Nr. 179. 20. Jahrgang. KeW des.AmSlts" Kttlm MMM Dieustag, 4. August 1903. Em Industrie und Handel Rheinisch-Westfälisches Kohlcnsyndikat. Wie im vorletzten Wochen- bericht dargelegt wurde, hat das Kohlensyndikat in seine Statuten und in den neuen Vertragsentwurf einen Passus hineingenommen, der es dazu berechtigt, Kohlenbergwerke, sowie noch nicht auf- geschlossene Kqhlcnfeldcr zu erwerben. Solche Erwerbungen sind, wie die„Voss. Ztg." berichtet, schon seit einiger Zeit im Gange, und zwar tritt dabei innner deutlicher hervor, dasi das Syndikat direkte Verhandlungen mit den Outsiders zu umgehen trachtet, diese An- gelcgenheiten vielmehr durch dieVcrtreter der großen syndizierten Zechen besorgen läßt. Wie der Kommerzienrat Milser sHarpener Bergbau-Akt.- Ges.) sich durch den Besitz von 250 Anteilen einen ausschlaggebenden Einfluß auf die Zukunft der Bohraesellschaft Anneliese gesichert hat, so hat er diesen auch kürzlich bei der außerhalb des Syndikats stehenden Bergwerks-Gescllschast Westfalen ausgeübt. In der letzten Generalversammlung gab nämlich Müser die Erklärung ab, daß er gegen den Verkauf des Bergwerkseigentums sowie gegen die Ver äutzerung von Teilen desselben und gegen die Inbetriebsetzung des Bergwerks fei. Es steht ferner fest, daß auch andre Mitglieder des Syndikats unter der Hand umfanareiche Käufe in den Anteilen noch außenstehender Gesellschaften vollzogen haben, um so bei einer etwaigen Veräußerung an das Kohlensyndikat der Möglichkeit einer Ueberteuerung vorzubeugen. Haniburg-Amerrka-Lime. Wie aus London gemeldet wird, hat Generaldirektor Ballin die fünf ältesten Dampfer der Hamburg « Amerika-Linie„Allemanma",„Rhenania",„Polynesia ",„Polaria" und„Athos" an eine Reederei in Glasgow verkauft und von den fünf Dampfern der englischen Gulf-Linie die vier neuesten und größten Schiffe erworben, die vor einigen Jahren mit großen Kühl- anlagen versehen wurden und jetzt zum Transport von Fleisch und frischen Früchten von Südamerika verwandt werden. Leipziger Bank. Die Gläubigerversammlung der Leipziger Bank ermächtigte einstimmig den Konkursverwalter, die Konkursmasse gegen folgende Gegenleistung an das Leipziger Bankhaus Erttel, Freyberg u. Co. unter Garantie der Nationalbank für Deutschland in Berlin zu verwerten. Die Käuferin gewährt als Kaufpreis insgesamt 67 Prozent für die festgestellten, nicht bevorrechtigten und im Prozeß befangenen Forderungen unter Uebernahme der noch laufenden Masseschulden. Die Fcsisetzung des Vertrages bleibt der Konkursverwaltung und dem Gläubigerausschuß überlassen. llrber die Anbaufläche der vier Haupt>Getreidc-Arten und der Kartoffeln bringt das neue Statistische Jahrbuch für das Deutsche Reich eine übersichtliche internationale Zusammen- stellung. Die Vergleiche beziehen sich fast durchweg auf das Jahr 1900, nur für Dänemark ist 1901, für Italien 1896 und für Bulgarien und Spanien das Jahr 1899 eingestellt. Für diese Zeit stellte sich die Anbaufläche von Weizen in den Vereinigten Staaten von Amerika mit 17 106 600 Hektar am höchsten, dann folgte Rußland mit 16 706 800 Hektar: in großen Abständen hierauf die andren Länder: Frankreich mit 6 864100 Hektar. Italien mit 4 693 000, Spanien mit 8 663 400, Ungarn mit 3 882 200, dann erst Deutschland mit 2 061 200 Hektar Anbaufläche. Etwas über 1 Million Hektar erreichen dann noch Rumänien gnd O e st r e i ch. Beim Roggen überragt Rußland , wie bekannt, alle andren Kulturländer bei weitem; es steht auch in der Anbaufläche bei weitem an der Spitze. Sie betrug im Erhebungsjahre 1900 nicht weniger als 28 694 100 Hektar, in weitem Abstand folgt dann an zweiter Stelle Deutschland mit 6 981 600 Hektar, darauf O estreich mit 1701700 Hektar Anbaufläche, dann kommt Frank r.e ich mit 1 419 800, Ungarn mit 1 064 500 Hektar; alle andren Länder bleiben weit unter 1 Million Hektar. So hat G r o ß« Jbritannien und Irland, das für Weizen noch eine Anbau- fläche von über 8/4 Millionen Hektar aufweist, an Anbaufläche für Roggen nur 26 800 Hektar. Die Vereinigten Staaten weifen für Roggen auch mir 640000 Hektar Anbaufläche auf. Bezüglich G e r st e steht Rußland gleichfalls bei weitem an der Spitze, es hatte dafür eine Anbaufläche von 7 666 700 Hektar aufzuweisen. In großen: Abstände folgen Deutschland mit 1706 600, Spanien mit 1403 300, O estreich mit 1234 100, Amerika (Vereinigte Staaten ) mit 1 171 200 und Ungarn mit 1030 600 Hektar. Dann kommt Großbritannien und Irland mit 379 000 und schließlich wieder in großem'Abstände die übrigen Länder. Beim H a s e r kommen sich Rußland und die Vereinigten Staaten ziemlich nahe, doch geht Rußland noch immer mit 16 186 700 Hektar gegenüber Amerika (Vereinigte Staaten ) mit nur 11 073 700 voran. Wieder folgt nach diesen Ländern ein großer Abstand: dann kommt Deutschland mit 4 104 900 und Frank- reich mit 3 941 400 Hektar, darauf O e st r e i ch mit 1 899 200, Großbritannien und Irland mit 1677 700, Ungam mit 1 000 300 und das kleine Schweden mit doch 824 800 Hektar Anbaufläche Hafer. Für die Kartoffeln streiten sich Rußland und Deutschland um die erste Stelle: Rußland bleibt aber mit 3 602 000 Hektar gegenüber Deutschland mit 3 241 800 Hektar noch immer an erster Stelle. Dmin folgen Frankreich mit 1 609 900 Hektar, O e st r e i ch mit 1 163 400, die Vereinigten Staaten von Amerika mit 1 056 600, Ungarn mit 513 800, G r o ß- britanmien und Irland mit 496 600 Hektar. Italien , H-»l l a md, Schweden , Belgien haben noch über 100 000 Hektar Anbaufläche, die übrigen Länder blechen auch darunter zürück. Herr W. Christians, Chefredakteur des„Deutschen Oekonomist" Und zugleich vor 1901 AufsichtSrat der Mecklenburg-Strelitzschen Hypothekenbank, der bekannten Tochtergesellschaft der Pommernbank, erläßt an der Spitze seines Blattes eure Erklärung, in der er der Welt verkündet, daß nur„Mangel an Interesse" an den gesellschaft- lichen Zwecken des Berliner Presse-Klubs ihn verhindert habe, diesem beizutreten. In der Erklärung heißt eS sehr selbstbewußt: „Von befreundeter Seite ist mir mitgeteilt worden, man(wer?) 'habe sich"dafür interessiert, ob ich Mitglied des im Pommernbank- Prozeß genannten„Berliner Presse-Klub" sei. Obgleich dies nun niemand etwas angeht, will ich doch— da ich einmal in der Oeffentlichleit stehe— allen, die sich dafür interessieren, hierdurch mitteilen, daß ich dem„Berliner Presse-Klub" weder angehöre noch jemals angehört habe, daß ich dessen angeblich schön eingerichtete Klubräume nie gesehen und von den Beziehungen desfewen zu Herrn Romeick und der Pommernbank erst durch die Gerichtsverhandlung erfahren habe. Um Mßdenttmgen vorzubeugen, erkläre ich ferner, daß ich die Mitglieder des„Berliner Prefse-Klub", soweit sie mir bekannt sind, für Ehrenmänner halte und daß nur Mangel an Jnteresie an dessen gesellschaftlichen Zwecken mich vom Beitritt abgehalten hat." Berlimr partei-Hn�clegenbcitcn. Weißensee. Eine außerordentliche Gcneral-Ver- sammkung des socialdemokrattschen Wahlvercius findet heute abend Uhr im„VereinShauS'. Charlottenburger st r. 150, statt. Tagesordnung: Wahl von Delegierten zur Kreiskonferenz, Vortrag. Die Mitglieder werden ersucht, zahlreich zu erscheinen. Steglitz . Die Versanmrlnng des Wahlvereins findet am Mitt» woch, den 5. August, abends 8x/a Uhr, im Restaurant„Gambrinus" (Schellhase), Ahornstr. 16», statt. Tagesordnung:„Die Landtags- Wahlen." Referent; Genosse Redakteur Bürger. Socialdcmokratischer Wahlverein für Nowawes-Ncuendorf. Mitt- woch, 5. August, abends'/.ß Uhr, bei Hiemke, Wallstr.: Versammlung. Tagesordnung: 1. Geschäftliches. 2. Abrechnung von der NciäiötagS- wähl. 3. Vortrag:„Die Socialdemokratie nach den Reichstags- wählen." Referent: Genosse Kotzke-Berlin . 4. Der diesjährige Partei- tag. 5. Sommcrfcst. 6. Verschiedenes. Die Versammlung wird pünktlich eröffnet und ersucht um zahlreichen Besuch Der Vorstand. lokales.' In der städtischen Gasanstalt Gitschinerstraße haben die Arbeiter wiederholt bei der Direktion vorstellig werden müssen, um die Be- seittgung verschiedener Mißstände herbeizuführen. Und es muß an- erkannt werden, daß geäußerte Wünsche in Bezug auf hygienische Verbesserungen Berücksichtigung gefunden haben. Trotz alledem bleibt noch viel zu thun übrig. So Ilagen die Arbeiter jetzt Haupt- sächlich über die mangelhafte Beleuchtung, die im Betriebe herrscht. Neben den dadurch zu befürchtenden Augenkrankheiten wird auch die Unfallgefahr bedeutend erhöht und sollte eS Aufgabe der Betriebsleitung sein, nicht mehr zw zögern und für eine vermehrte Beleuchtung Sorge zu tragen. Auch der Zustand der Klosetts und der Wasserleitung bedarf dringend der Aenderung. Während das Waschwasser eine rötliche Färbung besitzt, erscheint das T r i n k w a s s e r mit weißen Flocken vermischt, das dazu angethan ist, neben seiner Unappetitlichkeit gesundheits- schädlich zu wirken. Der Wunsch der dort beschäftigten Arbeiter gebt dahin, daß diese Mißstände, deren Vorhandensein in einem städtischen Betriebe nicht gerade angenehm wirkt, so rasch als möglich beseitigt werden. Bei dieser Gelegenheit sprechen die städttschen Arbeiter noch einmal ihr Bedauern darüber aus, daß man bisher in keinem Betriebe der Stadt dazu übergegangen ist. die vorhandenen Arbeiterausschüsie von Seiten der Leitung einmal darüber zu be- ftagen, ob sie bezüglich ihres Arbeitsverhältnisses irgend welche Wünsche haben. Obgleich in dem Reglement für diese Ausschüsse festgelegt ist. daß„über sonstige, aus das Wohl der Arbeiter bezügliche Fragen auf Verlangen des Direktors gutachtliche Aeußerungen abzugeben sind, hat man es bis jetzt verabsäumt, sich in dieser Form mit den Arbeitern zu verständigen und es lieber darauf ankommen lassen, durch den Druck der Oeffentlichkeit die zwingende Notwendigkeit der Arbeiterforderungen anzuerkennen. Ja, als selbst aus der Mitte der bestehenden Arbeiterausschüsse heraus eine engere Kommission gebildet wurde, die eine Aussprache mit der Direktton herbeiführen sollte, winde dieselbe mit der Motivierung ab gelehnt, daß Antrage der Arbeiterschaft, welche allgemeine Arbeiter angelegenheiten betreffen, durch Vermittelung der Ausschüsse und nach den Vorschriften deS Reglements zur Erörterung zu bringen seien. St. Bureaukrattsmus, was zeittgst du für Blüten l Der Ausschuß wendet sich an den Bettiebsdirigcnten und Vorsitzenden des Ausschusses um Erfüllung dieses oder jenes Punktes. Derselbe er- kennt die Berechtigung der Forderung an, ist aber nicht im stände, diese selbst zu bewilligen und verweist die Ausschußmitglieder an die Direktton. Die Direktton lehnt es ab, mit den berufenen Verttetern der Arbeiter über die gestellten Anträge in Verhandlung zu treten und zwingt dieselben dadurch, auf dem Wege des Petitionierens die Erfüllung der Forderung zu erkämpfen. So gestaltet man den Ausschuß zu einer rein dekorativen Institution und wenn die Arbeiter dies durchschauen und in Versammlungen bekunden, dann kommt man im Brustton verletzter Arbeiterfteundlichkeit und schimpft auf die unzufrieoenen Elemente. Vielleicht veranlaßt der Berliner Magisttat verschiedene Betriebe direktoren einmal zum Studium von Arbeiterausschuß-Reglements von Privatbettiebeu— allerdings nicht der schlechten— tun dann zu finden, daß die Socialpolitik der Stadt Berlin noch sehr entwicklungsfähig ist. Eine„gemütliche" Rrntrnquetsche hat die Sektion I der Nordöstlichen Baugewerks-BerufSgenossenschaft in dem Hause Grohbeerensiraße 28 ck errichtet. Mit seinem wissen schaftlichen Namen heißt das Ding„Unfall-Klinik" und dient dem Zweck, arme Unfallrentner dort ärztlich zu beobachten und zu be handeln, um den Grad ihrer Arbeitsunfähigkeit festzustellen, eventuell deren Erwerbsfähigkeit möglichjt wieder zu erhöhen. Die Leitung dieses Jnstttuts liegt in den Händen eines Herrn Dr. R oemert, dem für ge- wöhnlich ein Assistenzarzt zur Seite steht. Gegenwärtig sind in der Klinik 13 Pattcilten anwesciid, für etwa 20 Mann ist Raum Vorhemden. So nützlich das Institut nun auch— für die Berufsgenossenschaft sein mag, so wenig gefällt es den Verletzten daselbst. Anscheinend be- kümmern sich die Aerzte nur in ungenügendem Maße um die Leute. So z. B. beklagen sich diese darüber, daß sie nur ganz selteii unter- sucht werden. Leute, die schon bis zu 18 Wochen dort zubringen, wollen nur 1-�2 mal einer gründlichen ärztlichen Untersuchung unter- zogen worden sein. Krankenjournale sind ihnen nicht bekannt. Lebhaste Beschwerde wird auch über mangelnde Reinlichkeit geführt. So giebt es nur alle 3 bis 10 Wochen reine Bett' wasche; seit drei Wochen hat sich niemand mehr baden können; die Zimmer sind voller Wanzen. Die Hausordnung besagt zwar, daß es Anstaltskleider geben soll, doch tragen sämtliche Patienten ihre eigne Kleidung, ohne daß sie dafür eine Vergüttgung erhalten. Sämtliche Insassen der Klinik sind nun der Meinung, daß, wenn man sich doch nicht genügend um sie kümmert, man sie dann ebenso gut hätte zu Hause lassen können. An ihrem körperlichen Zustande kann so wie so meistens nichts mehr gebessert werden, des- halb empfinden sie die berufsgenossenschaftlich angeordnete Jnter- nienxng in der Klinik auch nur als eine völlig unnöttge Maßregel, die lediglich erfolgt, um ihnen, wenn irgend angängig, die kärgliche Unfallrente zu kürzen. Die Liste der stimmfähigen Bürger Berlins , die vom 16. bis 30. Juli d. I. im Wahlbureau öffentlich ausgelegt worden war, ist von 17 080 Personen eingesehen worden. Die Liste der ersten Abteilung sahen 21 Personen, die der zweiten Abteilung 166 Personen und d,e der dritten Abteilung 13 400 Personen ein. Hierzu kamen noch 3664, deren Namen nicht in der Wählerliste verzeichnet waren. Von diesen haben 300 Personen Einspruch gegen die Nichteintragmrg in die Liste erhoben. Eine öffentliche Schreibstube für Stellenlose ist in Charlottenburg , Krummestr. 89, unter Beihilfe der Stadt, welche 2000 M. dafür bewilligt hat, ins Leben gerufen worden. Die Fürsorge für Arbeits- lose liegt ja in der RcichShauptstadt und ihrer Unigebung noch außerordentlich ün Argen, weder sind von den Kommunen irgend welche Schritte unternommen, eine Versicherung gegen Arbeitslosig- keit herbeizuführen, noch versucht man ernsthaft, den Arbeitslosen Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. Es ist daher nur mit Genug- thuung zu begrüßen, daß ivemgstenS für eine Kategorie Arbeitsloser — es kommen hier in erster Linie stellenlose Kauflente, Schreiber sowie andre Personen, die zu harter Handarbeit unfähig sind, in Betracht— eine notdürftige Hilfe geschaffen werden soll. Die Einrichtung einer Schreibstube, die nicht darauf ausgeht, Gewinne für den Unternehmer zu erzielen, ist um so angebrachter, als in den bestehenden Schreibstuben bekanntlich eine ganz außer- ordentliche Ausbeutung der Arbeitenden die Regel bildet; die öffentliche Schreibstube braucht hierauf begreiflicherweise nicht zu sehe». Dem Komitee für die Schreibstube gehören Stadtverordnete aller Parteien, sowie Frau Stadttat Weber und Frau Stadttat Dr. Jasttow an. Protektlouswcseu bei der Besetzung kommunaler Arztstellcu. Der „Berliner Aerzte-Korrespondenz" schreibt ein Arzt: «Der College— r regt sich in der vorletzten Nummer dieser Zeitung über die Protektion bei der Besetzung von Schularzt- Stellen auf. Für den Kenner der Verhältnisse hat die Sache absolut nichts mehr Aufregendes. Ein solcher weiß,, daß die Schul- und besonders die Armenarztstellen weiter nicht!; sind, als ganz fette lebenslängliche Renten für die Söhne, Bettern und Neffen der liberalen Stadtväter. Jeder Kollege könnte Wohl zu diesem Thema einen lehrreichen Beitrag liefern, ich amh. Vor einigen Jahren kam von außerhalb ein Kollege voll- kommen fremd nach Berlin , um auch einem tiefgefühlten Vedürfliis abzuhelfen und siehe dal in kurzer Zeit hätte c.-r eine gute Praxis. Unkundige Leute schrieben dieses natürlich seiner außer- ordentlichen Tüchtigkeit zu. Die Eingeweihten aber wußten die wahre Sachlage, welche, wie so oft, die Dinge in ein ganz andres Licht setzen. Der Oiikel des Kollegen war zufällig— Stadtverordneter und— bald hatte der Kollege eine Armenarztstelle mit 1200 M. weg; sein Bruder war zufällig der Besitzer emer großen Fabrik, trat mit seinem Bettieb eigens aus der betr. Onts-Krankenkasse aus und stellte ihn natürlich als alleinigen Arzt bei der neu ge- gründeten Betriebs-Kranlenkasse an." Was sagen die„liberalen Stadtväter" zu diesen Vorwürfen, die Pen sie in einem Blatte erhoben werden, das ihn er politisch jeden- s näher steht, als uns? Die neue Orthographie auf dem Standesamt. Die Ein« führung der neuen Rechtschreibung auf den Standesämtern betrifft eine neue Verfügung des Ministers des Innern. Die Standes- beamtcn haben demnach im Text der von ihnen aufgenommenen Urkunden die Vornamen solcher Personen, welche als Anzeigende bei Geburts- oder Sterbefällen, als Eheschließende, Eheschließungs- zeugen oder behufs Aufnahme einer sonstigen Urkunde vor ihnen erscheinen, grundsätzlich und ohne Rücksicht auf eine etwaige ab- weichende Schreibart in vorgelegten älteren Urkunden oder eine abweichende Unterschrift der Beteiligten selbst in der von dem köuig- lichen Staatsministerium beschlossenen neuen Rechtschreibung ein- zutragen und zugleich in den zahlreichen Fällen, in denen den Be- teiligten die Schreibart ihres Vornamens gleichgültig ist, auf diese dahin einzuwirken, daß sie sich bei Abgabe ihrer Unterschrift der nämlichen Schreibweise bedienen. Desgleichen ist bei Ein- tragungen in das Geburtsregister die neue Schreibweise anzuwenden. falls nicht der zur Erteilung der Vornamen an das Kind Be- rechtigte eine andre Schreibart ausdrücklich vevlangt. Den Unternehmern noch wenig bekannt ist die Bestimmung des § 629 des Bürgerlichen Gesetzbuches , welche besagt: „Nach der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses hat der Dienstberechtigte(Unternehmer) dem Verpflichteten(Arbeiter) ans Verlangen angemessene Zeit zum Aufsuchen eines andren Dienst- Verhältnisses zu gewähren." Aber auch viele Arbeiter übersehen, daß der Urlaub nur„auf Verlangen" zu gewähren ist. Sie bleiben daher öfter ohne das Verlangen nach Urlaub gestellt zu haben, von der Arbeit weg und riskieren dadurch eine Entlassung wegen unbefugten Verlajsens der Arbeit. Eine eigne KnabenhandarbeitS-Werkstättc ist in diesem Sommer- Halbjahr in dem neuen großen Genossenschastshause eingerichtet worden, das der Berliner Beamten-WohnnngSverein an der Wichertsttaße nahe dem Ringbahnhof„Schönhauser Allee " sich hat erbauen lassei«. Der hiesige Hauptverein für Knabenhandarveit, der seit einer Reihe von Jahren in jeden, Halbjahr öffentliche Unterrichtskurse veranstaltet und an verschiedenen Stellen der Stadt in Schulgebäuden seine Werkstätten besitzt, giebt in der Werkstätte des Beamten-Wohnungsvereins den schulpflichtigen Jungen der Hausbewohner einen besonderen Kursus in leichter Holzarbeit. Der vom Hauptvercii« mit der Leitung des Kursus betraute KnabenhandarbeitS-Lehrer hat für dieses Unternehmen eincii eignen Lehrgang aufgestellt, der den hier gegebenen besonderen Verhältnissen angepaßt ist. Die Kosten des Kursus werden vom Hauptverein für Knabenhandarbeit getragen, so daß der Unterricht unentgeltlich er- teilt werden kann. Die Kosten, die aus der Einrichtung der Werk- statte, aus der Beschaffung der Werkzeuge usw. erwachsen sind, hat der Beamten-Wohnungsvcrein übernommen. Es hmidelt sich hier um einen Bersuch, den der Leiter des Berliner Hanptvereins für Knabenhandarbeit als aussichtsvoll ansieht, und von dem er wünscht, daß man ihn in andren Häusern ähnlicher Art nachahme. Folgen eines Insektenstiches. Der bei seinen Verwandten zu Besuch hier weilende Kaufmann Berthold Müller war vor einigen Tagen im Garten eines kleinen Laubengrundstllcks mit der Ernte von Beeren beschäftigt. Dabei wurde er von einer großen, grünlich schillernden Fliege in die Hand gestochen. Anfangs achtete M. nicht weiter auf oie winzig kleine Wunde und als sich eine kleine Ge- schwulst zeigte, legte er essigsaure Thonerde auf. Die Hand wurde aber immer dicker und blaurot, so daß M. zu einem Arzt ging. Dieser erkannte alßbald die vorliegende große Gefahr ,md ließ M. nach einer Klinik überfiihrcn, wo ihm die Hand abgenommen wurde. Dieser Fall lehrt wieder, wie große Vorsicht nöttg ist, weim ein Insektenstich ansängt, böSarttg zu verlaufen. Rechtzsittge ärzt- liche Behandlung wird fast immer die schlimmen Folgen abwehren können. Elf Messerstiche erhielt in der Nacht zum Sonntag der 22; Jahre alte„Arbeiter" Willy Gritzmann auS der Soldinerstr. 92, ein ge« fürchteter Raufbold. Gegen 1 Uhr hörten Leute, die sich emf dem Heimwege befanden, von der Ecke der Soldiner- und Freieuwalder- straße her Hilferufe und fanden dort Gritzmann in ein» großen Blutlache liegen, während ein Mädchen und drei junge Burschen davonliefen und entkamen. Mit diesen hatte der Verwundete augenscheinlich eine Prügelei gehabt. Ein Schutzmann, der gerufen wurde, brachte Gritzmann nach der Unfallstatton in der Badstraße und von dort mit einem Lückschen Wagen nach der Eharitü. Starke Blutspuren bezeichneten am Sonntagmorgen noch den Weg durch die Freienwalder-, Christiania - und Grüiithalerstraße nach der Suition. Die Aerzte stellten elf Messerstiche in die Unterarme und die Hände fest. Da auch Adern und Sehnen durchschlagen sind, so liegt der Verletzte sehr schwer danieder, noch schwerer als vor drei Jahren einmal, wo er 17 Messerstiche erhielt. D,e Thäter sind noch nicht ermittelt. Wie vor drei Jahren, so weigert sich der Gestochene auch jetzt wieder, sie anzugeben, obwohl er sie genau kennt. Gritzmann war vor zwei Jahren nach der Silvesterfeier der Rädelsführer bei dem mehrfach erwähnten Sturm auf die Polizeiwache des 9. Reviers und erhielt dafür eine längere Gefängnissttafe. Ob er diesmal mit dem Leben davonkommen tvird. ist sehr fraglich. Entführt? Die 16 Jahre alte Verkäuferin Gertrud Kampinann, die Tochter eines Dachdeckers aus der Mulackstr. 14, die in einem Jupongefchäft in der Leipziaersttahe angestellt war, lernte im März diese« JahreS in einer Konditorei, die sie mit einer Mitangestellten besuchte, einen 29 Jahre alten Jngenier Dr. P. aus der Kronen« straße kennen. Als die Eltern von diesen Beziehungen bor 6 Wochen durch andre Mädchen erfuhren, untersagten sie ihrer Tochter jeden weiteren Verkehr mit dem Manne. Während ihrer Geschäftsferien aber mußten sie sie drei Tage einsperren, um sie zu Hause zu behalten. Am Mittwoch voriger Woche verließ das Mädchen nach Tisch wie gewöhnlich gegen 2 Uhr die elterliche Wohnung und sollte um S'/a Uhr im Geschäft sein, kam aber dort nicht an und ließ seitdem nichts mehr von sich hören. Die besorgten Eltern fragten wiederholt in der Kronensttaße an, erhielten aber von den Wirts- leuten des Ingenieurs nur die Antwort, der Herr sei verreist. Die Vermißte ist eme auffallend hübsche Blondine. Zu eine« Znsammenstoß zwischen einem Möbelwagen und Kremser kam eS gestern vormittag auf dem nach Pichelswerder führenden Wege im Grunewald. Der mit provisorischen Sitzbänken versehene Möbelwagen, der in langsamem Schritt die Straße entlang uhr, war von einer Ausflügler-Gesellschast besetzt. Der Kremser, welcher ebenfalls Ausflügler nach dem Grunewald brachte, versuchte
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