindel entlarvt. Eine Mitteilung der„Deutschen Tageszeitung" aus Harber in Hannover über angebliche Gcwaltthaten socialdemowattscher Flugblattverteiler werden wir gleichfalls nachprüfen lassen. Pom feinen Ton. Die Landratspresse Harmonie mit Eugk» Richter nachgedruckt, Zeitung" als Roheiten und Schnnpfereien kratischen Versammlungen zu melden wußte, rohen Ton zu melden ivußtej, lungcn herrschen solle. Nun schreibt uns hat in wundersamer was die„Freisinnige aus den socialdemo- und was sie über den der in focialdemokrattschen Berfamm- einem ziemlich ent- ein Parteigenossen aus legenen Dorfe des Wahlkreises Ober-Barnim über eine Versammlung, in der ein Gutsbesitzer Z. aus B., Lieutenant der Reserve, gesprochen hat. Es heißt in dem Briefe: Schlechter wie dieser Herr die Socialdemokratte schilderte, glaube ich, kcupn es wohl keiner, außer Pückler. Er gebrauchte nur immer das Wort: diese Bande; den RetchstagS-Abgeordneten Bebel beschimpfte er als Jitdenbengel. Vielleicht bringt die Landratspresse diese Probe höheren„Salon- tons" zur Kenntnis ihrer Leser. Der gehorsame freisinnige Stallbursche. Wir müssen heute die Konservattven um Entschuldigung bitten: wir haben ihnen gestern einen Vorwurf daraus gemacht, daß sie sich über den schlichten Mann aus dem Stalle lustig machten, der im Kreise Ruppin-Templin für die Freisinnige Volkspartei kandidiert. Heut geht uns ein freisinniges Flugblatt aus dem Kreise zu, auf welches sich das gestern erwähnte konservattve bezieht und danach müssen wir allerdings sagen: hier ist der ärgste Spott berechttgt. Das ganze Flugblatt ist dem Nachweise gewidmet/ daß der freisinnige Reichstagskandidat einbrauchbarer Ulan und ein gehorsamer Stallbursche war. Herr Postel hat si'ch an den Offizier, in dessen Eskadron er gedient hat, gewendet mit dem Ersuchen, ihm, da er jetzt freistmnger ReichStagSkandidat fei, zu bescheinigen, daß er seiner Zeit ein braver Kerl" war. Der Offizier, jetziger Oberstlieutenant v. Loebenstein, war freundlich genug, dem freisinnigen' Politiker den gewünschten Befähigungsnachweis zu geben und nun haben die Freisinnigen ein Argumxnt im Kampfe um ein Reichstggs-ivtandat, das an Originalität wie an Freisinnigkeit gewiß nichts zu wünschen übrig läßt. Sie lassen einfach die Stallburschenzeugnisse' ihres Kandidaten drucken und verbreiten sie als Flugblatt. Das.Zeugnis lautet: „Der Gütsbesitzer Herr C. H. Postel, tpelcher vom 1. Oktober 1892 bis zum 26. September 1896 bei der 8. Eskadron I. Garde-Ulanen- reginientS gedient hat,.deren Chef ich seiner Zeit war, hat sich während seiner Dienstzeit sehr gut geführt. Da der im Jahre 1393 mir von meinem Wachtmeister em- pfohlene Bursche sich als unbrauchbar für diesen Posten erwieS und mir viel daran gelegen war, einen besonders zuverlässigen Mann in meinem Stall zu haben, so suchte ich mir selbst den da- maligen Ulan Postel aus, obgleich derselbe für den praktischen Dienst sehr befähigt war. Ich hatte mich in ihn nicht getäuscht, denn er war stets z»- »erlässig, fleißig und gehorsam und ich hatte»sie Veranlassung, ihn zu tadeln. Infolgedessen wurde er im Jahre 1894 zum Gefreiten ernannt. Als er zur Reserve überttat, bedauerte ich sehr, diesen guten Burscheu zu verlieren und ich erinnere mich noch der Worte, die ich ihm beim Abschied sagte:„Postel, es thut mir sehr leid, daß Sie fortgehen, einen so guten Burschen habe ich nie gehabt. (Auch in dem Flugblatt fett gedruckt. Red. d.„B.".) Zu meiner großen Freude ersehe ich, daß er eine angesehene Stellung im Leben erreicht hat und wünsche ihm auch für seine fernere Zukunft alles Gute. Berlin 16. 6. 1963. v. Soeben st ein, Oberstlieutenant. Mt der Verbreitung dieses Zeugnisses als Wohlempfehlnng für ihren Kandidaten hat die Freisinnige Volkspartei einen AgitattonS» rekord aufgestellt, der schwerlich geschlagen werden dürfte. Kann es eine wirksamere Empfehlung für einen fteisinnigen Reichstags- Kandidaten geben, als wie die Thatsache, daß er ein fleißiger und gehorsamer Stallbursche gewesen ist? Selbstverständlich ist es in unsren Augen kein Makel, daß ein ReichZtags-Kandidat einmal Diener oder— vielleicht nur komman- dierter— Offiziersbursche gewesen ist und diesen Dienst pflichttreu erfüllt hat. Ein Offiziersbursche, wenn er sonst ein ehrenwerter Mensch ist, gilt uns ebenso achtbar wie jeder ehrliche Arbeiter, und einen Reichstags-Kandidaten beurteilen wir nur nach den ftir dieses Amt erforderlichen Eigenschaften. Gehorsam ist aber doch gerade eine Eigenschaft, die wir an einem Reichstags-Kandidaten sehr gern vermissen würden. Die Eigenschaften und Künste eines Stallburschen ind wohl nicht erforderlich fiir die Ausübung eines Reichstags- Mandats. Jedoch, wir wollen den Freisinnigen natürlich auch nicht vorschreiben, womit sie ihre Kandidaten empfehlen sollen; eS kann ja immerhin sein, daß Herr Eugen Richter mit Neid auf den so trefflich empfohlenen Parteigenossen blickt. Mit solchen Empfehlungen kann Herr Richter wohl nicht aufwarten. Sollte sich indes die neue reifinnige Agitattonsmethode als erfolgreich erweisen, so fft es ja wohl den andren Freisinnskandidaten möglich, das nachzuholen. Es werden sich gewiß etliche Rittmeister oder Lieutenants finden, die bereit sind, den Herren Gelegenheit zur Erwerbung eines Zeugnisses als gehorsamer Stallbursche geben. Wie schön, wenn alle diese Zeugnisse in den fteisinnigen Flugblättern im ganzen Reiche er- cheinen und dann die Visitenkarten lauten: Eugen Richter . M. d. R. gehorsamer Stallbursche a. D. * Katholische Industrielle gegen CentrumSagrarier. Im Wahlfteise des klerikalen Zollwucherführers Herold gärt eS. Der Wahlkreis Ahaus- Steinfurt- Tecklenburg, in dem Herold auf« gestellt wurde, ist industriell entwickelt. Die Industrie fühlt ihre Interessen durch den Centrumsagrarier verletzt. In einer Versammlung zu Burgstcinfurt kam diese Sttmmung u lebhaftem Ausdruck. Es waren dort 126—146 Fabrikanten, Kauf- lenke und Gewerbetreibende versammelt, um gegen die Kandidatur Herolds zu protestieren.
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