Nr. 145.
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20. Jahrg.
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Telegramm Noreffe: ..Socialdemokrat Berlin".
Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Donnerstag, den 25. Juni 1903.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Stichwahl- Losung!
Am 25. Juni stimmen alle Arbeiter, alle Gegner des Brotwuchers, alle Gegner der Reaktion, alle Freunde freiheitlicher Entwicklung:
in Oberbarnim für
Bernhard Bruns;
Dr. Weyl;
in Ruppin- Templin für Max Kiesel;
Franz Kotzke;
Wilhelm Pätzel;
Hermann Schubert;
Auf zum Kampfe, auf zum Siege!
Zur Stichwahl.
Heut ist die Stichwahl.
Dabei gelten dieselben Vorschriften wie bei der Hauptwahl. Die Wahlhandlung beginnt um 10 Uhr vormittags und wird um 7 Uhr abends geschlossen.
Niemand darf nach 7 Uhr abstimmen.
Jeder gehe so frühzeitig zur Wahl, wie irgend möglich, damit nicht gegen den Schluß der Andrang zu groß ist und so mancher Wähler um sein Wachlrecht gebracht wird.
Bei der Stichwahl gelten die gleichen Wählerlisten wie bei der Hauptwahl. Wer bei der Hauptwahl die Abstimmung bersäumt hat, der erfülle um so eiliger seine Pflicht bei der Stichwahl, da es hier mehr wie je auf jede einzelne Stimme anfommt.
Arbeiter, die in Berlin arbeiten und in Nachbarkreisen wohnen, wo Stichwahl ist, werden deshalb ersucht, wenn sie es irgendwie ermöglichen können, zur Stichwahl nach Hause zu fahren und ihr Wahlrecht auszuüben.
Das gilt für die Kreise der Provinz Brandenburg : Rottbus, Guben - Lübben , Oberbarnim, Kalau- Ludau, Ruppin- Templin, Landsberg - Soldin, Westprignik, Osthavelland , Zauch= Belzig, Frankfurt a. D., Arnswalde - Friedeberg, wie auch für den pommerfchen Wahlkreis ledermünde- Usedom .
Bleibe kein Arbeiter der Wahlurne fern. Der 25. Juni muß vollenden, was der 16. so herrlich be gonnen hat!
Aus eigner Kraft!
los zur Unterstützung der Socialdemokratie aufzufordern. nicht geradezu für den Reaktionär eintreten, da haben sie feig und heimtüdisch Stimmenthaltung proklamiert.
Wir haben wiederholt ziffernmäßig unwiderleglich nachgewiesen, daß es an fich möglich wäre, durch ein gemeinsames geschlossenes Vorgehen der Socialdemokratie mit den Freisinnigen die drei Richtungen der Parteiverhältnisse im Reichstage von Grund aus umzugestalten! Ein paar Zeitungen haben diese Parole aufgegriffen, die freifinnigen Parteileitungen aber haben, so viel an ihnen lag, dahin gearbeitet, daß die Mehrheit derer um Kröcher, Spahn, Kardorff und Baffermann unversehrt bleiben!
Dahin ist es gekommen, daß der Freifinn- feine eignen Intereffen verratend sich in den schützenden Schoß der allein seligmachenden Kirche und in die Arme des Junkertums geflüchtet hat, um nur der roten Gefahr zu entgehen. Auch der preußische, bayrische usw. Freifinn ist„ sächsisch" geworden, und die schroffe Scheidung zwischen links und rechts, zwischen der Socialdemokratie und der einen unterschiedslosen reaktionären Masse ist nicht mehr fern.
mur mit halber Freude erfüllen; denn daß diese Teile dem Umsturz unrettbar berfallen sind, ist schon seit Jahren zu erkennen, und wenn das Deutsche Reich keine besseren Fundamente hätte als diese Sandhaufen, tönnte man ihm ruhig das Grablied fingen. Ob diese Erkenntnis nicht auch an gewissen Berliner Stellen durch dringen wird?
So könnten wir Katholiken, wenn wir blos an uns dächten, den socialdemokratischen Siegeszug mit völligem Gleichmut an sehen: und am allerivenigsten brauchten die drei Millionen roter Stimmen zu schreden. Aber da wir ein Teil des Ganzen find, leiden wir auch mit dem Ganzen und müssen daher wie die, über welche der Hauptstrom der roten Flut sich ergießt, fordern, daß seitens derer, welche die politischen Geschicke des Deutschen Reiches leiten, aus dem neuerlichen starten Anwachsen der Socialdemokratie die richtige Lehre, die vollen Konsequenzen gezogen, d. h. endlich die Mittel unbeschränkt angewendet werden, die vor allen andern den Umsturz erfolgreich zu wehren vermögen. Welches diese Mittel find, und wo sie zu finden sind, hat die glänzende, wirklich staatserhaltende Haltung der katholischen Wählerschaft am 16. Juni gezeigt. Man mache endlich die fittlichen Mächte, die eine engherzige, turzsichtige Politik immer noch zum Teil gefesselt hat, vollständig frei, laffe sie ungehindert walten dann wird die Socialdemokratie nicht lange mehr mit Millionen Nachläufer ronommieren können."
So auf uns allein angewiesen, werden wir dennoch nicht verzagen und allein dem Ansturm der Notte Kardorff trozen. Wir müssen es verhindern, daß auch der nächste Reichstag das Schaufpiel einer zu jeder Gewaltthat und zu jeder Ausraubung der Das ist deutlich: Das Centrum will sich damit nicht mehr au Maffen bereiten Zweibrittel Mehrheit biete. Und setzen wir frieden geben, regierende Partei zu sein, es rühmt fich unmittelbar alle Sträfte ein, so wird uns das Werk gelingen. Schon vor dem vollen Sieg. Ein Ministerium Spahn- Bachem- Ballestremim Interesse guter Handelsverträge müssen wir so start Arenberg- Dasbach ist das mindeste, das es fordert! Und dann werden, daß die Regierung ohne uns feine Mehrheit werden ja wohl die Sandhaufen" der protestantischen deutschen zu stande bringt und deshalb Verträge vorlegt, die mit unsrer un- Staaten von ihrem Kezertum bekehrt werden. umstößlichen Zurückweifung der Minimalzölle rechnen. Wir müssen auch die Möglichkeiten retten, die der Freisin verblendet verraten hat.
Bahl seiner Wähler, die am 16. Juni nur 1790 641 betrugen, Zu solchen Hoffnungen aber berechtigt das Centrum nicht die während die der Socialdemokratie fast doppelt so start ist. Seine Aus eigner Kraft wollen wir dem Volkswillen, der sich am Mandatserfolge beruhen auf der Ungleichheit der Wahlkreise. Die 16. Juni so überwältigend bekundete, Geltung verschaffen, wie immer 88 Streise, die das Centrum im ersten Gange eroberte", find mit auch das Elend des Stichwahlsystems, der gemeine reaktionäre durchschnittlich 10-15 000 Stimmen gewonnen worden, mur 6 Stimmbiehschacher und die brutalen Wahlbeeinflussungen hemmen erreichen 20 000 Stimmen, in einem wurden 27 000 fleritale mögen. Stimmen abgegeben. Dagegen wurden für die Socialdemokratie Das Centrum hat jest jede oppositionell- demokratische Hülle ab- am 16. Juni in 33 Kreisen mehr als 20 000 Stimmen in die Urne Die Stichwahlen am 25. Juni bringen die folgenschwere Ent- geworfen. Es unterscheidet sich durch nichts mehr von der Junker- geworfen, darunter in sechs mehr als 40 000 bis hinauf zu scheidung über die Zusammensetzung des Reichstages. Handels- fchaft als durch die Konfession. Seine Kapläne haben gut gearbeitet. beinahe 80 000. berträge oder Zollwucher- Arbeiterschutz oder Arbeiterknechtung Die geistlichen Dreschflegel haben die rückständigen Wähler zu- Das Volt will also in seiner großen Masse nichts von dem Kulturförderung oder Militärbarbarei- gerechte Steuern oder fammengetrieben. Und die Skrupellosigkeit der Wahlmache ist um Kleritalismus wiffen. Es ist neben der Ungeheuerlichkeit des thatsächlich Belastung der Befiglofen- politische Freiheit oder Vergewaltigung fo größer, als doch bereits die bangen Zeichen erscheinen, daß auch gegen verfaffungswidrigen Pluralsystems die Verkommenheit und würde der Volksrechte Fortschritt oder Rückschritt Aufklärung diese Beste der Finsternis die Socialdemokratie siegreich vordringt, daher Tofigkeit des liberalen Bürgertums, das dem Centrum ein gewisses und Geistesfreiheit oder klerikale Verfinsterung und Seelen- der flerifale Notschrei:„ Unter feinen Umständen für die Socialdemo- Anrecht giebt, sich mit so hochfahrenden Hoffnungen zu tragen. fflaberei: Diese Lebensfragen des deutschen Volkes werden im tratie". Dieser Bartei des Christentums sind zehn fapitalistisch- jesuitennächsten Reichstag erörtert, gefördert, entschieben werden. Man frefferische Nationalliberale lieber als ein Arbeiter, der gegen das Socialdemokratie, welche die roten Fahnen schützend und rettend über Auch dieser ernstesten Kulturgefahr gegenüber ist es allein die tann auch sagen: Socialdemokratie oder Klerikal- konservatives Jesuitengesetz ist. Die katholische Kirche ist nur noch eine Organi- die Freiheit breitet. Agrarkartell, dazwischen gilt es zu wählen!
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Und das Schicksal unsrer nächsten Zukunft hängt von der Stichwahl- Korruption ab, in der der Drei Millionen- Schrei des deutschen Bolles, der am 16. Juni die Welt erbeben ließ, wieder erstickt werden soll!
Kein Zweifel: Auf das freifinnige Bürgertum ist nicht zu rechnen. Weder die centralen Ausschüsse noch irgend eine Lokalleitung haben bisher den Mut und die Neigung gefunden, rückhalt
sation feudaler und Unternehmer- Interessen. Der 25. Juni reihe dem stolzen Siege vom 16. Juni fich an! Schon predigen Centrumsblätter offen, daß alles Heil nur in Aus eigner Kraft verteidige die Socialdemokratie die Sache des nach der Rückkehr zum Katholizismus liegt. märkische Volkszeitung" am Tage vor den Stichwahlen: So schreibt die Freiheit und Glück dürftenden Volkes! Daß in den protestantischen Landesteilen, insbesondere in der Reichshauptstadt und in dem moralisch wie politisch so rüdständigen Sachsen sowie in den thüringischen Kleinstaaten, die Socialdemokratie so durchschlagende Erfolge erzielt hat, kann sie