fcaS Vereins- und Versammlungsrecht aus, lümmern Sie sich nicht um die in§ 8 des preußischen Vereinsgesetzes vom 11. März 1850 aufgerichteten Schranken. Ich fordere Sie ausdrücklich zum Unge- horsam gegen die Vorschriften des§ 8 des sogenannten Vereinsgesetzes auf: lümmern Sie sich nicht um seine Vorschriften, handeln Sie gegen seme Verbote, feien Sie ungehorsam gegen die in ihm enthaltenen Gebote und Verbote."— Ueoer die Versammlung und diese Auf- forderung Stadthagens hatte der„Vorwärts" einen zutreffenden Bericht gebracht und die an die Frauen gerichteten Stellen in ge- sperrtem Druck wiedergegeben. Die Anklage nimmt auf Grund dieser Thatsache an. daß der Angeklagte Leid, entsprechend der Stellung des„Vorwärts" innerhalb der socialdemokratischen Partei, damit selbständig die Aufforderung zum Ungehorsam habe wieder- holen wollen.— Der Angeklagte Stadthagen gab zu. daß er die fragliche Aufforderung an die Frauen er- lassen habe und zwar ausschließlich in der Absicht, endlich eme Entscheidung des Reichsgerichts über die Rechts- Ungültigkeit des§ 8 der Verordnung herbeizuführen.— Erster Staatsanwalt Steinbrecht führt aus. daß 8 3 zu Recht bestehe und daß die Verordnung vom 11. März 1850 gültiges Gesetz sei, da es vorschriftsmäßig als solches publiziert sei und sich in Ueberein- stmimung mit der Verfassung befinde, da es nur Beschränkungen enthalte. � Der Richter habe nicht nachzuprüfeir, ob das Gesetz gültig sei. Der Angeklagte Stadthagen habe sich daher gegen 8 110 des Strafgesetzbuchs vergangen. Dasselbe müsse bezüglich des Angeklagten Leid behauptet werden. Die Stellung, die der„Vorwärts" innerhalb der socialdemo- kratischen Partei einnehme, sei bekannt. Im„Vorwärts" werden täglich Weisungen an die socialdemokratischc Partei veröffentlicht, und die Socialdemokraten seien gewohnt, die Ratschläge und Weisungen des„Vorwärts" zu befolgen, und wenn der„Vorwärts" den Appell des Angeklagten Stadthagen in gesperrtem Druck wieder- gebe, so wiederhole er selbst diese Aufforderung zum Ungehorsam. Der Staatsanwalt beantragte gegen Stadthagen 14 Tage, gegen Leid eine Woche Gefängnis. Angeklagter Stadthagen beantragt Freisprechung und Ueber- nähme auch der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse. Zum Ungehorsam gegen 8 3 des Textes vom 11. März 1850 habe er die Frauen aufgefordert. Das sei aber nicht strafbar, da 8 110 lediglich Ungehorsam gegen ein gültiges Gesetz in, Auge habe. 8 3 sei materiell und formell ungültig, kein Gesetz. Zunächst entfällt lit. b fJnverbindungtretungs-Verbot). da dieser durch Reichs gesetz vom 11. Dezember 1899 aufgehoben ist. Als mögliche„Ungehorsam- leiten" der Frauen blieben drei übrig! a) Sie könnten politische Vereine bilden und in diesen als Mitglieder Frauen aufnehmen. DaS ist nach Rechtsprechung des Reichsgerichts �Erkenntnis gegen den Arbeitcrinnenverein vom 18. Februar 1837) strafbar, b) Frauen können sich als Mitglieder politischer Vereine aufnehmen lassen. Auch das ist nach 8 13 strafbar. o) Sie können der Vorschrift des Absatz 2 zuwider Versammlungen und Sitzungen_ politischer Vereine beiwohnen. Die Auf- forderung zu diesen drei, teilweise strafbaren Ungchorsamkeiten ist nicht strafbar, weil L 8 kein Gesetz im Siime des 8 110 ist, da es kein gültiges Gesetz ist. Denn ihm stehen nach den drei an- geführten Richtungen Artikel 29 und 80 der Verfassung gegenüber. Danach steht Versammlungsrecht und Vereinsrecht auch Frauen zu. Die Verfassung räumt dem Gesetz ausdrücklich nur das Recht ein, die Ausübung des Vereins� und Versammlungsrechtes, soweit es sich um Versammlungen in geschlossenen Räumen handelt, zu regeln. Die Aufhebung eines Rechts ist keine Begehung einer Aus- Übung eines Rechts. Ferner läßt die Verfassung„Beschränkungen und vorübergehende Verbote zu, nicht aber dauernde Verbote. Ungehorsam der Verfassung ist 8 8, er aber habe zum Gehorsam gegen diese ausgefordert. Der Bürger schuldet dem Gesetz nur„verfassungs- mäßigen Gehorsam". Bei Widerstreit zwischen Verfassung und Gesetz geht die Verfassung vor. Denn sie ist das Staatsgrundgesetz, die höchste, beschworene Rechtsquelle, auf die die sämtlichen andern Gesetze erst beruhen. Erst dann verliert eine Vorschrift der Ver- fassung ihre Ärast, weon sie durch eine Verfassungsnovelle ausgehoben oder abgeändert ist. Das ergebe sich auch aus Art. 109. Das sogenannte Vereinsgesetz bezeichnet sich nicht als VerfassungS- änderungs-Gesetz, hat auch"die nach Artikel 107 erforderlichen zwei Lesungen nicht"passiert. Nun habe fteilich das Oberverwaltungs- gcricht angenommen, es habe die Rechtsgültigkeit nach Artikel 106 der Verfassung nicht zu prüfen. Diese Ansicht, die sich auf Stengel, H. Meyer und andre Staatsrechtslehrer stütze, ist eine irrige. Sie beruht auf völliger Verkennung des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte des Artikel 106. Hervorragende Rechts- lehrer wie Gneist, Wächter, Plank haben angenommen, der Richter habe die G ü l t i g k e i t der Gesetze zu prüfen. Artikel 106 spricht in seinem ersten Satz von der Notwendigkeit der Publikation der Gesetze und Verordnungen. Im zweiten Absatz schließt er die Prüfung der Rechtsgültigkeit von königlichen Notverordnungen (Art. 63) aus, nicht aber die von Gesetzen. Die Entstehungs- geschickte, auf die Angeklagter eingeht, erweist, daß der Vorschlag, die Prüfung der Rechtsgültigkcit von Gesetzen dem Richter zu entziehen, abgelehnt ist. Außerdem widerspreche es der Logik, auf der einen Seite die Beobachtung des Art. 106 der Verfassung zu fordern, auf der andern Seite an der Beobachtung andrer Artikel der Verfassung(29 und 39) sich gehindert zu fühlen. Die Ausübung des richterlichen Amtes ist ohne Prüfung der Rechtsgültigkeit der Gesetze schlechterdings undenkbar. Zum mindesten kann der Gesetzgeber dem Bürger nicht auferlegen, einem rechts- ungültigen'Gesetz gehorsam zu sein. Auf der einen Seite zu sagen: das Gesetz prüfe ich nicht, weil mir die Verfassung das verbietet, auf der andern Seite das beschworene Vereins- und Verfammlungs- recht, das dieselbe Verfassung garantiert, als nicht vorhanden an- sehen, ist ein unlösbarer Widerspruch. Stehen sich zwei Gesetze entgegen, so hat das schwächere Gesetz, d. h. das Specialgesetz, das sein Recht erst aus der Verfassung ableitet, dem stärkeren, der Ver- fassung selbst, zu weichen. Für den Angeklagten Leid schloß sich Rechtsanwalt Dr. Heinemann dieser Rechtsdeduktion an und führte für seinen Klienten noch an, daß die Wiedergabe einer Rede nicht selbst die Aufforderung zum Ungehorsam, sondern nur die Erfüllung der publizistischen Pflicht darstelle. UeberdieS liegt in. der Thätigkeit des verantwortlichen Redakteurs keine„Verbreitung", wie. sie 8 110 fordere. Der Staatsanwalt suchte darzuthun: 8 3 enthält nur eine„Beschränkung", kein dauerndes Verbot, da ja 8 21 für die Zeit der Wahlen die Verbote aufhebe. Stadt- b a g e. n replieiert! Das ist irrig. 8 8 trifft politische Vereine, 8 21 schließt nur. für Wahlvercine, die für eine konkrete Wahl gebildet werden, die Anwendbarkeit aus, für alle übrigen polittschen Vereine bleibt sie bestehen. Der Gerichtshof kam zur Verurteilung des Angeklagten Stadt- Hagen. Der Schwerpunkt liege in der Frage, ob der 8 8 der Ver- ordnung rechtsgültig sei oder nicht. Der Gerichtshof stehe auf dem Standpunkt, daß der Richter dies nicht nachzuprüfen habe, sondern daß es nur darauf ankommt, ob ein rechtsgültig ver- k ü n d e t e s Gesetz vorliege. Dies sei der Fall. Ueberdies sei das Gericht der Ansicht, daß der 8 8 keinen Verstoß gegen die Ver- fassung darstelle. Der Angekl. Stadthagen habe sich deshalb gegen 8 110 Strafgesetzbuch vergangen. Bei dem Angekl. Leid habe der Gerichtshof eine Aufforderung zum Ungehorsam nicht angenommen, wenn auch der Verdacht nicht abzuweisen sei, daß der Angeklagte die Sache benutzt hat, um entsprechend der Tendenz des„Vorwärts" im Sinne des Angeklagten Stadthagen auf die Frauen zu wirken. Bei dem letzteren seien strafschärfend seine Vorbestrafungen, andrerseits sei aber berücksichtigt worden, daß sein Motiv nur gewesen, eine Rechts- frage zum Austrag zu bringen, und daß das. wozu er aufgefordert hat, doch nur mit einer geringen Strafe bedroht ist. Demgemäß habe der Gerichtshof gegen den Angeklagten Stadthagen aus 14 Tage Gefängnis erkannt, den Angeklagten Leid dagegen freigesprochen.- Gegen das Urteil ist Revision eingelegt. Befremden muß es, daß, wenn überhaupt Verurteilung erfolgt, auf G e- sängnis erkannt wurde. Die geringste Strafe ist 3 Mark. Das Verlangen, daß Richter die Rechtsgültigkeit eines Gesetzes prüfen und daß Frauen ihre durch Verfassung gewährleisteten Rechte gebrauchen sollen, ist doch keine Zumutung, die der Gesetzgeber mit Gefängnisstrafe belegt wissen wollte. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte der Direttor Leuschner. der konservative Abgeordnete Busch gehörte zu den Beisitzern. Prozeß gegen die Pommernbank. In der Sitzung am Mittwoch, den 24. d. M., wurde über ein neues Kapitel der Anklage verhandelt. In demselben wird den An- geklagten Schultz und Romeick Untreue und Bilanz- f ä l s ch u n g durch künstliche Erhöhung des Reingewinns und Ver- teilung zu hoher Tantiemen vorgeworfen. Es handelt sich dabei um folgende Vorgänge: Die Pommernbank hat sich von ihren Neben- gcsellschaften erhebliche Vergütungen und Entschädigungen überweisen lassen, welche sie als Gewinne in ihre Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen einstellte. Die Anklage behauptet, daß diese Posten wertlos waren und aus andren Gründen in der geschehenen Art nicht eingestellt werden durften. Diese Posten waren: 1. laut Bilanz vom 31. Dezember 1897 von der Jmmobilien-Verkehrsbank 446,500 Mark, 2. laut Bilanz vom 31. Dezember 1898 von der Immobilien- Erwerbsgesellschaft 200 000 Mark, 3. von der Jmmobilien-Verkehrs- bank 427 000 Mark, 4. laut Bilanz vom 31. Dezember 1899 von der Jmmobilien-Erwerbsgescllschaft 1 450 000 Mark, 5. von der- selben 75 000 Mark, 6. laut Bilanz vom 31. Dezember 1900 von der Jmmobilien-Verkehrsbank 955 000 Mark, zusammen 3 553 500 Mark. Die ganze Matzregel habe nur den Zweck gehabt, die Bilanzen der Pommernbank zu verbessern und die Tantiemen und Dividenden un- rechtmäßig zu erhöhen. Da die Angeklagten an diesen Tantiemen teilgenommen, haben sich die Angeklagten nach der Ansicht der An- klage der Untreue und auch gleichzeitig der Bilanzfälschung schuldig gemacht. Es erhebt sich über diese Behauptungen der Anklage eine sehr lange und lebhafte Debatte, in welcher zur Sprache kommt, daß die Pommernbank sich bereit erklärte, die von der Jmmobilien-Verkehrs- bank in der Subhastation erworbenen Grundstücke, die sie f. Z. mit zusammen 4 825 300 Mark ä 4'/, Prozent beliehen hatte, mit 6 115 000 Mark ä 3V- Prozent zu beleihen, wenn dagegen der Pommernbank als Entschädigung für Provisions- und Zinsverlust 446 500 Mark vergütet würden. Angeklagter Schultz sucht wieder- holt darzulegen, daß ihm aus jener Transaktion kein Vorwurf zu machen sei, während Staatsanwalt Beeck und Geh. Rat Hecht andrer Meinung sind. Letzterer erklärt das Verfahren vom Stand- punkte einer soliden Hypothekenbank für absolut unzulässig. Es sei schon an sich ein Zeichen von der Mißwirtschaft, die bei der Jmmobilien-Verkehrsbank herrschte, daß so viele Grundstücke zur Subhastation kommen konnten. Die plötzliche Erhöhung der Be- leihungssumme von 4,3 Millionen auf 6,1 Millionen lasse sich gleich- alls vom Standpunkte einer reellen Hypothekenbank nicht recht- ertigen, denn die Herabsetzung des Zinssatzes lasse deutlich erkennen, daß es sich um notleidende Grundstücke handelte. Infolge eines weiteren Beweisantrages der Verteidigung wird sodann Geh. Rat Budde noch einmal vernommen. In dem An- trage wird behauptet, daß die Berliner Hypothekenbank eine Reihe von Grundstücken, die in der Anklage aufgeführt werden, unnötiger- weise unn:r dem Werte verkauft habe. Der Angeklagte Schultz be- hauptete, daß aus den fraglichen Grundstücken bei Abzug von 15 Proz. Unkosten, des Mietszinses der leerstehenden Wohnungen und der Hypothekenzinsen nach seiner Rechnung ein Netto-Ueberschutz von 29 962 Mark sich ergebe. Da aber diese Grundstücke nach' der vom Architekten Jaeger erfolgten Abschätzung einen Realwert von 9 302 500 Mark gehabt, so habe sich die Pommernbank nicht in der Zwangslage befunden, kücse Grundstücke mit einem Verlust von 726 483 Mark zu verkaufen, sie hätte vielmehr ruhig abwarten und nach und nach normale Mieten erzielen können, wodurch jeder Ver- lust abgewendet und noch ein Gewinn erzielt worden wäre. Der Angeklagte beruft sich darauf, daß die Bücherevisoren Huschke und Kruse die rechnerische Nichtigkeit der von ihm gegebenen Zu- sammenstellung aus den einzelnen Grundstücken bestätigt haben, und daß nach den Bekundungen des Prokurist Horwege der Uebcrschuß nicht nur auf 29 962 Mark, sondern auf über 32 000 Mark zu be- Ziffern sei. Geh. Rat Budde wendet sich ganz entschieden gegen diese Be- hauptungen des Angeklagten Schultz, durch Vorführung der wirklichen einschlägigen Verhältnisse. Er bestreftet mit Nachdruck den Vorwurf, daß die Grundstücke verschleudert worden seien. Wenn die kadu- zierten 30 Millionen Mark Pfandbriefe mit in die Bilanz eingestellt worden wären, so würde er gezwungen gewesen sein, das zu thun, was seine Amtsvorgänger pflichtgemäß hätten thun müssen, nämlich den Konkurs anzumelden. Er zweifle gar nicht daran, daß es Herrn Schultz möglich gcivesen wäre, höhere Preise für die Grundstücke zu erzielen, aber nur durch die Art von Geschäften, wie er sie betrieben. ebenso würde es Herrn Schultz wahrscheinlich möglich gewesen sein. neue Gelder aufzubringen, aber wieder nur auf jene Art und Weise. Die Verhandlung wird hier abgebrochen. Justizrat W r o n k e r beantragt wiederholt namens der Verteidigung, außer dem Sonn- abend auch noch einen andren Tag frei zu lassen, damit durch die an solchen Tagen stattfindende anstrengende Borarbett eine Ab- kürzung der Verhandlungen erzielt iverden könne. Der Vor- sitzende erklärt hierzu: Der Gerichtshof habe natürlich auch ein lebhaftes Interesse an der möglichsten Beschleunigung, er werde die Dinge so erledigen, wie es notwendig sei, unbekümmert um die billigen Witze der Witzblätter. ' Die nächste Sitzung wird auf Freitag, 9 Uhr, anberaumt. Partei- I�admcKten. Totenlifte der Partei. Ganz plötzlich nach nur kurzem Kranken- lager ist in Geestemünde unser alter bewährter Genosse Friede ver- starben. Mit ihm verlieren die Geestemünder einen treuen, eifrigen, langjährigen Anhänger unsrer Sache. Sociales. Um Einführung der bedingten freien Arztwahl hat die Vertrauens- kommission des ärztlichen Bezirksvereins München in einer Ein- gäbe an das Gemeindekollegium gebeten. Die Eingabe wird in dem zuständigen Ausschuß vorberaten. GewerKtcKaftlicKes. Berlin und Qmgegend. Zur Lage der Fcnsterputzer wird uns geschrieben: Seit Beendi- gung des Streiks bei der Firma Stähr u. Comp., Petristtaße, scheint den Unternehmern mächtig der Kamm anzuschwellen. Sticht nur, daß man organisierte Arbeiter entläßt, man züchtet ordentlich das De- nunziantentum. Bei einem der größten Reinigungs-Jnstitute werden Prämien an denjenigen ausgezahlt, welcher der Firma anzeigt, wer Mitglied des Verbandes ist.— Die Arbeiter der Firma Glaser- Innung hatten in einer Betriebssitzung drei Kollegen als Ver- trauensleute gewählt. Am Tage der Lohnzahlung wurden die drei Kollegen entlassen. Bei zweien derselben wurde der Grund der Ent- lassung nicht angegeben, nur bei dem dritten wurde erklärt, für Ver- ttauensleute hätte man keine Beschäftigung in der Anstalt.— Bei der Firma Arnheim u. Co., Rungestraße, wurden einem Arbeiter bei der Entlassung 2 M. vom Lohn abgezogen, weil derselbe circa sechs Wochen vorher eine Scheibe eingestoßen hatte. Um zu dem Gelde zu gelangen, mußte der betreffende Arbeiter das Gewerbegericht anrufen.— Aus alledem geht hervor, wie schlecht die Verhältnisse der Berliner Fensterputzer sind und wie sehr sie der Besserung bedürfen. Soll wirklich etwas geschehen, um die wirtschaftliche Lage derselben zu bessern, so ist es Pflicht eines jeden Putzers, sich seiner Berufs- organifation anzuschließen, um mit Hilfe derselben sich bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu verschaffen. OeutfcKes RHA. Die Zimmerer Hamburgs sind nunmehr in den partiellen SWttfl eingetreten. Sie haben gestern auf verschiedenen Arbeitsstellen, wo die Forderung: 70 Pf. Stundenlohn, nicht bewilligt wurde, die Arbeit niedergelegt. Lohnbewegung in Guben . Die Tischler, sowie die Maler und Anstreicher in Guben sind in eine Lohnbewegung eingetreten. Die Tischler verlangen Herabsetzung der bisherigen Arbeitszeit von 59Vz auf 56 Stunden wöchentlich und eine Erhöhung des Stunden- lohnes um 5 Pfennig. Auch bei den Malern und Anstreichern handelt es sich hauptsächlich um Verkürzung der Arbeitszeit; die bisherige llstündige Arbeitszeit soll auf 10 Stunden bei gleichem Lohn herabgesetzt werden. Die Innung hat diese Forderung für berechtigt anerkannt und ist zu hoffen, daß auch über die andren Forderungen(Minimallohn zc.) eine Verständigung erzielt wird. Tarifgemeiuschaft der Nürnberger Metallschläger. Zwischen dem Deutschen Metallarbeiter- Verband, allgemeine Verwaltungsstelle Nürnberg , und der Vereinigung der Metallschlägermeister Nürnberg wurde am 20. Juni nach neunwöchentlichem Streik eine Tarif- gemeinschast bis zum 1. September 1904 abgeschlossen. Gegenstand der Vereinbarungen sind: 1. Festsetzung der Arbeitszeit. 2. Fest- setzung der Löhne für sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen. 3. Fest- setzung der Kündigungsfrist. 4. Regelung des Lehrlingswcsens. 5. Regelung der Arbeitsvermittelung. 6. Kontrolle und Regelung der Produktton. Die höchst zulässige Arbeitszeit bettägt wöchentlich 54 Stunden. Die Arbeit wurde in allen Handbettieben am Montag in vollem Umfange aufgenommen. Die Maler in Stuttgart befinden sich in einer Lohnbewegung. ES ist schon mehrfach eine Verständigung mit den Arbeitgebern ver- sucht worden, jedoch ohne Resultat. Der Stteik scheint un- vermeidtich. Eine in mehrfacher Beziehung wichtige Entscheidung hat der Sttaf- senat des preußischen Kammergerichts in seiner letzten Sitzung ge- fällt. Gegen die 8s 1. 2, 12 und 13 des preußischen VereinsgesetzcS sollten die„Vorsteher" des Vereins„Gewerkschaftskartell für K a t t o w i tz" dadurch verstoßen haben, daß sie Mitglieder« Verzeichnis und Statuten des„Vereins" der Polizei nicht einreichten und daß sie eine„Versammlung", in der öffentliche Angelegenheiten hätten erörtert werden sollen, nicht polizeilich anmeldeten. Die Angeklagten Baude und Gen. bestritten jede Verpflichtung dazu und erzielten auch in zweiter Instanz beim Landgericht Beuthen insoweit ihre Freisprechung, als eS sich um das Statut und das Mitgliederverzeichnis handelte. Das Landgericht nahni an, daß ein Gewerkschaftskartell überhaupt kein„Verein" im öffentlich rechtlichen Sinne sei, wenn ihm, wie hier, nur die Vorsitzenden und je zwei Delegierte der Gewerkschafts - vereine angehörten.(In Kattowitz sind 13 Gewerkschaften im Kartell vertteten.) Das Kartell wurde als Centtalorgan der Katto- witzer Gewerkschaften angesehen.— Die Angeklagten wurden jedoch vom Landgericht zu Geldstrafen von je 15 M. wegen der Nicht- anmeldung einer polizeilich aufgelösten Sitzung des Kartells, wozu sich 22 Personen eingeftmden hatten, verurteilt. Diese Sitzung sei als Versammlung anzusehen und es sei auch eine Erörterung öffentlicher Angelegenheiten, wenn dort über statistische Erhebungen in Bezug auf die Lage der Arbeiter gesprochen werden sollte, denn dadurch würden öffentliche Interessen berührt.— Der Strafsenat des Kammergerichts unter dem Vorsitz des Herrn Lindenberg gab der Revision statt, hob die Vor- entscheidung, soweit eine Verurteilung erfolgt war, auf und verwies die Sache zu nochmaliger Verhandlung und Entscheidung au das Landgericht zurück. Begründend wurde ausgeführt: Wenn nur Delegierte, und wenn auch 22, zu Zwecken des Kartells zusammen- gekommen seien, dann könnte man nach Ansicht des Kammergerichts nicht von einer Versaminlung, sondern nur von einer Sitzung des Kartells sprechen, die einer Anmeldung überhaupt nicht be- dürft hätte. Es stehe jedoch hier noch nicht genau fest, ob der Zusammenkunft nicht noch andre, dem Kartell nicht an- gehörende Personen beiwohnen sollten oder konnten. Wenn dies der Fall wäre, dann würde allerdings eine Versammlung vorliegen. Das müsse noch nachgeprüft werden.— Auch sei es rechtsirrtümlich, wenn das Landgericht eine Erörterung öffentlicher Angelegenheiten ohne weiteres in statistischen Erörterungen mit Bezug auf die allgemeine Lage der Arbeiter sähe. In solchen Erörterungen wäre eine Er- örterung öffentlicher Angelegenheiten e r st dann zu finden, wenn die Tendenz damit verbunden wäre, das Ergebnis der Statistik derart zu verwerten, daß eine bestimmte Aenderung, eine Umwälzung der Lage der Arbeiter erzielt werde. Hierüber fehlten ebenfalls nähere Feststellungen. Christliche Gewerkschaftsbewegung. Der Ausschuß des Gesamt- Verbandes der christlichen Gewerkschaften sagt in seinem Bericht für das Jahr 1902: Dem Gesamtverbande sind angeschlossen 20 Organi- sationen mit 84 652 Mitgliedern gegen 23 Organisationen im Vor- jähre. Der Bericht zählt dann noch 10 Organisattonen mit 105 243 Mitgliedern als zu den christlichen Gewerkschaften gehörig, obwohl es sich hier fast ausschließlich um Bahn- und Postbcamte handelt. Eine Ausnahme bildet nur der christliche Meta llarbeiter-Verband, welcher im vorigen Jahre aus dem Gesamtverbande ausgeschlossen wurde. Die Mitgliederzahl sämtlicher Organisationen soll um ca. 14 000 gestiegen sein, der Bergarbeiter-Verband habe am 1. April d. I. 40 500 und der Texttl- arbeiter-Verband 17 728 Mitglieder gezählt. Die Angaben über die Mitgliederzählen der christlichen Gewerkschaften sind jedoch mit großer Vorsicht aufzunehmen. Gewöhnlich sind die Zahlen etwas hoch an- gegeben. Es heißt z. B. in dem Bericht, daß der Bergarbeiter- Verband im Jahre 1902 durchschnittlich 35 500 Mitglieder gezählt habe. Wenn man aber die Beittäge nachrechnet; so findet man, daß nur ftir 25 217 Mtglieder Beittäge entrichtet sind, demnach würden ca. 10 000 Mitglieder in den Listen geführt, welche keine Beittäge leisten.— Die Einnahmen der dem Gcsamtverbande angeschlossenen Organisattonen werden in dem Bericht mit 406 909 M. angegeben. die Ausgaben betrugen 323 455 M. Bon diesen Ausgaben fielen auf Streik- und Gemaßregelten- Unterstützung 88 626 M. Der Texttlarbeiter-Verband hat die Hälfte der ganzen Summe allein ausgezahlt, sodaß die übrigen 19 Organisattonen insgesamt eine Ausgabe von 44 0M M. für diese Unterstützungen zu zahlen hatten. Beittäge von 10 M. pro Woche sind in den chnstlichen Gewerkschaften jetzt eine Seltenheit, da dieselben im Laufe des Jahres fast durch- weg erhöht worden sind. Die Gewerkschaftspresse soll in einer Auf- läge von 210 000 Exemplaren erscheinen und sollen nach dem Bericht insgesamt 19 Organe herausgegeben werden und zwar 12 wöchent- lich, vier alle 14 Tage, zwei monatlich und eins alle zwei Monate. Im Bericht wird dann angegeben, daß die christlichen GeWerk- schaften insgesamt an 37 Stteiks mit 2151 Personen beteiligt waren. Von diesen Streiks waren 22 erfolgreich, während 15 mit einem Miß- erfolg endeten. Bedauert wird dann noch, daß auch die Unternehmer und Behörden durch Lokalabtreibereien den christlichen Gewerkschaften Schwierigkeiten bereiten. Ans dem Bericht geht unzweifelhaft hervor. daß die christlichen Gewerkschaften keine Fortschritte niachen, es fehlt die werbende Kraft und die Begeisterung für die Sache, selbst der Auftuf am Schluß des Berichts, nicht zu verzagen und vorwärts zu streben, täuscht nicht über die pessimistische Stimmung, welche in den Kreisen der chrisflichen Führer selbst herrscht. Busland. Handschuhmacher- Aussperrung in Schweden . In sämtlichen Handschuhfabriken der Landschaft Schonen wurden am Montag die Arbeiter ausgesperrt. Veranlassung zur Aussperrung war der Hand- schuhmacher-Stteik in Lund . Die Handschuhmacher in den andern Städten Schonens sollten gezwungen werden, Streikarbeit zu machen. was sie selbstverständlich ablehnten.— Uns der Frauenbewegung. Ober-Schöneweide. Der hiesige Bildungsverein ftir Frauen und Mädchen hält am Freitag, den 26.� abends 8 Uhr, seine Generalversammlung bei Kaufhold, Wilhelmiuenhofstr. 18, ab. Eintritt nur gegen Mitgliedsbuch oder Karte. Der Vorstand.
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