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Berlin wählt! \ Erster Wahlkreis. Heiß war das Ringen im ersten Kreis, den der Freisinn bisher als seine Hochburg hat betrachten dürfen. Hier, wo die Arbeiter- klasse wenig zahlreich vertreten ist, hatte die Socialdemokratie ganZ besondere Anstrengungen zu machen, um sich als achtunggebietenden Gegner zu erweisen. Der Kampf setzte sofort ungewöhnlich scharf ein. DieReichstreucn" hatten ihren Zettelverteilern Papptafeln auf Brust und Rücken gehestet.Jeder reichstreue Mann wählt", so las man,Bartels im 1. Reichstags- Wahlkreis." In den Beamtenvierteln wurden diereichstreuen Männer" schon in der ersten Stunde an dieWahlurne" gebracht, die diesmal ein Hätz- licher, viereckiger Kasten war. Die Lakaien und sonstigen Hof- beamten des Schlotzviertels traten geschlossen an, großenteils in Uniform. Ebenso stüh fanden sich die Bewohner der Dorotheenstadt ein sowie die des Hansaviertels, das den westlichsten Ausläufer des ersten Kreises bildet. Beamte und Angehörige des Handclsstandes, das konservative und das steisinnige Bürgertum, überwiegen in diesen Bezirken. Für den 23. Wahlbezirk war diesmal derKaiserhof" als Wahl- lokal bestinimt. Ein Genosse, der hier als Zettelvertciler fungierte, hatte sich den artigen Wahlscherz geleistet, in Cylinder und weitzer Weste zu erscheinen. Hier wählten u. a. die Minister. Der erste war der Staatssekretär des Reichspostamts K r ä t k e, dem sich einige vortragende Räte angeschlossen hatten. Später erschien Graf P o s a d o w s k h. Als sich ihm die Zettelverteiler näherten, machte er eine abwehrende Handbewegung, er brachte den Stimmzettel bereits mit. Bald folgte Staatsminister v. Podbielski. Auch dieser klopfte auf seine Brusttasche, in der er den Stimmzettel geborgen hatte. Der sächsische Gesandte Graf Hohenthal wollte sein Wahlrecht ausüben, ohne in die Zelle zugehen. Aber der Zwischenfall wurde in diplomatischer Weise durch Intervention des Wahlvorstehers erledigt, und der gesetzesunkundige Herr Ge- sandte schritt durch die Zelle an die Urne heran. Etwas un- gewöhnlich war das Erscheinen eines Schwarzen aus Togo ; es war der Koch des Staatssekretärs von Richthofen mit Namen Adjama. Graf B ü l o w blieb aus; wie es heitzt, wegen Krankheit. Die socialdemokratischen Wähler konnten erst mittags in größerer Zahl anrücken. In der Mittagstunde wurde bereits die Arbeit des Schleppens begonnen, weil gerade von den socialdemokratischen Wählern viele nur in dieser Zeit erreichbar sind. An Hilfs- kräften fehlte es nicht, auch Frauen sah man in den Bureaus. In den Abendstunden, wo das Schleppen mit Nach- druck betrieben wurde, beteiligten sich die Frauen auch an dieser Arbeit. Die Wahlbeteiligung war infolge der intensiven Agitation, die von allen Parteien betrieben wurde, geradezu enorm. Die meisten Wähler kamen so zeitig, daß es in der letzten halben Stunde in manchen Wahllokalen schon ganz leer war. Punkt 7 Uhr wurde der Wahlakt geschlossen und in Gegenwart zahlreicher Wähler, die aus den Bureaus herbeigeeilt waren, mit der Feststellung des Wahlresultats begonnen._ Zweiter Wahlkreis. Die Wählerschaft des zweiten Kreises ist eigenartig zusammen- gesetzt. Im Osten an der Grenze von Rixdorf fast nur Arbeiter, nach der Kreuzberggegend hin Beamte und Gewerbetreibende, zwischen Potsdamer Bahn und Potsdamerstratze eingesprengt ein scharf um- grenztes Gebiet durchaus proletarischen Charasters und hart daneben bis zum äußersten Westen hin dasvornehme Berlin ". Dort im Westen war schon in den Vormittagsstunden die Beteiligung stark. In denechten Bräus", die vielfach als Wahllokals benutzt-wurden, saßen die Herren Beamten. die Großindustriellen und Großkaufleute und genehmigten ihren Frühschoppen. An der Grenze Schönebergs und in der Kreuzberg - gegend rückte gleich nach 10 Uhr eine ganz andre Wählerschaft an: Straßenbahner, die von den Bahnhöfen aus der Jnstruktions- stunde kamen der Dienstag ist Jnstruktionstag und nun, so- weit sie nicht sofort in den Dienst mußten, rasch wählen gingen. Im .Osten wurde die Beteiligung erst am Mittag stärker. Viel Verwunderung erregten bei den socialdemokratischen Wählern die Zettelverteiler für den städtischen Konservatipen" Professor v. Wenckstern.Kandidat Professor Adolph von Wenckstern" stand m handhohen Buchstaben auf einer Papptafel, die sie ans der Brust trugen.Kandidat für wen?" fragte ein Wähler.Nu. für die Konservativen I"Ja, wollen wir das nicht lieber dazu schreiben? Das wäre doch ehrlicher l" und er zog einen Bleistift heraus, um die kleine, aber wichtige Ergänzung gleich selber anzubringen. Doch der Weirckstern- Mann wich erschrocken zurück:Da würden sie mir schön an- schnauzen!" Der Name unsres Genossen Fischer prangte in Rot an allen Ecken und Enden, an Mauern und Zäunen, an den Brunnengehäusen und den Trägermasten der Straßenbahn. Auch im zweiten Kreise beteiligten sich übrigens die Frauen wacker an der Arbeit. Männliche Hilfskräfte wurden in Scharen aus dem sechsten Kreise, wo sie überflüssig waren, hierher dirigiert. Das Centralbureau für den zweiten Kreis war in der Lindenstratze im.Vorwärts"-Hause, wo es in den Nachmittagsstunden ununter- krochen hinein und hinausging, wie bei einem Bienenstock. Aber in der letzten Stunde vor Wahlschluß war hier alles leer. Die Hilfskräfte waren sämtlich unterwegs, um die Säumigen zu holen. Wähler, die nach entfernten Stadt- teilen verzogen waren, wurden durch flinke Radfahrer aufgesucht und an ihre Pflicht, auch unter diesen erschwerenden Umständen sich der Wahlbethätigung nicht zu entziehen, gemahnt. In den Außenbezirken des 2. Wahlkreises war der Andrang zwisiben 12 und 2 Uhr mittags bereits ein derartig starker, daß 30 bis 40 Personen bis zur Wahlzelle Posto gefaßt hatten und daß in- folge dessen die Abfertigung der Wähler unter dem Andrang erheb- lich verlangsamt wurde. Im 8S. Wahlbezirk wurde im Wahllokal in der Dessauerstrahe von fteisinniger Seite dagegen Protest erHoven, daß der Wahlvorsteher bei der Stimmabgabe nur den Namen des Wählers auftief, anstatt auch die in der Liste eingetragenen Nummern der Wahlberechtigten nennen zu lassen. Dritter Wahlkreis. Im dritten Kreise machte sich das Wahlgetriebe infolge de« fast überall außerordentlich lebhaften Geschäftsverkehrs wenig nach außen hin bemerkbar, trotzdem die Beteiligung in fast allen Bezirken von vornherein sehr lebhaft einsetzte. Offenbar war man fich auf allen Seiten klar, daß beim Treffen in diesem hart umstrittenen Kreise von vornherein alle Reserven ausgeboten werden mußten. Kleine Geschäftsleute vorwiegend, natürlich auchgroße", stellten zunächst das Hauptkontingent der Wähler nament- lich in den Bezirken um den Spittelmarkt. In der Gegend der Admiral-, Britzer- und Wasserthorstraße und einigen andren Straßen dagegen herrschte der Arbeitskitte vor. In der Mittagszeit drängten die Arbeiter in größeren Schubs heran. Die ersten Nachmittagsstunden saßen die Wahlkommissionen vielfach gelangweilt an ihren Tischen. Erst nach drei Uhr strebten wieder kleinere Trupps heran. Um diese Zeit hatten bereits über die Hälfte aller eingeschriebenen Wähler in den meisten Bezirken ihren Stimmzettel abgegeben. In den Parteilokalen bemerkten wir eine siegeszuversichtliche Stimmung und feiertägliches Treiben,.gier und dort war ein Orchestrion in Bewegung und als Begleitung dazu dröhnte uns aus einem Nestaurant das Lied entgegen: Wer schafft das Gold zu Tage, wer hämmert Erz und Stein." Nur die schwergeplagten Schiffer an den Ziegelkähnen im Wasserthorbecken ächzten schweißtriefend an ihren Karren, als wüßten sie nichts von diesem Tage der großen Abrechnung. In den letzten Wahlstunden nahm die Beteiligung wieder einen lebhafteren Charakter an, doch ging die Abwickelung der Geschäfte, soweit uns bekannt, ohne wesentliche Störung vor sich. Der Wahl- apparat unsrer Partei, über mehr als genügend Kräfte verfügend, funftiomerte, auch dank der Unterstützung der Radfahrer, tadellos.- Vierter Wahlkreis. Wahlwetter I Der Himmel ein einziges Grau. Wie eine Mah- nung an die etwa vergeßlichen Arbeiterwähler unsres aus- gedehnten Proletarierreviers: Seht, so ist euer Leben I Sorgt, daß es sonniger werde I Und wem diese Mahnung nicht deutlich wurde, der mußte aufmerksam werden, als die vielen feiernden Arbeiter herausdrängten aus ihren Hinterhäusern und dunklen Höfen, um gemächlich ins Wahllokal zu schlendern oder sich der Partei- genössischen Arbeit zu widmen. An Hilfskräften ist kein Mangel I Diese ftohe Botschaft, welche wieder einmal Zeugnis ablegt von dem thätigen Eifer unsrer Genossen, erklang auch im vierten Kreise. Viele Arbeiter, so namentlich die der Holzindustrie, machten den Wahltag zum Feiertag. Die Wahlthätigkeit wickelte fich, so weit wir es beobachten und erfahren konnten, ohne Auftegung und störende Zwischenfälle ab. Die Anhänger des nationalen Kandidaten Wegner" überschwemmten im Laufe des Vormittags den Kreis mit kleinen gelben Zetteln, der zur schleunigen Aufklärung" dienen sollte und worin demVor- wärts" wegen angeblicher unwahrhaftiger Behauptungen von dem Genannten eine Klage wegen verleumderischer Beleidigung angedroht wird. In Parteikreisen lächelte man über dieses großartige Mittelchen, unsren Genossen Singer aus dem Sattel zu heben. Wie es in unsrem Revier nicht anders sein kann, stand das Straßenbild wie das der Wahllokale fast völlig unter der Signatur des Proletariats. Nur hin und wieder diebesseren Röcke". Mancher von ihren Trägern steckte eine ehrpuffelige Miene auf, aber wer kann wissen, was dahinter steckt? Ob in der allergeheimsten Westen- tasche nicht doch vielleicht derrote Jude Singer" des Sturzes in die Urne harrt? Aber da stapft einer daher in Angströhre und gelber Weste ein Dreicentnermensch. Auf der Brust hängt ein Orden, auf dem schwammigen Antlitz liegt's wie eine dicke Wolke. Demonstrativ geht er daher, gewichtig und doch von Galle erfüllt, giftige Blicke auf die lächelnden Proletarier schleudernd. Er weiß, das Wählen ist ein Opfer von ihm, denndie da" haben den Sieg von vornherein in der Tasche. Inzwischen hat sich der Himmel ein wenig erhellt. Die drohenden Wolken verziehen sich. Petrus hat es aufgegeben, einen nassen Gruß aus die sündige Erde zu senden. Was nützt auch alles Gießen von oben? Der Osten und Südosten sind rot I Die Farbe wäscht kein Regen mehr ab. In den Außenbezirken unterschied sich das Stratzenbild in den Vormittagsstunden kaum von dem der übrigen Wochentage. Erst nach zwölf Uhr be- lebte es sich. Die Straßenbahnen und Omnibusse konnten auf einigen ihrer Hauptlinien nicht immer die der Beförderung Harrenden aufnehmen. Gegen zwei Uhr ließ der Andrang hier und in den Wahllokalen nach und lenkte in ein sehr pflegmatisches Tempo. Um vier Uhr hob sich der Verkehr wieder, um dann zum Schluß der Wahlzeit hin zeitweilig in einigen Lokalen zum Gedränge anzusteigen. Nach sieben Uhr strömte es in bellen Haufen die Hauptstraßen entlang, dem Versammlungslokale zu. uni von der rächenden Bilanz zu vernehmen. Fünfter Wahlkreis. Nur wenige Stimmen hatten die Wahl im Jahre 1898 zu unsren Ungunsten entfchieden. Das war unsren Genossen ein Stachel, diesmal ihre Kräfte aufs äußerste anzuspannen. Bewunderungs- würdig war die ruhige Energie, mit der die Agitation von feiten unsrer Genossen geführt wurde. Schon am ftühen Morgen begann die Arbeit. Zeitig hieß es aus den Federn sein; um 5 Uhr früh schon mußten die Flugblätter an die Arbeiter, die zur Fabrik gingen, verteilt werden, um die Säumigen zu erinnern, die Gleichgültigen auf­zupeitschen. Das Bewußtsein, daß der Freisinn und die ihm verbündeten Antisemiten mit allen Mitteln kämpfen würden, um uns niederzuringen� beflügelte unsre Genossen. Das ganze Heer der Armenräte, Bezirks- Vorsteher, Schulräte zc., kurz alles, was irgendwie mit der ftei- sinnigen Clique imRoten Hause" zusammenhängt, war gegen uns aufgeboten zu einer stillen, äußerlich wenig bemerkbaren aber kräftigen Agitation. Herr Justizrat Cassel fuhr höchstselbst m einer zweispännigen Equipage umher, um insbesondere die zahlreichen jüdischen Wähler zu gunsten des' verkappten Antisemiten Zwick zu beeinfluffen. Die wirffchastliche Abhängigkeit hat heute wohl manchen, nicht übcrzeugungsfesten Wähler veranlaßt, sich von den kommunalen Bezirksgrößen, die für die Vergebung von kommunalen Aufträgen und die Gewährung von Benefizien so einflußreich sind, für den Freisinn werben zu lassen. In ihrem Wahlbureau saßen ein Dutzend der famosen, von ihren Chefsausgeliehenen" Handlungs- gehilfen, und nachmittags, als die Stimmung gespannter wurde. wurden die Insassen des Armenhauses zur Wahl getrieben. Die Anftsemiten hatten durch Anschlag auf dem schwarzen Brett der Technischen Hochschule Studenten zur Wahlagitation geworben. Ihre Agitation war laut und lärmend und radaumäßig. Hier suchten die Antisemiten durch besondre Auftufe, welche auf der Straße zur Ver- teilung gelangten, die Handlungsgehilfen für sich zu gewinnen. Am Wahltage ftiih wurden von antisemitischer Seite an Schaufenster» und Firmenschildern Tausende schwarzer Oblaten angeklebt mit der InschriftWählt Wilhelm Bruhn ". Gleiche Aufforderungen enthielten riesige Plakate in Schaufenstern und an Häuserftonten. Vielfach wurde diese Art Agitation dadurch illusorisch gemacht, daß dem Wählt" einnicht" hinzugeftigt wurde. llnsre Genossen, die insesondere in den Nachmittagsstunden starken Zuzug aus dem sechsten Wahlfteise erhielten, hatten einen ausgezeichneten Schlepperdienst eingerichtet. Aber schon bevor dieser in Funktion trat um 12 Uhr wurden die ersten Mahnzettel in die Wohnungen gesandt war die Wahlbeteiligung ungemein stark; nahezu 20 Prozent der Wähler hatten schon vor 12 Uhr gestimmt. Zwischen 12 und 2 Uhr steigerte sich der Zuzug der Wähler sehr erheblich. Trotzdem wickelte sich der Wahlakt überall glatt und rasch ab. In dem Maße, als die Zeit vorrückte, steigerten unsre Genossen ihre Anstrengungen; in dem Hauptlokal in der Rosenthalerstr. 57 war ein fortwährendes Zu- strömen zur Arbeit sich meldender Genossen und Genossinnen, die an die Nebenlokale abkommandiert wurden. Ucberall herrscht» kampfesftohe Zuversicht. Sechster Wahlkreis. Hier sah es weniger fliegerisch aus, als im fünften Wahlfleise. In dieser alten Hochburg der Socialdemokratie sind unsre Genossen des Sieges so sicher, daß sie mit der Ruhe des Starken auf jede besondere Kraftanstrengung am Wahl- tage verzichten können und ihre überschüssige Kraft in den Dienst der Agitation ftir die andren Wahlkreise stellen können. Ungefähr 2000 Genossen waren im Wahlkreise selbst als Strichler zc. bei den Wahllokalen thätig; mindestens 3000 aber hat der Wahlkreis den andern Berliner Wahlkreisen, ja sogar an- grenzenden Wahlkreisen in der Provinz zur Verfügung gestellt. Ohne jedes Anfleiben weiß jeder Socialdemokrat in diesem ungeheuren Wahl- kreis, der allein 164 000 Wähler, ein Drittel der Wähler ganz Berlins , umfaßt, was am Wahltag seine Pflicht ist. Hier war das Stratzenbild auch in den VorinittagSstundcn ein lebhaftes. Man sah zahlreiche Trupps von Arbeitern von den Fabriken zum Wahllokal marschieren. Stolz und Siegesbewußt- sein leuchtete aus jedem Proletariergesicht, das einem begegnete. Zurufe über die Wahl flogen hin und her jeder einzelne Arbeiter sah in dem ihm begegnenden Proletarier heute mehr als je den brüderlichen Mitkämpfer. Wie sehr unsre Genossen im sechsten Wahlfleise vom Bewußt- sein ihrer Parteipflicht erftillt sind, mag folgende kleine Episode zeigen. Ein Herr wollte um Va7 Uhr vom Hauptagitations­lokal in der Wiesenstraße rasch zurück in die Stadt und rief eine vorüberfahrende Droschke an. Der Kutscher ließ ihn einsteigen, meinte aber, es wäre ihm lieber, wenn der Herr ver- zichtete: er müsse wählen gehen und die Wahl sei um 7 Uhr zu Ende. Lieber verzichtete er auf den Fuhrlohn, als daß er fein Wahlrecht nicht ausgeübt hätte. Der Zuzug der Wähler war am stärksten zwischen 12 und 2 Uhr und in den Abendstunden. Charlottenburg -Tettow-Veeskow. Im Wahlfleise Charlottenburg-Tcltow-Beeskow, der dem zweiten Berliner Wahlfleise vorgelagert ist, vollzog sich die Wahlarbeit im ganzen in denselben Formen wie in Berlin . In Charlottenburg boten die Plakatsäulen einen amüsanten Anblick.Wahlrecht Wahlpflicht I" mahnten auf weißem Papier die Konservativen. Aus den und den Gründen solle man nicht Zubeil wählen, sondern Hammer. Unmittelbar daneben Nebte ein rotes Plakat in gleicher Größe.Wahlrecht Wahlpflicht I' mahnte auch dieses Plakat. Aber darunter wurde mit fast denselben Worten wie auf dem Hommerschen Plakat den Wählern zugerufen, nicht Hammer, sondern Zubeil zu wählen. Die Arbeiter lasen schmunzelnd beide Plakate und wählten Zubeil. In Schöneberg boten sich Frauen so zahlreich zur Hilfe an, daß man viele zurück- weisen mußte. In Tempelhof standen sie auch als Zettelverteilerinnen auf der Straße und bekamen von manchem Wähler galantes Lob zu hören. In Rixdorf hatten fich soviel Kräfte zur Wahlarbeit eingefunden, daß ihre Beschäftigung eine Uumögllchkeit war. Die Beteilignng an der Wahl selber gestaltete sich in fast allen Bezirken bereits am Vormittag lebhast, da viele Arbeiter von ftüh an feierten. Wie es in unsrer Arbeiterstadt selbstverständlich ist, hob fich die Zahl der Wählenden bedeutend in der Mttagszeit, dann flaute die Beteiligung stark ab. In der dritten Stunde lehnten die Stimmzettelverteiler gelangweilt an den Hausthüren und die Straßen hatten ein fast schläfriges Aussehen. Nur selten ein Kittel, eine Bluse, eine Arbeitsjacke, jetzt dominierte der schwarze Rock, von einigen Bezirken abgesehen. Das Bild änderte sich gegen den Abend hin völlig. Die Arbeit trat in ihre Rechte. In dem Lokal, wo das Wahlbnreau unsrer Partei etabliert war, herrschte vom Morgen bis Abend ein Leben wie in einem Bienenkörbe und eine fröhliche Stimmung. Große Heiterkeit erregte in Baumschulenweg ein eigenartiger Wahlagitator: ein E s e l, der durch angehängte Plakate zur Wahl des schlichten Mannes Hammer aufforderte. Nieder-Barnim . Ein ähnliche? Bild wie in Charlottenburg -Teltow -BeeSkow ent- wickelte sich auch hier. Lichtenberg - Friedrichsfelde und Stralau-Rummelsburg hatten bereits am Vormittag eine rege Wahlbeteiligung. Das Hauptwahlbureau unsrer Partei im letzteren Orte teilt uns mit, daß die Wahlvorsteher die zugleich Amtsvorsteher sind in Sadowa, Zerpenschleuse und Eiche schon in den ersten Stunden sehr schneidig vorgingen und alle Personen aus den Wahllokalen wiesen, soweit sie sich nicht als Wähler der befleffenden Orte legitimieren konnten. Vielfach wurde bereits am Vormittag, im übrigen fast allgemein am Nachmittag ge- feiert. Stimmung vorzüglich; sie wurde noch verbessert durch den Anblick der roten Riesenlettern, die vielfach auf den Trottoirfliesen prangten:Wählt Stadthagen!" Einen hübschen Konflast zu dieserRöte" bildeten die grünen Röcke der Gendarmen, an mehreren Straßenecken wachte je ein Doppelposten, revolver- bewaffnet. Die Bestätigung einer Mitteilung, wonach die Wähler in Eiche noch um 11 Uhr vormittags der Eröffnung des Wahllokals harrten, bleibt abzuwarten.