für daS allgemeine Wahlrecht nicht vorhanden ist. Daß die Frehfinnigen in Berlin Mandate verlieren würden beim direktenWahlrecht, wissen wir. aber die Mandate find doch nur Mittel.nicht Selbstzweck. Unser Antrag war nur eine Anregung für dieweitere parlamentarische Verhandlung. Jedenfalls hat dieDebatte eine gewisse Aufklärung gebracht. Die unveränderteBeibehaltung des Dreiklassen-Wahlsystems hat sich als unhaltbarherausgestellt, da das Zentrum und die Nationalliberalen ohneAenderung des Wahlrechts keine neuen Steuergesetze machenwollen. Wie die Aenderung erfolgen soll, ist aber von keinerSeite angedeutet worden. Man wird nielleicht erkennen, daß eineReform nicht möglich und sich dann vielleicht mit dem Gedankenan das Reichswahlrecht befreunden. Wenn sich als Ergebniß derSteuerreform«ine Mehrbelastung der industriellen Bezirke her-ausgestellt, dann wird eine Aenderung derWahlkreis-Eintheilungallseitig gefordert werden. Bei dem Anwachsen der Wahl-männer-Kollegien sind die Wahlen fast nicht mehr durchzuführen.Allein entscheidend soll die Bevölkerungszahl nicht sein, aber mit-entscheidend ist sie bei dem Gesetz von 1860 auch. Dieses Gesetzbrachte eine endgiltige Regelung nur insofern, als vorher beijeder neuen Volkszählung eine neue Wahlkreis-Eintheilung statt-finden mußte. Jetzt müßte statt der damals als Maßstab ge-brauchten Zahl von b0 0<X> Einwohnern die Zahl von 70 000 an-gewendet werden. Eine periodische Revision verlangen wir nicht,wir verlangen, daß jetzt nach 30 oder 32 Jahren angesichts derveränderten Bevölkerungsvcrhältnisse eine Aenderung eintretensoll, damit nicht Vernunft zum Unsinn und Wohlthat Plage wird.Eine Vermehrung der Zahl der Abgeordneten würde unrichtigsein, eher könnte eine Verminderung Platz greifen. Dabei könntesich Niemand beklagen, wenn eine Neueintheilung der Wahlkreisestattfinden würde. Es handelt sich hierbei nicht um einen Gegen-fatz zwischen Stadt und Land, sondern um die einseitigen Jnter-essen des Großgrundbesitzes, die aber im Herrenhause ausgiebiggenug gewahrt sind. Aber selbst bei einer Neueintheilung derWahlkreise wird hier von einer Majorisirung des platten Landesnicht die Rede sein können. Ueberhaupt sind hier lokale Fragennicht entscheidend. Wir sondern uns nach politischen Grundsätzen.Von der anderweitigen Vertheilung der Mandate werden dieFreisinnigen nicht ohne Weiteres Vortheil haben und wenn dieKonservativen so muthig und intelligent sind, dann trauensie doch auch dieser Eigenschaft und mißbrauchen sienicht die mechanische Macht der Wahlkreiseintheilung.Wenn Herr v. Bennigsen erklärte, daß das liberale Bürgerthumnicht die ihm gebührende Stellung«innimmt, so gilt dies nament-lich in Bezug auf die Eintheilnng der Wahlkreise. Ich habe auchheute keine vollständige Ablehnung gehört. Selbst der Ministerund Herr v. Huene meinten nur, daß zur Zeit von der ander-weitigen Einteilung der Wahlkreis« nicht die Rede sein könne.Nachdem der Antrag seinen Zweck erreicht hat. kann ich den An-trag nur zurückziehen.' Damit ist diese Angelegenheit erledigt.Es folgt die Beratyung des Antrages des Abg. v. Schalscha,welcher die Regierung auffordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen,wonach die Vorsitzenden der Einschätzungskommission bestraftwerden sollen, wenn sie in Widerspruch mit der Steuererklärungeingeschätzt haben, ehe die Angaben des Steuerpflichtigen ge-prüft sind.Abg. v. Schalscha(Zentr.): Die Steuererklärungen werdenabgegeben auf Pflicht und Gewissen, und wenn das auch viel»leicht für manchen nicht gleichbedeutend ist mit einer eidesstatt-lichen Versicherung, so ist es doch für jeden Ehrenmann dasselbe.Redner verweist auf die Verhandlungen des Einkommensteuer-Gesetzes und behauptet, daß das von ihm schon früher getadelteVerfahren der Einschätznngskommissarien dem Gesetze wider-spreche. Die Verfügung des Ministers werde nicht ausreichen;es werde zwar den Beamten angedroht, daß sie zur Verant-»vortung gezogen werden sollen; aber es fehlt an jederStrafbestimmung.Der Laudrath des Kreises Goslar hat sich in dieser Beziehungbesonders ausgezeichnet; er hat die Steuererklärungen mißachtet.Wenn er trotzdem zum Polizeipräsidenten von Stettin befördertist, so muß das im Publikum unliebsame Gefühle wachrufen unddie Beamten werden eine solche Verantwortung nicht schwerempfinden. Die Mißachtung einer auf Pflicht und Gewissen ab-gegebenen Steuererklärung ist eine Ehrenkränkung, die auch einegewisse Berücksichtigung verdient.Minister Herrfnrth: Ich bin zweifelhaft, ob ich auf dieWorte des Vorredners eingehen soll, denn Bemerkungen über dieBeförderung einzelner Beamten gehören wohl nicht hierher. Eheder betreffende Herr befördert wurde, wußte ich nicht, daß erirgend etwas begangen haben sollte. Ich höre, daß er überhauptnichts begangen hat und daß weiter keme Beschwerden gegenihn vorliegen, als anonyme Briese an Herrn v. Schalscha.Minister Miquel bittet um Ablehnung des Antrages, weilschließlich kein Beamter vor einer Strafe sicher sein würde.Sollen die Mitglieder der Kommission, welche gegen ein« Maß-regel gestimmt haben, auch mitbestraft werden? Die ganze Auf-fassung des Antragstellers von der Ehrenerklärung, die in derNichtbeachtung der Steuererklärung liegen soll, ist unrichtig.Die Einschätzungskommissionen verdienen nicht den Tadel, welchenHerr v. Schalscha ausgesprochen hat. Wenn sie nicht überall dieSteuererklärungen beachtet haben, so liegt dies bei der Neuheitdes ganzen Versahrens, welches dem Publikum nicht sympathischwar. Wenn massenhafte Beanstandungen von Steuererklärungennothwendig waren, dann ist es entschuldbar, wenn bei der Kürzeder Zeit diese oder jene Bestimmungen über das Verfahren nichtbeachtet wurden. Ich kann das Haus nur bitten, dem Antragnicht stattzugeben, um so weniger, als ich die Versicherung gebe,daß ich dafür sorgen werde, daß die gesetzlichen Vorschriftenstrenger als bisher befolgt werden.Abg. Wessel(frk.): Die Steuereinschätzung ist kaum be-endigt, der Minister kann noch gar nicht übersehen, ob die Vor-sitzenden richtig verfahren haben, und schon ist Herr v. Schalschamit seinem abfälligen Urtheil bereit. Er hätte damit wohl etwaszurückhalten sollen. Er hatte aber das Recht, sich aus den Erlaßdes Ministers zu berufen. Der Minister wird, ivenn er die Er»gebnisse sehen wird, erkennen, daß er keinen Anlaß hatte, inirgend welcher Weise mit solchen Verfügungen einzugreifen. Da-durch würde das überflüssige Schreibwerk in ganz ungeheurerWeise verinehrt werden. Denn die Zenstten haben zum großenTheil keine Ahnung davon, was eine Steuerdeklaration ist. Erstnach einer Beanstandung kainen manchmal brauchbare Antworten.Der Antrag ist vollständig verfrüht.Minister Miqnel glaubt auch, daß die Mißstimmung nichtkommt von der Verletzung der Gesetzesvorschriften, fondern davon,daß die Steuerzahler mehr als früher bezahlen müssen. JedeBeanstandung soll mit den Steuerzahlern besprochen werden.Das geht vielleicht zu weit, aber es ist einmal vorgeschrieben undwir müssen erst erproben, wie die Sache geht.Abg. Ludowieg(ntl.) erkennt an, daß in der Nichtbeachtungder Steuererklärung allerdings eine Rücksichtslosigkeit liege, abereine direkte Ehrenkränkung könne er darin nicht sehen. Wenn erauch in der Tendenz mit dem Antragsteller übereinstimme, sokönne er doch die Begründung nicht als eine glückliche an-erkenn«.Nach einem Schlußwort des Antragstellers wird der Antragzurückgezogen.Schluß 3V« Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr.(Gesetzentwurf, betreffend die Geheimhaltung der Steuerergebnisse,Petitionen.)Mommunales.Stadtverordneten• Versammlung.Oeffentliche Sitzung vom Donnerstag, den 19. Mai,Nachmittags 5 Uhr.Die Ersatzwahl für den verstorbenen Stadtv. Meibauer findetam 31. Mai statt.Auf der Tagesordnung steht zunächst die vom 13. Februardatirte Vorlage betreffend die Verpflichtung der AktiengesellschaftBerliner Elektrizitätswerke zur Legung von Kabelleitungen in sämmtlichen Straßen des im Vertrage vom25. August 1888 bestimmten Stadtgebiets. Die Gesellschaft istnach dem Vertrage verpflichtet, die Kabelleitungen in sämmtlichenStraßen bis zum 1. Oktober 1392 herzustellen; sie legt nun demMagistrat ein Verzeichniß derjenigen Straßen vor, in denen dieLieferung elektrischen Stromes voraussichtlich so bald nicht eintretenwird, und beantragt sie von der Legung von Kabeln in diesenStraßen so lange zu entbinden, bis das Verlangen nach Lieferungelektrischen Stromes gestellt wird. Zu den betr. 42 Straßenbezw. Straßentheilen gehören u. a. die Adlerstraße, Bauhofstraße.Eiergasse, Kl. Stralauerstraße, Molkengasse, Petristraße, Parochial-straße, Falkoniergasse, Rosmaringasse, Rittergasse, Slallstraße,St. Wolfgangstraße, Universitätsstraße, Schornsteinfegergasse,Waisenstraße, Haidereutergasse, Kreuzstraße, Kl. Kurstraße,Magazinstraße, Niederlagstraße, Der Krögel.Der Magistrat hat das Ersuchen der Gesellschaft als billiganerkannt und die Zustimmung der Versammlung zu der Ent-bindung der Gesellschaft von der qu. Verpflichtung nachgesucht;die Gesellschaft foll sich aber verpflichten, jederzeit auf Verlangendes Magistrats die Kabelleitungen in den betr. Straßen herzu-stellen. Der für die Vorlage niedergesetzte Ausschuß hat demMagistratsantrag mit der weiteren Einschränkung zugestimmt,daß die Gesellschaft nach wie vor verpflichtet bleibt, unter denim Vertrag? gegebenen Voraussetzungen und Bedingungen jedemBewohner dieser Straßen aus Verlangen elektrischen Strom zuliefern.Die Ermittelungen wegen der f. Z. auf der Roßstraßenbrückeund am Spittelmarkt vorgekommenen, vermuthlich durch Defektein den elektrischen Kabelleltuugen herbeigeführten Gaserplosionensind, wie im Ausschuß auf Anfrage erwidert worden ist', beendet,die Sachverständigen des Magistrats haben aber zu einem ab-schließenden Urtheil nicht gelangen können, und es wird noch dasGutachten eines hervorragenden, in jeder Beziehung unabhängigenElektrotechnikers eingeholt werden. Zur Sicherung des städtischenRohrsystems gegen weitere Unglücksfälle seien die Elektrizitäls-werke verpflichtet worden, bei Kabelleitungen, welche neben de»Gasröhren herlaufen, 30 Zentimeter, bei Ueberleitungen10 Zentimeter Abstand inne zu halten resp. unverzüglich herzustellen.Der Gegenstand hatte schon auf der Tagesordnung derSitzung vom 21. April gestanden, war aber mit Rücksicht aufeinige Petitionen, für deren Begründung noch weiteres Materialin Aussicht gestellt war, abgesetzt worden. Das angekündigteMaterial ist inzwischen eingegangen, desgl. eine von einer Jnter-essentenversammlung beschlossene Resolution.Eingereicht sind zwei Anträge, welche die Zurückverweisungder Vorlage an den Ausschuß und die Ueberweisung der Reso.lution an den Ausschuß zur Berichterstattung bezwecken. DieResolution verlangt eine Revision deS Vertrages in derRichtung der Freigebung der Installationen, Herabsetzung deSTarifs u. f. w.Referent Direktor Schwalbe empfiehlt die Zurück-Verweisung der gesammten Angelegenheit in den Ausschuß.Die Versammlung beschließt demgemäß.Den Erwerb des G r u n d st ü ck eS B r eit e str. 21 vonder Wadzeckanstalt zum Preise von 3S0 000 M. hatte derMagistrat in einer vom 9. April er. datirten Vorlage der Ver-sammlung vorgeschlagen. Inzwischen war aber bereits am6. April das fragliche Grundstück von dem Verein zur Ver-waltung der Wadzeckanstalt durch notariellen Vertrag an denKaufmann Louis Oppenheim zu einem höheren Preise verkauftworden. Der Magistrat zieht angesichts dieses Umstandes durchSchreiben vom 7. Mai die Vorlage zurück.In der Älusschußverhandlung über die Vorlage ist getadeltworden, daß in dieser wichtigen und als eilig anzusehenden An-gelegenheit seitens des betr. Bureaus eine unliebsame Ver-zögerung stattgefunden hat, da die Magistratsvorlage erst an»9. April an die Versammlung abgesandt wurde, während schonam 8. März dem Verein durch die Baudeputation von dembezüglichen Magistratsbeschluß Kenntniß gegeben worden war, undder Ausschuß beantragt, das lebhafte Bedauern hierüber demMagistrat in einer besonderen Resolution auszusprechen. Ebensohat das von der Anstalt dem Magistrat gegenüber beobachteteVerfahren das Mißfallen des Ausschusses erregt, und nach einemzweiten Antrage desselben soll die Versammlung erklären, daßdieses Versahren nicht als ein solches angesehen werden kann, wiees unter Behörden üblich zu sein pflegt.— Der Magistrat be-merkt seinerseits in dem Schreiben, womit er dir Vorlage zurück-zieht, daß wenn der Verein die Beschlußfassung über die An-gelegenheit über den gewöhnlichen Geschäftsgang hinaus be-schleunigt wissen wollte, es den Gepflogenheiten im Verkehr zwischenBehörden und Stiftungen wohl entsprochen hätte, wenn derVerein vor dem Abschluß eines anderweitigen Verlaufs demMagistrat von dieser seiner Absicht wenigstens Kenntniß ge-geben hätte.Bürgermeister Zelle: Der neue Erwerber hat gestern den,Magistrat die Offerte gemacht, da? inzwischen von ihm erworbeneHaus zu demselben Kaufpreise zu zediren. Der Magistrat hatdarüber zunächst noch zu beschließe».Angesichts dieser Erklärung wird die Angelegenheit von derheutigen Tagesordnung abgesetzt.Das neue Statut der S t u b b e- S t i f t n n g(für alte, be-dürstige. unverheirathete Lehminneiii empfiehlt der Ausschuß zugenehmigen und die vom Magistrat geforderte Beihilfe von3000 Mark zu bewilligen, jedoch nicht als einmalige Beihilfe,sondern für das Etatsjahr 1892/93.Die Versammlung tritt den Ausschußbeschlüssen bei.Dem Komitee für Einrichtung von Kursen für Lehrer zurAusbildung in Jugend- und V o l k s s p i e l e n zu Berlinwird eine einmalige Beihilfe von 300 Marl zur Beschaffung vonSpielgeräthcn aus städtischen Mitteln gewährt.Mit der Inangriffnahme der Ausführung der bereits genehmigten Straßen 5a und öd und der Uferstraße nebst eineran dieser belegenen Boots-Anlagestelle auf den städtischen Grund-stücken Köpenickerstr. 3—6 erklärt sich die Versammlung ein-verstanden und stellt als erste Rate 150 000 M. zur VerfügungZur Enteignung einer Fläche von 1333 Quadratmetern vomGrundstück Skalisterstr. 79—83 behufs Freilegung derSkalitzer straße giebt die Versammlung ihr« Zustimmung.Die Vorlage, betreffend den Abschluß des L a g e r b u ch Lder Stadtgemeinde Berlin für 1390/91, geht an den Rechnungs-ausschuß.Zur Regultrung deS PlanuferS zwischen derKottbnser- und der Admiralsbrücke ist der Erwerb eines fiskalischengrünen Landstreifens von 400 Quadratmetern erförderlich. DerFiskus(Ministerial-Baukommission) fordert 3,50 M. für denQuadratmeter.Der MagistratSantrrg wird genehmigt.In die Armendirektion wird Stadtv. Hammerstein gewählt.Endlich erklärt sich die Versammlung damit einverstanden,daß die Heimstätte für genesende Wöchnerinnenzu Blankenfelde bis auf Weiteres auch mit weidlichen Re-k o n v a l e s z e n t e n, die in der Heimstätte zu Blankenburgwegen Platzmangels keine Aufnahme finden können, belegt werde,soweit diese Heimstätte nicht von Wöchnerinnen in Anspruch ge-nomine» wird.Ein dringlicher Antrag des Stadtv. Vortinann verlangtdie Beilegung der stenographischen Verhandlungen über dieEchloßplatz-Angelegenheit vom 5. und 12. Mai zum Kommunal-blatte.Stadtv. V o r t m a n n verweist darauf, daß dieser Antragschon in der vorigen Sitzung vorgelegen hat, damals aber mitden übrigen Anträgen für erledigt erklärt worden ist.Stadtv. L ö w e l hält die Sache für genügend erörtert undbittet, sie endlich zu begraben.Stadtv. B o r g m a n n: Der Autrag ist ausgegangen vonunbesoldeten Gemeindebeamten. Diese haben eine so horrendeArbeitslast für die Stadtgemeinde Berlin zu leisten, daß beieinem solchen Petitum der etwaige Kostenpunkt nicht in Betrachtgezogen werden sollte. Wenn diese Herren sich eingehend undgründlich über die städtischen Angelegenheiten und Vorkomin-nisse unterrichten wollen, müssen wir ihnen jede Gelegenheit dazugeben.Der Antrag wird abgelehnt, nachdem auch Stadtv.Meyer II die Sache für endgiltig abgethan erklärt hat.Schluß 6'/« Uhr.Loltnles.Arbeiter-Bildnngsschule, Kursus für National»ö k o n o m i e. Eine schwere Halsentzündung nöthigt mich, denUnterricht am 22. Mai ausfallen zu lassen. Wiederbeginn desUnterrichts: 29. Mai. Dr. Bruno Schönlank.Achtung! Genoffen im 4. Berliner NeichStagS-Wahl-kreis. Sonntag, den 22. Mai, früh 3 Uhr. bei Böhl, Frank-furter Allee 74, findet Flugblätter-Vertheilung statt. Um zah�reiches Erscheinen, insbesondere der Mitglieder des Vereins, ersuchtDer Borstand.Der gegenwärtige Rektor der Berliner Universität.Prof. Dr. Forster, ist ein verdienstvoller Forscher und einfreidenkender Mann, aber er besitzt eine selbst für einen Ge-lehrten außerordentliche Naivetät. Er bildet sich nämlich ein,daß der Kern der Studentenschaft aus den Studenten bestche,welche studiren, und um der Studentenschaft eine gemei»sa»>eVertretung zu schaffen, machte er ihnen den Vorschlag einenStudentenausschuß zu wählen. Selbstverständlich fiel der Rektor,wie wir voraussagten, mit diesem Vorschlage gründlich herein.Denn wie kann man verlangen, daß ein ganz gewöhnlicherStudent, der seine Universitätszeit ernsten Studien und würdigenGenüssen widmet, ebenso viel zu sagen haben soll wie einer jenergroßspurigen und doch so servilen, pomaderiechenden Kouleur-studenten, der das bunte Band trägt, um seiner Schmisse im Ge-ficht halber nicht mit einem Palent-Louis verwechselt zu werdenSo ein Korps von 8 Mitgliedern will doch zum mindesten ebensoviel zu bedeuten haben wie eine„Blas«- von 1000 tüchtigen und demStudium lebenden Studenten. So ist denn auch von den Kouleurender Vorschlag des Rektors abgelehnt. Bei etwas weniger Naiveluikonnte Herr Förster das voraussehen. An das Korpsstudenten-thum reicht seine Machtsphäre nicht. Er sollte einmal versuche».gegen dasselbe auch nur das Gesetz anzuwenden! Das Korps-burschenthum steht über dem Gesetze! Ja. das Bestehen derKorps ist schon widergesetzlich; denn sie verpflichten ihre Mit-glieder zur Uebertretung des Gesetzes. Der Eintritt in das Korpsverpflichtet seine Mitglieder zum Duell, eine durch das Gesetzverbotene Handlung. Wollte Herr Dr. Förster, wozu er alsRektor verpflichtet wäre, das Gesetz anwenden, er würde sichden Korps die Zähne ausbrechen. Der Staat ist kein modernerKulturstaat, wenn er auch Professoren anstellt; und es fehlt ihmauch noch viel zum Rechtsstaat, wenn er auch tausend Rechts-kundige anstellt; wie über dem Recht die Polizei, die Verwaltungs-maximen, so wallet über der Kultur di» Junkerbarbarei.Die Maßregelungeu von Parteigenossen wegen Be-theiligung an der Maifeier hören noch immer nicht auf. Heulhaben wir von zwei Fällen zu berichten, die in der UmgegendBerlins sich zugetragen haben. Ter Vorstand des Landwehr-vereinS in R ü d e r S d o r f hat das Baterland insofern gerettet,als er vor einigen Tagen drei Vereinsmitglieder vor sein Forumzitirte und diesen eröffnete, daß sie aus dem Verein ausgeschlossenworden seien, weil sie am 1. Mai an einem Arbeiterfest in derWoltersdorfer Schleuse theilgenommen hätten. Die diesbezüglich«Anzeige hatte der Gendarm erstattet. Nun, unsere Genossenwerden sich zu trösten wissen, die Zugehörigkeil zum RüdersdorserLandwehrverein ist durchaus nicht nothwendig zu einem so»stganz vergnüglichen Dasein.Der Fall zwei ist aus N e u- R u p p i n zu vermelden.Dem dortigen Buchhändler Otto ist folgendes Schreiben zugestelltworden:1.„Neu-Ruppin, 5. Mai 1392. Aus Befehl des Herrn Hau»»'mann v. T r o s s e l theile Ihnen mit, daß derselbe Ihnen da»Betreten des Kompagnie- Reviers hiermit aus da»Strengste untersagt und«in Verkaufen von Büchern PP- 011Unteroffiziere und Mannschaften der Kompagnie verbietet.A. B'-Marks, Feldwebel."2.„Neu. Rnppin, 8. Mai 1892, Den Nnter-osfizieren und Mannschaften; ist der Weiterbezugder von Ihnen gelieferten Zeitschriften pp. unter-sagt und wird Ihnen seitens der Kompagnie das Be-treten der Kasernenrevier« auf das Strengste verboten.Töpfer. Feldwebel der 7. Kompagnie, Ludwigskaserne."Politische Schriften hat der Buchhändler Otto nie in dieKaserne gebracht, er hat aber an der Maifeier theilgenominen.Unsere politischen Gegner wissen sich bekanntlich vor uiora-lischer Entrüstung gar nicht zu fassen, wenn unsere Genossen ein«"Gastwirth oder Saaliuhaber boykotten, weil er es durch dieWeigerung, seine Lokalitäten benutzen zu lassen, den Genoffcn zurUnmöglichkeit macht, in dem betreffenden Orte eine VersammlungabHallen zu können. Wir haben es sogar schon erlebt, daß dieAufforderung, den Saalinhaber so lange nicht zu besuchen, bisuns sein Saal ebenso zur Verfügung gestellt wird, wie alle«anderen politischen Parteien, streng bestraft worden ist. Sobalddie Sozialdemokratie also aktiv in einen Boykott eingreift, ist d»»ein Verbrechen. Wenn aber die„staatserhaltendeu" Parteien Z»dein Mittel des Boykotts greisen, um einen Sozialdemokralc»wirthschastlich zu ruiuircn, so heißt es sofort: Ja, Bauer, dasist etwas Anderes.Das Ganze nennt sich dann im Deutschen Reiche gleich»Recht für Alle! Eine schdne Gleichheit!Die Dumme» werde» nicht all«. Am Mittwoch Abendfand wieder«ine zahlreich besuchte Versammlung der Mitgliederder„Zukunft" statt. Der Direktor Steuk war selbstverständlichnicht erschienen. Was hat er sich um die Anarisse der Mitgliederseines Vereins zu kümmern? Mögen sie schimpfen, wenn st«»»'zahlen! Es ist schön, wenn Herr Mctzker sagt:„Wir wollenaus der Zahl der Mitglieder einen Vorsitzenden wählen, uu»nicht den Herrn Direktor fett machen", aber er und die sänunl-lichen Mitglieder haben hierin gar nichts zu entscheiden. Undwenn sie in der nächsten Generalversammlung auch beschlie»«»wollten—, falls der Herr Direktor den Gegenstand, der statuten-widrig ist, überhaupl auf die Tagesordnung setzt— den Herl»Direktor abzusetzen, so kann dieser ruhig darüber lachen. Grbleibt doch Direktor und behält die Hand auf den Geldern, b>eimmer noch an die Kasse geliefert werden. Seit Jahren habe»wir schon diese„Zukunft" beleuchtet und die Zukunft dieser„3»°fünft" vorausgesagt. Der Verein ist nur ein Anhängsel der Ber-einsgründer. Die VereinSform ist zur Anlockung von M»'gliedern gewählt, die im Wesentlichen nichts zu sagen haben unodenen nur ein kleiner Spielraum gegeben ist, innerhalb dessen ssfsich einbilden können, ein Verein zu sein. Der Direktor ist»»Bwegen der Mitglieder da. sondern dje Mitglieder wegen v»Direktors.In der Tpandauer Stadtforst passtren entsetzliche Dinge-Man höre nur, was der„Anzeiger für das Havelland" z»richten weiß:Daß in der Stadtforst doch stellenweise recht ver"dächtige Ge st alten auftauchen, haben gestern wievcrmehrere Spaziergänger wahrgenommen. Dieselben scheuchte'