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Nr. 132. 20. Jahrgang.

1. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt.

Partei- Nachrichten.

Waffen für den Wahlkampf.

An Vertrauensleute, Wahlkomitees usw. werden auf Verlangen Probe- Exemplare und Preisverzeichnis zugeschickt. Bestellungen sind zu richten: Buchhandlung Vorwärts, Berlin SW., Lindenstraße 69.

Diese von einem Organ der Hirsch- Dunckerschen Richtung an dem Verhalten des Herrn Gleichauf geübte Stritit stimmt im wesents lichen überein mit unsrem eignen Urteil, welches wir, wenn auch schärfer in der Form über den Streifbruch bei Mehlich abgaben. Deutsches Reich .

Sociales.

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Mittwoch, 10. Juni 1903.

die Gefahr einer Epidemie nicht gerade akut ist. Abgesehen davon, daß man nie sicher darüber ist, ob den Ratten nicht doch irgendwie und irgendwo Gelegenheit zu einer Infektion gegeben ist, ist auch das bloße massenhafte Vorhandensein dieser Tiere auf Schiffen und Speichern, die Nahrungsmitteln als Behälter dienen, efelhaft genug, um die strengsten Maßregeln zur Beseitigung des Ungeziefers zu

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Von der Broschüre Der Korbmacher Fischer im Lichte der Wahrheit" ist soeben die dritte Auflage im Druck. Bestellungen Der Streit der Bau- und Möbeltischler in Neu- Ruppin dauert werden deshalb umgehend erbeten. Für Wahlkreise, in denen unsre schon acht Wochen und noch ist keine Einigung erzielt. Die Arbeit- rechtfertigen. Parteigenossen mit dem Centrum zu kämpfen haben, ist noch vorgeber lehnen jede Verhandlung ab, fie haben es, wie es scheint, Die Frage der Besteuerung von Grund und Boden nach dem rätig: Chriftliche Arbeiterpflichten. Jesuitische Fragen und darauf abgesehen, den Deutschen Holzarbeiter- Verband in Neu- gemeinen Wert fand auf dem sächsisch- anhaltischen Städtetag in socialdemokratische Antworten", die sich gegen den Ruppin zu vernichten. Die Herren suchen durch auswärtige Zeitungen Weißenfels eine eingehende Besprechung. Die bei dem einstündigen jesuitischen Arbeiter- Katechismus wendet, und ,, Socialdemokratie und Arbeitswillige heranzuziehen, die nicht dem Verbande angehören. Referate des Stadtrats Neimarus Magdeburg und Direktor Centrum" mit einem Anhang: Die Sünden des Centrums". Wir bitten die Kollegen und Genossen, und in diesem Kampfe zu göhr- Silberhütte sowie die einstündige Diskussion zeigten, daß Bebels Rede in Bamberg . unterstützen und Inserate, die sich in Lokalblättern oder sonstigen bei den Magistraten große Neigung für die Reformierung der Zeitungen befinden, an uns einzusenden mit Angabe der Zeitungs- Grundsteuer nach dem gemeinen Werte vorhanden ist, während in adresse. Unkosten werden von uns zurückerstattet. Um Abdruck dieses den von Haus- und Grundbesitz- Interessen beherrschten Stadt­in allen arbeiterfreundlichen Zeitungen bittet Die Streifleitung. berordneten freisen sich noch vielfach ein starkes Mißtrauen gegen Maurerstreit in Hirschberg. Wegen der Forderung eines Stunden- als den ersten Socialdemokraten auf einem fächsisch- anhaltischen die Steuer vorfindet. Bemerkenswert war, daß die Stadt Dessau lohnes von 36 Bf. und des Behnstundentages sind die Hirschberger Städtetag den Genoffen Peus delegiert hatte, natürlich nicht wegen Totenliste der Partei. In Mannheim ist nach langen, mit Maurer in den Streit eingetreten. Sollte der Ausstand länger an- feiner Eigenschaft als Socialdemokrat, sondern wegen seiner Sach­Fassung ertragenen Leiden im Alter von nur 40 Jahren der halten, so werden voraussichtlich auch die Zimmerer in Mitleiden- tenntnis. Genosse Peus stellte mit Befriedigung fest, daß die Genosse Hermann Reßler gestorben. Seßler war lange Zeit schaft gezogen. Redakteur unfres Mannheimer Partei- Drgans. Nachdem er schon Bodensteuer nach gemeinem Werte so lebhaft befürwortet worden anderwärts im Dienste der socialdemokratischen Partei sich die fei. Der Streis der von ihr wirklich betroffenen Interessentenkreise Sporen verdient, übernahm er nach der Inhaftierung des Genossen sei sehr gering. Hausbesitzer im allgemeinen und Bauunternehmer Thies, des ersten Redakteurs der Voltsstimme", am 6. April 1891 im besonderen könnten ihr nur zustimmen. Nichtig sei, was Dr. Föhr die Leitung des Blattes, die er bis Ende August 1898 inne hatte. Best mitten in der Hauptstadt Berlin hat die öffentliche Aufmerksam was nicht nur im Interesse der Konsumenten der Ware Wohnung Rattenpest auf einem Schiffe. Das plötzliche Auftauchen der gesagt habe, daß Besteuerung den Grund und Boden billig mache, Das Geschick, die Umsicht, der eiserne Fleiß und die Selbſt feit wieder auf die Frage gelenkt, wie die Einschleppung der Pest liege, sondern auch der produzierenden Industriellen, deren Produktion losigkeit, die Keßler in diesen Tangen Jahren härtester und möglich und wie sie zu verhüten ist. aufreibendster Arbeit an den Tag legte, fanden allenthalben kommnis handelt es sich um einen Fall von sogenannter Labora- Gebäudesteuer sei eine Art Gewerbesteuer gewesen, die Steuer nach Bei dem Berliner Vor- durch hohe Bodenwerte start verteuert werde. Die alte Grund- und in Parteikreiſen Anerkennung und verschafften der Volksstimme" toriumspest( unsres Wissens der zweite dieser Art), der interessanter-, gemeinem Wert eine Vermögenssteuer, eine Steuer auf das einen Leserkreis und einen Einfluß im kommunalen und politischen aber auch traurigerweise es über jeden Zweifel erhebt, daß in der Vermögen an Grund und Boden. Leben der Stadt, der sich auf die Entwicklung der Partei des That jener Mikro- Organismus, den die Medizin als den Erreger Wohlfahrt könne durch fie in den Städten geschaffen werden.- Ganz außergewöhnlich viele arbeitenden Voltes von segensreichstem Einfluß erwies. selbstverständlich, daß diese Thätigkeit ihm auch diverse Geld- und die große Ausnahme bleiben. Nun berichten die Veröffentlichungen Form Es ist der Beſt bezeichnet, dies auch wirklich ist. Solche Fälle werden immer Stadtverordneter Heiser- Halle sprach sich gegen die der Besteuerung Gefängnisstrafen einbrachte; acht Monate mußte er hinter schwedischen des kaiserlichen Gesundheitsamtes" über das Vorkommen der Best Wert nicht ausfindig machen" könne. gemeinen Gardinen zubringen. 1896 wurde Keßler durch das Vertrauen unter den Ratten auf einem Hamburger Dampfer, eine Mitteilung, Krüger Halberstadt fah einen Herr Stadtverordneter feiner Parteigenoffen in das Stadtverordneten- Kollegium der Stadt die erneut auf die Gefahr einer Pestverschleppung durch Ratten auf die Steuerreform schon darin, daß sich genügenden Grund gegen Mannheim berufen, dem er seither ununterbrochen angehörte. merksam macht. Genosse Peus Nach seinem Ausscheiden aus der Redaktion der so lebhaft für dieselbe interessiere. Diese Bedenken wurden durch " Volks­stimme" war er noch als deren Mitarbeiter thätig. Der Dampfer Westphalia" traf am 4. März auf der Elbe mit die Feststellung widerlegt, daß die Schäßungen des gemeinen Wertes 1899 einer Ladung, bestehend aus Leinsamen, Kleie, Wolle und Häuten, sich in überraschender Kongruenz mit nachher erzielten Verkaufspreisen gründete er das Mannheimer Bloomaul", ein Totales Wizblatt, in dem er feinen Geist und Wiz sprühen ein. Leinsamen und Kleie waren in Rosario ( Argentinien ) ein- gehalten hätten, und Dr. Föhr erklärte, die Reichsregierung, die ließ. Bis in die legte Zeit hinein war Keßler an diesem Blatte genommen worden. Nach dem Verlassen von Rosario am 29. Januar die Grund- und Bodenbesteuerung in Kiautschou so gründlich und thätig, dessen Weiterbestand als Eigentum der Hinterbliebenen übrigens hat das Schiff Montevideo ( 1.- 3. Februar), St. Vincent systematisch vorgenommen habe, fei doch nicht die Socialdemo An Keplers Grab trauert eine Witwe mit zwei Bei dem ( 19. Februar) und Madeira gesichert ist. ( 24. Februar) angelaufen. fratie, gleichwohl wird es noch lebhafter Stämpfe bedürfen, um das noch in jugendlichem Alter stehenden Söhnen sowie die gesamte in einem Laderaum zwischen Kleiefäden tote Ratten in größerer Besteuerung in die widerspenstigen Stadtverordnetenköpfe einzu­dem Entladen des Schiffes in Hamburg fanden sich Verständnis für die Gerechtigkeit und Notwendigkeit der neuen zielbewußte Arbeiterschaft Mannheims. Zahl. Von den Gesundheitsbehörden wurden die Kadaver dem hämmern. Polizeiliches, Gerichtliches ufw. hygienischen Institut zur Untersuchung überwiesen; es wurde fest- Die Voltsheilstätten- Bewegung hat, so sehr man gerade hier den gestellt, daß die Ratten an Pest verendet waren. Das weitere Löschen guten Willen der Beteiligten anerkennen muß, praktisch nicht das des Schiffes war bei dem ersten Auftauchen des Bestverdachts auf geleistet, was die Bewegung leisten sollte. Gerade die Fachmedizin, einem entlegenen Teil des Hafens isoliert und in die sämtlichen Lade- hat dies zuerst zugeben müssen. So hebt der ärztliche Bericht ant Anordnung der Behörde eingestellt worden. Das Schiff wurde in welche dem Heilstätten- Verein das größte Interesse entgegenbringt, räume, in die Kabinen der Mannschaften und in die übrigen Schiffs- die dreijährige Hauptversammlung des Vereins zur Begründung und räume Generatorgas mit dem für solche Zwecke auf Reichskosten ein Unterhaltung von Wolfsheilstätten im Königreich Sachsen hervor, gerichteten Apparat eingeleitet, um etwa noch vorhandene lebende Ratten daß die Kranken nach ihrer Entlassung aus der Anstalt wieder in zu töten. Der bereits gelöschte und in dem Quaischuppen befindliche die alten Zustände zurückkehrten, die die Krankheit erzeugt Teil der Ladung wurde auf Verunreinigung durch Ratten und auf haben und somit die Erkrankung wieder hervortreten lassen. Danach Rattenkadaver Stück für Stück besichtigt; die Kleie, welche sich in heißt es wörtlich: dem pestinfizierten Raum befunden hatte, wurde in rattenfreie Schuten Diese Verhältnisse müssen wir daher auch zu bessern ver­geladen und 4 Wochen lang gelagert, bevor sie den Empfängern aus- suchen. Es muß darauf hingewirkt werden, daß gesunde Woh­geliefert wurde. Der Leinsamen, die gesalzenen und trockenen Felle nungen billig zu haben sind, daß man nahrungsreiche Kost billig wurden nach mechanischer Reinigung der Oberfläche der Säcke und Ballen bekommt, daß Volksbäder reichlich zur Verfügung stehen, daß in den Empfängern übergeben, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die Fabriken die Arbeitsräume gesund sind, und Seuche unter den Ratten sich auf einen Laderaum beschränkte, in dem hygienisch gehalten werden, daß die Arbeiter sich hauptsächlich Kleie befunden hatte. Beim Abräumen der in dem nicht über ihre Kräfte angespannt, daß sie ge­Quaischuppen befindlichen, aus der Westphalia" stammenden, mit Kleie nügend bezahlt werden u. a. Wenn diese und ähnliche gefüllten Säcke fand sich ein Rattentadaver, der bereits in Fäulnis Forderungen ihrer Erfüllung immer näher gebracht werden, so übergegangen und augenscheinlich mit den Säcken aus dem Schiff werden auch die Dauererfolge unsrer Heilstätten immer besser." entfernt worden war. Durch die bakteriologische Untersuchung konnte Hier wird von ärztlicher Seite bestätigt, was wir lange, lange festgestellt werden, daß diese Natte an Best verendet war. Die vorher schon und zu wiederholten Malen gesagt haben. Die Arbeiter weitere Entladung des Schiffes wurde unter Vorsichtsmaßregeln selbst haben es instinktiv herausgefühlt, daß die Lungenschwindsucht ausgeführt. Dabei wurden in dem infizierten Laderaum etwa ihre Ursachen in socialen Verhältnissen hat, und bezeichnen sie 130 tote Ratten gefunden, in dem benachbarten Laderaum 180 tote nicht mehr als eine, nein, direkt als die Proletarierkrankheit". Mäuse. Die Ratten waren bis auf 30, die an Pest berendet waren, Verloren sind die Erfahrungen in der Heilstättenbewegung jedenfalls durch das im Generatorgas enthaltene Kohlenoryd getötet, wie auf keinen Fall. Bereiten die Erfolge der Heilstätten vielleicht auch die spektroskopische Untersuchung des Kadaverblutes ergab; 4 Ratten manchem bürgerlichen Jdeologen eine schwere Enttäuschung, so flären boten neben Kohlenoxydvergiftung noch Bestbefund dar. Die Mäuse sie zweifellos doch auch einen kleinen Teil derselben dahin auf, daß erwiesen sich sämtlich bis auf eine durch Kohlenorhd getötet. Die unfre socialen Verhältnisse dringend einer Verbesserung übrigen Laderäume des Schiffes waren frei von Rattenkadavern; es bedürfen, wenn nicht die Arbeit wohlmeinender Menschenfreunde fonnte daher angenommen werden, daß sich die Seuche unter den völlig verloren gehen soll, und spornen den einen oder andren an, Natten thatsächlich auf den einen Laderaum beschränkt hatte. statt der Wirkungen die Ursachen des modernen Elends mit bekämpfen zu helfen.

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Teilweisen Erfolg hatte eine Berufung des Genossen Riem in Dresden gegen ein Urteil des dortigen Schöffengerichts, durch das er wegen angeblicher Beleidigung der Steinmez- Firma Schulze zu 300 M. Geldstrafe verurteilt worden war. Das Landgericht ſetzte Sie Strafe auf 200 m. herab.

Gewerkschaftliches.

Berlin und Umgegend.

Ein Urteil über die Hirsch- Dunckerschen Streitbrecher. Das schmähliche Verhalten des Generalrats Gleithauf und seiner Getreuen bei dem Mehlichschen Streit ist in den Augen aller Arbeiter, denen es ernst mit der Vertretung gewerkschaftlicher Interessen, längst gerichtet. Der Gewerkverein" hat zwar den Streik selbst als faktisch nicht flug bezeichnet und die von Herrn Gleichauf empfohlene Lattik als die einzig richtige hinzustellen versucht, der Gewerkverein" hat ein großes Maß sittlicher Entrüstung über die Socialdemokraten im Deutschen Metallarbeiter- Verband aus gesprochen, aber über den von Herrn Gleichauf empfohlenen und be günstigten Streifbruch ist der Gewerkverein" mit Stillschweigen hinweggegangen. Verteidigen konnte er das Verhalten des Generalrats nicht und es zu verurteilen fand er nicht den Mut. Ein andres Organ der Hirsch- Dunderschen Richtung. der in Düsseldorf erscheinende Gewerkvereinsbote" verurteilt rückhaltlos den Streitbruch, welchen die Hirsch- Dunckerschen bei dem Mehlichschen Ausstande treiben. Das genannte Blatt billigt zwar auch die An­ficht Gleichaufs über den Streit selbst, sagt aber, nachdem der Streit durch die Mehrheit beschlossen war, durfte Gleichauf ihn nicht eigen mächtig aufheben für die Gewerkvereinsmitglieder. Kein Grund schützt davor, daß von den Gewerkbereinen hier Streifbrecherdienste geleistet worden sind; eine kleine Minorität hat versucht den Willen der Majorität mit Gewalt zu brechen. Der Fall wird doppelt traurig und schwer, weil der Arbeitsnachweis der Gewerkvereine fortgefeßt Streifbrecher an die Firma Mehlig liefert. Die Gewerkvereiner hätten sich nichts vergeben, wenn fie fich feiner Beit auf einen Protest beschränkt hätten, an der Unter­stützung für die 20 Mann wäre die halbe Million nicht zu Grunde gegangen."

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Die Privatsache.

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Hus der Frauenbewegung.

Der Vorfall beweist von neuem die Notwendigkeit einer fort gesetzten sorgfältigen Ueberwachung der Schiffe in den Häfen durch die Gesundheitsbehörden. Die Thatsache, daß mit den Waren ein pestinfizierter Rattenkadaver an Land gelangen konnte, ist von großem epidemiologischen Interesse. Daneben sollte man jedoch, nachdem Frauen- Bersammlung in Charlottenburg . Die für Montagabend mun ein unfehlbar wirkendes Mittel gegen die Rattenplage gefunden nach dem Boltshause" einberufene zweite öffentliche Versammlung ist, der Bekämpfung derselben alle Kräfte auch dann widmen, wenn des Frauen- Wahlvereins unfres Kreises war wieder vorzüglich

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Ich wußte meinem Kinde nichts zu antworten als: Deine felige Mutter hat ihn so sehr lieb gehabt." Meine Tochter fiel bald in ein heftiges Fieber. In ihren Fieberphantasien stieß sie die Worte aus: Jesu, hilf, hitf!- Armer Vater Privat­fache- böses Wort häßliches Wort Mutter, Mutter, tomm!" Heute nachmittag legte sich das Fieber. Sie rief mich ans Bett und fing an:" Bitte, lieber Water, bete doch, bete doch für mich!"

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Königsberger Thor. Vor 25 Jahren kam ich auf meiner Wander­schaft nach Ostpreußen und fand in hiesiger Stadt nicht nur Arbeit, sondern auch eine neue Heimat und mein größtes Glück. Ich ver­heiratete mich mit einem tugendsamen Mädchen. Wir waren un­( Eine ostpreußische Geschichte aus unsern Tagen.*) aussprechlich glücklich. Ich hatte viele Kundschaft und reichen Ver­Der junge Pfarrer faß an seinem Studiertisch, vor ihm Tag dienst. Mein Weib war so gut und fromm. Sonntäglich gingen die aufgeschlagene Bibel. Am vorigen Sonntag war er in sein wir zur Kirche. Wir hatten zwei Kinder. Mein Sohn, ein kräftiger heiliges Amt feierlich eingeführt und hatte gelobt, seiner Herde ein Bursche, wuchs heran und ging schon zum Konfirmandenunterricht. treuer Hirte zu sein und besonders alle armen verirrten Schäflein Da fchickten die Socialdemokraten aus Königsberg ihre Sendboten Als ich mein flehendes Kind anschaute, brach mir das Herz, ein in seiner Gemeinde zu suchen und wieder zurückzuführen. Ein tiefer in unsre Stadt. Ich wollte anfangs von ihnen nichts wissen. Sie Strom von Thränen ergoß sich aus meinen Augen und ich sagte: Seufzer entrang sich seiner Brust. Er wußte es und hatte eben durch gaben mir Schriften. Ich las sie. Das Gift wirkte. Ich ward bald Liebes Mariechen, Dein Vater kann nicht beten. Doch das Kind Gemeinde- Aelteste gehört, daß die Verirrung und Ver ihr eifrigster Genosse. Die Folgen sind schreckliche gewesen. Die ließ nicht nach und flehte noch mehr:" Lieber Vater, mir ist so angst, wirrung durch die Sezer der Umstura partei schon Socialdemokraten lehren:" Religion ist Privatsache," d. h. niemand bete, bete nur ein wenig, nur ein kleines Gebetlein!" Ich schluchate seit mehreren Jahren in die Gemeinde gekommen jei. Gewiß, er hat sich darum zu fümmern, jeder mag glauben, was er will. Diese laut: Kind, liebes Kind, ich kann nicht beten." Das Kind fing an wollte es thun, er wollte auch diesen verblendeten Seelen nachgehen Weisheit brachte ich meinem Jungen auch bei und ließ ihn nicht zu winseln und zu wimmern: Bete, bete, bete doch, lieber Vater!" und ihnen wieder zurechthelfen mit fanftmütigem Geist. Aber wie? fonfirmieren, obwohl mich mein Weib auf den Knien und unter heißen Da stürzte ich mich auf meine nie und schrie laut: Vater, der du Wird's gelingen? Ein Gefühl des Bangens und 3agens erfaßte Thränen darum bat. Ich erwiderte ihr: Religion ist bist im Himmel Weiter konnte ich nicht, stockte und stammelte. ihn. Er war in seinem Zimmer allein, und es dunkelte. Da sant Privatsache." Der Junge erlernte mein Handwerk. Zu jeder Mein Kind betete aber leise weiter- bis zu Ende. Als ich mich von et auf seine Stnie und betete:" Herr, hilf Du mir in meiner socialdemokratischen Versammlung nahm ich ihn mit und gab ihm meinen Knien erhob, war sie eine starre Leiche. Schwachheit! Ach laß' mich bald ein verlorenes Schäflein finden!" die Schriften der Socialdemokraten zu lesen. Meine Frau Das ist meine Geschichte, Herr Pfarrer." Die Religion Dieses und Aehnliches erflehte er in heißem Gebet. berzehrte sich vor Gram. teuflisches Wort. 5 Jahren war mein Bube einer der wildesten Agitatoren. Er bekam Fluch denen, die es mich gelehrt! viel Geld für seine Dienste, trant cine Menge Branntwein, und kam ganzen Elends. Herr Pfarrer, giebt es für mich armen Sünder noch trunken nach Hause. Seine Mutter schalt ihn aus und fragte ihn: Vergebung?" Der junge Seelsorger wies auf das Kruzifir hin, das " Fürchtest Du Dich gar nicht mehr vor Gott ?" Da wurde der Bube über feinem Pulte stand, und hielt dem Unglücklichen alle Gnaden­gleich einer wilden Bestie, erfaßte einen Schemel und schlug auf seine verheißungen und Tröstungen desjenigen vor, der gekommen ist, zu Mutter ein, indem er fortwährend schrie: Religion ist Privatfache". suchen und selig zu machen, was verloren ist. Lange blieben sie noch Nach 14 Tagen starb mein Weib, teils aus Gram. teils an den beide zusammen am selbigen Abend, der Hirte und das gefundene Folgen der erlittenen Mizhandlung. Mein Sohn kam ins Zucht- Schäflein. Als sie sich trennten, konnte der eine getrost sprechen: haus. Ich blieb mit meinem fünfjährigen Töchterchen allein zurück." Jesus nimmt die Sünder an, mich auch hat er angenommen. Noch immer blieb mein Herz hart und verstockt, ja ich haßte Gott und die Menschen mehr als je zubor, nur eins war es, was ich über alles lieben mußte: meine liebe Tochter, die Kleine Marie, das leibhaftige Ebenbild ihrer Mutter. Vor 14 Tagen erkrankte sie es war gerade an ihrem zehnten Geburtstage und konnte nicht zur Schule gehen. Ich setzte mich an ihr Bett und streichelte sie. Da umschlang sie mich mit ihren Armen und fragte mich:" Lieber Vater, hast Du den Heiland auch lieb?" Ich wußte nichts zu sagen als: Religion ist Privatsache". Mariechen sprach: Ich weiß nicht, was Du sagst; aber ich möchte gern wissen, ob Du dem Herrn Jesus gut bist?"

Da klopft es an die Thür. Es tritt ein unbekannter Mann herein. Herr Pfarrer, retten Sie mich, retten Sie mich vor der Ver­zweiflung," spricht die dunkle Gestalt in gurgelndem Tone, wie einer. der das Weinen zu unterdrücken sucht.

Indem der Geistliche seine Bereitwilligkeit, zu helfen und zu trösten, ausspricht, hebt er die Lampenglocke ab, um Bicht zu machen. Herr Pfarrer, laffen Sie es dunkel sein; was sollen Sie das Antlig eines Verruchten schauen!" Der Geistliche bietet dem Unglüdlichen einen Stuhl und ersucht ihn, sich niederzuseßen und sein Herz ihm auszuschütten. Ich bin der hiesige Schuhmachermeister G... und wohne am *) Wir entnehmen diese rührende Geschichte den Ostpreußischen Erzählungen aus dem Volfe für das Volt" von Hermann Braun. Druck von J. van Riesens Nachfolger in Löhen. Das Büchlein wird vom Lökener Schulrektor den Schulkindern für die Eltern mit­gegeben. Um Mißverständnisse zu vermeiden, bemerken wir aus­drücklich, daß es sich um feine socialdemokratische Satire handelt. Das Büchlein ist wirklich erschienen und ernst gemeint.

Bei der Reichstagswahl vor ist Privatsache." Das ieles Wort ist die Ursache meines

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Auf dem schwersten Gange, hinter dem Sarge seines Kindes, stand der junge Seelsorger dem tiefgebeugten Vater zur Seite. Aus den Schlingen der Socialdemokratie ist er durch sein sterbendes Kind gerettet. Er ist ein andrer geworden. Die Hetzschriften der Umsturz­leute hat er verbrannt und lieft nun unfren ,, Sonntagsfreund". Bei den Genoffen" und im Wirtshause sieht man ihn nicht mehr, desto häufiger im Gotteshause. Der Herr, der in ihm das gute Werk an­gefangen hat, wird es auch vollenden durch seine Gnade.