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sortdauernde Arbeitslosigteit, mangelnde Nahmng und Kleidung kamen fie mehr und mehr herunter und sanken, im Alkohol Be- täubung ihres Elends suchend, ohne daß ihnen die bürgerliche Gesellschaft eine Stütze, einen Halt bot, von Stufe zu Stufe immer tiefer hinab bis in den Schlamm der Straße, aus dem ein Wiedererheben um so schwieriger, je leichter die lockende Gelegen- heit und eine alle Moralbegriffe erstickende Atmosphäre ein völliges Versinken ins Verbrechertum machen. Welch eine Summe prodnktionsfähiger Arbeitskraft verliert alljährlich daS Deutsche Reicki, dessen nationalökonomische Weisen wohl die Züchtung von 6000 Millionären und die Anwerbung italienischer, böhmischer, polnischer und russischer Lohndrücker verstehen, aber nicht im stände sind, fiir die 230 000 alljährlich alsVagabunden" auf die Straße Geworfenen Arbeit zu beschaffen. Wenn wir sie so dasitzen sehen auf den langen Bänken, eng aneinander gepreßt, meist gebrochene, hinfällige, aber auch gesunde, robuste Gestalten, in allen Altersstufen von 17 70 Jahren, wie sie in fortwährendem Kampfe gegen den Schlaf von den sengenden Sonnenstrahlen sich bräunen lassen und beim Nahen des mit dem wichtigen Wecker- amt betrauten Schutzmanns gegenseitig sich wachstoßen der Menschheit ganzer Jammer faßt uns an, aber zugleich ein heißes Gefühl sittlicher Entrüstung über die armseligen Machthaber und kläglichen Anwalte einer Gesellschaftsordnung, deren Weisheit Quintessenz mit der Order endet:Ueberweisung an die Landes- Polizeibehörde!" An dasArmenhaus!" Selbst Berliik, die Hauptstadt des Reichs der Gottesfurcht und frommen Sitte mit ihren unzähligen Kirchen, die mit den schönsten Schmuckanlagen umgeben sind, weiß diesen Aermstcn nicht anders zu helfen. Des Winters füllen sie die Asyle und in den Sommer- nächten schlafen sie in den Hainen oder, wenn eine Razzia zu vermuten ist, an den stillen Kirchenmauern unter den dunklen Gebüschen der städtischen Aulagen. Am Tage dürfen sie auf den Bänken ausruhen; nur schlafen dürfen sie nicht. Aber mit offenen Augen dürfen sie zuschauen, welch liebevolle Sorgfalt, welch rastlose Mühe die schönste Stadt der Welt auf die Pflege aller einheimischen, be- sonders aber der teuren südländischen Pflanzen und Sträucher ihrer Schmuckanlagen verwendet. Mit offenen Augen dürfen fie zuschauen, wie die schönste Stadt der Welt die grünen Rasen- flächen monatlich niehrnials. rasieren läßt und durch eiserne Ein- fassungen und Drahtgeflechte gegen jede Verletzung schützt. Mit offenen Augen dürfen sie zuschauen, wie von der schönsten Stadt der Welt rings um jede Pflanze das Erdreich bettenweich aufgelockert, von Unkraut befteit, mit ftischer Nahrung gedüngt und getränkt wird, wie Blätter und Stengel von Raupen und Blattläufen gesäubert werden das alles dürfen dieSonnenbrüder" kostenlos mit- anschauen; aber wehe ihnen, wollten sie von der schönsten Stadt der Welt eine nur halb so gute Behandlung verlangen, wie man sie den Pflanzen angedeihen läßt, da kämen sie schön an:Ueberweisung zc." wäre die Antwort I Und doch, hätte nicht�manch einer ein Recht, diese Forderung an die Gesellschaft zu stellen? Hat sie ihm gegenüber ihre Pflichten erfüllt? Hat sie ihn in seiner Jugend wie eine junge Pflanze gepflegt und behütet? Wie manch' einer mag nicht ohne Berechtigung in finsterem Groll die erbitterten Worte Berangers ausstoßen dürfen: Ihr hättet mich erdrücken sollen, wie ich das Licht der Welt erblickt; Ihr hättet mich erziehen sollen, wie sich's für einen Menschen schickt; Ich wäre nicht der Wurm geworden, den ihr euch abzuwehren sucht; Ich hätt' euch brüderlich geholfen und euch im Tode nicht geflucht." Auch denVagabunden", denSonnenbrüdern" wird die Stunde der Erlösung schlagen; freilich nicht unter dieser Gesellschafts- ordnung, wohl aber wenn die rote Sonne der Gerechtigkeit siegend emporsteigt und alle Kinder der Finsternis in Söhne des Lichtes ver- wandelt, in Brüder der Sonne! Die Landes-Bcrsicherungsanstalt Berlin   teilt mit, daß gegen das Vorjahr die Ablehnungen von Jnvalidenrenten-Anträgen um rund ,10 Proz. gestiegen sind. Die Ablehnungen wegen Erlöschens der Anwartschaft treten immer mehr in den Vordergrund, weshalb die Versicherten darauf aufmerksam gemacht werden, regelmäßig Marken zu kleben, da sie sonst ihrer Anrechte aus der Versicherung verlustig gehen. Die Anwartschaft erlischt, wenn während zweier Jahre nach dem auf der Quittungskarte verzeichneten Ausstellungstag ein die Versicheruugspflicht begründendes Arbeits- oder Dienstverhältnis, oder die Weiterverficherung nicht oder in weniger als insgesamt zwanzig Beitragswochen bestanden hat. Bei der Selbst- Versicherung und ihrer Fortsetzung müssen zur Auftechterhaltung der Anwartschaft während zweier Jahre mindestens 40 Beiträge ent- richtet werden. Einen bösen Auftritt gab es am Montagnachmittag in der Swinemünderstraße. Um ö'/s Uhr fuhren fünf Mädchen und drei Zuhälter, die eine Spazierfahrt gemacht hatten, vor der Schankwirt- schast von Carl in dem Hause Nr. 114 vor und ließen die drei Droschken vor der Thür halten. Auch die Kutscher gingen einer nach dem andern ab und zu in das Lokal hinein. Als nach einer halben Stunde Polizeiwachtmeister Groß vom 90. Revier vorbeikam, forderte er die Kutscher   auf. weiter zu fahren, da an der Schankwirtschast kein Halteplatz sei. Sie hätten schon zu lange dagestanden und hemmten den Verkehr. Da einer der Kutscher   gerade in der Schankstube war, so rief er auch diesem die Aufforderung durch die Thür hinein. Sofort sprangen nun die fünf Weiber und ihre Zuhälter auf, liefen hinaus und um- ringten unter Schimpfen den Wachtmeister mit geschwungenen Schirmen und Stöcken. Der Bedrohte, der einige Schläge erhielt und dem die Burschen den Säbel entreißen wollten, erhielt aus sein Notzeichen alsbald Hilfe von zwei Schutzmännern, die am Vineta- platz standen. Das Gesindel zog sich nun in die Wirtschaft zurück, wurde aber, nachdem noch zehn Schutzmänner von der Wache ge- kommen waren, herausgeholt und nach der Revierwache in der Demminerstratze gebracht, um der Kriminalpolizei zu- ( geführt zu werden. Ungefähr zwei Stunden später um- teilte die ganze verfiigbare Mannschaft die Schänke, hob fie zum zweitenmal aus und brachte noch vier Mädchen und ebenso viele Männer nach der Wache. Hunderte von Menschen, Er- wachsene und Kinder, machten vor dem Lokal, auf dem Wege zur Wache und vor dieser durch Johlen und Pfeifen einen Heidenlärm. Wachtmeister Groß ist durch die Schläge nur leicht verletzt. Die Rohrleger der Firma David Growe, Friedrichstraße, wollen in diesem Jahre wieder eine Dampferpartie unternehmen, wie es für den Betrieb schon seit längerer Zeit üblich war. Nun lvird aber em sanfter Druck auf die Arbeiter ausgeübt, bei dieser Gelegenheit ein gesperrtes Lokal in Rauchfangwerder zu be- suchen. Die Finna würde jedenfalls gut thun, den Arbeitern die Wahl eines Lokals selbst zu überlassen, ehe es deswegen noch zu Differenzen kommt. Polizeilich beschlagnahmt wurde die Leiche der 40 Jahre alten Arbeiterfrau Emma Linke geb. Schiller aus der Fehrbellinerstr. 30. Als ihr Mann gestern mittag zum Essen nach Hause kam, fand er sie tot im Bette liegen. Die bis dahin ganz gesunde kinderlose Frau hatte morgens über Brustschmerzen geklagt. Der Arzt, der ihren Tod feststellte, konnte die Ursache ihres Ablebens nicht angeben. Wenn man keinen Hausschlüssel hat. Der 44 Jahre alte Arbeiter August Herfort aus der Schliemannstraße 16 besuchte am Sonnabend-, abend mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder mehrere Schank- wirtschaften und kam um 1 Uhr nachts nach Hause. Erst im letzten Augenblick merkte er, daß er den Hausschlüssel vergessen hatte. Vor der Thür stand nun gerade der 36 Jahre alte Schuhmacher Emil Herrmann  , der sich von einem Freunde verabschiedete und eben in das Haus zurückkehren wollte. Herfort nahm von seinem Bruder Emil, der nach der Ebelingstraße weiterging, rasch Abschied und bat Herrmann, ihn mit einzulassen, da er den Schlüssel vergessen habe. Herrinann kannte ihn aber nicht, obwohl beide seit zwei Jahren in demselben Hause wohnen, und weigerte sich daher, ihn durchzulassen, weil sonst jeder mit einem solchen Anliegen kommen könne, um sich einzuschleichen. Jetzt versuchte es der Abgewiesene mit Gewalt. Sein Bruder, der den Wortwechsel hörte, kam zurückgelaufen und stand ihm bei, während Herrmann von seinem Freunde Unterstützung erhielt. Bei Brüder stemmten sich mit Händen und Füßen gegen die Hausthür, um sie aufzudrücken, hatten aber keinen Erfolg. Das Ende dieses Kampfes war, daß August Herfort der kleine Finger der rechten Hand zerquetscht wurde und sein Bruder zwei Messerstiche in den Kopf erhielt. Die Verletzten zogen sich nun zurück, erhielten auf der nächsten Unfallstation einen Verband und ließen dann von einem Wächter die Thür aufschließen. Während die Kopfverletzungen Emils weniger bedenklich sind, mußte August Herfort gestern ein Krankenhaus aufsuchen. Wer gestochen hat, ob Herrmann oder sein Freund, steht noch nicht fest. Die Angelegen- heit beschäftigt jetzt die Kriminalpolizei. Herfort und Herrmann sind beide Familienväter und waren bisher ganz ruhige und fried- liche Menschen. Vermutlich beim Angeln ertrunken ist der Tischler Paul Schulz aus Köpenick  . Schulz war am Sonnabendabend aus seiner Wohnung Bahnhofftr. 7 fortgegangen, um zu angeln, wie er zu seinen Ver- wandten gesagt. Jedenfalls ist er infolge des herrschenden Stunnes von den Wellen in die Fluten der Spree   gerissen werden, da er bis zur Stunde noch nicht zurückgekehrt ist. Ein gefährlicher Bursche ist vorgestern abend in hgr Person des 24jäbrigen Hausdieners B. der 18. Polizeiwache in der Königstraße zugeführt worden. Als gegen 11 Uhr die Frau eines Hausbesitzers aus der Alten Schützenstraße auf dem Nachhausewege begriffen, die Gollnowstraße an der Neuen Königstraße passierte, wurde sie von B. angesprochen und thätlich belästigt. Als die Dame ein derartiges Betragen zurückwies und gegen den Zudringlichen abwehrend die rechte Hand emporstreckte, versetzte ihr der rohe Patron mit einem Stock einen derartig wuchtigen Hieb über den Ann, daß die Haut aufriß. Ehe B. noch zum zweitenmal zuschlagen konnte, wurde er von Passanten festgehalten. In diesem Augenblick kam ein Herr hinzu, welcher in dem Hausdiener einen Burschen erkannte, der kurz vorher in der Linien- und in der Mendelssohnstraße Frauen be- lästigt hatte. Seiner Festnahme hatte er sich jedoch in diesen beiden Fällen durch die Flucht entzogen. Die Erbitterung der an- gesammelten Menschenmenge gegen den rohen Patron steigerte sich durch diese Mitteilung derartig, daß sofort ein Akt der Lynchjustiz an ihm vorgenommen wurde. Aus verschiedenen Wunden blutend wurde dann B. der zuständigen 18. Polizeiwache zugeführt. Nach dem Genuß von Pfefferlingen erkrankt ist die Familie des Kaufmanns R. in der Keibelstraße, die gelegentlich eines Ausfluges nach Hermsdorf die eßbaren Pilze gesammelt hatte. Jedenfalls mutz jedoch ein Giftpilz darunter gewesen sein, denn gestern nachmittag, nachdem die R.sche Familie die Pfefferlinas verzehrt hatte, erkrankten sämtliche Mitglieder unter Vergiftungserscheinungen. Einem sofort hinzugerufenen Arzt gelang es, durch Anwendung geeigneter Gegen- mittel jede Lebensgefahr zu beseitigen. Die Erkrankten befinden sich wieder aus dem Wege der Besserung. Fahrstnhlunglück. Am Montagvornrittag zwischen 8 und 9 Uhr ereignete sich in der Tapetenfabrik von Liepmann, Strelitzerstr. 60, ein furchtbares Fahrstuhlunglück. Als zur erwähnten Zeit der Ar- beiter Müller im dritten Stock Papier   auf den Fahrstuhl laden wollte, riß das Drahtseil, woran der Fahrstuhl befestigt war. Der Fahr- stuhl stürzte, den Arbeiter Müller mit sich reißend, in den Keller hinab. Mit schweren Verletzungen an Kopf, Armen und Beinen wurde Müller hervorgezogen. Die Verletzungen erwiesen sich als so schwere, daß der Verletzte unter den Händen des Arztes, ohne die Besinnung zurückerlangt, zu haben, starb. Die Leiche wurde im Lauf des Vormittags nach dem Schauhause übergeführt. Der Große Preis von Berlin  . Eine erstklassige internationale Konkurrenz wird am Sonntag. 23. August, im Sportpark Friedenau  in dem 100 Kilometer-Rennen um den Großen Preis von Berlin  versammelt sein, in welchem die außerordentlich hohen Barprcise von 3000, 1300, 1000, 730, 300 und 300 Mark ausgesetzt worden sind. In erster Linie sind der ausgezeichnete Franzose Contenet, der Inhaber des Stunden- und 100 Kilometer-Weltrekords, und Thaddäus Robl  , unser bester deutscher Steher und Welt- meisterfahrer pro 1901 und 1902, zu nennen, deren Start sich die Friedenauer   Direktion rechtzeitig zu sichern gewußt hat. Als schärfster Gegney wird sich den beiden der Holländer Piet Dickentmann entgegenstellen, der am letzten Sonntag bewiesen hat, daß er überaus schnell und jeder Konkurrenz die Spitze bieten kann. Das Sechser- feld, welches den Großen Preis bestreiten soll, wird durch Görne- mann, Käser und Rhser vervollständigt. IZiis den Nachbarorten. Rixdorf. Von religiösem Wahnsinn befallen worden ist eine in der Jägerstratze Hierselbst wohnhafte Frau Anna K. Dieselbe be- suchte längere Zeit sehr eiftig die religiösen Versainmlungen einer kleinen Sekte, die sichAdventtisten" nennen. Die Folge hiervon war. daß die Aermste schließlich Spuren von Geistesgestörtheit zeigte und sichZion, die Dienerin Gottes  " nannte. Weil sie wieder- holt in der Sekte Aergernis gab, schloß man die K. schließlich aus. Seitdem versucht die Unglückliche dieWelt.zu bekehren". Voii früh bis spät fitzt sie und beschreibt ganze Stöße Postkarten mit Bibelverseu und allerhand phantastischen Erzählungen über ihre Verfolgung, die sie dann an alle Welt verschickt. Die Unterschrift diefer Postkarten lautet:Zion, Verwalterin des Reiches Christi und Reviforin des Gesetzes". Da die Familie der Unglücklichen unter deren Krankheit viel zu leiden hat, will man jetzt versuchen, die Kranke in einer Nervenheilanstalt unterzubringen. Die Wahl des Magistrats- Assessors Hoffmann in Berlin   zum besoldeten Stadtrat in Rixdorf ist jetzt vom Regierungspräsidenten in Potsdam   bestätigt worden. Herr Hofftnann wird sein hiesiges Amt demnächst an- treten. Vom hiesigen städtischen Arbeitsnachweis wurden im Monat Juli von 218 Arbeitgebern insgesamt 263 Personen zur Beschäftigung gesucht und zwar: 34 Handwerker, 22 Fabrik- arbeiter, 93 ungelernte Arbeiter, 31 Dienstmädchen, 28 Fabrik- arb eiterinnen, 22 ungelernte Arbeiterinnen und 33 jugendliche Per- sonen unter 16 Jahren. Beschäftigung suchten 381 Perfonen, nämlich 102 Handwerker, 78 Fabrikarbeiter, 201 ungelernte Arbeiter, 11 Dienst- mädchen, 22 Fabrikarbeiterinnen, 38 ungelernte Arbeiterinnen und 49 jugendliche Personen unter 16 Jahren. Hiervon erhielten 230 Personen Arbeit nachgewiesen und zwar: 31 Handwerker. 22 Fabrikarbeiter, 93 ungelernte Arbeiter, 11 Dienstmädchen, 20 Fabrikarbeiterinnen, 22 ungelernte Arbeiterinnen und 31 jugendliche Personen unter 16 Jahren. In 190 Fällen wurde der Fernsprecher zur Vermittelung benutzt. Aus der Radrennbahn gestürzt ist der 26 Jahre alte Rennfahrer Fritz Winnermann aus Breslau  , Kupferschmiedstr. 48, der hierher gekommen war, um sich auf der Friedenauer Bahn für die nächsten Preisrennen vorzubereiten. Er zog sich am Kopf, an den Armen und an den Beinen so bedeutende Verletzungen zu, daß er ein Krankenhaus aufsuchen mußte. Verloren. Am Montagabend hat der Mechaniker Reinhold Prüssel, wahrscheinlich auf dem Wege von der Rheinstraße in Friedenau   nach dem Bahnhof Wilmersdorf  , ein Notizbuch mit Bei- tragsmarken des Deutschen   Metallarbciter-Verbandes verloren. Bei Abgabe des Fundes auf dem Bureau des Metallarbeiter-Verbandes, Engel-Ufer 15, wird dem ehrlichen Finder die Vergütung aller Un- kosten zugesagt._ Gerichts-Zeitung. Der Kampf des Amtsvorstehers gegen den Umsturz. Am Sonnabend, den I. August, mußte sich der Reichstags- Abgeordnete Fritz Zubeil   vor dem königlichen Schöffengericht in Köpenick   verantworten; derselbe Kar angeklagt, am 20. April 1902 in Müggelheim   in einer Volksversammlung durch zwei selbständige Handlungen: 1. die Gendarmen Herholtz und Brockmann öffentlich beleidigt zu haben; 2. den Amtsvorstcher v. d. Decken in Schmöckwitz   in der öffent- lichen Meinung herabgewürdigt und verächtlich gemacht zu haben. Beide Strafthaten wurden zusammen verbunden. Der An- geklagte, der sich selbst verteidigte und auch ohne Zeugen erschienen war. bestritt, sich im Sinne der Anklage schuldig gemacht zu haben. Die beiden als Zeugen geladenen Gendarmen sagten unter ihrem Eide   aus, daß der Angeklagte seinen Vortrag sehr sachlich und ruhig gehalten und erst in seinem längeren Schlußwort in eine gereizte Stimmung geraten sei durch die Bekanntgabe, daß der Gastwirt Brix aus Strafe dafür, seinen Saal den Socialdemokraten geöffnet zu haben, auf die Polizeistunde gesetzt sei. Hier habe der Angeklagte ausgeführt, nach Verfassung und Gesetz sei jeder Preuße berechtigt. sich zu jeder Zeit ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu ver- fammcln, nur die beiden Beamten machten eine Ausnahme, trotzdem sie die überflüssigsten Menschen seien. Hier sei die Versammlung in großes Gelächter ausgebrochen. Der Angeklagte bestritt diese wider- sinnige Aeutzernng auf das lebhafteste, zeigte an der Hand von Er- fahrungen, wie schwer es sei für die Beamten, die nicht steno- graphieren können, einem Vortrage mit Schlußwort ca. 2V, Stunden verständnisvoll zu folgen. In der Regel würden einige Sätze aus dem Zusammenhang herausgegriffen und darauf die Anklage basiert. Der Angeklagte führte ferner aus, daß er diese beleidigende Aeutzerung nicht gethan haben könne, da ihm doch bekannt sei. daß die Anwesenheit der überwachenden Beamten keine willkürliche, sondern durch das Vereinsgesctz bedingte sei. Wohl habe er im Laufe feiner Ausführungen die Aeußerung gethan, daß, so gut in konser- vativen und auch in andren bürgerlichen Versammlungen es sehr gut ohne Gendarmen gehe, auch die Socialdemokraten dieselben sehr wohl entbehren könnten und für überflüssig in unsren Versammlungen halten, doch hätten sie ein Recht dazu. Die beiden Gendarmen blieben bei ihrer Aussage, und somit war dieser Teil der Anklage erledigt. Die Verhandlung wegen Beleidigung des Amtsvorstehers ge- staltete sich interessanter. Dem Angeklagten stand ein großes Be- lastungsmaterial gegen den Amtsvorsteher zur Verfügung; alles Matzregelungen von Gastwirten, die durch die Umstände gezwungen wurden, gleiches Recht zu üben und auch der Socialdemokratie ihre Lokale zu Versammlungen öffneten, so in Müggelheim  , Eichwaldc, Zeuthen  , Schmöckwitz   usw. Durch geschickte Fragestellungen des An- geklagten wurde der Amtsvorsteher stark in die Enge getrieben. In Beantwortung der gestellten Fragen kam es zu einem interessanten Geständnis des Amtsvorstehers. Derselbe führte aus, daß er es für seine Pflicht erachte, die Anhänger der Umsturzpartei zu be- kämpfen und auchdiejenigenWirte, die der Umsturz- Partei ihre Lokalitäten zur Verfügung stellen. auf die Polizeistunde zu setzen; auch sei es ja bekannt. daß in den Lokalen, wo Socialdemokraten verkehren, dieselben leicht zu Ausschreitungen neigten, schon aus diesem Grunde im Verein mit Schankkontraventionen rechtfertigten sich Beschränkungen. Im übrigen könne er auf die einzelnen Fälle eine Auskunft äugen- blicklich nicht geben. Hiermit war auch in diesem Teile der Anklage die Beweisaufnahme geschlossen. Der Amtsanwalt führte in seinem Plaidoycr mis, der An- geklagte neige, wie seine Vorstrafen ergaben, sehr leicht dazu, Beamte wie die Gendarmen in Ausübung ihres schweren Amtes zu beleidigen; er beantrage für die Beleidigung der beiden Gendarmen die Strafe auf 100 Mark oder 10 Tage Gefängnis festzusetzen. Die Be- leidigung des Amtsvorstehers sei eine sehr schwere, der Angeflagte habe mit Ueberlegung gehandelt und den Amtsvorsteher nicht nur in der öffentlichen Meinung herabzusetzen versucht, sondern ihn auch verächtlich gemacht. Es sei durch nichts bewiesen, daß der Amts- Vorsteher sich eines Mitzbrauches der Amtsgewalt schuldig gemacht habe, er beantrage daher, da hier eine Geldstrafe nicht am Platze sei, 1 Monat Gefängnis. In seiner Verteidigungsrede ging der Angeklagte mit dem Amts- Vorsteher scharf ins Gericht. Er wies die Beleidigung gegen social- demokratische Arbeiter zurück und kennzeichnete die Amtshandlungen des Amtsvorstehers scharf; er bestritt noch einmal, die beiden Gendarmen als überflüssigste Menschen hinget ellt zu haben. Er habe in der Wahrung berechtigter Interessen gehandelt, weshalb ihm hier der Z 193 des Strafgesetzbuches zugebilligt werden müsse. Er be- antrage in beiden Fällen sein» Freifprechung. Nach längerer Beratung wurde das Urteil dahin verkündet, daß der Angeklagte wegen Beleidigung des Amtsvorslehcrs freizusprechen sei und die Kosten für diesen Teil der Anklage der Staatskasse aufzuerlegen seien; wegen Beleidigung der Gendarmen sei er zu einer Geldstrafe von 30 Mark und in die Kosten zu verurteilen. In der Begründung führte der Vorsitzende aus, durch die be- schworene Aussage des Amtsvorstehers sei erwiesen, daß Gast- Wirten seines Amtsbezirks, die den Socialdemokraten ihre Lokale zur Verfügung stellen, gcmatzregelt worden seien. Es mußte dem An- geklagten der§ 193 des Strafgesetzbuches zugebilligt werden und es war der Angeklagte deshalb freigesprochen worden. Kammergericht. Die ministeriellen Vorschriften, welche auf Grund der Gewerbe-Ordnung in ihrer.neucrcn Fassung über den Gewerbebetrieb der Auktionsform erlassen sind, verbieten eS den Versteigerern, neben ihrem Gewerbe bestimmte andre Gewerbe zu betreiben, und machen den Nebenbetrieb weiterer Gewerbe von einer behördlichen Erlaubnis abhängig. Ein Auktionator war bestraft worden, weil er o h n e besondere Erlaubnis neben der Versteigerung von Gegenständen auch den Verkauf solcher vollzogen hatte. Das Kanimergericht verwarf seine Revision und erklärte die ministeriellen Vorschriften für rechtsgültig. Sie gingen über die durch die Ge- werbe-Ordnung ermöglichte ministerielleRegelung" des Geschäfts- bctriebes der Auktionatoren nicht hinaus. Versammlungen. Der Mctallardeiter-Berband(Ortsverwaltung Berlin  ) hielt am Montag in Kellers großem Saal seine stark besuchte ordentliche Generalversammlung ab. Den gedruckt vorliegenden Kassenbericht vom zweiten Quartal gab P e tz o l d. Demnach balanzieren die Einnahmen und Ausgaben der Hauptkasie unter Ueberweisung eines Betrages von ca. 13 000 M. aus der Lokalkasse in der Summe von 136 323,41 M. In der Lokalkasse ver- bleibt ein Bestand von 123 569,37 M. An Streik- und MaßregelungS-Unterstützung wurde in diesem Quartal die be- trächtliche Summe von ca. 93 000 M. verausgabt. Die Ausgaben für Rechtsschutz betrugen 5960,70 M. und an Ortsunterstützung 20 706,80 M. An der Diskussion über den Kassenbericht, die sich im wesentlichen um die Erzielung größerer Ersparnisse drehte, beteiligten sich Litsin, Cohen, Wiesen thal und P e tz o l d. Allgemein anerkannt wurde dabei die Notwendigkeit der Ausgaben für Rechts- schütz, weil durch die gerichtlichen Entscheidungen in vielen Fällen die Unrechtmäßigkeit der polizeilichen Strafmandate betreffs des Streikposten» stehens dargethan worden ist und die streikenden Arbeiter der Berliner  Polizei gegenüber ihr gutes Recht allda gewahrt haben, wo es ihnen unter Berufung auf die Straßenpolizei-Berordnung zum guten Teil illusorisch gemacht werden sollte. Dem Rendanten wurde auf Antrag der Revisoren alsdann Decharge erteilt. Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, hat die kürzlich vorgenommene Erhöhung der Bei- träge auf den Mitgliederbestand einen nachteiligen Einfluß nicht aus» geübt, der Verwaltungsstelle gehören gegenwärtig ca. 37 000 Mit- glieder an. Die vorgenommenen Ergänzungswahlen zur engeren Ortsverwalwng ergaben folgendes Resultat: 2. Bevollmächtigter: Wiesenthal; Rendant: P e tz o l d; 2. Kassierer: H e n n i g; Bureaubeamter: Lubatsch. Die Erledigung der übrigen Tages- ordnung sowie die endgültige Wahl der Revisoren wurde bis zur nächsten Versammlung vertagt.